Zeitschrift EE

Zurück zu 2019-01: Solarwärme in der Industrie

Miraah – Die Gigawattklasse für solare Prozesswärme

Solarenergie zur Effizienzsteigerung in der Erdölindustrie – ein Widerspruch, oder der Startpunkt zur Mitteltemperaturanwendung in der Industrie?

Werner Weiss

Foto: Barbara Soldera, GlassPoint Solar Inc.

Mit herkömmlichen Methoden der Ölförderung beträgt die Ausbeutung eines Ölfeldes maximal 40 %. Durch die Injektion von Gasen oder Chemikalien, aber auch durch das Einpressen von Wasserdampf lässt sich die Ölausbeute auf bis zu 60 % erhöhen. Im Amal Ölfeld im Süden des Oman werden dafür täglich 6 000 Tonnen Wasserdampf mit der weltweit größten thermischen Solaranlage bereitgestellt. Begonnen hat der Einsatz von thermischen Solaranlagen in der Erdölindustrie im Jahr 2011 mit der ersten kommerziellen Pilotanlage in einem der ältesten Ölfelder Kaliforniens. Die Ölfelder in Kern County sind seit über einem Jahrhundert in Betrieb und das einfach zugängliche Öl wurde bereits gefördert. Die Produzenten waren auf der Suche nach neuen Technologien, die es ihnen ermöglichte, ihre Schwerölreserven mit geringsten Auswirkungen auf die Umwelt wirtschaftlich zu erschließen. Eine der gängigen Methoden, den Druck in den Ölfeldern zu erhöhen und vor allem die Viskosität des Rohöls zu verringern, besteht in der Injektion von Wasserdampf. Üblicherweise wird zur Dampferzeugung ein Erdgaskessel eingesetzt, in dem das Speisewasser direkt in Dampf umgewandelt wird.

Sonnenkollektoren im Glashaus

Für den Einsatz in Ölfeldern wurden von der amerikanischen Firma GlassPoint für diesen Zweck adaptierte Parabolrinnenkollektoren entwickelt, mit deren Hilfe konzentriertes Sonnenlicht das Wasser erwärmt, um Dampf zu erzeugen. Der Dampf wird dem Ölfeld danach über das konventionelle Dampfverteilungsnetz zugeführt. Parabolrinnenkollektoranlagen, wie sie davor im Einsatz waren, wurden für die Stromerzeugung konzipiert und erfüllten nicht Ölfeldstandards. Diese Kollektoren verwenden Receiverrohre aus Edelstahl, die chemisch nicht mit Öl aus Ölfeldern kompatibel sind. Teure Wasseraufbereitungsanlagen und Arbeitsflüssigkeiten wären für die Verbindung mit dem Ölfeld erforderlich.

Die von GlassPoint entwickelten Parabolrinnenkollektoren können direkt in vorhandene Anlagen zur thermischen Ölrückgewinnung (enhanced oil recovery - EOR) integriert werden, da hier dasselbe Speisewasser zur Dampferzeugung genutzt werden kann, wie in den konventionellen Gaskesseln. Das Neue am System waren nicht nur die Parabolrinnenkollektoren, sondern vor allem die Idee, diese in konventionelle Glashäuser zu integrieren, wie sie seit Jahrzehnten in Massenproduktion für die Landwirtschaft hergestellt werden. Die Integration in Gewächshäuser schützt die Kollektoren vor Wind und Sandstürmen und bietet erhebliche Kosten- und Leistungsvorteile gegenüber frei aufgestellten Kollektorfeldern in den zumeist harschen Klimabedingungen von Ölfeldern. Durch den Wegfall der Windlasten konnte der Materialeinsatz der Kollektor- und Befestigungskonstruktion signifikant reduziert werden, die Degradation der Spiegel durch Sandstürme deutlich vermindert und darüber hinaus die Waschvorgänge der Glashäuser automatisiert werden. Durch die Beseitigung der Windlast auf die Spiegel erhöht sich auch die optische Genauigkeit. Eine höhere Genauigkeit ermöglicht ein kleineres Receiverrohr im Verhältnis zur Größe der Spiegel, was zu einem höheren "Konzentrationsverhältnis" und einem verbesserten thermischen Wirkungsgrad führt.

Die Integration der Sonnenkollektoren in Glashäuser reduziert die Gesamtkosten und erhöht die Effizienz. Foto: Barbara Soldera, GlassPoint Solar Inc.

Die Parabolspiegel der Kollektoren bestehen aus ultraleichtem, hauchdünnem Material. Die Spiegel sind an der Gewächshausdecke aufgehängt und werden von kleinen, preiswerten Positioniersystemen und Motoren gesteuert. Bei frei aufgestellten Solarfeldern beträgt das Gewicht mehr als 30 Kilogramm pro Quadratmeter Spiegel. Im Gegensatz dazu wiegt das integrierte Solarfeld einschließlich des Gewächshauses weniger als 5 kg pro Quadratmeter. Die Integration der Kollektoren in Glashäuser erlaubt

