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2010-02: Energie in Gemeinden

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Windrad zur Stromgewinnung für die Versorgung der Regenwasser-Umwälzpumpe für Biotop und freie Wasserfläche (Foto: König)

Die Nonnen von San Francesca am Rande von Tokio betreuen schon seit 75 Jahren elternlose Kinder an verschiedenen japanischen Orten. Das neue Mädchenwohnheim für junge Erwachsene ist als Ergänzung von San Francesca Tokio im Dezember 2008 fertig geworden und hat die ersten fünf volljährigen Mädchen aufgenommen. Bei neuen Gebäuden des Ordens werden Windkraft, Solar- und Regenwassertechnik integriert.

Mädchenwohnheim San Francesca in Tokio/Japan

Von Klaus W. König *

Konstruktion und Haustechnik

Die soziale Mission der Nonnen von San Francesca hat auch eine ökologische und eine baubiologische Komponente. Ressourcen der Natur sollen geschont werden durch den Einsatz energiesparender und CO2-neutraler Haustechnik. Zum Heizen im milden Winter Tokios genügen Solarthermie-Röhrenkollektoren, an kalten Tagen wird ein Zimmerofen mit Holzfeuerung im Aufenthaltsraum zusätzlich in Betrieb genommen. Regenwasser wird zu 100 % auf dem Grundstück zurück gehalten, teilweise durch Dachbegrünung und Biotop verdunstet, teilweise zur Grundwasseranreicherung versickert. Ein Regenspeicher gewährleistet die Wasserversorgung im Notfall. Aus dem Überlauf des Regenspeichers werden Biotop und Sickerschacht gespeist. Die dazu nötige Pumpe bezieht ihren Strom aus Fotovoltaik und Windkraftanlage.
Bei der Auswahl der Baumaterialien war neben dem sorgsamen Umgang mit der Natur auch das gesundheitliche Wohlergehen der Bewohnerinnen ein Motiv, die so genannte Baubiologie.
Für eine so spezielle Aufgabenkombination gibt es in Japan bisher nur wenige Architekten. Hiroshi Kamiya ist einer von ihnen. Der 60-jährige, seit 1990 mit seinem Büro Suikei-Design selbstständig, leitet im Land der aufgehenden Sonne mehrere interdisziplinäre Fachgruppen zum ökologischen Bauen und zum Grundwasserschutz. Zusätzlich unterrichtet er an der Hosei-Universität in Tokio. Kamiya, auch Planer für einen Teil der Weltausstellung 2005 in Aichi/Japan, war zum Informationsaustausch bereits mehrmals in Deutschland. Er ist Mitglied der Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung fbr in Darmstadt. „In Japan gewinnt Wasser-Recycling zunehmend an Bedeutung“, meinte Kamiya im Gespräch mit Dietmar Sperfeld, Fachreferent der fbr. „Doch Deutschland ist in dieser Technologie weltweit führend, insbesondere bei der Filtertechnik.“

Filter made in Germany

Regenwassernutzung war eine der Wasser-Sparmaßnahmen, die in Hessen von 1992 bis 1997 durch die Landesregierung gefördert wurden. In dieser Zeit erlebte Wisy den Aufschwung mit der Neuentwicklung seiner Regenwasserfilter. Seit 1998 ist die Firma in Japan bekannt und ist dort zum Inbegriff für deutsche Regenwassertechnik geworden. Die patentierten Filtersammler und Wirbelfeinfilter waren de Attraktion bei der internationalen Messe im August 1998 in Sumida City, einem Stadtteil Tokios. Viel Aufmerksamkeit schenkten die japanischen Ingenieure diesen Produkten, weil sie mehr als 90 % Wasserertrag „ernten“ bei gleichzeitig freiem Querschnitt zur Ableitung von Schmutz- und Restwasser.
Architekt Kamiya war einer der ersten, der diese sich selbst reinigenden Filter in japanischen Projekten eingesetzt hat. Im Jahr 2001 präsentierte er auf Einladung von Wisy bei den internationalen Regenwassertagen in Mannheim Ergebnisse und neue Ideen seines Architekturbüros. Der Gründer von Wisy, Norbert Winkler, ist am Austausch mit solchen Pionieren in Fernost interessiert. „Die Stückzahlen im Japangeschäft sind inzwischen stabil. Auch das Regenwasser-Museum in Sumida zeigt unsere Produkte.“
Das weltweit erste Regenwassermuseum wurde im Jahr 2001 von Dr. Makoto Murase eingerichtet. Als Mitarbeiter im öffentlichen Gesundheitsdienst und Umweltbeauftragter bekam er von seiner Stadtverwaltung, eine leer stehende Grundschule zur Verfügung gestellt. Ab 2011 wird das Regenwassermuseum umziehen in ein neues Gebäude am Fuße des Fernsehturmes Tokio Sky Tree, dem dann mit 610 Metern höchsten Turm der Welt. Dieser soll nach seiner Fertigstellung in 2 Jahren das digitale Sendezeitalter in Japan eröffnen und ein Wahrzeichen für erdbebensicheres Bauen sein. Die Konstruktion aus Stahl wurde im Juli 2008 begonnen, der Turmschaft ragt bereits deutlich über die umliegenden Geschäftshäuser im Stadtteil Asakusa hinaus.

