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SolarAktivHäuser im Betrieb

Ergebnisse einer Messkampagne in Deutschland

von Sven Kobelt, Dominik Bestenlehner und Harald Drück

Zur Erreichung der von der deutschen Bundesregierung gesetzten Klimaschutzziele besteht ein dringender Bedarf an CO2-reduzierten Wärmeversorgungskonzepten für Wohngebäude. Das SolarAktivHaus, dessen Gesamtwärmebedarf für Raumheizung und Trinkwassererwärmung zu mindestens 50 % solarthermisch gedeckt wird, erfüllt diese Anforderung hervorragend.

Einleitung

Typische Charakteristika des SolarAktivHaus-Konzepts sind ein sehr guter Wärmedämmstandard, eine große Kollektorfläche, ein thermischer Energiespeicher mit einer großen Kapazität, ein Niedertemperatur-Wärmeverteil­system und eine auf die Nutzung der passiven solaren Gewinne ausgerichtete Architektur. Typische Größen der Kernkomponenten für Einfamilienhäuser in Mitteleuropa sind eine Kollektorfläche zwischen 30 m² und 50 m² und ein Warmwasserspeicher mit einem Volumen zwischen 2 m³ und 10 m³.

Das Grundkonzept von SolarAktivHäusern ist bekannt und ansatzweise am Markt etabliert. Es wird geschätzt, dass heute bereits etwa 1.700 SolarAktivHäuser in Deutschland existieren. In dem 2010 gestarteten Forschungsprojekt „HeizSolar“ wurde unter anderem das Konzept des SolarAktivHauses erstmals systematisch wissenschaftlich untersucht. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und von Solar- und Wärmetechnik Stuttgart (SWT) gemeinsam mit der Technischen Universität Ilmenau und dem Sonnenhaus-Institut e.V. unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) durchgeführt.

Abbildung 1: Eines der neun messtechnisch untersuchten Ein- und Mehrfamilienhäuser (Quelle: Projektkonsortium HeizSolar)

Messtechnische Untersuchung von neun SolarAktivHäusern

Im Projekt HeizSolar werden insgesamt neun bestehende Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser detailliert messtechnisch untersucht. Bei der Auswahl der Gebäude wurde sowohl auf eine repräsentative Vertretung typischer Charakteristika als auch auf eine Verteilung auf unterschiedliche Standorte in Deutschland und damit unterschiedliche klimatische Randbedingungen Wert gelegt. Abbildung 2 zeigt die Standorte der Gebäude. Im Mittelpunkt der messtechnischen Untersuchung stehen zum einen die vollständige energetische Bilanzierung der solarthermischen Wärmeversorgungsanlage und zum anderen die detaillierte Analyse der Funktionsweise der Anlagen sowie das Identifizieren von Betriebsproblemen und Optimierungspotentialen. Neben allen relevanten Wärmeströmen und Temperaturen wird auch der Stromverbrauch der gesamten Wärmeversorgungsanlage erfasst. Eine ausführliche Beschreibung der untersuchten Gebäude und der Messtechnik ist in [1] zu finden.

Abbildung 2: Standorte der vermessenen Gebäude Quelle: Projektkonsortium HeizSolar

Mit Ausnahme eines Gebäudes steht bei den untersuchten Häusern im Winter für eine vollständige solarthermische Deckung des Wärmeverbrauchs nicht genügend Solarwärme zu Verfügung. Entsprechend muss ein Teil der Wärme durch einen Zusatzwärmeerzeuger bereitgestellt werden. Für die regenerative Zusatzwärmeerzeugung werden Holzfeuerungsstätten eingesetzt. Im Sommer und in der Übergangszeit dagegen kann der Wärmeverbrauch vollständig solarthermisch gedeckt werden.

