Zeitschrift EE

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2010-02: Energie in Gemeinden

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:SolarCity Pichling; Quelle: Magistrat Linz, Stadtplanung

In der Vergangenheit konnten große technologische Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz von Gebäuden sowie bei der Nutzung erneuerbarer Energieträger erzielt werden. Für die Erreichung der Klimaschutzziele ist die Betrachtung von Einzelgebäuden jedoch nicht ausreichend. Die Optimierung von Siedlungen hinsichtlich der Lage, der bereitgestellten Infrastruktur, der ökologischen Gebäudequalität und der Energieversorgung ist zentrales Thema des Annex 51 im ECBCS- Programm der IEA.

Energieoptimierung von Siedlungen – eine neue Herausforderung!

Von Helmut Strasser *

Ausgangslage

Der Gebäudebereich hat einen maßgeblichen Anteil an Energieverbrauch und CO2-Emissionen. Daher sind gebäudebezogene Maßnahmen ein wesentlicher Baustein von allen Strategien zur Verbrauchsreduktion bzw. CO2-Emissionsreduktion. Vor allem durch rechtliche Vorgaben und finanzielle Anreizinstrumente konnten in der Vergangenheit erhebliche Verbesserungen bei den Gebäudestandards im Neubau erzielt werden. Parallel dazu haben Forschungsprogramme wie das "Haus der Zukunft" erheblich dazu beigetragen, dass Technologien und Systemlösungen für den effizienten Energieeinsatz und die Nutzung erneuerbarer Energieträger entwickelt bzw. weiterentwickelt worden sind.
Ungeachtet dieser enormen Fortschritte bei Einzelgebäuden ist im allgemeinen keine nennenswerte Reduktion des Energiebedarfs bei Betrachtung größerer Siedlungen zu beobachten. Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass die erforderliche Festlegung von gesamtheitlichen Zielvorgaben, die Entwicklung eines optimierten Gesamtenergiekonzepts unter Einbeziehung von Gebäudestandards und Energieversorgung sowie dessen konsequente Umsetzung einen komplexen Prozess mit vielen Akteuren darstellen. Darüber hinaus müssen im Gegensatz zu Demonstrationsgebäuden kommunale bzw. siedlungsbezogene Energieprojekte zudem eine Optimierung in wirtschaftlicher Hinsicht erzielen, um eine größtmögliche Umsetzungsrate im Gebäudeverbund zu erzielen. Insbesondere auch das Spannungsfeld das sich aus dem reduziertem Heizenergiebedarf von Gebäuden sowie der Optimierung einer leitungsgebundenen Wärmeversorgungsinfrastruktur ergibt ist zu lösen. Aus diesem Grund spielen Fragen des Entscheidungsfindungsprozesses, des Projektmanagements, der Definition von Aufgaben und Rollen (wer ist der "Energieplaner" einer Siedlung) sowie der geeigneten Umsetzungsstrategien neben den technologischen Fragen eine sehr bedeutende Rolle.
Bei dem Bemühen, den Energieaufwand bei Gebäuden zu reduzieren, wird meistens auch das gebaute Umfeld – die Siedlung, die Bebauungsform, die Erschließung – nicht berücksichtigt. Damit wird ebenfalls außer Acht gelassen, welcher Energieaufwand für die erforderliche Infrastruktur benötigt wird, um ein Gebäude tatsächlich bewohnbar zu machen. Insbesondere spielen in diesem Zusammenhang die technische Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur, die soziale Infrastruktur sowie deren Zusammenspiel und Abhängigkeiten voneinander, insbesondere auch die Optimierung zwischen Erstinvestition zum Errichten und laufendem Betrieb eine große Rolle. Mit dem "Energieausweis für Siedlungen" wurde in Niederösterreich ein erster Ansatz gestartet, eine siedlungsorientierte Betrachtung und Optimierung zu erzielen [1]. Auch die österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) widmet sich im Rahmen des Schwerpunkts "Energie- und Raumentwicklung" u.a. nachfrageseitig orientierten Forschungsfragen zur Beeinflussung des Energiebedarfs: "Wie und mit welchen Instrumenten kann die Raumordnung Standortentscheidungen (insbesondere auf kommunaler Ebene) an Energieeffizienz bzw. effiziente Raumstrukturen koppeln?" Insbesondere auf kommunaler Ebene fehlt es meist an elementarem Basiswissen, um vor Ort Standortentscheidungen „energieeffizient“ zu durchdenken: "Es ist zu klären, ob und welche organisatorischen Strukturen in diesem Bereich existieren, wie sie funktionieren und ob es Best-Practice-Beispiele gibt, welche Erfolge dokumentieren" [2].

