Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2011-02: Solarthermie im Megawattsektor

Projektinformationen und Service

Im Herbst 2009 wurde in Zusammenarbeit der TU Graz und AEE INTEC eine Untersuchung zur möglichen Energieeinsparungen und dem Einsatz erneuerbarer Energie für die Palfinger GmbH am Standort Lengau durchgeführt.

Energieeinsparungen und Einsatz erneuerbarer Energien am Standort Lengau der PALFINGER GmbH

Die Untersuchungen umfassten:

Erstellen eines Energieflussbildes der energierelevanten Teile der Produktion auf Basis vorhandener Daten, möglicher Abschätzungen und prozesstechnischer Berechnungen

  • Analyse der Möglichkeiten, den Energieverbrauch durch Wärmeintegration zu reduzieren
  • Abschätzung der Möglichkeiten des Einsatzes einer Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
  • Abschätzung der Möglichkeiten des Einsatzes solarer Prozesswärme

Im Rahmen der Studie konnten wesentliche Reduktionspotentiale für den Energieeinsatz ermittelt werden und vielversprechende Bereiche für weitere Untersuchungen aufgezeigt werden.
Die Energiebilanz konnte auf Basis der vorhandenen Daten und zusätzlicher thermodynamischer Berechnungen basierend auf den Prozessparametern rasch dargestellt werden. Die detaillierte Erfassung des Energieverbrauchs in den einzelnen Produktionsbereichen zeigt energie-intensive Bereiche, die Schwerpunkt für die weiteren Untersuchungen zu Energieeinsparungen bilden. Für den Raumwärmebereich kann mit spezifischen Benchmarkzahlen die Bedeutung von Einsparungsmaßnahmen quantifiziert werden. Im Bereich der Prozesswärme wird der minimale Energiebedarf auf Basis der Prozessparameter berechnet und mit dem tatsächlichen Energieeinsatz verglichen. Dadurch können rasch Potentiale zur Verbesserung der Prozesseffizienz bzw. der Effizienz der Wärmeverteilung aufgezeigt werden.
Im Rahmen des Projektes wurden folgende Maßnahmen betrachtet:

  • Wärmerückgewinnnung in der Lackierung
  • Reduktion des Heizwärmebedarfs
  • Integration einer solarthermischen Anlage
  • Einsatz eines Mikrogasturbine zur Strom- und Wärmeerzeugung

Insgesamt konnte ein kurzfristig realisierbares Einsparungspotential von 1.250 MWh/a fossiler Energie dargestellt werden. Eine zukünftige Energieversorgung über ein KWK-System kann Einsparungen von weiteren 1.000 MWh/a erzielen. Die Maßnahmenumsetzungen werden in den nächsten Monaten im Bereich der Wärmerückgewinnung und Heizwärmeoptimierung beginnen.

Weitere Informationen
DI Bettina Muster-Slawitsch, AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Zurück zu den Beiträgen

2011-02: Solarthermie im Megawattsektor

Industrielle Prozesse

Abbildung 1: Membrandestillationsanlage (Quelle: Sebring Technology GmbH)

Die seit 2007 aufgebaute „Matrix für Energieeffizienz und Solare Prozesswärme für die Industrie“ ist eine frei zugängliche Datenbank, welche dem Anwender systematisiert Informationen zu Energie-Benchmarks, Effizienzpotentialen und Einbindungsmöglichkeiten von Solarer Prozesswärme in industrielle Prozesse zur Verfügung stellt. Das Expertensystem ist als Wiki-Web verfügbar und wird im Rahmen von mehreren Projekten weiterentwickelt.

Die MATRIX
Übergang zur „Energieeffizienz und Solaren Prozesswärme für die Industrie“

