Zeitschrift EE

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Thermochemische Energiespeicherung als Möglichkeit zur Langzeitspeicherung industrieller Abwärme

Andreas Werner und Norbert Freiberger

In künftigen Energiesystemen, welche zunehmend die Nutzung regenerativer Energiequellen einbeziehen, ist die Energiespeicherung ein wichtiges Thema. Zum einen, weil der verstärkte Einsatz regenerativer Energiequellen wie Wind und Sonne aufgrund ihrer schwankenden Verfügbarkeit einen Ausgleich zwischen „Erzeugung“ und Verbrauch in Form von Energiespeichern fordert. Andererseits ist für den wachsenden Einsatz regenerativer Energiequellen eine starke Erhöhung der Effizienz im Energiesystem selbst erforderlich. Ein wesentlicher Teil des energetischen Endverbrauchs betrifft die Industrie, deren diesbezüglicher Anteil liegt lt. Energiestatus Österreich 2015 [1] bei etwa 30 %.
Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sind deshalb im industriellen Bereich sehr wichtig und können unter den richtigen (gesetzlichen) Rahmenbedingungen wirkungsvoll umgesetzt werden.

Abbildung 1: Magnesiumhydroxidplättchen nach einer thermischen Behandlung bei 375°C/2h. Quelle: Röntgenzentrum TU Wien

Abwärmenutzung aus Produktionsprozessen

Besonders wichtig ist dabei die Abwärmenutzung aus Produktionsprozessen, wobei die Abwärmeströme bei unterschiedlichen Temperaturniveaus anfallen, dieses liegt im Bereich von unter 100°C bis über 500°C, je nach Sichtweise der Studienverfasser (vgl. dazu [2] und [3]) wobei in den beiden Zitaten der Hochtemperaturbereich als Abwärmepotential nicht direkt genannt wird.

Speziell mit der industriellen Abwärmenutzung beschäftigt sich das vom FFG geförderte Leitprojekt Tes4Set (Thermal Energy Storage for Sustainable Energy Systems) in der Entwicklungslinie D, wo Konzepte zur Abwärmenutzung, basierend auf thermochemischer Energiespeicherung analysiert werden. Die am Projekt mitwirkenden Partner sind:

  • RHI AG, Wienerbergstraße 9, 1100 Wien

  • FH OÖ Forschungs & Entwicklungs GmbH, Franz-Fritsch-Straße 11, 4600 Wels

  • AMMAG GmbH Schütttechnik, Dahlienstraße 11, 4623 Gunskirchen

  • Ingenieurbüro Dr. Walter Somitsch, Wiedner Hauptstraße 90/2/19, 1050 Wien

  • TU Wien, Institut für Energietechnik und Thermodynamik, Getreidemarkt 9, 1060 Wien

Künstliche und natürliche Zeolithe

Im Rahmen dieses Projektes beschäftigen sich die Projektpartner FH OÖ FORSCHUNGS & ENTWICKLUNGS GMBH, AMMAG und SOMITSCH mit der Abwärmenutzung im Niedertemperaturbereich durch die Entwicklung und Verbesserung von künstlichen und natürlichen Zeolithen (z. B. Klinoptilolith). Natürliche Zeolithe sind aufgrund des günstigeren Preises eine interessante Alternative. Bei beiden Arten sind partikeltechnische Maßnahmen (Erhöhung der mechanischen Festigkeit und der Möglichkeit zur Feuchtigkeitsaufnahme, Verbesserung der Zyklenfestigkeit, Verhinderung der Freisetzung unerwünschter Komponenten) wichtige Projektziele. Zusätzlich sind im Rahmen der Zusammenarbeit aber auch geeignete Reaktoren und Regelungskonzepte zu entwickeln, um die Methoden der Abwärmenutzung industriell einsetzbar zu machen.