Abbildung 2:Primärenergiebedarf von Siedlungen; Quelle: Bundesamt für Energie, Schweiz, Grafik: SIR

Energieeffiziente Siedlungen und Gemeinden

Das Projekt "Energy Efficient Communities: Case Studies and Strategic Guidance for Urban Decision Makers" (IEA, Annex 51- Energy Conservation in Buildings and Community Systems / ECBCS, 2009 - 2012) zielt daher darauf ab, Handlungsanleitungen für kommunale Planungs- und Umsetzungsstrategien abzuleiten und erforderliche Instrumente kommunaler Energieplanung für lokale Entscheidungsträger zu entwickeln. Im Vordergrund steht dabei die Gestaltung und kontinuierliche Optimierung von nachhaltigen Energieeinspar- und Treibhausgasemissionsreduktionsstrategien in Siedlungen und Stadtteilen. Dabei soll ein ganzheitlicher Ansatz (Erzeugung, Versorgung, Transport und Verbrauch/Nachfrage wie auch kurz- und langfristige Maßnahmen, technische und organisatorisch/prozessorientierte Maßnahmen) verfolgt werden. Im Rahmen dieses Projekts soll daher auch ein besonderer Fokus auf die Analyse und Dokumentation der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der unterschiedlichen Planungsansätze in den beteiligten Ländern gelegt werden. Die Betrachtung verfügbarer (technischer) Planungstools spielt hingegen eine untergeordnete Rolle. Die zu erwartenden Ergebnisse umfassen einen strukturierten Statusbericht realisierter Best-Practice-Beispiele (rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Tools für Energie- und CO2-Bilanzen, Modellierungs- und Simulationstools für lokale Energieplanung), Fallstudien aktuell in Umsetzung befindlicher Projekte (Methoden zur Klassifizierung und Bewertung der Fallstudien, Szenarien und Planungsvarianten, Methoden und Tools für Entscheidungsträger, Planungsergebnisse, Prozessorganisation, Rolle der Entscheidungsträger, Umsetzungsstrategie, etc.) sowie Analysen bestehender Energie- und CO2-Verringerungsstrategien in Gemeinden und Städten (Methoden und Tools zur Entwicklung einer optimierten Energieeffizienzstrategie, CO2-Monitoring, Instrumente zur Unterstützung lokaler Entscheidungsträger bei der Entwicklung und Umsetzung kommunaler Langzeit-Strategien, Evaluierung). Die zentralen Ergebnisse werden in Form eines Leitfadens für Entscheidungsträger sowie eines interaktiven Software-Tools zur Planung und Optimierung in Bezug auf Energieeffizienz und CO2-Reduktion von Siedlungs- Energiekonzepten für die primäre Zielgruppe der Entscheidungsträger, lokalen Investoren, lokalen Verwaltungen sowie Behörden und Planer vorliegen.

Abbildung 3: Stadt:werk:lehen, Salzburg: Neubauareal und Gebäudebestand mit Sanierungspotenzial, Quelle: SIR

Erste Ergebnisse

Eine erste Analyse international bekannter Modellsiedlungen zeigt, dass neben den bekannten konventionellen Instrumenten (Recht, Förderungen) v.a. auch privatrechtliche Instrumente (energierelevante Festlegungen in Kaufverträgen) sowie das Engagement einzelner Personen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung energieoptimierter Modellsiedlungen spielen. Kommen vereinzelt bei großen Modellvorhaben aufwändige Planungs- und Simulationstools zur Anwendung werden Entscheidungen sehr oft aus dem Bauch heraus getroffen (z.B. Festlegung auf eine "Solarsiedlung"). Neben den jeweiligen Städten bzw. Gemeinden sind in der Regel eine Vielzahl von Bauträgern bzw. Investoren und Planern in den verschiedenen Stadien des Entscheidungsprozesses involviert. Daraus zeigt sich die Notwendigkeit, bei der Ausarbeitung von Entscheidungshilfen die Frage "welche Entscheidungshilfen zu welchem Zeitpunkt für welchen Entscheidungsträger" klar herauszuarbeiten. Die österreichische Projektbeteiligung bringt als Fallstudie das aktuell in Umsetzung befindliche Stadtteilprojekt "stadt:werk:lehen" in das Projekt ein (gefördert aus Mittel des EU-Concerto-Programms, des Programms "Haus der Zukunft plus" sowie der Wohnbauforschung des Landes Salzburg).

Das Projekt wurde 2009 gestartet und läuft bis 2012, die österreichische Beteiligung durch das SIR wird vom BMVIT finanziell unterstützt.

Abbildung 4: Stadt:werk:lehen, Salzburg: Solarunterstütztes Mikronetz zur Wärmeversorgung im Fernwärmeversorgungsgebiet, Quelle: Steinbeis-Institut

Weitere Informationen
www.annex51.org

"Dieses Projekt wird im Rahmen der IEA-Forschungskooperation im Auftrag des Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie durchgeführt."

Literatur

  • [1] NÖ – Energieausweis für Siedlungen; www.energieausweis-siedlungen.at
  • [2] Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK): "Energie und Raumentwicklung - Darstellung der Potenziale erneuerbarer Energieträger", Research Studio iSPACE, SIR, IIASA, 2007/2008

*) Dipl. Ing. Helmut Strasser ist verantwortlich für den Fachbereich "Energie" des SIR - Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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