Von Christoph Brunner und Bettina Muster *

Im Zuge eines Projektes im Rahmen des IEA Task 33/IV – Solar Heat for Industrial Processes wurde ein Kompendium zur „Energieeffizienz und Solaren Prozesswärme für die Industrie“ in Form einer „Matrix“ entwickelt. Diese wurde auf Excel-Basis für die Industriesektoren Lebensmittel, Textil und Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen bis zu einem definierten Ausmaß mit Informationen über den Sektor (Fließschema der Produktion, Temperaturniveaus der Prozesse, Benchmark-Daten, Möglichkeiten zur Integration von solarthermischen Systemen, Fallbeispiele von solarer Prozesswärme, …) befüllt. Diese „Matrix“ wurde so aufgebaut, dass auf der y-Achse verschiedene „unit-operations“ und auf der x-Achse die unterschiedlichen Industriesektoren bzw. diverse Untersektoren aufgetragen sind. Unter „unit-operations“ werden Prozesse definiert, wie zum Beispiel Waschen, Trocknen oder Pasteurisieren, die in verschiedenen Industriebranchen zu finden sind. Die „Matrix“ wurde vor allem für Solarexperten, Energieberater und Energiemanager entwickelt, mit welcher diese bei der Konzeptionierung von solaren Anlagen in der Industrie unterstützt werden. Dem Benutzer wird ein Überblick über Niedertemperaturprozesse (max. 250 °C) gegeben, auf denen aufbauend die Möglichkeiten der Anbindung von solarer Prozesswärme deutlich aufgezeigt werden. Die „Matrix“ wurde laufend weiter entwickelt und erweitert, wodurch sich schnell die Notwendigkeit einer besser kommunizierbaren Form gezeigt hat. Vor allem die Benutzerfreundlichkeit aber auch eine möglichst einfache Erweiterung und Bearbeitung der Datenbank durch einen möglichst großen Kreis von Anwendern waren Ziel eines Folgeprojektes. Darüber hinaus sollte eine weitere Verbreitung erreicht werden.
Aufgrund der Größe der Datenmenge und dem gewünschten einfacheren öffentlichen Zugang und damit einer sicheren und weiten Verbreitung wurde die bestehende Excel Datenbank in das System einer Wikipedia Homepage („wikiweb“) integriert. Die Datenbank ist im Internet unter der Adresse http://wiki.zero-emissions.at erreichbar. Dadurch wurde zum einen die geplante Erweiterung der „Matrix“ vereinfacht. Zum anderen konnte so eine schnelle Verbreitung der Ergebnisse durch den Zugang verschiedenster Nutzer über das Internet gewährleistet werden. Die Datenbank ist für jeden Nutzer frei zugänglich. Wenn Anwender Daten in die Datenbank integrieren wollen, müssen Benutzername und Passwort angefordert werden. Die Verwaltung der Zugangsdaten wird durch die Technische Universität Graz – Institut für Prozess und Partikeltechnik organisiert und in Zusammenarbeit mit der AEE INTEC wird die Überarbeitung und Freigabe der Wikiweb Beiträge durchgeführt. Damit können zum einen Änderungen und Erweiterungen durch angemeldete Benutzer vom Betreiber der Datenbank einfach nachverfolgt werden und zum anderen, wenn erforderlich, auch editiert werden. Weitere Informationen zur Nutzung, Erweiterung und Bearbeitung der Datenbank finden sich auf der Homepage der „Matrix“.
Die Datenbank soll laufend im Zuge von Projekten mit Daten auf Basis von durchgeführten Fallstudien erweitert werden. Zuletzt wurde sie im Sektor der Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen weiter mit Informationen befüllt. Aus Literaturdaten, Produktionsdaten der Firmen, die in den Projekten untersucht werden, und bekannten Fallbeispielen wird das Expertensystem weiter mit spezifischen Daten hinsichtlich Energieeffizienzpotentialen, Benchmarkdaten, Einbindungsbeispielen von erneuerbaren Energieträgern und möglichen solaren Integrationskonzepten für die einzelnen Prozesse erweitert. Die Datenbank besteht mittlerweile aus 550 miteinander verlinkten Seiten und enthält etwa 1.200 Dokumente in Form von Tabellen, Grafiken oder Fließschemata (siehe Abbildung 2).
Im Rahmen des Projektes „Promise Application“ sind für die Integration von solarthermischen Systemen ebenso Daten für Businessmodelle entwickelt worden, um auch Finanzierungsmöglichkeiten für industrielle Solaranlagen zur Verfügung zu stellen und so den Solarexperten weiterführende Informationen gesammelt geben zu können.

Abbildung 2: Die Benutzeroberfläche der „Matrix“ im "Wikiweb"

Im Rahmen eines UNIDO Projekts, das die AEE INTEC in Kooperation mit der Technischen Universität Graz durchführt, wurde die „Matrix“ um einen zusätzlichen Aspekt erweitert. Dabei wird für die Lebensmittelindustrie ein Low-Carbon Programm entwickelt bei dem die Optimierung der industriellen Prozesse durch die Wiederverwertung der vermeintlichen Abfallstoffe in Energiequellen und/oder neuen Produkten im Mittelpunkt steht. Diese neuen Ansätze und dazu durchgeführten Fallstudien wurden in der neusten Version der „Matrix“ integriert.

*) DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
DI
Bettina Muster ist Mitarbeiterin in des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

Zurück zu den Beiträgen

2011-02: Solarthermie im Megawattsektor

Wassermanagement

Abbildung 1: Bussumer Wasserturm (Quelle: Michiel Haas)

Das Bussumse Watertorencollectief (BWC) behauptet den nachhaltigsten Bürokomplex der Niederlande errichtet zu haben. Es werden ausschließlich nachhaltige Energiequellen genutzt: Sonne, Wind und … Altspeiseöl! Aber auch die Umnutzung des historischen Wasserturms und die eigene, lokale Wasseraufbereitung haben einen positiven Einfluss auf seinen Nachhaltigkeitsindex.

Bussumer Wasserturm

Von Michiel Haas und Birgit Dulski *

Am 8. September 2010 wurde in Bussum der nachhaltigste Bürokomplex der Niederlande in Betrieb genommen: der renovierte historische Wasserturm samt neu errichtetem Büropavillon des Bussumer Watertoren Collectiefs (BCW).
Es ist noch gar nicht lange her, dass der Bussumer Wasserturm als der „hässlichste Turm der Niederlande“ galt. Diesen Titel verdankte der Turm der Tatsache, dass 1967 die ausdrucksvollen, gemauerten Ornamente rund um das Wasserreservoir entfernt und ersetzt wurden durch einen charakterlosen Stahlmantel. Aus der Entfernung betrachtet erinnerte dieser Aufsatz an den Knopf einer Armbanduhr. Van Kooten und De Bie, ein in den Niederlanden bekanntes Kabarettisten-Duo, zogen in ihrem Film die Niederlande an eben diesem „Knopf“ auf. Diesem Film verdankt der Turm seine Berühmtheit.
Vor kurzem veränderte der Turm jedoch seine Gestalt erneut und wieder ist die Aufmerksamkeit ganz auf ihn gerichtet. Die Initiatoren Michiel Haas (NIBE) und Bob Custers (Architekturbüro Vocus) haben gemeinsam die Herausforderung angenommen, den Turm zu renovieren und um einen CO2-neutralen Büropavillon am Rande des Naturschutzgebiets Goois Natuurreservaat zu erweitern. Gemeinsam gründeten sie das Bussumer Watertoren Collectief (BCW), das nicht nur die Pläne entwickelte, sondern das Projekt auch in eigener Regie ausführte und einen Investor suchte. Obwohl die Baukosten circa 15% über den marktüblichen Preisen liegen, ist es ihnen gelungen, die Mieten auf dem marktüblichen Niveau zu halten.