Reversible thermochemische Reaktionen

Für die Abwärmenutzung bei höherem Temperaturniveau werden reversible thermochemische Reaktionen untersucht und diesbezüglich in Frage kommende Materialien analysiert. Beispielhaft hierfür sind die Dehydratation von Magnesiumhydroxid zu Magnesiumoxid, sowie die Rückreaktion als Hydratation von Magnesiumoxid zu nennen:

I: Mg(OH)2 -> MgO + H2O (Wärmezufuhr)

sowie die Rückreaktion

II: MgO + H2O -> Mg(OH)2 (Wärmefreisetzung)

Diese Untersuchungen werden vor allem von den Projektpartnern TU Wien, RHI und AMMAG durchgeführt. Die große Kompetenz des Industriepartners RHI in Bezug auf die verwendeten Magnesiumverbindungen, sowie des Industriepartners AMMAG hinsichtlich der Reaktortechnik sind für die Durchführung des Projektes sehr wichtig. Die Projektziele bezüglich der Hochtemperaturmaterialien sind die gleichen wie für die Niedertemperaturmaterialien. Es sollen zyklenstabile, kostengünstige Energiespeicherstoffe mit hoher Speicherdichte inklusive der dazugehörigen Anlagentechnik entwickelt werden, mit deren Hilfe industrielle Abwärme den Anforderungen von „Erzeugern“ und Verbrauchern entsprechend gespeichert werden kann. Ein besonderer Vorteil der thermochemischen Energiespeicherung ist die praktisch verlustfreie Lagerung des Speichermaterials. Wird der Zutritt von Wasser während der Speicherung des Materials verhindert, ist eine unbegrenzt lange Speicherdauer möglich.

Abbildung 2: Röntgendiffraktometer zur Analyse der Umwandlung der Magnesiumverbindungen bei Hydratation und Dehydratation. Quelle: Röntgenzentrum TU Wien.

In Abbildung 3 ist das Schema eines Wirbelschichtreaktors dargestellt, dem Magnesiumhydroxid zugeführt wird, um durch den Abwärmestrom (rot) dehydratisiert zu werden. Diese Abwärme wird einerseits genutzt um das Hydroxid in Magnesiumoxid zu umzuwandeln – dieser Vorgang passiert in der Wirbelschicht – und andererseits, um den Feststoff vorzuwärmen. Das entstandene Magnesiumoxid wird dem Reaktor entnommen und gelagert, bis durch Kontakt mit Wasserdampf die gespeicherte Energie wieder freigesetzt werden kann.

Abbildung 3: Schema eines Wirbelschicht-Dehydratationsreaktors, Bild aus [4].

Weiterführende Informationen

[1] Energiestatus Österreich 2015, Entwicklung bis 2013. Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, 2013.

[2] M. Pehnt et al.: Die Nutzung industrieller Abwärme – technisch-wirtschaftliche Potenziale und energiepolitische Umsetzung. Bericht – Nr.: FKZ 03KSW016A und B. Heidelberg – Karlsruhe, 2010.

[3] Schnitzer et al.: Abwärmekataster Steiermark – Endbericht. TU Graz, Institut für Prozess und Partikeltechnik, 2012.

[4] J. Widhalm: Thermochemische Energiespeicherung und ihre Anwendung, (Arbeitstitel). Dissertation TU Wien, 2016, in Fertigstellung.

Autorenbeschreibung

Ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Werner ist als Dozent am Institut für Energietechnik und Thermodynamik der TU Wien tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Dipl.-Ing. Norbert Freiberger ist Projektmanager für Strategic Projects – Corporate R&D der RHI AG (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Logos der Förderer

Statement

„Im Zuge des Tes4seT-Projekts arbeiten einige vernetzte Teams hinsichtlich der Materialentwicklung und Anlagentechnik intensiv daran, Wärme effizient und kompakt speichern zu können.

Die RHI-AG, Hersteller von feuerfesten Auskleidungen für die Grundstoffindustrie (Stahl, Glas, Zement), fokussiert sich als Teil eines dieser Teams auf die Entwicklung und Bereitstellung eines geeigneten Speichermediums. Das gut umweltverträgliche und als Kernrohstoff für Feuerfestauskleidungen verwendete Magnesiumoxid (MgO) sticht dabei aufgrund seiner besonderen Eigenschaften besonders hervor und ist im Fokus der Untersuchungen.”

- Norbert Freiberger, RHI-AG

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