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Erdwärmesonden in dicht bebauten Gebieten – Wie kann eine kontinuierliche Auskühlung des Erdreiches verhindert werden

von Florian Ruesch, Patrick Persdorf und Michel Haller

Die Stadt Zürich rechnet bis 2050 mit einer Verzehnfachung der Nutzung oberflächennaher Geothermie. Bei einer solchen Akkumulation von Erdwärmesonden droht eine Auskühlung des Erdreiches. Eine neue Studie untersucht unterschiedliche Regenerationsmethoden für Erdwärmesonden um einer übermäßigen Auskühlung vorzubeugen und somit Effizienzverminderungen oder gar Frostschäden zu verhindern.

Wärmepumpen mit Erdwärmesonden erfreuen sich in der Schweiz großer Beliebtheit und werden bereits bei mehr als 30 % der Neubauten eingesetzt. Die Stimmbürger der Stadt Zürich haben beschlossen, bis 2050 den Primärenergiekonsum auf 2000 W pro Einwohner zu senken. Dies ist gemäß Energiekonzept der Stadt Zürich nur mit einer gesteigerten Nutzung erneuerbarer Energiequellen möglich. Es ist deshalb geplant, die Geothermienutzung stark auszubauen.. Je nach geologischer Eignung entspricht dies einem durchschnittlichen Sondenabstand von ca. 10 – 25 m. Solch kleine Abstände führen dazu, dass die Temperatur einer Erdwärmesonde nicht nur vom eigenen Betrieb, sondern auch von den Nachbarsonden beeinflusst wird. Die Studie zeigt auf, dass eine größere Anzahl Nachbarsonden mit einem mittlerer Abstand von 20 m eine zusätzlichen Auskühlung der Sondentemperatur von 7 K nach 50 Jahren verursacht. Um die drohende starke Auskühlung des Untergrundes durch dichte Geothermienutzung zu verhindern, muss zumindest ein Teil der entzogenen Energie dem Erdreich wieder zugeführt werden. Erdwärmesonden müssen also im Sommer regeneriert werden. Dazu eignen sich verschiedene Energiequellen.

Abbildung 1: Visualisierung der bereits gebohrten Erdwärmesonden in der Stadt Zürich. Quelle: Stadt Zürich

Technologievergleich

Das SPF Institut für Solartechnik der Hochschule für Technik Rapperswil hat im Auftrag des Amtes für Hochbauten der Stadt Zürich die gängigsten Regenerationsmethoden technisch und ökonomisch miteinander verglichen. Dazu wurden in einer Simulationsstudie folgende Technologien untersucht (Abbildung 2):

  1. Luft-Wärmetauscher (LWT)
  2. Geocooling (Entwärmung des Gebäudes über die EWS)
  3. Verglaste Kollektoren
  4. Unverglaste Kollektoren selektiv
  5. Unverglaste Kollektoren nicht selektiv
  6. PVT-Kollektoren

Weitere Methoden, wie die Nutzung von industrieller Abwärme, sind individuell stark vom Standort abhängig und wurden in der Studie nicht berücksichtigt.

Der Vergleich der Regenerationstechnologien wurde anhand eines Beispielgebäudes mit Erdwärmenutzung durchgeführt. Dieses Gebäude entspricht einem städtischen Mehrfamilienhaus mit 12 Wohneinheiten, welches nach dem schweizerischen Minergie-Standard renoviert wurde (Heizwärmebedarf 74 MWh/a, Warmwasserbedarf inklusive Zirkulationsverluste von 40 MWh/a). Der Wärmebedarf wird mit einer 50 kW Wärmepumpe gedeckt. Für den Technologievergleich wurde das Beispielgebäude nicht isoliert betrachtet, sondern in den Kontext einer dichten Erdwärmenutzung in der Nachbarschaft gesetzt. Dabei wurde angenommen, dass alle Erdwärmesonden in der Nachbarschaft mit derselben Technologie und mit demselben Regenerationsgrad betrieben werden und dass diese einen durchschnittlichen Abstand von 20 m aufweisen.

