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2010-02: Energie in Gemeinden

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Ansicht Hertings Gård Quelle: Gerhard Andersson, FaBo

Die Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Falkenbergs Bostads AB (FaBo) errichtete in Falkenberg an Schwedens Westküste vier achtstöckige Wohnhäuser mit jeweils 27 Mietwohnungen. Einzigartig am Projekt „Hertings Gård“ ist, dass die Gebäude in modernster Passivhausbauweise gebaut und mit Solar-Luft-Paneelen zur Vorwärmung der Zuluft ausgestattet sind. Im folgenden Artikel werden sowohl die Gebäude als auch die verwendete Technologie vorgestellt. Weiters werden die aktuellsten Energieverbrauchsdaten des ersten Betriebsjahres (2009) der ersten beiden fertiggestellten Gebäude präsentiert.

Mehrfamilienhäuser in Niedrigenergiebauweise mit Solar-Luftheizung

Von M.Sc Jörgen Hurtig *

Seit der Fertigstellung der ersten beiden Gebäude im November 2008 werden diese seit mehr als einem ganzen Jahr betrieben. Gesamt- und Teilenergieverbrauch werden im Rahmen eines Forschungsberichts der Universität Halmstad analysiert und dokumentiert. Die Bauarbeiten der beiden anderen Gebäude wurden plangemäß im Februar bzw. März 2010 abgeschlossen.
Ziel des Projekts war die Errichtung von Öko-Wohngebäuden in Niedrigenergiebauweise mit folgenden Anforderungen:

  • Energieverbrauch (max. 60 kWh/m² und Jahr)
  • Dämmung der Gebäudehülle
  • Hochwärmedämmende Fenster
  • Energiesparende Haushaltsgeräte (Kühlschränke, Kühltruhen, etc.)
  • Modernes Regelsystem
  • Individuelle Messsyteme für Raumwärme, Warm- und Trinkwasserverbrauch.

Gebäudehülle

Die Gebäudehülle ist der wichtigste Bauteil eines Niedrigenergie- oder Passivhauses. Sie ist daher mit wesentlich höheren Dämmstärken versehen, als es die schwedische Gesetzgebung für Neubauten vorsieht (siehe Tabelle 1). Die Architekten der Wohngebäude haben sich insbesondere auf die Minimierung von Wärmebrücken spezialisiert.

Tabelle 1: Vergleich der tatsächlichen mit den gesetzlich vorgeschriebenen U-Werten der Bauteile

Bauteil
Baugesetz * **
Hertings Gård **
Dämmstärke
Fassade/Außenwand
0,30
0,10
395 mm
Dach
0,25
0,08
550 mm
Bodenplatte
0,30
0,08

350 mm

Fenster/Außentüren
1,50
0,90
3-fach Verglasung
Luftwechsel
0,5 h-1
0,5 h-1
 

*Schwedisches Baugesetz BBR 16 (BFS 2008:20)
** U-Werte [W/m²K], wenn nichts anderes angegeben

Abbildung 2: Beispiel einer S-Box-Anzeige. Monatliche Energiekosten inkl. Kohlendioxidemissionen in kg (Quelle: Manodo, Hersteller der S-Box)

Die Luftdichtheit ist entscheidend

Umfangreiches Know-How, Anstrengungen und neue Baumethoden wurden angewandt um eine möglichst luftdichte Gebäudehülle herzustellen. Die Luftdichtheit des Gebäudes ist notwendig, um den im Rahmen des Projekts angestrebten spezifischen Energieverbrauch zu erreichen. Diese wurde, wie auch in herkömmlichen Gebäuden, durch den Einbau von luftdichten Folien erreicht. In diesem Passivhausprojekt wurde jedoch von Seiten der bauausführenden Unternehmen vermehrt Augenmerk auf den sorgfältigen und präzisen Einbau der Folie gelegt, um das Eindringen kalter Außenluft in das Gebäude, sowie die Kondensation der Heizungsluft in der Wandkonstruktion zu verhindern. Die Überlappungen und Kanten der Folie wurden entlang der Fenster- und Türrahmen mit einem speziellen Zweischichtklebeband verklebt (siehe Abbildung 3). Um Durchdringungen der Folie durch Wasser- oder Elektroinstallationen zu verhindern, wurde diese erst auf die 70 mm starke Installationsebene angebracht. In vier Wohnungen wurden zudem Blower-Door-Tests durchgeführt um sicherzustellen, dass die Luftwechselrate unter den Systemanforderungen liegt.
Die spezifische Luftwechselrate wurde mit maximal 0,16 L/s*m² bei 50 Pa Druck definiert. Das ist fünf Mal weniger als es das schwedische Baugesetz (BFS 2002:19) vorschreibt.

Abbildung 3: Luftdichter Fenstereinbau mit Klebebändern (Foto: Margareta Gunnarsson)

Raumwärme und Warmwasser

Die Gebäude in Hertings Gård besitzen zwar Passivhausstandard, sind jedoch mit einer externen Energieversorgung zur Raumheizung und Warmwasseraufbereitung ausgestattet.
Die Gebäude verfügen über einen Fernwärmeanschluss für die Warmwasseraufbereitung und für zusätzliche Raumwärme an kalten Wintertagen, an welchen die Luftheizung nicht ausreicht. Die Gesamtanschlussleistung je Gebäude beträgt 184 kW. Das Regelungssystem für die Heizung bzw. das Lüftungssystem entnimmt erst die gesamte verfügbare Wärme aus den Solar-Luft-Paneelen, danach jene aus dem Wärmetauscher der Lüftungsanlage und greift erst zuletzt auf die Wärmebereitstellung aus der Fernwärme zurück.

