Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

Weiche Entscheidungsfaktoren – Eine übersehene Größe am Weg zu mehr Energieeffizienz?

Von Sean Philipp

Die Entscheidung für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz oder zur Integration erneuerbarer Energien ist von unterschiedlichen Einflussfaktoren abhängig. Wirtschaftliche und technische Kennzahlen der betreffenden Maßnahme zählen zu den wichtigsten Größen im Entscheidungsprozess. Dennoch gibt es noch andere, weiche Entscheidungsfaktoren, die nur schwer quantifizierbar sind, den Entscheidungsprozess jedoch beeinflussen. Im Zuge einer Masterarbeit an der Universität Wien in Zusammenarbeit mit AEE INTEC sowie dem Klima- und Energiefonds wurde der Einfluss derartiger Faktoren erhoben.

Potenzial in industriellen Anwendungen

Das Energieeinsparungspotenzial in industriellen Anwendungsfeldern, das durch die Steigerung der Energieeffizienz und die Integration erneuerbarer Energieträger erreicht werden kann, ist enorm. Zahlreiche Studien und Veröffentlichungen befassen sich mit diesen Einsparpotenzialen und die Internationale Energieagentur sieht in der Steigerung der Energieeffizienz eine Transformation vom „versteckten“ Treibstoff zu einem der wichtigsten Treiber der modernen Energiepolitik: „The multiple benefits approach could accelerate the shift of energy efficiency from its status as the ‘hidden fuel‘ to its emerging role as the ‘first fuel‘.“ [1].

Wie dieses Potenzial unter realen Gegebenheiten eingeschätzt werden kann, wurde im Rahmen des Projekts EINSTEIN [2] erhoben. Dabei wurde das Energieeinsparungspotenzial von Betrieben untersucht und Alternativen zum Status quo vorgeschlagen. Somit können die möglichen Energie- und Kosteneinsparungseffekte der gewählten Alternative abgeschätzt werden. Die Ergebnisse der EINSTEIN-Audits liefern dabei greifbare Daten für realisierbare Energieeinsparungen in industriellen Anwendungen.

Speziell die Lebensmittel- und Getränkeindustrie bietet aufgrund der Art des Energiebedarfs gute Möglichkeiten für die Anwendung von Energieeffizienzmaßnahmen und die Integration erneuerbarer Energien. Im Rahmen der eingangs erwähnten Masterarbeit wurden die im Zuge des IEE-Projektes EINSTEIN durchgeführten Audits dieses Industriesektors auf ihr Einsparungspotenzial untersucht. Die Ergebnisse legen nahe, dass durchschnittliche Einsparungen des Primärenergiebedarfs, des CO2-Ausstoßes und der jährlichen Kosten des Energiesystems von 20 % bis zu knapp 27 % möglich sind. Zwar handelt es sich bei der betrachteten Stichprobe um eine sehr heterogene Gruppe von Betrieben aus mehreren europäischen Ländern und unterschiedlichen Branchen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, jedoch geben die Zahlen Aufschluss darüber, was durch den Einsatz geeigneter Energieträger möglich ist. Vor allem Betriebe aus den Bereichen der Lebensmittelverarbeitung, Brauereien und Molkereien konnten die stärksten potenziellen Einsparungen verzeichnen. Die in den Audits am häufigsten vorgeschlagenen Einsparungstechnologien umfassen Wärmerückgewinnung, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie Solarthermie.