Baumaßnahmen

Für die Umnutzung des Wasserturms wurde ein neuer Aufsatz mit einem Durchmesser von elf Metern entworfen. In dem Aufsatz, einer Art Kapsel aus Stahl und Glas, befinden sich vier Etagen. Die oberste Etage verfügt über eine rundum laufende Aussichtsplattform. Der Sockel des Turms blieb erhalten. Hier wurden die ursprünglichen, 1967 zugemauerten Fensteröffnungen, wieder freigelegt und mit neuen Fenstern versehen. Heute befinden sich im Sockel ein Fahrstuhlschacht und ein Treppenhaus. Der Betonkern rundum und den Fahrstuhl trägt zum Teil die Lasten des neuen Aufsatzes. Die übrigen Lasten werden auf den Sockel übertragen, der früher die Belastung des Wasserreservoirs trug und über eine beachtliche Tragfähigkeit verfügt. Der vorgefertigte Fahrstuhlschacht und die Stahltreppe wurden in verschiedenen vorgefertigten Teilen in den bestehenden Sockel gehoben. Dies erforderte Präzisionsarbeit, da der Spielraum zwischen dem Einbau und dem sich nach oben verjüngendem Sockel an der schmalsten Stelle nur 20 Millimeter beträgt. Der Aufsatz selbst wurde auf einem Baugelände auf der gegenüberliegenden Straßenseite gebaut und komplett mit Stahlskelett, Stahlbetondecken und Aluminiumfassade mit Hilfe eines Krans auf den Sockel des Wasserturms gehoben. Das Glas wurde anschließend in der Fassade montiert. Für die Reinigung der neuen Glasfassade musste eine spezielle Installation auf dem Dach montiert werden.

Nachhlatigkeitsindex

Neben dem Wasserturm wurde ein neues Bürogebäude mit drei Etagen und einer Parkgarage errichtet. Der gesamte Gebäudekomplex wurde mit dem Rechenmodell GreenCalc+ durchgerechnet. Dies ist ein Modell, mit dem in den Niederlanden bereits seit 1996 zahlreiche Bürogebäude hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit beurteilt wurden. Der Bussumer Wasserturm und der neue Pavillon erzielen mit dieser Methode gemeinsam einen Index von 1028 – und übertreffen damit andere nachhaltige Bauprojekte in den Niederlanden, wie zum Beispiel das Gebäude des WNF, um das Dreifache. Die Vorgaben der niederländischen Norm der Regierungsinstitutionen für nachhaltigen Einkauf werden sogar um das Fünffache übertroffen.
Das Modell GreenCalc+ besteht aus drei Modulen: Materialien, Energie und Wasser. Energieeinsparmaßnahmen haben großen Einfluss auf den Index, aber noch größer ist der Einfluss der lokalen, nachhaltigen Energieerzeugung. Die Kombination aus Solar- und Windenergie mit einer Kraftwärmekopplung, die mit Altspeiseöl betrieben wird, trägt maßgeblich zum Ergebnis bei. Auch in der Kategorie Wasser erzielt das Projekt ein gutes Resultat. Der übliche Trinkwasserverbrauch wurde durch die Reinigung des Abwassers in einem Helofytenfilter und die erneute Nutzung für die Spülung der Toiletten um circa 80% reduziert. Der Filter besteht aus einem Sandbett, in dem sich Feuchtgebietspflanzen wie Rohrkolben, Binsen und Reed befinden. Sauerstoffliebende Bakterien, die von diesen Pflanzen angezogen werden, reinigen das Abwasser, das in das Sandbett geleitet wird. Anschließend fließt das Wasser durch eine Kiesschicht mit Drainageleitungen, und gelangt über eine Inspektionsgrube und ein Reservoir schließlich in das Gebäude. Diese Technik wird bereits in anderen Projekten angewandt, besonders ist jedoch der Umfang des Bussumer Projekts. Soweit den Autoren bekannt ist ein Helofytenfiter in diesem Umfang in Europa einzigartig. In der Kategorie Materialien erzielt das Projekt ein mit anderen niederländischen Projekten vergleichbares Ergebnis. Die ursprünglichen Ambitionen des BCW waren zwar höher, aber alternative Materialien hätten zu deutlich höheren Investitionskosten und damit zu höheren Mietpreisen geführt. Um die Realisierung des Projekts nicht zu gefährden, wurden handelsübliche Baumaterialien gewählt, wie zum Beispiel die Aluminiumfassaden.

