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Nach der Klimakonferenz von Paris

Mitte Dezember 2015 ging die Klimakonferenz von Paris zu Ende. Viele Beobachter betrachten diese Konferenz als letzte Gelegenheit, das 2°C Ziel noch zu erreichen. Dies mag manchen übertrieben erscheinen. Doch das ist es nicht, wenn man die drei Dimensionen der Klimadebatte ernst nimmt: die ethische, die physikalische und die politisch –ökonomische.

Eine ethische Grundregel lautet: handle so, dass dein Handeln Grundlage einer allgemeinen Maxime werden kann. Mit dem Festhalten an dem aktuellen Energiesystem ignorieren die Industrieländer diesen Grundsatz. Denn die Verbrennung riesiger Mengen fossiler Energieträger beschleunigt den Klimawandel. Damit werden die Lebensbedingungen kommender Generationen radikal verschlechtert. Der Wohlstand heute wird auf Kosten der Zukunft erkauft. Dies ist schlechtweg unmoralisch. Ein friedvolles Zusammenleben zwischen Völkern und auch über Generationen hinweg kann nur bei Einhaltung ethischer Grundsätze gelingen.

Die physikalischen Grundlagen der Klimaentwicklung werden seit Jahrzehnten erforscht. Ein Ergebnis dieser Arbeiten ist das Konzept des Kohlenstoffbudgets. Es besagt, dass die Menschheit in diesem Jahrhundert nur eine limitierte Menge an fossilem Kohlenstoff emittieren darf, wenn eine Erwärmung über 2°C vermieden werden soll. Legt man diese Menge auf Jahre und die Weltbevölkerung um, so ergibt sich ein Eimissionsvolumen von 1,6 Tonnen je Kopf und Jahr mit einer gewissen Schwankungsbreite. Österreich emittiert derzeit etwa fünf Mal mehr an Kohlenstoff als es diesem Budget entspricht. Das Budget, das für 80 Jahre reichen sollte, wird schon in weniger als 20 Jahren aufgebraucht sein. Es kann nur eingehalten werden, wenn Österreich sofort die Weichen für einen drastischen Rückgang der Emissionen stellt. Dazu kommt, dass dieses Budget für eine Erwärmung um 2°C berechnet wurde. Der Ausstieg aus den fossilen Energien müsste noch wesentlich früher erfolgen, wenn die Erwärmung unter 1,5°C bleiben soll!

Der für die Klimaentwicklung entscheidende Parameter ist der Gehalt an CO2 in der Atmosphäre. Ein Gehalt von 350 ppm CO2 verursacht kaum Klimaprobleme, ein Überschreiten der 400 ppm Grenze ist ein Alarmsignal; wenn einmal der CO2 Gehalt auf 420 ppm steigt, wird eine Beschränkung der Erderwärumg um 2°C praktisch unerreichbar. Nun, im Jahre 2014 wurde erstmals der Wert von 400 ppm überschritten und im Mai 2016 wurden sogar schon 407 ppm CO2 in der Atmosphäre gemessen. Diese Messergebnisse zeigen: die Alarmstufe rot ist erreicht. Eine Stabilisierung des CO2- Niveaus unter 420ppm ist nur mehr erreichbar, wenn buchstäblich sofort wirksame Maßnahmen zur Senkung der Emissionen gesetzt werden. Jeder Monat zuwarten ist für immer verloren.

Damit kommen wir zur politisch –ökonomischen Dimension der Klimadebatte und zu den Ergebnissen der Konferenz von Paris. Die aufgezeigten Fakten waren die Grundlage der Verhandlungen in Paris. Die Ergebnisse sind wegweisend: 195 Länder haben einstimmig beschlossen die Erwärmung auf unter 2°C zu beschränken, angestrebt werden sogar höchstens 1,5°C Erwärmung. Die Verwendung fossiler Energien soll bis zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend auslaufen; daraus folgt, auch wenn dies so nicht im Text steht, die erneuerbaren Energien werden zur neuen Norm. Die reichen Länder sollen bei diesem Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft vorangehen. Im Klartext: Länder wie Österreich sollten schon vor 2045 auf fossile Energien verzichten. Allerdings, in Paris wurden keine Sanktionen vereinbart sondern ein Prozess. Alle fünf Jahre wird evaluiert und die Maßnahmen verschärft, wenn dies notwendig ist. Paris war ein großer Erfolg, mehr ist von einer globalen Konferenz, bei der das Prinzip der Einstimmigkeit gilt, nicht zu erwarten.