Individuelles Mess- und Informationssystem

In jeder Wohnung werden der Energieverbrauch für Raumwärme, für Haushaltsstrom, Warm- und Kaltwasser individuell gemessen. Mit Hilfe eines sich in der Wohnung befindlichen Informationssystems, der sogenannten S-Box, haben Mieter ungehinderten und ständigen Zugang zu diesen Messdaten (siehe Abbildung 2) . Die S-Box kalkuliert auch die durch den Haushalt verursachten Kohlendioxid-Emissionen in kg. Weiters sind Grafiken des stündlichen Energieverbrauchs ersichtlich. Es wird erwartet, dass das System das Nutzerverhalten der Mieter hinsichtlich ihres eigenen Energieverbrauchs beeinflusst. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels war dieser Aspekt noch nicht analysiert.

Solar-Luft-Paneele

Jedes Gebäude ist über dem Eingang mit dem einzigartigen Solar-Luft-System von 75 m² Fläche ausgestattet. Dieses perforierte Stahlpaneel heizt die Zuluft des Lüftungssystems vor. Die vorläufige Zahlen für die durch dieses Paneel jedem Gebäude zugeführte Energiemenge betragen in etwa 8.300 kWh/Jahr. Allerdings konnte das Gebäude nicht die ganze Energie nutzen, da nicht immer ein entsprechender Energiebedarf bestand.
Das Solar-Luft-System besitzt keine Speicherfunktion um die Energie aus Sonnentagen für Tage mit geringer solarer Einstrahlung zu konservieren.

Abbildung 4: Solar-Luft-Paneel über dem Eingang (75 m2) (Foto:Margareta Gunnarsson)

Beispiel: Am 25. November um 10.20 Uhr herrschte eine Außentemperatur von -1 °C, das Solar-Luft-Paneel stellte eine Zulufttemperatur von +11°C bereit. Das bedeutet eine Gesamtleistung von 8 kW. Zu diesem Zeitpunkt benötigte das Gebäude zum Betrieb keine andere Energiequelle.

Energieverbrauch mehr als halbiert

Verglichen mit statistisch gleichwertigen Gebäuden weist Hertings Gård einen um 70% geringeren Energieverbrauch auf (37 zu 122 kWh/m²*Jahr). Die ursprünglichen Zielsetzungen, welche in der Planungsphase definiert wurden, konnten mit geringen Abweichungen erreicht werden (Ziel: 60 kWh/m²*Jahr), siehe Tabelle 2.

Tabelle 2: Ergebnisse und Vergleiche des Spezifischen Energieverbrauchs [kWh/m²*a]

 
Raumheizung (RH)
Warmwasser (DHW)
Gesamtwärme (RH+DHW)
Haustechnik-
energiebedarf
Gesamt
Standardwohnung (Statistik 2008)*
-
-
122
-
-
Nationale Gesetzgebung**
-
-
-
-
110
Kalkulierte Werte für Hertings Gård
20
20

40

10

50
Haus 18 Hertings Gård (2009)
21,0***
16,0
37,0
15,8****
52,8
Haus 19 Hertings Gård (2009)
21,2***
13,8
35,0

15,5****

50,5

 

Statistik der Schwedischen Energieagentur, 2008. Mehrfamilienhäuser Baujahr 2001-, in Südwestschweden mit Fernwärme.
** 
Schwedisches Baugesetz BBR 16 (BFS 2008:20)
*** 
Korrigiert auf ein Schwedisches Normjahr (1970-2000) basierend auf einen Sollwert von 17° C.
**** 
Inklusive Strom für Außenbeleuchtung (inkl. Parkplatzbeleuchtung)

Passiv- oder Niedrigenergiehaus?

Wäre die Heizlast niedriger als 10 W/m² könnte Hertings Gård mit einem spezifischen Energieverbrauch von 51,5 kWh/m²*Jahr durchaus als eine Passivhauswohnanlage definiert werden.
Jedes Gebäude in Hertings Gård hat jedoch eine Fernwärme-Gesamtanschlussleistung von 72,1 W/m²*Jahr (gesamt 184 kW), welche vor allem für die Warmwasserbereitung benötigt wird. Trotzdem liegt der durchschnittliche spezifische Energieverbrauch der Gebäude in Hertings Gård (51,5 kWh/m²*Jahr) unter den nationalen Anforderungen laut Baugesetz (siehe Box 3). Auch die spezifische Luftwechselrate liegt mit 0,16 L/s*m² darunter.
Daher lässt sich schlussfolgern, dass die Gebäude in Hertings Gård als „gute“ Niedrigenergiegebäude mit einem Raumwärmebedarf gleich jenem eines Passivhauses definiert werden können. Weiters sollte es möglich sein, das über die Fernwärme hergestellte Warmwasser mit einer solaren Warmwasseraufbereitung zu ergänzen. Dank der langen Sommertage ist die solare Einstrahlung an der schwedischen Westküste relativ hoch.

*) M.Sc Jörgen Hurtig ist Energieexperte und Bauingenieur. Er ist Mitarbeiter der Abteilung Energie der Universität Halmstad, Schweden. Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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