Energiequellen

Im Erdgeschoß des Pavillons befindet sich ein geräumiger Technikraum. Unter anderem befindet sich hier der Tank für das Altspeiseöl. Unterm Strich produziert der Bürokomplex mehr Energie als für Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasseraufbereitung und Elektrizität benötigt würde. Die überschüssige Stromenergie wird an das Stromnetz geliefert, wenn auch gegen eine im Vergleich zu Deutschland nur sehr geringen Vergütung. Der gesamte Stromenergiebedarf wird lokal durch eine Kraftwärmekopplung (circa 110.000 kWh pro Jahr), eine Windturbine auf dem Wasserturm (circa 8.000 kWh pro Jahr) und eine Photovoltaikanlage auf dem begrünten Dach des neuen Büropavillons (die etwa 30 m² PV-Zellen erzeugen circa 3.200 kWh pro Jahr) produziert. Nur in Ausnahmesituationen wird Strom aus dem öffentlichen Netz genutzt. Die Kraftwärmekopplung liefert circa 90% der benötigten Elektrizität und läuft etwa 3.000 Volllaststunden pro Jahr. Der verhältnismäßig kleine Beitrag der Windturbine und der Photovoltaikanlage führt unweigerlich zu der Frage, ob diese Vorrichtungen denn sinnvoll seien. Die Kapazität der Windturbine ist dadurch begrenzt, dass das Mauerwerk des Sockels keine großen Kräfte aufnehmen kann. Trotzdem entschied sich das BWC für die Windturbine, da man bei diesem Projekt gerade die verschiedenen Möglichkeiten der nachhaltigen Energieerzeugung zeigen wollte. Durch die hohen Kosten ist die Windturbine aber bei weitem nicht so rentabel wie die Kraftwärmekopplung und dient vor allem dazu, die Aufmerksamkeit auf dieses besondere nachhaltige Projekt zu lenken.
Die Kraftwärmekopplung produziert neben Elektrizität auch Wärme und Kälte. Im Winter wird die Wärme zur Beheizung der Räume in Wasserturm und Pavillon sowie der Einfahrt der Parkgarage, um gefährliche Glätte zu vermeiden, mittels Betonkernaktivierung gewährleistet. Eventuelle überschüssige Wärme wird im Boden gespeichert. Die Kraftwärmekopplung ist das ganze Jahr über in Betrieb, und auch im Sommer wird die Wärme genutzt: Für die Kühlung ist statt einer traditionellen Kompressionskühlmaschine eine Absorptionskühlmaschine installiert. Diese Kühlmaschine nutzt die Wärme, die durch die Kraftwärmekopplung erzeugt wird, zur Produktion von Kälte mittels eines thermischen Kompressors. Auf diese Weise wird die überschüssige Wärme optimal genutzt ohne den Verbrauch zusätzlicher Elektrizität. Eine Besonderheit der Kraftwärmekopplung ist, dass diese betrieben mit Altspeiseöl wird. Dieser Bio-Brennstoff ist CO2-neutral, da die Pflanzen, aus denen der Brennstoff hergestellt wird, in ihrer Wachstumsphase CO2 aus der Luft gebunden haben. Werden für die Ernte, die Verarbeitung und den Transport von Bio-Brennstoffen fossile Brennstoffe benötigt, so ist die CO2-Neutralität allerdings nicht mehr gegeben. Um diese dennoch zu gewährleisten, produziert die Anlage mehr Elektrizität als das Projekt selbst benötigt. Ein großer Vorteil der Verwendung von Altspeiseöl gegenüber anderen Bio-Brennstoffen ist die Tatsache, dass es sich um ein bereits gebrauchtes Produkt handelt. In den Niederlanden wird Altspeiseöl allerdings vor allem in der Seifenindustrie verwendet, und ist damit eigentlich kein Abfallprodukt. Die Verfügbarkeit von gebrauchtem und gefiltertem Altspeiseöl ist kein Problem: Es ist erhältlich bei verschiedenen Brennstofflieferanten und kostet circa 0,80 Euro pro Liter. Sollte unerwartet ein Mangel an Altspeiseöl auftreten, so kann die Kraftwärmekopplung auch mit Diesel betrieben werden. Und für den Fall, dass die Kraftwärmekopplung und die Wärmepumpe unerwartet doch zu wenig Wärme liefern, steht ein Heizkessel als Back Up zur Verfügung.

Fazit

Beim Wasserturm in Bussum werden zwar erprobte Technologien genutzt, die Kombination der verschiedenen Technologien ist aber einzigartig. Die Kombination von Kraftwärmekopplung, Wärmepumpe, Wärme-Kälte-Speicherung und Absorptionskühlung erforderte eine sorgfältige Abstimmung.

Abbildung 2: Wasserturm mit Nebengebäude (Quelle: Michiel Haas)

Abbildung 3: Helophytenfilter neben den Technikräumen (Quelle: Michiel Haas)

Abbildung 4: Technikraum (Quelle: Michiel Haas)

Abbildung 5: Neuer Leitungsstrang (Quelle: Michiel Haas)

Abbildung 6: Aussichtsplattform (Quelle: Michiel Haas)

Abbildung 7: Bussumer Wasserturm von 1897 bis 1967 (Quelle: BWC)

Abbildung 8: Bussumer Wasserturm von 1967 bis 2010 (Quelle: BWC)

Abbildung 9: Aufsetzen der Stahl-Glas-Kapsel (Quelle: BWC)

*) Birgit Dulski, MSc, ist Mitarbeiterin des Forschungszentrums für NAchhaltigkeit an der Universität Nyenrode sowie Senior Consultant am Niederländischen Institut für Baubiologie und Ökologie (NIBE) Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Prof.
Michiel Haas, MSc, PhD, ist Professor für Material und Nachhaltigkeit an der Fakultät für Bauwesen an der Technischen Universität Delft und Vorstandsvorsitzender des Niederländischen Instituts für Baubiologie und Ökologie (NIBE) Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

Zurück zu den Beiträgen

2011-02: Solarthermie im Megawattsektor

Industrielle Prozesse

Abbildung 1: Ein Beispiel von effizienter Technologie zur Wasseraufbereitung: Solare Membrandestillation (Quelle: Solar Spring GmbH)

Prozessintensivierung (PI) ist nach der Definition der Europäischen Roadmap für PI „eine Zusammenstellung radikal innovativer Prinzipien für Apparate und Prozesse, welche hinsichtlich der Effizienz von Prozessen (Prozessketten), Kapital und Betriebskosten, Qualität, Abfall, Prozesssicherheit etc“ eine signifikante Verbesserung mit sich bringen kann [Senter Novem, 2007]. Ziel von PI ist neben Effizienzsteigerungen und Reduktionen des Material- und Energieeinsatzes auch die Verbindung von mehreren Prozessschritten zu einem einzigen.

Prozessintensivierung

Von Christoph Brunner, Bettina Muster und Hans Schnitzer *

Für die Optimierung von Produktionsprozessen gibt es eine Reihe methodischer Ansätze. Während Energiemanagementsysteme zur Senkung spezifischer Verbrauchskennzahlen anregen (Good Housekeeping), untersuchen Ansätze wie Prozessintegration und Cleaner Production die Prozessebene der Betriebe tiefgehend. Klassische Beispiele dafür sind neue Lösungen für Abwasser (Vermeiden statt Reinigen), Emissionsminderungen (Cleaner Production statt Umwelttechnik) oder die Implementierung von Wärmetauschern und Speicher für optimierte Wärmerückgewinnung (Prozessintegration). Um weitere substantielle Verbesserungen zu erreichen muss auch die Änderung der Verfahrenstechniken selbst verstärkt betrachtet werden. Einerseits kann damit die Prozesseffizienz erhöht werden, und andererseits die Einbindung von erneuerbarer Energie in die Prozesse verstärkt ermöglicht werden. „Prozessintensivierung“ wird damit zu einem wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Produktion.

