Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

PLUS-Energiegebäude - ein Praxis-Faktencheck!

Zur Evaluierung und Qualitätssicherung des im Rahmen der Programmlinie „Haus der Zukunft plus“ hochwertig sanierten Demoprojektes Plusenergiegebäude Kapfenberg Johann-Böhm-Straße wurden über die letzten zwei Jahre energietechnische und ökologische Begleituntersuchungen durchgeführt und bewertet. Dabei wurde auch die BenutzerInnenakzeptanz vor, während und nach der Sanierung erhoben und aufbereitet.

Von Karl Höfler, David Venus, Monika Spörk-Dür und Alexander Passer

Abbildung 1: Demonstrationsprojekt Kapfenberg

Einleitung

Schon im Planungsstadium wurde versucht, durch projektbegleitende Maßnahmen wie Planungsunterstützung bei energie- und systemtechnischen Fragen bzw. bei baubiologischen Fragestellungen sowie durch die verstärkte Einbindung der NutzerInnen eine Qualitätssteigerung in Bezug auf die Umsetzungsqualität zu erzielen.

Da Aspekte wie das Lüftungsverhalten, Raumtemperaturen, Raumluftfeuchte, CO2-Konzentration der Raumluft oder der persönliche Umgang mit internen Lasten bzw. passiv-solare Energieeinträge das Gebäudeverhalten bei modernen Niedrigenergie- bzw. Passivhausbauweisen beträchtlich beeinflussen, sollen die energierelevanten Detailauswertungen, in Zusammenhang mit den soziologischen Untersuchungen das BenutzerInnenverhalten betreffend, Aussagen über die Alltagstauglichkeit des Gebäudes ermöglichen.

Die energietechnische Evaluierung beinhaltet die Energiebilanzen über das gesamte Gebäude (Plusenergiegebäude) bzw. über die einzelnen Wohneinheiten mit speziellem Fokus auf die Heizenergieverbräuche, den Warmwasserverbrauch, den Stromverbrauch für Haushalt und haustechnische Einrichtungen bzw. den Komfortparametern Raumtemperatur, Raumfeuchte und CO2-Konzentration der Raumluft unter Berücksichtigung des tatsächlichen Klimas, welches durch Messung der Außentemperatur bzw. der solaren Einstrahlung festgehalten wird.

Mit Hilfe des TQ-Planungs- und Bewertungstools wurde die ökologische Qualität der Gebäude durch die Materialwahl bzw. Maßnahmen während der Errichtung sowie in der anschließenden Nutzung des Gebäudes beurteilt.

Ergebnisse des Monitoring

Behaglichkeit

Die definierten Behaglichkeitskriterien im Sommer und Winter konnten bei allen Wohnungen und Räumen weitgehend eingehalten werden. Allerdings liegt die Innenraumtemperatur im Winter in den Wohnräumen bei ca. 24°C und somit sehr hoch - der Heizwärmeverbrauch somit etwas höher als in den Berechnungen im Energieausweis angenommen.

Heizwärme- und Warmwasserverbrauch

Während der klima- und temperaturbereinigte Heizenergieverbrauch sehr gering ist und weitgehend mit den Berechnungen übereinstimmt, sind der Warmwasserverbrauch in den Wohnungen und die Verteilverluste der Versorgungsleitungen deutlich höher als in der Prognose angenommen. Eine diesbezüglich Optimierung und Bewusstseinsbildung der BewohnerInnen ist sinnvoll.

Stromverbrauch

Rund 3/4 des Gesamtstromverbrauches werden für die Abdeckung des Haushaltstromes verwendet. Während der Betriebsstrom für haustechnische Anlagen sich im üblichen Rahmen bewegt, ist der Haushaltsstromverbrauch - speziell in einigen Wohnungen - etwas höhere als in der Prognose angenommen. Erwähnenswert ist die Reduktion des Betriebsstromes bei Lüftungsanlagen mit CO2-Steuerung und Einbau lediglich einer Abluftanlage.