Das Potenzial ist vorhanden, aber nicht vollständig genutzt

Obwohl die erreichbaren Energie-, Emissions- und Kosteneinsparungen bereits vielerorts beschrieben wurden, besteht eine Lücke zwischen dem aktuellen Umsetzungsstand und den möglichen Einsparungen. Diese Lücke wird auch als Energy Efficiency Gap [3] bezeichnet. Sie beschreibt die Differenz zwischen dem Status quo und dem hypothetischen, technischen und wirtschaftlichen Umsetzungsgrad von energieeffizienten Technologien. Die Lücke zwischen kosteneffizienten Maßnahmen und deren eigentlicher Umsetzung wird von Backlund et al. mit Marktversagen und Barrieren für die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen begründet. Solche Hemmnisse sind z.B. niedrige Priorisierung von Energieeffizienzmaßnahmen sowie fehlender Zugang zu Kapital für deren Umsetzung, aber auch das Treffen von Entscheidungen aufgrund von unvollständiger Marktinformation. Des Weiteren seien fehlende Energiemanagementsysteme oft ein zusätzlicher Grund für die mangelhafte Umsetzung von Maßnahmen [3]. Das Ziel nationaler und internationaler Forschungs- und Förderprogramme im Bereich der betrieblichen Nutzung von erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz ist es, diese Lücke in der Umsetzung zu schließen. Die Existenz dieser Programme zeigt, dass sowohl auf Angebotsseite als auch auf Nachfrageseite Raum für Verbesserungen besteht. Auf der Angebotsseite gilt es, bestehende Technologien weiter zu verbessern, um die Nutzung und Integration in Produktionsprozesse voranzutreiben. Um nachfrageseitige Verbesserungen herbeizuführen, d.h. um Barrieren der Umsetzung zu verringern, können Förderprogramme finanzielle Anreize zur Anschaffung leisten. Diese müssen aber auch von umfassenden Informationen für die potenziellen Zielgruppen begleitet sein, um eine möglichst vollständige und zuverlässige Entscheidungsbasis zu ermöglichen.

Im Zuge der Masterarbeit an der Universität Wien in Zusammenarbeit mit AEE INTEC sowie dem Klima- und Energiefonds wurde erhoben, welche zusätzlichen Faktoren in der Entscheidungsfindung einer zu tätigenden Investitionen eine maßgebliche Rolle spielen.

Gibt es weitere Faktoren, die Entscheidungsprozesse beeinflussen?

Unternehmerische Entscheidungen im Zusammenhang mit gesteigerter Energieeffizienz und erneuerbaren Energien sind in der Regel von wirtschaftlichen und technischen Eckdaten geprägt. Allerdings spielen auch weitere Größen bei derartigen Entscheidungen eine Rolle. Neben klassischen Entscheidungsfaktoren beeinflussen auch „weiche“ Faktoren den Entscheidungsprozess. Weiche Faktoren sind in diesem Fall dadurch charakterisiert, dass sie nur schwer messbar und quantifizierbar sind. Dennoch können sie die Entscheidungen des Managements mitbeeinflussen.

Welche Faktoren Einfluss auf die Entscheidungen des Unternehmens nehmen können, wurde durch eine Umfrage unter Projektpartnern des GREENFOODS-Projekts und Förderwerbern des Förderprogramms Solarthermie – Solare Großanlagen des Klima- und Energiefonds erhoben.

In den Antworten der beiden Zielgruppen wurden einige Faktoren als besonders wichtig identifiziert (Abbildung 1 und Abbildung 2). So wurden in der GREENFOODS-Zielgruppe neben dem unternehmensinternen Bewusstsein über die Auswirkungen der betrieblichen Tätigkeiten auf die Umwelt auch die Einstellung des Top-Managements gegenüber neuen Technologien und das Vertrauen in neue Technologien als starker Einfluss genannt. Außerdem fanden sich unter den wichtigsten weichen Faktoren die Verankerung von Nachhaltigkeit in der Unternehmensphilosophie und der Wunsch, alte Technologien durch neue, effiziente Alternativen zu ersetzen. Darüber hinaus wurden die Innovationskraft des Unternehmens sowie eine treibende Kraft im Unternehmen als wichtige weiche Faktoren in der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen bzw. der Integration erneuerbarer Energien angesehen. Diese treibende Kraft kann durch eine Einzelperson oder eine Gruppe von Personen verkörpert sein, die an der Umsetzung der einschlägigen Projekte interessiert und bei deren Umsetzung maßgeblich involviert ist. Die Ergebnisse der Umfrage werden u.a. in der Arbeit von Masini und Menchetti bestätigt, die zeigt, dass a-priori Einstellungen und kognitive Verzerrungen die Wahrscheinlichkeit von Investitionen in saubere Energietechnologien verringern können [4].