Abbildung 2: Prozessintensivierung als ein Baustein zur nachhaltiger Produktion

Prozessintensivierung versucht die limitierenden Faktoren der derzeitig eingesetzten Verfahrenstechnik zu überwinden und radikal neue Lösungen zu finden. Prozesse sollen beispielsweise durch Erhöhung der Prozesseffizienz, durch Nutzung von Synergien zwischen Prozessen oder durch gezielte Prozesskontrolle schlanker und effizienter gemacht werden und in kleinen Apparaten ablaufen können: „Produce much more with much less“.

PI Ziele und Strategien

Die Prozessintensivierung beschäftigt sich mit der Optimierung der Prozesse auf Basis ihrer grundlegenden Funktionen. Die Kernfunktion des betrachteten Prozesses soll optimal durch die beste Anlagentechnik erreicht werden, wobei je nach Fragestellungen folgende Vorteile erreicht werden [Stankiewicz and Moulijn, 2000]:

  • Reduktion des Energieeinsatzes
  • Erhöhte Prozessflexibilität und Kontrolle
  • Umweltfreundliche Verfahrensweise
  • Minimierung des Aufwandes für Apparate und Maschinen
  • Erhöhte Sicherheit
  • Erhöhte Qualität
  • Reduktion des Investments

Drei wichtige PI Strategien können zusammenfassend genannt werden, durch welche ein intensivierter Prozess erreicht wird:

  1. Minimierung der Apparategröße – Kombination von Funktionen einzelner Prozesschritte zu einem Schritt
  2. Maximierung der Prozesseffizienz – Überwindung von Limitierungen in Massen- und Wärmetransfer
  3. Maximierung der Prozesskontrolle (u.a. Wechsel von Batch-Prozessen zu kontinuierlichen Prozessen)

Abbildung 3: Einfaches Beispiel eines intensivierten Prozesses

Abbildung 4: Verweilzeitverhalten in Batch- und kontinuierlichen Reaktoren (Stankiewicz, Skriptum TU Delft, 2008)

All diese Ansätze von PI sind selbstverständlich integriert zu betrachten, da beispielsweise die Maximierung der Prozesskontrolle die Prozesseffizienz erhöhen und damit die nötige Apparategröße vermindern kann. Mögliche positive Auswirkungen der Anwendungen dieser PI Strategien sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1: Positive Auswirkungen von PI auf unterschiedliche Aspekte der Produktion (basierend auf Bakker, 2004)

 
Minimierung der Apparategröße
Maximierung der Prozesseffizienz Maximierung der Prozesskontrolle
Kosten
Reduktion des nötigen Materials
(Verrohrung, Behälter etc.)
Erhöhte Produktivität Erhöhte Qualität und optimierter Rohstoffeinsatz
Anzahl der Prozessschritte
Kombination von Prozessschritten führt zu weniger Apparaten, kleinerer Anlagentechnik
Synergien von Prozessen können Triebkräfte erhöhen optimierte Regelung bei weniger Prozessschritten leichter, allerdings nicht bei Prozess-kombinationen mit vielen Freiheitsgraden
Emissionen - erhöhte Produktivität führt zu geringerer Emissionen/Abfall pro kg Produkte optimierter Rohstoffeinsatz führt zu geringeren Emissionen
Abfall geringerer Reinigungsaufwand, geringere zu lagernde Produktvolumen erhöhte Produktivität führt zu geringerer Emissionen/Abfall pro kg Produkt optimierter Rohstoffeinsatz führt zu geringerem Abfall
Instandhaltung Geringerer Aufwand der Instandhaltung - Geringerer Aufwand der Instandhaltung

Der Weg zu einem intensivierten Prozess

Um einen intensivierten Prozess zu entwickeln wird in einem ersten Schritt die dafür notwendige Funktion des Produktionsschritts definiert [Bakker, 2004; Reay et al., 2008]. Dabei wird in einem ersten Schritt ein Hauptziel, wie zum Beispiel eine erhöhte Prozesssicherheit, eine optimierte Prozesskontrolle oder die Steigerung der Energieeffizienz, das bei einem betrachteten Produktionsprozess erreicht werden soll, definiert.
Der nächste Schritt ist eine Funktionsanalyse des betrachteten Prozesses. Bei der Frage welche Funktion welcher Apparat im Prozess übernimmt, ist es wichtig die essentielle Aufgabe des Prozesses zu betrachten und nicht die derzeitige technologische Lösung. Mögliche Funktionen in einem Prozess sind zum Beispiel das Trennen von Prozessmedien oder das Abkühlen eines Prozessmediums. Möglicherweise wird bei der Funktionsanalyse schon klar, dass der eine oder andere Prozessschritt eigentlich nicht unbedingt notwendig ist bzw. umgangen werden könnte (z.B. unnötig große oder zu viele Zwischenspeicher).
Neben der Funktionsanalyse der Prozesse ist eine genaue Prozesskenntnis entscheidend, da die nötigen grundlegenden Prozessparameter sowohl für die weiteren Lösungsmöglichkeiten relevant sind, aber auch bestimmte technologische Verfahren von vorne herein ausschließen können (kann das Prozessmedium aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften elektromagnetisch erwärmt werden? Sind die Sättigungsdampfdrücke zweier Komponenten unterschiedlich genug um darauf aufbauend bestimmte thermische Trennprozesse realisieren zu können?).