Abbildung 2: Simulationsschema für die solare Regeneration erzeugt mit der Software Polysun. Quelle: SPF

Unterschiedliche Regenerationsgrade

Die direkte Gebäudekühlung, auch „Freecooling“ genannt, führte nur zu einer geringen Regeneration in der Größenordnung von lediglich 15 % der entzogenen Energie. Der Nutzen des „Freecooling“ liegt für dieses Gebäude also hauptsächlich im Komfortgewinn und weniger bei der Regeneration der Erdwärmesonde. Mit einem Luft-Wärmetauscher konnte bereits im ersten Jahr ca. ein Drittel der entzogenen Energie regeneriert werden. Durch die Auskühlung des Erdreiches wird dieser aber effizienter und der Regenerationsanteil erhöht sich auf ca. zwei Drittel nach 50 Betriebsjahren. Die Varianten mit solarer Regeneration wurden jeweils mit 60 m2 Kollektorfläche sowie mit der für eine vollständige Regeneration nötigen Kollektorfläche untersucht. Mit verglasten Kollektoren konnten die Erdwärmesonden bereits ab einer Fläche von 132 m2 vollständig regeneriert werden, bei den unabgedeckten selektiven Kollektoren waren dazu 218 m2 notwendig. Für nicht selektive „Schwimmbadabsorber“ und PVT-Kollektoren reichte die angenommene Dachfläche nicht zur vollständigen Regeneration. Diese beiden Kollektortypen erreichten mit einer vollständigen Ausnützung der Dachfläche von 260 m2 Regenerationsgrade von ca. 80 %. Mit 60 m2 Kollektorfläche liegt der Regenerationsgrad je nach Kollektortyp und Betriebsjahr zwischen 25 % und 50 % (Abb.3). Die untersuchten Technologien unterscheiden sich also stark bezüglich des erreichbaren Regenerationsgrades. Somit ist auch eine unterschiedliche Auslegung der Erdwärmesonden nötig. Diese müssen in der Schweiz so ausgelegt werden, dass die Soletemperatur nach 50 Betriebsjahren nicht unter -1.5 °C fällt. Um diese Grenze trotz nachbarschaftlicher Beeinflussung zu erreichen, müssen für Technologien mit einem geringen Regenerationsgrad deutlich mehr und längere Sonden gebohrt werden als bei einer vollständigen Regeneration.

Abbildung 3: Wärmeentzug und Regenerationsenergie im ersten und 50. Betriebjahr für alle untersuchten Varianten. Quelle: SPF

Benötigte Sondenmeter

Für das betrachtete Zwölffamilienhaus werden bei einer herkömmlichen Auslegung ohne Berücksichtigung einer dichten Geothermienutzung in der Nachbarschaft ca. 1200 m Erdwärmesonden benötigt um eine Soletemperatur von -1.5 °C auch nach 50 Jahren nicht zu unterschreiten (Abb. 4). Dies wurde mit einem kleinen Feld von sechs 200 m tiefen Sonden erreicht, wobei der Abstand innerhalb dieses Feldes mit 6 m deutlich kleiner als der Abstand zwischen den Nachbarsonden gewählt wurde. Unter Berücksichtigung der beschriebenen dichten Geothermienutzung müssen die benötigten Sondenmeter verdoppelt werden um die vorgeschriebene Grenze für die Soletemperatur nicht zu unterschreiten. Auch mit „Freecooling“ wird noch fast die doppelte Anzahl Sondenmeter benötigt. Anders sieht es bei den Systemen aus, welche durch Luftwärmetauscher oder Solaranlagen mit 60 m2 Kollektorfläche regeneriert werden: Bei all diesen Varianten werden etwa gleich viele Sondenmeter wie bei der Anlage ohne nachbarschaftliche Beeinflussung benötigt. Mit großen Solaranlagen können die Erdwärmesonden sogar um ca. ein Drittel kürzer ausgelegt werden.

Abbildung 4: Benötigte Sondenmeter für die unterschiedlichen Regenerationsvarianten. Quelle: SPF

Was kostet Regeneration?

Eine geringe Regeneration wie sie beispielsweise durch das günstige „Freecooling“ erreicht wurde führt also dazu, dass längere, und somit auch teurere, Sonden gebohrt werden müssen. Es stellt sich also die Frage, ob unter dem Strich die Investition in Massnahmen zur Regeneration günstiger ist als das Bohren von längeren Erdwärmesonden. Dazu wurde für die unterschiedlichen Technologien ein Wärmegestehungspreis anhand von typischen Anlagenkosten berechnet (Abb.5). Dieser liegt für eine herkömmliche Wärmepumpenanlage mit Erdwärmesonden in der Region Zürich bei ca. 19 Rp/kWh (etwa 17 €-Cent/kWh). Wenn man eine forcierte Geothermienutzung in der Nachbarschaft berücksichtigt, erhöht sich der Wärmegestehungspreis durch zusätzliche Sondenmeter oder Massnahmen zur Teilregeneration um 2-3 Rp/kWh. Am günstigsten schneiden dabei der Luftwärmetauscher und die nicht selektiven „Schwimmbadabsorber“ ab. Wird eine vollständige Regeration angestrebt, erhöhen sich die Wärmegestehungskosten nochmals um 2-4 Rp auf ca. 24-26 Rp/kWh (etwa 22-24 €-Cent/kWh).