Abbildung 2: Stromverteilung Demonstrationsprojekt Kapfenberg. Quelle: AEE INTEC

Energiebilanz

Die Energieerträge aus der Sonne (Photovoltaik und Solarthermie) sind im Größenbereich der durchgeführten Berechnungen. Lediglich durch die Reduktion der PV-Fläche am Dach ist der Energiegewinn prozentuell geringer. In Ausbaustufe 1 wurden 630 m² von geplanten 850 m² realisiert.

Mit Berücksichtigung der zuvor erwähnten Randbedingungen (weniger PV-Flächen, höherer Warmwasserverbrauch, Verteilverluste und Haushaltsstromverbrauch, sowie höhere Raumtemperaturen im Winter) ist die PLUS-Energiesanierung des Demoprojektes in Kapfenberg möglich.

Zufriedenheit der BewohnerInnen

Die NutzerInnenzufriedenheit wurde durch zahlreiche Befragungen vor, während und nach der Sanierung festgestellt. Hohe Zufriedenheit herrschte bei der Behaglichkeit, Raumwärme und -feuchte in den Wohnungen, den zusätzlichen Balkonen, der Barrierefreiheit und der jetzigen Größe der Wohnung. Die Luftqualität durch die neu eingebaute Be- und Entlüftungsanlage wird als sehr gut empfunden und bereitet offensichtlich auch punkto trockener Luft keine Probleme. Hervorzuheben ist, dass die Lüftungsanlage als ausgesprochen leise empfunden wird. Bezüglich natürlicher Belichtung in den Räumen wurden teilweise geringe Verschlechterungen verzeichnet, da Balkone und Laubengang vorgebaut wurden. Aus den Antworten lässt sich schließen, dass insbesondere für die ursprünglichen MieterInnen die Erwartungen weitgehend erreicht werden konnten.

Abbildung 3: Demonstrationsprojekt Kapfenberg, Raumtemperaturkomfort der Wohnräume, Stundenmittelwerte (1. 10. 2013 - 30. 9. 2014), anonymisiert. Quelle: AEE INTEC

Zertifizierung

Begleitend zum Sanierungsprozess wurde eine ÖGNB-Zertifizierung mit 894 Punkten und klimaaktiv-Zertifizierung mit 953 Punkten (GOLD) durchgeführt. Ein hoher Nachhaltigkeitsstandard ist somit auch bei Sanierungsprojekten möglich.

Abbildung 4 : ÖGNB-Zertifikat. Quelle: TU Graz

Fazit und Empfehlungen

Die Überprüfung des umgesetzten Lösungskonzeptes auf Zielkonformität durch Monitoring, messtechnische Begleituntersuchung und Evaluierung zeigte eindeutig, dass die Erreichung eines PLUS-Energiestandards zukünftig in der Sanierung möglich ist, jedoch mit sehr hohem Einsatz an erneuerbaren Energieträgern und technischen Einrichtungen.

Ein Gebäudeverbund mehrerer bestehender Gebäude mit nach Möglichkeit unterschiedlichen NutzerInnen (z.B. Wohnen, Büro, Pflege, Beherbergungsbetriebe etc.) wäre diesbezüglich sehr förderlich und sinnvoll. Somit könnte ein optimierter Energieausgleich im Verbund stattfinden.

Abbildung 5: Energieverbrauch Demonstrationsprojekt Kapfenberg. Quelle: AEE INTEC

Logos

Autorenbeschreibung

DI Dr. Karl Höfler ist Bereichsleiter des Bereichs Nachhaltige Gebäude bei AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

DI David Venus ist Mitarbeiter des Bereichs Nachhaltige Gebäude bei AEE INTEC.

DI Monika Spörk-Dür ist Mitarbeiterin des Bereichs Solarthermische Komponenten und Systeme bei AEE INTEC.

Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Alexander Passer MSc ist am Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie mit angeschlossener TVFA für Festigkeits- und Materialprüfung der TU Graz in den Forschungsbereichen Nachhaltiges Bauen, LCA, LCC, EPD und Gebäudezertifizierungen tätig.

 

 

Top of page