Nachwachsende Rohstoffe

Architekt Kamiya und die Bauherrschaft des Mädchenwohnheims San Francesca gingen einen Schritt weiter, als nur das ökologisch beste Material zu bestellen. Sie hatten den Ehrgeiz, den Kindern des Heimes den Zusammenhang von Natur und Stadt, die Bedeutung regionaler Kreislaufwirtschaft und den Wert des Waldes für den natürlichen Wasserhaushalt zu vermitteln. Aus seiner Arbeitsgruppe für Grundwasserschutz im Raum Tokio kennt Kamiya die Tama-Region als Trinkwassereinzugsgebiet der Metropole, speziell das Dorf Kosuge. „Eine gute Bewirtschaftung des Waldes sichert langfristig die Trinkwasservorräte Tokios“, weiß Kamiya. „Die Waldbesitzer-Genossenschaft leistet in diesem Sinne hervorragende Arbeit. Deshalb unterstützen wir sie durch Bestellen unseres Bauholzes direkt dort.“ Er war mit einer Auswahl der 50 hier wohnenden Kinder auf Exkursion in Kosuge. Gemeinsam wurden die zu fällenden Bäume im Wald bestimmt.
Einen weiteren Aspekt des natürlichen Wasserkreislaufes erleben die Kinder von San Francesca im Garten, wo ein Windrad den Gleichstrommotor der Umwälzpumpe antreibt, mit der gesammeltes Regenwasser aus der unterirdischen Zisterne in das Biotop gefördert wird, - und in einen oberirdisch stehenden kleinen Regenspeicher. Der ist zur Bewässerung durch Kinder gedacht, daher leicht erreichbar aufgestellt. An ihm können sich Kinder bedienen, um mit kleinen Gießkannen eigenverantwortlich Pflanzen zu bewässern. An einem seitlich angebrachten Pegelrohr kann der Wasserstand im Speicher optisch einfach kontrolliert werden. Der Niederschlag vom Dach füllt den Regenspeicher immer wieder auf, Überläufe werden auf dem Gelände zur Grundwasseranreicherung versickert.

Regenwassertechnik

Für die Wasserqualität und den störungsfreien Betrieb ist das entscheidende Bauteil einer Regenwassernutzungsanlage der Filter. Zum Speicher, unterhalb der Bodenplatte in Ortbeton gegossen, führen 2 Fallrohre mit jeweils einem Filter - made in Germany. Ohne den Leitungsquerschnitt zu verengen, sitzt die Filterhülse als zylindrisches perforiertes Bauteil mit 0,28 mm Filterfeinheit in der Wandung des Zulaufrohres. Dies ermöglicht den so genannten Schmutzverwurf (Filtertyp C gemäß DIN 1989-2: 2004-08). Gefilterte Partikel werden in die Abwasserleitung abgespült, ohne den Filter zu verstopfen oder entsorgt werden zu müssen. Daraus resultiert ein hoher Wirkungsgrad und eine lange Standzeit, d. h. hohe Wasserausbeute, gute Reinigungsleistung, lange Reinigungsintervalle. Laut DIN 1989-1 muss ein solcher Filter nur noch ein Mal pro Jahr gereinigt werden.
Architekt Hiroshi Kamiya hat seit vielen Jahren gute Erfahrung mit Wisy-Filtern bei seinen Projekten in Japan gemacht. Ihn fasziniert die Tatsache, dass die physikalische Wirkungsweise der Wisy-Filter auch den so genannten First Flush abtrennt. Bis das gesamte Filtergewebe benetzt ist, fließen die ersten Liter des Dachablaufes in die Versickerung. Damit gelangen die Ablagerungen vom Dach und die im Niederschlag gelösten Bestandteile der Luftverschmutzung zum großen Teil nicht in den Speicher. Natürlich werden sich über die Jahre durch feinste Schwebstoffe Sedimente am Speicherboden ablagern. Doch diese Sedimentation als 2. Reinigungsstufe ist gewollt. Um diesen selbsttätig ablaufenden Prozess der Sedimentation zu begünstigen, ist der Speicher mit Schwellen in 4 Kammern geteilt. Der Regenwasserzulauf erfolgt in die 1. Kammer, die Entnahme mit einem schwimmenden Ansaugfilter von Wisy ist in der 4. Kammer installiert. Durch diese Sorgfalt und durch den konsequenten Schutz vor Tageslicht ist der gespeicherte Regenwasservorrat unbegrenzt lagerfähig – eine Voraussetzung für die Verwendbarkeit im Katastrophenfall. Kamiya schätzt die klaren Vorgaben der DIN 1989 für die Regenwassertechnik in Deutschland. Sein Ziel ist, in Japan eine Norm für Regenwassernutzung einzuführen, nach deutschem Vorbild. Er leitet die Fachgruppe Regenwasser beim Architectural Institute of Japan AIJ in Tokio.
Die Teilnehmer prüfen die Übertragbarkeit der deutschen Norm auf japanische Verhältnisse. Im Oktober 2009 waren Mitglieder der Initiative zu Besuch bei der DIN-Verwaltung in Berlin im Rahmen einer Exkursion.
Wie einst Francesca Cabrini, die Ordensgründerin, um die Welt gereist war in sozialer Mission und von der Notwendigkeit ihres Tuns überzeugt, so reisen heute Umweltexperten wie Hiroshi Kamiya von einem Kontinent zum anderen auf der Suche nach Umwelt schonender Haustechnik und schaffen Orte nachhaltigen Bauens. Das Mädchenwohnheim San Francesca ist ein solcher Ort – sozial und ökologisch.

Abbildung 2: Außenwaschbecken mit Doppelanschluss Trinkwasser (links) und Regenwasser Foto: König

Abbildung 3: Oberirdischer Regenwassertank, für Kinder zur Bewässerung leicht erreichbar aufgestellt Foto: König

Abbildung 4: Wirkungsweise selbst reinigender Regenwasserfilter Grafik: Wisy

*) Dr. Klaus W. König (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) ist Architekt, Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist und Vorstandsmitglied der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), Überlingen [^]

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