Die Verantwortung für die Umsetzung liegt bei den Nationalstaaten, sie allein haben auch die Kompetenz, wirksame Maßnahmen zu beschließen.

Und was ist seit Paris geschehen? Die Treibhausgasemissionen in Europa und auch in Österreich steigen wieder, der tiefe Ölpreis begünstigt die zunehmende Verwendung fossiler Energien, durch das Fluten der Märkte mit billigem Öl führen die Ölländer die Ziele der Klimapolitik ad absurdum, und viele nicken zustimmend. Gleichzeitig werden die Meldungen über Naturkatastrophen, seien es Brände in Kanada oder lebensbedrohende Unwetter in Deutschland im Frühjahr 2016 immer alarmierender. In Österreich wurde im Mai im Umweltausschuss des Parlaments ein Antrag zur Vorbereitung einer ökologischen Steuerreform mit Mehrheit abgelehnt. Die Botschaft von Paris ist bis jetzt in der realen Welt noch nicht angekommen.

Und was wäre zu tun? Die Antwort auf diese Frage liegt klar auf dem Tisch. Das Umweltbundesamt in Wien hat erst kürzlich ein realistisches Szenario erneuerbare Energien 2030 vorgelegt, das die Eckpunkte für eine klimaverträgliche Transformation des Energiesystems vorgibt. Bis 2030 soll der Energieverbrauch um 20% zurückgehen, der Einsatz der fossilen Energien fast halbiert werden und der Anteil der erneuerbaren Energie am Energieaufkommen auf über 60% steigen. Damit würden die CO2-Emissionen um 40% gegenüber 1990 sinken, gegenüber 2010 um 44%!

Tabelle 1: Österreich, Energiesystem 2030 im Sinne von Paris (PJ).

Die Ausweitung der erneuerbaren Energien auf 629 PJ erfordert gemäß diesem Szenario ein besonders starkes Wachstum von Wind, Photovoltaik, Biomasse und auch ein deutliches Wachstum von Solarthermie und Wasserkraft.

Tabelle 2: Österreich, Ausbau erneuerbare Energie 2030, PJ

Die erneuerbare Stromerzeugung sollte etwa 80 TWh erreichen, fast eine Verdoppelung gegenüber 2010 und damit ausreichen, um in Zukunft auch die wachsende E-Mobilität mit erneuerbaren Strom zu versorgen.

Und die Plattform „Klimaschutz jetzt“ hat dazu im Frühjahr 2016 dem Parlament die notwendigen Leitmaßnahmen für diese Umstellung vorgelegt. Dazu zählen als erste Schritte eine rasche ökologische Steuerreform mit 100 Euro je Tonne fossiler CO2-Emission und Rückführung der Erlöse an Wirtschaft und Private, das Verbot neuer Ölkessel ab 2018, um die fossilen Energien schrittweise aus dem Wärmebereich zu verdrängen und ein Ökostromgesetz, das den raschen Ausbau erneuerbaren Stroms auf 80 TWh vorsieht. Auch ein baldiges Verbot der Verfeuerung von Kohle in Kraftwerken wird notwendig. Andere Länder sind hier schon weiter: die Installation von Ölkesseln in Dänemark ist schon verboten, Norwegen plant sogar ab 2025 ein Verbot des Verkaufs von PKWs mit Verbrennungsmotoren, um die PKW-Flotte rasch auf erneuerbare Elektrizität umzustellen.

Diese Beispiele zeigen: Jetzt ist einerseits eine neue Dringlichkeit und andererseits ein Kulturwandel im Umgang mit Energie notwendig, weg von fossiler Energie hin zu erhöhter Effizienz und erneuerbarer Energie. Dies gilt für den einzelnen ebenso wie für die Ordnungspolitik des Staates. Paris lieferte dafür die Ziele und den globalen Rahmen. Die Umsetzung liegt an den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräften jeden Landes. Sie sollte ethischen Grundsätzen folgen wie Solidarität, Verantwortung, Zukunftsvorsorge.

Dr. Heinz Kopetz (Bild) war viele Jahre Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark und von 2012 bis 2016 Präsident des Weltbiomasseverbandes.

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