Abbildung 5: Methodischer Ansatz zur Prozessintensivierung (Schritte nach Reay et al., 2008)

Aufbauend auf diesen Basisinformationen muss nun die entscheidende Frage nach den limitierenden Faktoren bzw. den Prozessengpässen (bottlenecks) gestellt werden: Welche Faktoren hindern den Prozess daran effizienter zu sein, die definierte Zielsetzung besser zu erreichen? In thermischen Verfahrensschritten ist oft ein bestimmter Stoff- oder Wärmeaustausch (beispielsweise Leitung durch ein schlecht leitendes Medium oder Konvektion durch eine schlecht durchmischte Flüssigkeit) der limitierende Prozessschritt, der die Prozessgeschwindigkeit und damit die Effizienz bestimmt. Bei Prozessen, deren Energieintensität optimiert werden soll, kann neben dem Wärmetransfer die Höhe der nötigen Aktivierungsenergie ausschlaggebend für die Energieintensität sein.
Im Rahmen der Erstellung der Roadmap für Prozessintensivierung wurde von den Autoren eine Liste an 72 PI Technologien und Methoden zusammengestellt [Senter Novem, 2007]. Weiters sind zwei umfassende Bücher zu Prozessintensivierung publiziert (Stankiewicz and Moulijn, 2004; Reay et al., 2008), welche unterschiedliche Technologien und ihre Einsatzmöglichkeiten beschreiben. Diese breite Wissensbasis kann zur Evaluierung benutzt werden, welche Technologien neue Lösungsmöglichkeiten für die gegebene Problemstellung darstellen könnten. Prozessintensivierung will substantielle Effizienzsteigerungen erreichen, weshalb radikale Prozessänderungen in einem ersten Feasibility-Screening nicht ausgeschlossen werden sollten [Reay et al., 2008].
In der 2007 entwickelten PI Roadmap wurden einige Industriesektoren aus der Lebensmittelindustrie und der chemischen Industrie ausgewählt, für die das Potential für PI näher betrachtet wurde. Speziell in der Lebensmittelindustrie sind begrenztes Wissen und Know-how über den genauen Ablauf von Prozessen bezogen auf chemische und energetische Abläufe die größte Herausforderung für die Realisierung des vorhandenen Potentials von u.a. 30-60% Energiebedarfsreduktion bis 2050 (Senter Novem, 2007). Die Bedeutung dieses Potential in Zukunft umzusetzen, zeigt sich durch die Notwendigkeit der Reduktion des Energieeinsatzes sowie der verstärkten Integration neuer Energieträger in der Produktion zur Erreichung der definierten Klimaziele.

Literatur:

  • Senter Novem, 2007, European Roadmap for Process Intensification, Senter Novem, Den Haag, Holland.
  • A.I. Stankiewicz and J.A. Moulijn, 2000, Process intensi?cation: transforming chemical engineering, Chemical Engineering Progress 96, 22-34.
  • D. Reay, C. Ramshaw and A. Harvey, 2008, Process Intensification: Engineering for efficiency, sustainability and flexibility, Butterworth-Heinemann, Oxford, UK.
  • Bakker R. A., 2004, Process intensification in industrial practice - Methodology and Application, in: A.I. Stankiewicz and J.A. Moulijn (Editors), Re-Engineering the chemical processing plant: Process Intensification, Marcel Dekker, New York, USA.
  • A.I. Stankiewicz and J.A. Moulijn (Editors), 2004, Re-Engineering the chemical processing plant: Process Intensification, Marcel Dekker, New York, USA.

*) DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
DI
Bettina Muster ist Mitarbeiterin in des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dr.
Hans Schnitzer ist Professor am Institut für Prozess- und Partikeltechnik der Technischen Universität Graz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

Zurück zu den Beiträgen

2011-02: Solarthermie im Megawattsektor

Wassermanagement

Abbildung 1: Das 1. Terra Preta Sanitation Haus mit Horacio Faktura aus den Philippinen, Terra-Preta-Forschungsingenieur an der TUHH, bewohnt mit seiner Familie das Haus

Im Amazonas wurde entdeckt, dass Indios bei den üblichen völlig unfruchtbaren Böden unter dem Regenwald auf etwa 10% der Fläche beste Humusböden hergestellt haben. Diese „Terra Preta do Indio“ (Schwarze Erde der Indios) ist 500 Jahre nach dem Verschwinden dieser Hochkulturen noch sehr fruchtbar und beschert den Bewohnern ein sorgenfreies Leben. Welch ein Geschenk!

Fruchtbarer Boden, unsere wichtigsten Energiequelle: Terra Preta

Von Ralf Otterpohl *

Diese Bodenschichten, die oft ein bis zwei Meter mächtig sind, wurden durch geschickte Behandlung von Bioabfällen, Fäkalien, Knochen, Gräten und so weiter unter Zugabe von etwa 10% Holzkohle und teils sorgsam angeordneten Tonscherben hergestellt. Damit wurde humusreicher Boden produziert, im Gegensatz zur üblichen Bodenverbesserung. Aus den archäologischen Funden wird jetzt von einigen Arbeitsgruppen die Herstellung nachvollzogen und hat bereits zu sehr überzeugenden Ergebnissen geführt. Während zum einen die großtechnische Produktion von der Firma Palaterra bereits gestartet hat bietet der neue Zweig der Terra Preta Sanitation hervorragende Möglichkeiten der Regeneration und Verbesserung von Böden in aller Welt bei weitgehendem Gewässerschutz. Als Nebeneffekt kann sehr viel Kohlenstoff dauerhaft gebunden werden, der eine aktive Rolle bei der Verbesserung der Produktivität, der Wasserbindung weit in Trockenperioden hinein und Wasser-Neubildung sowie der Erosionsvermeidung spielen kann. Die häufige Vernachlässigung der Bodenfruchtbarkeit in Bezug auf zumindest stabilen Humusgehalt bei der Bio-Energie ergibt unsinnige Bilanzen. Wenn Böden durch immer mehr Entzug von Biomasse immer schwächer werden, wird das zu steigendem Energiebedarf und letztlich Hunger und Armut führen. Biogasanlagen scheinen immer öfter zu den furchtbaren Botulin – Vergiftungen in Milchviehbetrieben zu führen. In Deutschland wurden besonders im Umfeld von NaWaRo (NachWachsende Rohstoffe)-Anlagen bereits über 70 teils sehr große Betriebe geschlossen (Report ARD 2011). Auch der dann immer höhere Energiebedarf für die Lebensmittelherstellung mit energieintensiver Düngerproduktion, daraus resultierende Pestizideinsätze und Verknappung besonders von Phosphat müssen in die Bilanzen eingesetzt werden. Auf guten Böden kann ökologisch und mit sehr viel geringerem Energieaufwand gewirtschaftet werden, völlig ohne den Energiefresser NPK-Dünger (synthetischer Stickstoff N, Phosphat, Kalium). Wenn von Regenerativer Energie gesprochen wird, muss die ökologische Landwirtschaft mit echtem Humuserhalt oder Aufbau ganz zentral mit betrachtet werden. Der Energieverbrauch pro Person und Jahr für Lebensmittel kann bei technologischem intensiv Anbau und geschwächten Böden bis zu mehreren tausend Kilowattschunden pro Jahr betragen [Pommeresche, 2004]. Die Schwarzerden im Amazonas haben jetzt Wege gezeigt, wie die Bodenverbesserung über Holzkohlezugabe deutlich gesteigert werden kann.

