Zeitschrift EE

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2010-02: Energie in Gemeinden

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Gewächshaus zur Trocknung des Klärschlammes

Im Zuge einer notwendigen Sanierung der existierenden Kläranlage in Neckarsulm wurde vom „Abwasserzweckverband Unteres Sulmtal“ im Rahmen des EU-Projekte „Energy in Minds!“ ein innovatives Konzept für eine thermogestützte solare Klärschlammtrocknung ausgearbeitet und zwischen Juli 2008 und September 2009 umgesetzt.

Aus feuchtem Klärschlamm wird Brennstoff
Errichtung einer solaren Klärschlammtrocknung

Von Ursula Knapp, Boris Mahler und Thorsten Morhaus *

Der wirtschaftliche Betrieb der Anlage wird durch eine klare Konzeption und Einsatz moderner Technologien sichergestellt. Durch die Nutzung der Solarenenergie und intelligente Nutzung anfallender Überschusswärme kann die Anlage bezüglich der Wärme- und Elektroenergie weitgehend autark betrieben werden. Die CO2-Emissionen werden um 7.000 Tonnen pro Jahr reduziert.

Handlungsbedarf

Die Abwasseraufbereitungsanlage “Unteres Sulmtal” in Neckarsulm musste von 140 000 EW (Einwohnerwert: Belastung von 140 000 Einwohnern) auf 200 000 EW erweitert werden. Detaillierte Analysen zeigten, dass nicht nur die Kapazität erhöht, sondern auch große Teile der Anlage nachgerüstet oder erneuert werden müssen. Die Gegenüberstellung verschiedener Lösungsansätze ergab, dass die Umsetzung einer solaren Klärschlammtrocknungsanlage eine wirtschaftliche und innovative Lösung darstellt. Die Planung und Bauleitung wurde vom Ingenieurbüro ISW Ingenieurberatung für Siedlungswasserwirtschaft übernommen.

Innovativer Ansatz

Während der letzten Jahre entwickelten deutsche Firmen einen innovativen Ansatz, der auf solarbetriebenen Gewächshäusern basiert. Solarenergie wird verwendet um den Wassergehalt des Klärschlamms auf weniger als 25 % zu verringern. Dadurch reduziert sich das Volumen und Gewicht des Klärschlamms um bis zu 70 %. Dieser trockene „Schlamm“ lässt sich leicht entsorgen und kann in einem nahe gelegenen Heizkraftwerk als Brennstoff mit gutem Heizwert genutzt werden.

Situation vorher

Der Wärmebedarf für die Kläranlage wird über einen Heizkessel, der mit Faulgasen oder Öl betrieben werden kann, und zwei Blockheizkraftwerken gedeckt. Die Kläranlage bereitet Klärschlamm von etwa 140 000 Einwohnern auf. Es fallen jährlich bis zu 60.000 Tonnen ausgefaulter Klärschlamm mit einem Trockensubstanzgehalt zwischen 3 und 4% an. Dieser wird mit drei Siebbandpressen auf einen Trockensubstanzgehalt von 21-23% entwässert. Nach der mechanischen Entwässerung des Schlammes werden ca. 7.500 Tonnen in Container verladen und anschließend mit einem hohen Wassergehalt von 75-85% und einem niedrigen Heizwert zur Verbrennung in einem nahe gelegenen Heizkraftwerk abtransportiert. Dies führt zu hohen Transport- und Entsorgungskosten von ca. 600.000 Euro pro Jahr.
Die Energie, die durch das Verbrennen des Klärschlamm produziert wird, beträgt 4.400 MWh/a. Zieht man in Betracht, dass Energie für verschiedene Prozesse wie das Pressen, Trocknen etc. in der Kläranlage benötigt wird, beträgt der Energieüberschuss 2.400 MWh/a. Das Ersetzen von 520 Tonnen Schwarzkohle pro Jahr verringert die jährliche CO2-Emission um etwa 2.900 Tonnen.