Da die Nutzung und Speicherung der zur Verfügung stehenden Solarenergie von entscheidender Bedeutung sind, wurde insbesondere die Wechselwirkung zwischen solarthermischem Wärmeerzeuger, Zusatzwärmeerzeuger, Wärmespeicher und Wärmeverbraucher detailliert analysiert. Der Betrieb der solarthermischen Wärmeversorgungsanlagen innerhalb eines Jahres kann typischerweise in vier charakteristische Phasen unterteilt werden [2]:

  1. In der Phase der Entladung des Wärmespeichers nach Beginn der Heizperiode kann der Wärmeverbrauch vollständig mit direkt erzeugter bzw. gespeicherter Solarwärme gedeckt werden (siehe P1 in Abbildung 3).
  2. In der Phase der Zusatzwärmeerzeugung ist der Speicher größtenteils entladen und die zur Verfügung stehende Solarwärme reicht zur dauerhaften Deckung des ansteigenden Wärmeverbrauchs nicht mehr aus. Es muss zusätzliche Wärme erzeugt werden (siehe P2 in Abbildung 3). Diese Phase entfällt für SolarAktivHäuser mit einem solarthermischen Deckungsanteil von 100 %.
  3. In der Phase der Beladung des Wärmespeichers ermöglichen das zunehmende Solarstrahlungsangebot und der rückläufige Wärmeverbrauch des Gebäudes wieder eine vollständige Deckung mit Solarwärme. Des Weiteren wird der Speicher in dieser Phase wieder solar beladen (siehe P3 in Abbildung 3).
  4. In der Phase des solaren Überschusses ist der Speicher vollständig thermisch beladen und es steht deutlich mehr Solarwärme zu Verfügung als verbraucht bzw. zur Deckung der Wärmeverluste des Speichers benötigt wird (siehe P4 in Abbildung 3). Um eine Überhitzung der solaren Wärmeversorgungsanlage zu vermeiden, kann in dieser Phase eine aktive Kühlung des Speichers in der Nacht über die Sonnenkollektoren realisiert werden.
Abbildung 3: Prinzipielle Darstellung der vier charakteristischen Betriebsphasen der solaren Wärmeversorgungsanlage eines Mehrfamilien-SolarAktivHauses auf Basis von gemessenen bzw. berechneten Tageswerten (Quelle: SWT)

Eine Auswahl der bisher ermittelten Messergebnisse ist in Tabelle 1 dargestellt. Für alle Gebäude konnten die prognostizierten solarthermischen Deckungsanteile zwischen 50 % und 100 % bezüglich des Gesamtwärmeverbrauchs erreicht werden. Der Stromverbrauch für die Wärmebereitstellung der Anlagen wurde mittels der resultierenden Arbeitszahlen bewertet. Die Arbeitszahl gibt an, wie viel Nutzwärme je Kilowattstunde eingesetzter elektrischer Energie erzeugt wird. Die Jahresarbeitszahlen für die Erzeugung der benötigten Wärme für Raumheizung und Trinkwarmwasserbereitstellung durch den solarthermischen Wärmeerzeuger und den Zusatzwärmeerzeuger lagen für die untersuchten Gebäude zwischen 40 kWhth/kWhel und 66 kWhth/kWhel. Eine ausführlichere Darstellung und Diskussion der Ergebnisse ist in [3] verfügbar.

Zusammenfassung und Ausblick

Mittels der Ergebnisse der bisher im Projekt HeizSolar durchgeführten messtechnischen Untersuchungen konnte die Funktionsweise des SolarAktivHaus-Konzepts bestätigt werden. Dieses Wärmeversorgungskonzept zeichnet sich im Vergleich zu konventionellen Wärmeversorgungskonzepten durch eine wesentliche Reduktion des zur Wärmeversorgung des Gebäudes benötigten Zusatzwärme- und Stromverbrauchs aus. Der Einsatz einer großen solarthermischen Wärmeerzeugungsanlage ermöglicht folglich eine signifikante Reduktion des Verbrauchs der von außen, d. h. über die Grundstücksgrenze, zuzuführenden Primärenergie. Das SolarAktivHaus-Konzept erfüllt daher hervorragend die europäischen Zielsetzungen für sogenannte Niedrigstenergiehäuser, deren Errichtung ab 2019 für öffentliche Gebäude und ab 2021 für alle Neubauten verpflichtend ist. Wie die bisher im Projekt HeizSolar durchgeführten Untersuchungen ebenfalls zeigten, hat neben den Charakteristika von Gebäude und Anlagentechnik sowie den klimatischen Randbedingungen auch das Nutzerverhalten teilweise maßgeblichen Einfluss auf das Betriebsverhalten und damit die Effizienz der solarthermischen Wärmeversorgungsanlagen.

Tabelle 1: Übersicht ausgewählter Messergebnisse der untersuchten SolarAktivHäuser über einen Zeitraum von 12 Monaten [3].