Über die dramatische Wichtigkeit guter Böden

Guter Boden ist der wesentliche Schritt zur Unabhängigkeit in der Ernährung, Grundlage der pflanzlichen und menschlichen Gesundheit. Der Kauf von Schnelldünger und die in der Folge dann nötigen Pestizide ist ein Zeichen schlechter Böden und der Unfähigkeit ökologisch zu gärtnern und kostet obendrein Geld und macht die Zukunft immer lebensfeindlicher [Francé-Harrar]. Jahrzehntelanges Verbreiten von gefährlichem Unsinn wie die einseitige Zugabe von mineralischem löslichen NPK (Stickstoff-Phosphor-Kalium)-Dünger zeigt die Dummheit der Gesellschaft und den Erfolg einer wahnwitzigen Geschäftsidee (siehe Insider Jose Lutzenberger und Herwig Pommeresche). Neuste Forschung hat die seit Jahrzehnten bekannte Aufnahme von Mikroben durch Pflanzen eindeutig bestätigt und damit gezeigt, dass die Böden und Mikroben ernährt gehören und diese dann durch lebendigen Humus die Pflanze gesund halten. Schnelle Dünger „dopen“ die Pflanzen, diese bekommen Fieber und senden per Infrarot ein Signal an die „Schädlinge“, sie doch bitte zu Vernichten. Die gleichen Händler die, diesen Unsinn hervorrufen, kommen dann mit Pestiziden. Organisches Wirtschaften (Bio-Landwirtschaft) ist eine hohe aber lernbare Kunst, erfordert und schafft aber zuallererst hervorragende Böden. Aus organischen Abfällen (Gartenabfälle, Küchenabfälle vom selber Kochen, Fäkalien) kann man bei guter Kompostierung viel Humus machen, durch Biogasanlagen schon viel weniger und diese durch Verbrennung ganz vernichten. Die Zukunft ohne Not (Francé-Harrar) hängt ganz wesentlich von maximaler Humusproduktion ab. Durch die ganz wesentlich von Dr. Jürgen Reckin mit Inspiration der Indios, wissenschaftlichem Sachverstand und ganz viel praktischer Anwendung entwickelten Methoden der modernen Terra Preta Kompostierung entsteht ganz besonders viel Humus. Das wird erreicht, weil gerade aus der Mischung von Urin oder wasserarm gesammelten gemischten Exkrementen unter Zugabe von zerkleinertem Holz und etwas Holzkohle besonders in bevölkerungsreichen Gegenden sehr viel Humus entstehen kann.
Jetzt wird es manchem komisch vorkommen Holz und Holzkohle in den Kompost zu geben. Damit wird deutlich, wie sehr wir den überragenden Wert von humusreichem Boden vergessen haben. Wer guten Boden machen kann, braucht keine energiefressenden synthetischen Handelsdünger und bei pfiffigem Anbau auch keine Pestizide. Wenn dem Boden hauptsächlich nicht - organische Dünger zugeführt werden und inzwischen selbst das Stroh immer mehr verbrannt wird zur scheinbaren Energiegewinnung, wird der Humus weiter aufgezehrt. Das passiert in einer unglaublichen Geschwindigkeit und bedeutet global gesehen eine Zukunft mit Hunger für Milliarden von Menschen.