Abbildung 5: Wärmegestehungskosten für die unterschiedlichen Regenerationsvarianten (Umrechnungskurs Euro - Schweizer Franken etwa 1 : 1,09089; Farben wie bei Abbildung 4). Quelle: SPF

Lieber regenerieren als längere Sonden bohren

Aufgrund dieser Resultate kann für städtische Gebiete auf lange Sicht eine Teilregeneration von Erdwärmesonden empfohlen werden, weil sie ähnlich teuer oder sogar günstiger ist als das Bohren von längeren Sonden. Zusätzlich ist bei nicht regenerierten längeren Sonden auch nach 50 Betriebsjahren von einer weiteren Auskühlung auszugehen. Diese fällt bei teilregenerierten Sonden deutlich geringer aus. Regenerieren ist daher auch nachhaltiger als länger bohren. Aus technischer Sicht wird keine vollständige Regeneration benötigt um auch bei einer dichten Geothermienutzung einen Betrieb der Wärmepumpenanlage über 50 Jahren zu gewährleisten. Aufgrund der nochmals deutlich höheren Kosten ist eine vollständige Regeneration aus ökonomischen Gründen nicht zu empfehlen, sofern nicht mit Zeithorizonten von deutlich über 50 Jahren gerechnet wird.

Es besteht kein akuter Handlungsbedarf

Ein wichtiges Resultat für die Praxis stellen auch die erforderlichen Sondenlängen für die teilregenerierten Anlagen dar. Weil diese ähnlich lange wie bei einer herkömmlichen Anlage ohne Berücksichtigung von Nachbarsonden ausfallen, muss die Auslegungspraxis nicht dringend angepasst werden. Vielmehr können Anlagen, welche ohne Berücksichtigung der Geothermienutzung in der Nachbarschaft geplant wurden, zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Regenerationssystem nachgerüstet werden. Es muss also nicht schon jetzt für die Geothermiedichte in ferner Zukunft ausgelegt werden. Die Nachrüstung sollte aber beim Erreichen einer hohen Erdwärmesondendichte in der Nachbarschaft großflächig möglich sein. Dabei müssen sowohl bestehende als auch neue Anlagen mit einem Regenerationssystem ausgestattet werden können.

Keine klaren Vorteile für eine Technologie

Die Kostenunterschiede der unterschiedlichen Regenerationsmethoden sind gering, so dass aus wirtschaftlicher Sicht keine Technologie generell zu bevorzugen ist. Vielmehr sollte die Wahl der Regenerationsmethode individuell angepasst werden. Zusätzliche Kriterien wie die Nutzung des elektrischen Stromes der PVT-Kollektoren, die Lärmentwicklung von Luftwärmetauschern, architektonische Überlegungen, oder der Zusatznutzen von Kollektoren oder Solarabsorbern als Dachhaut, können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Im konkreten Fall ist sicherlich auch immer abzuklären, ob die Erschließung einer Abwärmequelle in der Nähe möglich ist. In der Schweiz ist die aktive Kühlung von Wohngebäuden verboten, daher wurde diese auch nicht näher untersucht. Mit dem steigenden Anteil und teilweise sogar Überschüssen von Solarstrom aus Photovoltaikanlagen im Sommer könnte sich dieses Verbot aber auflockern. Die aktive Nutzung der Wärmepumpe zur Gebäudekühlung hätte einen deutlich höheren Sondenregenerationsgrad zur Folge als das heute erlaubte „Freecooling“. Auch die Klimaerwärmung könnte sich hier über den betrachteten Zeitraum von 50 Jahren deutlich bemerkbar machen. Somit könnte die aktive Gebäudekühlung mit erneuerbarem Strom eine aus technischer und ökologischer Sicht interessante Alternative werden.

Ein Abschlussbericht der Studie „RegenOpt“ ist im Internet abrufbar:
https://www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/hochbau/beratung/gebaeude_energietechnik/projekte_realisiert.html

Autorenbeschreibung

Florian Ruesch, Patrick Persdorf und Michel Haller sind am SPF Institut für Solartechnik der HSR Hochschule für Technik Rapperswil, Schweiz in Forschung und Entwicklung tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

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