Abbildung 1: Einfluss weicher Faktoren
Quelle: Umfrageergebnisse der Zielgruppe „GREENFOODS“ Erklärung: EE/RES: Energy efficiency/Renewable energy systems

Abbildung 2: Einfluss weicher Faktoren
Quelle: Umfrageergebnisse der Zielgruppe „Solarthermie- Solare Großanlagen” Erklärung: EE/RES: Energy efficiency/Renewable energy systems

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einstellung zu und das Vertrauen in neue Technologien eine wesentliche Grundlage für die Berücksichtigung erneuerbarer Energien und Energieeffizienzmaßnahmen bilden. Weitere Schritte, die die Umsetzung der Projekte fördern, wie z.B. die Verankerung der Thematik in internen Abläufen und der Unternehmensphilosophie können folgen und können die Basis dafür schaffen, dass die Projekte von der Belegschaft mitgetragen und unterstützt werden. Eine Person oder Gruppe, die an der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen und der Integration erneuerbarer Energien interessiert ist und ein Energieeffizienzprojekt aus eigenem Antrieb vorantreibt, kann als starke Stütze für den Erfolg des Projekts angesehen werden.

Um den großen Erwartungen, die im gesteigerten Ausbau erneuerbarer Energien und der Verbesserung von Energieeffizienz liegen, gerecht zu werden und um deren Potenzial voll auszuschöpfen, sind noch große Anstrengungen erforderlich. Anstrengungen, die sich aber für Unternehmen auszahlen können, wie die Ergebnisse aus dem Projekt EINSTEIN darlegen. Allerdings zeigt sich die Notwendigkeit, bestehende Vorurteile gegenüber der Effektivität erneuerbarer Energien und Energieeffizienz auszuräumen. Hierzu kann die Berücksichtigung weicher Entscheidungsfaktoren hilfreich sein. Die erhobenen Faktoren betreffen oft die Einstellung und das Vertrauen des Managements in neue Energietechnologien. Fehlt das Bewusstsein und das Vertrauen in erneuerbare Energien, so ist es schwierig, die Basis für Veränderungen in betrieblichen Prozessen zu legen. Die Verankerung von Nachhaltigkeit als Teil der Firmenphilosophie kann dazu führen, dass einschlägige Veränderungen von der Belegschaft mitgetragen und umgesetzt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Faktoren, die rein durch äußere Anreize verändert werden können, sondern um Einstellungen, die auf einer persönlichen Ebene getroffen und weitergetragen werden. Diese effektiv anzusprechen und zu verändern ist sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben in diesem Zusammenhang.

Autor

Sean Philipp hat seine Masterarbeit am Institut für Industrie, Energie und Umwelt der Universität Wien verfasst. Rückfragen und Kontakt über DI Jürgen Fluch, AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Literatur

  1. International Energy Agency (IEA) (2014): Capturing the Multiple Benefits of Energy Efficiency, OECD/IEA, Paris, 2014
  2. EINSTEIN: Expert System for an Intelligent Supply of Thermal Energy in Industry and other Large-Scale Applications, unterstützt von Intelligent Energy Europe (IEE), http://www.einstein-energy.net/
  3. Backlund, S., et al (2012): Extending the energy efficiency gap, Energy Policy 51, 392-396
  4. Masini, A., Menichetti, E. (2012): The impact of behavioural factors in the renewable energy investment decision making process: Conceptual framework and empirical findings, Energy Policy 40, 28-38
Top of page