Die Herstellung von Terra Preta

Das Prinzip basiert auf zwei wesentlichen Schritten: Zunächst die Lakto- Fermentation (wie Sauerkraut-Herstellung oder Silage für Futter) zur geruchsfreien Sammlung und Speicherung sowie Vorbehandlung und im Anschluss der Wurm - Kompostierung unter Zugabe einer Mischung, die als wesentliche Komponente Holzkohle - Pulver enthält. Letztere kann auch schon bei der Sammlung zugegeben werden und hat für den Humus mehrere gute Eigenschaften. Zum einen können die Bakterien besser siedeln, es gibt eine Anlagerung von Nährstoffen die beim Zerfall von Biomasse frei werden und durch das „festhalten“ der Kohle mit dem sehr feinen Porensystem dann von Mikroorganismen wieder aufgenommen werden können und dann nicht ins Grundwasser ausgewaschen werden.
Erste Voraussetzung zur Terra Preta Herstellung ist eine Nutzungsmöglichkeit. Wenn es sehr wenig Platz gibt, kann die Herstellung von Terra Preta aus Küchenabfall schon ausreichen. Wenn größere Flächen von Schwarzerden entstehen sollen kann man Küchenabfall mit Grünschnitt und Gartenabfällen zusammen kompostieren, dabei kann der Gartenabfall bei der Kompostierung nach Zerkleinerung zugegeben werden. Wesentlich größere Mengen an nährstoffreichem Boden kann mit einer Terra Preta Toilette und einer separaten Kompostierung der ohne Wasserzugabe gesammelten Fäkalien mit oder ohne Urin hergestellt werden. Mit allen erwähnten Mengen kann ein konsequentes ökologisches System ohne Gewässerbelastung mit maximaler Bodenproduktion erreicht werden. Toilettenkompost sollte möglichst getrennt hergestellt werden und auf Flächen gebracht werden, die zumindest sieben Jahre nicht für die direkte Nahrungsproduktion genutzt werden. Es bietet sich an über den Tag die Küchenabfälle in einer Schale zu sammeln und einmal pro Tag in den Behälter zu öffnen, Abfälle einzuwerfen und die Bakterienmischung darüber zu tröpfeln oder sprühen. Danach kann man den Behälter bis zu mehreren Monaten sogar im Warmen lagern. Die Kompostierung kann in Eigenkompostierung oder mit nach kommunaler Sammlung erfolgen.
Historisch überliefert ist die Zugabe von zerkleinerter Holzkohle. Diese kann aus vielen holzigen Reststoffen selber hergestellt werden. Die Terra Preta Pioniere die von den Boden-Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Bruno Glaser inspiriert wurden, Dr. Jürgen Reckin, Roland Wolf, Joachim Böttcher und Dr. Haiko Pieplow empfehlen die zusätzliche Beimischung von zwei bis drei Teilen Dolomitkalk und etwas Urgesteinsmehl.
Um große Mengen Humusboden zu produzieren sollten auch Fäkalien und Urin genutzt werden. Damit sind wir im Bereich von Terra Preta Sanitation, die momentan an meinem Institut durch mehrere Mitarbeiter intensiv untersucht und weiterentwickelt wird. Die bisherigen Ergebnisse sind verblüffend gut, man kann eigentlich sagen, dass das Menschheitsthema „Sanitation“ von den Prozessen her gelöst ist. Nach vielen Versuchen und 15 Jahren Forschung mit Trockentoiletten bin ich selber schließlich für den ersten Versuchsbetrieb auf die leider etwas kleinen handelsüblichen Campingtoiletten gekommen. Diese werden ohne Spülung und ohne toxische Chemikalien betrieben, in den Behälter wird vor der ersten Nutzung die Mikrobenmischung gegeben wie oben beschrieben. Vor Benutzung wird der Schieber geöffnet, gut gezielt und falls nötig mit einer Sprühflasche gereinigt. Der Behälter ist völlig geschlossen und erfahrungsgemäß gibt es beim Öffnen nur einen leichten säuerlichen Ferment - Geruch. Wegen der Mitkompostierung des Urins braucht man größere Mengen Holzfasern, etwa 200 kg pro Person und Jahr. Hier ist wie bei der Holzkohlezugabe der hohe Wert des Bodens zu bedenken, holzige Abfälle fallen bei ökologischer diversifizierter Landnutzung ohnehin sehr viel an. Ziel ist eine Wurmkompostierung nach einer Übergangsphase. Ein Terra Preta Sanitation System wurde jetzt erstmals in einem Wohnhaus in Hamburg installiert, mit dem Grauwasser soll zusätzlich bald schon Bambus produziert werden zur Holzkohleherstellung.

Schlussbemerkung

Die Verbesserung und Schaffung von belebten Böden ist ohne Zweifel der größte Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen für kommende Generationen. Am guten Boden hängt auch die Wasserneubildung, das lokale und globale Klima. Wir als Weltgemeinschaft zerstören den großen Teil der Böden mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durch massive merkantile Interessen betrieben und verurteilen damit einen großen Anteil der späteren Weltbevölkerung zum Hungertod. Die Wege zu einer Zukunft für alle sind klar erkennbar.

Weiterführende Infos

Report Mainz: Das Erste Deutsche Fernsehen: Botulismus, die verharmloste Krankheit, 2011 http://www.youtube.com/watch?v=3cNyyU3zcXY
Pommeresche, Herwig: Humussphäre; Humus – Ein Stoff ode rein System? OLV Organischer Landbau Verlag, 2004
Factura, H., Bettendorf, T., Buzie, C., Pieplow, H., Reckin, J. and Otterpohl, R. (2010): Terra Preta Sanitation: re-discovered from an ancient Amazonian civilisation - integrating sanitation, bio-waste management and agriculture. Water Science and Technology.
Akademie der Künste, Berlin: 35. Akademie-Gespräch. Terra Preta / Dunkle Erde: Ingo Schulze im Gespräch mit Eduardo Neves, Ralf Otterpohl, Eije Erich Pabst, Ulf Rakelmann und Klaus Staeck, 9/2010
www.adk.de/de/aktuell/forum_dokumentationen/forum_35.Akadgespr.html
Lutzenberger, José A.: Die selbstmörderische Sinnlosigkeit der modernen Landwirtschaft, Wortraum Edition, 2002 ISBN 3-936174-03-2
Francé-Harrar, Annie: Die letzte Chance für eine Zukunft ohne Not, BTQ Verlag, www.france-buch.de Neuauflage 2008 ISBN 978-3-931330-21-7

Abbildung 2: Terra Preta von Dr. Jürgen Reckin, Pionier der Terra Preta in Deutschland, imposante Kompostmenge und –qualität

Abbildung 3: Bad mit Terra Preta Toilette (TUHH)

Abbildung 4: Blick ins Klo: Nach Benutzung luftdicht verschlossen, durch Laktofermentation keine Gasproduktion

Abbildung 5: Zugabe von Mikroben zu Küchenabfällen zur Fermentation

Abbildung 6, 7, 8: Original Terra Preta im Amazonas (Quelle: Ulf Rakelmann, Hamburg)

*) Univ. Prof. Dr.-Ing. Ralf Otterpohl ist Leiter des Instituts für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz TUHH Technische Universität Hamburg, Deutschland Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

Top of page