Daher wurden im Rahmen des Forschungsprojekts HeizSolar auch Simulationen des dynamischen Verhaltens der Wärmeversorgungsanlagen und der Gebäude durchgeführt, um die gewonnenen Erkenntnisse zu verallgemeinern und Optimierungspotentiale abzuleiten [4]. Außerdem ist es für die weitere Verbreitung des SolarAktivHaus-Konzepts von entscheidender Bedeutung, dieses auch auf Gebäude im Bestand zu übertragen. Entsprechende Untersuchungen hierzu erfolgen gegenwärtig innerhalb des Projekts HeizSolar.
Perspektivisch ist es zudem wichtig, das SolarAktivHaus-Konzept von der ausschließlichen Wärmeversorgung der Gebäude hin zur Gesamtenergieversorgung von Gebäuden zu erweitern. Hierdurch wird es dann zukünftig möglich sein Gebäude zu realisieren, deren Gesamtenergiebedarf zum weitaus überwiegenden Teil mittels standardisierten solaren Wärme- und Stromversorgungstechnologien bereitgestellt wird.

Literatur

  1. Oliva, Axel; Stryi-Hipp, Gerhard; Kobelt, Sven; Bestenlehner, Dominik; Drück, Harald; Bühl, Jürgen; Rubeck, Peter: SolarAktivHaus - Untersuchte Gebäude und Monitoringkonzept. In: 22. Symposium Thermische Solarenergie : 09. bis 11. Mai 2012, Kloster Banz, Bad Staffelstein. Regensburg: Ostbayerisches Technologie-Transfer-Institut e. V., 2012 — ISBN 978-3-941785-89-2
  2. Oliva, Axel; Stryi-Hipp, Gerhard; Kobelt, Sven; Bestenlehner, Dominik; Drück, Harald; Bühl, Jürgen; Rubeck, Peter: Untersuchung des realen Betriebsverhaltens von neun SolarAktivHäusern. In: 4. Symposium Aktiv-Solarhaus: 11./12. April 2013, Bank Austria Kunstforum, Wien, Österreich. Regensburg : Ostbayerisches Technologie-Transfer-Institut e. V., 2013 — ISBN 978-3-943891-13-3
  3. Kobelt, Sven; Bestenlehner, Dominik; Drück, Harald; Oliva, Axel; Stryi-Hipp, Gerhard; Müller, Mathias; Bühl, Jürgen; Rubeck, Peter: Messtechnische Analyse von neun Solar-AktivHäusern. In: 23. Symposium Thermische Solarenergie 24. bis 26. April 2013, Kloster Banz, Bad Staffelstein. Regensburg: Ostbayerisches Technologie-Transfer-Institut e. V., 2013 — ISBN 978-3-943891-10-2
  4. Kobelt, Sven; Bestenlehner, Dominik; Drück, Harald; Oliva, Axel; Stryi-Hipp, Gerhard: Solar-Active-Houses: Simulation based analysis of building concepts with high solar thermal fractions. In: EuroSun 2014, International Conference on Solar Energy and Buildings, September 16-19, 2014, Aix-les-Bains, France.

Danksagung

Das Forschungsprojekt „HeizSolar“ (Untersuchung und simulationstechnische Optimierung von Wärmeversorgungskonzepten für Wohngebäude deren Gesamtwärmebedarf zu 50 % bis 100 % mit Solarwärme gedeckt wird und Vergleich mit anderen CO2-reduzierten Wärmeversorgungskonzepten) wird aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages teilweise aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) durch den Projektträger Jülich unter dem Förderkennzeichen 0325971A gefördert. Die Autoren bedanken sich für die Unterstützung ihrer Arbeiten und übernehmen die Verantwortung für den Inhalt dieses Beitrags.

Weitere Informationen

Internetauftritt des Projekts „HeizSolar“: www.diesolarheizung.info

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. Sven Kobelt arbeitet als technisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Solar- und Wärmetechnik Stuttgart (SWT). (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Dipl.-Ing. Dominik Bestenlehner leitet die Arbeitsgruppe Solare Prüf- und Gebäudetechnik
bei Solar- und Wärmetechnik Stuttgart (SWT). (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Dr. Harald Drück ist als Leiter von Solar- und Wärmetechnik Stuttgart (SWT) und des Forschungs- und Testzentrums für Solaranlagen (TZS), Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart tätig. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

 

 

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