also eine Kostensenkung und Effizienzsteigerung, welche die optischen Verluste durch die Gewächshausstruktur bei weitem überwiegen. Die Pilotanlage in Kalifornien mit einer installierten Leistung von 300 kW th war mehr als fünf Jahre im Einsatz und demonstrierte die Effizienz und Zuverlässigkeit der Solar-Dampftechnologie. Aufbauend auf den guten Erfahrungen mit der relativ kleinen Anlage ging man daran, das Konzept auf große Ölfelder im Nahen Osten zu übertragen. Anfang 2013 wurde von Petroleum Development Oman (PDO) eine 7 MWth -Pilotanlage in Betrieb genommen, welche durchschnittlich 50 Tonnen emissionsfreien Dampf pro Tag direkt in die bestehenden thermischen EOR-Betriebe des Ölfelds Amal West eingespeist. Um die Dampfinjektion rund um die Uhr aufrechtzuerhalten, wird tagsüber Solardampf erzeugt und durch Verbrennen von Erdgas erzeugter Dampf nachts genutzt. Studien von Petroleum Development Oman und der Stanford University haben gezeigt, dass Solarenergie bis zu 80 % des jährlichen Dampfbedarfs eines Feldes liefern kann, wodurch der für die thermische EOR verbrauchte Gasverbrauch erheblich reduziert wird. Das Projekt hat alle Leistungsziele übertroffen. Die Verfügbarkeit betrug über 98 %; der regelmäßige Betrieb konnte selbst bei heftigen Staub- und Sandstürmen aufrecht erhalten bleiben. Das Pilotprojekt diente als Performance- und Betriebsgrundlage für das 100-mal größere Miraah-Projekt.

Das Prinzip der solarthermischen Ölgewinnung (EOR). Tagsüber wird der erforderliche Dampf solar erzeugt. Nachts übernimmt dies ein konventioneller Gaskessel. Damit kann der Gasverbrauch um bis zu 80 % reduziert werden. Grafik: GlassPoint Solar Inc.

Weltgrößte thermische Solaranlage

Im Februar 2018 wurden unter der Schirmherrschaft von Salim bin Nasser Al Aufi, Staatssekretär des Ministeriums für Öl und Gas, Petroleum Development Oman (PDO) die ersten vier Blöcke der solaren Prozesswärmeanlage Miraah für das Amal-Ölfeld in Betrieb genommen. 2019 sollen weitere acht Blöcke fertiggestellt werden. Die Gesamtanlage im Süden des Oman wird aus 36 Blöcken bestehen und eine Leistung von 1 Gigawatt umfassen. Damit wird im solaren Wärmebereich erstmals die 1-Gigawattmarke erreicht. Miraah wird nach seiner Fertigstellung das größte thermische Solarprojekt der Welt sein.

Die ersten vier von insgesamt 36 Blöcken der weltgrößten solaren Prozesswärmeanlage im Oman. Foto: Barbara Soldera, GlassPoint Solar Inc.

Die derzeit in Betrieb befindlichen vier Blöcke mit einer Gesamtkapazität von über 100 MWth liefern täglich bis zu 660 Tonnen Dampf. Der Dampf wird direkt in die bestehende thermische EOR-Anlage eingespeist und liefert einen erheblichen Teil des Dampfbedarfs für das Ölfeld. Das eingesparte Erdgas kann exportiert sowie zur Stromerzeugung oder für industrielle Anwendungen genutzt werden. Betrieben wird die Anlage von PDO (Gas, Petroleum Development Oman). PDO ist der größte Ölproduzent im Oman und ein Joint Venture zwischen der Regierung, Shell, Total und Partex.

Fakten

Anlage mit einer Leistung von 850 MWth in Kalifornien in Bau

Der Erfolg der Anlagen im Oman hat dazu geführt, dass das Interesse an dieser Technologie signifikant zunimmt. Im Jahr 2018 wurde ein Projekt mit dem Öl- und Gasproduzenten Aera Energy zum Bau der größten Solaranlage in Kalifornien angekündigt. Das integrierte Solarprojekt auf dem Belridge-Ölfeld westlich von Bakersfield wird das erste seiner Art weltweit sein, das Solardampf und Solarstrom für den Betrieb von Ölfeldern nutzt, um die Kohlenstoffemissionen des Ölfelds zu reduzieren. Das Projekt wird aus einer 850 MWth -Solarthermieanlage bestehen, die pro Jahr 12 Millionen Barrel emissionsfreien Dampf erzeugt, und einer 26,5 MW Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung. Aera wird durch den durch Solarenergie erzeugten Dampf und Strom jährlich 138 Millionen Kubikmeter Erdgas und 376 000 Tonnen Kohlendioxidemissionen einsparen. Das entspricht dem Schadstoffausstoß von 80 000 Autos. Mit dem Bau der Anlage soll in der ersten Hälfte des Jahres 2019 begonnen werden und bereits 2020 sollen solarer Dampf und Strom geliefert werden.

Autor

Dipl.-Päd. Ing. Werner Weiss ist Geschäftsführer von AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Statement

"Miraah ist ein wichtiger Meilenstein für den Oman, da diese Anlage die Position des Oman als regionaler Marktführer im Bereich der Energiekonvergenz untermauert und erneuerbare und konventionelle Energiewirtschaft vereint. Der Einsatz von Sonnenenergie in den Ölfeldern des Oman hat einen erheblichen und dauerhaften wirtschaftlichen Nutzen für das Sultanat." Salim bin Nasser Al Aufi, Staatssekretär des Ministeriums für Öl und Gas, Petroleum Development Oman

Weiterführende Informationen

Top of page