Situation nachher

Es wurden zwei neue mit Faulgas betriebene Blockheizkraftwerke installiert. Die zusätzliche Nutzung von Solarenergie, Abwärme der Druckluft über Wärmetauscher und Wärmepumpe und Wärmerückgewinnung der Abluft des Faulbehälters spart zusätzlich Primärenergie und reduziert somit die CO2-Emissionen.
Die Aufbereitung von Klärschlamm wird auf 200.000 Einwohner ausgeweitet. Neue Siebbandpressen verringern den Wasseranteil im Klärschlamm erheblich. Nach dem Pressen wird der Klärschlamm in ein Gewächshaus transportiert, wo er durch die Sonne und die Fußbodenheizung getrocknet wird. Die für die Fußbodenheizung benötigte Wärme wird von den Blockheizkraftwerken und einer Wärmepumpe erzeugt, die Druckluftwärme nutzt.
Nach der Trocknung hat der Klärschlamm einen Trockenmaterialanteil von 65 %. Nur mehr 3.000 Tonnen getrockneter Klärschlamm müssen abtransportiert und in einem nahe gelegenen zentralen Heizkraftwerk verbrannt werden. Die Energie, die durch die Verbrennung des Schlamms erzeugt wird, beträgt 8.600 MWh/a. Der Energieüberschuss beträgt 7.000 MWh/a. Das Ersetzen von 1.000 Tonnen Schwarzkohle pro Jahr verringert die jährlichen CO2 Emission um etwa 6.900 Tonnen.

Wärmerückgewinnung aus Druckluft

Kläranlagen verwenden Druckluft zur Belüftung der Belebungsbecken für den biologischen Reinigungsprozess. Die bei der Verdichtung der Luft entstehende Wärme geht bisher beim Eintrag der Luft in das Abwasser verloren. Die Nutzung dieser Druckluftwärme ist somit eine Möglichkeit Energie einzusparen. Die Nutzung der Verlustwärme erfolgt durch Abgriff der Wärme über einen separaten Luftkühler, der direkt in der Druckluftleitung zum Belebungsbecken installiert wird. Die Wärme wird direkt an ein Kühlmittel weitergegeben. Eine Wärmepumpe nutzt die Wärme im Kühlmittel und heizt den Heizkreislauf auf 60-70 °C auf. Durch den Einsatz dieser Methode können jährlich etwa 1.300 MWh Wärmeenergie zurück gewonnen werden.
Entgegen der ursprünglich vorgesehenen Wärmerückgewinnung aus dem vorbeifließenden Neckar liegt das Temperaturniveau der Druckluftkühlung ganzjährig höher. Dadurch ist ein wesentlich effizienterer und wirtschaftlicher Betrieb der Wärmepumpenanlage gewährleistet, was sich monetär in den laufenden Betriebskosten der Gesamtanlage niederschlägt.

Weitere Maßnahmen bis 2011

Die Klärschlammtrocknung ist nur ein Teil des notwendigen Um- und Ausbauprojektes des Neckarsulmer Klärwerkes.
Unter laufendem Betrieb werden 3 SBR-Reaktoren und ein Vorlagebehälter mit einer Reinigungsleistung von 60.000 EW installiert. Nach der Fertigstellung werden diese mit der bestehenden Altanlage so verknüpft, dass eine integrierte, abgestimmte Gesamtanlage die dauerhaft gesicherte Reinigung der Abwässer gewährleistet.
Mehr Biologie, weniger Chemie ist der Grundsatz des SBR-Verfahrens, das eine hohe Reinigungsleistung auf kleinstem Raum ermöglicht und zusätzliches Klärgas produziert, das wiederum als Brennstoff in den Blockheizkraftwerken genutzt werden kann.

Fazit

Durch die Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen wurde für die Behandlung und die Verwertung des auf der Kläranlage in Neckarsulm anfallenden Klärschlammes eine technisch, wirtschaftlich, energetisch und ökologisch optimale sowie zukunftsweisende Lösung gefunden. Mit der solaren Trocknung des Klärschlammes verschafft sich der AZV Unteres Sulmtal eine langfristige Planungssicherheit bezüglich der anfallenden Klärschlammentsorgungskosten.

Abbildung 2: Gewächshaus

Abbildung 3: Erste Bestückung des Gewächshauses mit Klärschlamm im September 2009

Abbildung 4: Interviews durch das Filmteam von LTV . Der Film ist zu sehen auf www.energy-in-minds.de unter News)

Abbildung 5: Wärmekonzeption Kläranlage (Quelle: ISW Ingenieurberatung für Sieldungswasserwirtschaft)

*) Dipl.-Ing. Ursula Knapp (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dr.-Ing.
Boris Mahler (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Thorsten Morhaus (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Betriebsleiter der Verbandskläranlage „Unteres Sulmtal“ [^]

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