Zeitschrift EE

Zurück zu 2018-04

Die österreichische Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Power & Gas

Horst Steinmüller

Eine ökologisch nachhaltige, sichere Energieversorgung, die ökonomisch gangbar und sozial verträglich ist, genießt in der europäischen Politik einen hohen Stellenwert. Die Nutzung von Wasserstoff auf Basis erneuerbarer elektrischer Energie (direkt oder als synthetisches Methan bzw. als alternative Kohlenwasserstoffe aus Wasserstoff) hat eine Reihe von Vorteilen, die den Umstellungsprozess unseres Energiesystems maßgeblich fördert und simultan dazu wichtige Probleme des Ausbaus erneuerbarer Energieträger lösen kann.

Wasserstoff- und (auf erneuerbarem) Gas basierte Energieinfrastruktur im zukünftigen Energiesystem Quelle: Energieinstitut an der JKU Linz

Österreich als zentrale Energiespeicherregion, als Knotenpunkt im Energietransport, als Volkswirtschaft mit starker Industrie und vielen Automobilzulieferunternehmen und als bedeutender Standort für erneuerbare Energieträger ist perfekt geeignet zur Demonstration einer österreichischen EnergieVorzeigeregion, die stark vernetzt mit öffentlicher Unterstützung die Umstellung des Systems auf erneuerbaren Wasserstoff veranschaulicht.

Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Power & Gas

Geleitet wird die Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Power&Gas (WIVA P&G) vom gleichnamigen Verein, in dem derzeit die Forschungspartner Energieinstitut an der JKU Linz, HyCentA Research GmbH, K1-Met GmbH sowie die Wirtschaftspartner AVL List GmbH, Energie AG OÖ, Energie Steiermark Technik GmbH, EVN AG, Fronius International GmbH, OMV Refining & Marketing GmbH, RAG Austria AG, Verbund Solutions GmbH, voestalpine Stahl GmbH und die Wiener Stadtwerke Holding AG als Mitglieder fungieren. Die Umwandlung und Speicherung von elektrischer Energie als Wasserstoff oder als synthetisches Methan gewinnt dann verstärktes Interesse, wenn Energiespeicherung über einen längeren Zeitraum erfolgen soll. Dabei wird erneuerbarer Strom genutzt, um in einer Elektrolyse Wasserstoff und Sauerstoff zu trennen und somit den Energieträger Wasserstoff zu produzieren. Optional kann dieser Wasserstoff mit einer Kohlenstoffquelle wie Kohlendioxid in spezifischen Methanisierungsverfahren zu Methan umgewandelt werden. Durch die Einspeisung und Zwischenspeicherung der erzeugten Energieträger Wasserstoff und/oder aus Wasserstoff hergestelltem synthetischen Methan in die bestehende Erdgasinfrastruktur können Schwankungen erneuerbarer Stromerzeuger ausgeglichen werden, ohne dass die Produktion der erneuerbaren elektrischen Energie reduziert werden muss, auch wenn Strom aus Wind oder Sonne als Überschussstrom zur Verfügung stehen. Durch die Speicherung und Nutzung der zusätzlich erzeugten Energiemengen wird im Gesamtsystem eine höhere Ressourceneffizienz erzielt. Die Produktion, Speicherung und Nutzung von wasserstoffbasierten Energieträgern ermöglicht somit nicht nur im Strom- sondern auch im Transport- und Industriesektor einen höheren Anteil Erneuerbarer und trägt damit zur optimierten Nutzung europäischer Erzeugungsanlagen bei. Dabei ist die Produktion von synthetischem Methan zwar durch einen geringeren Wirkungsgrad gekennzeichnet, bietet aber auf der anderen Seite die uneingeschränkte Nutzung der bestehenden Erdgasinfrastruktur, eine lückenlos verfügbare Technologiereife und Marktverfügbarkeit aller systemrelevanten Komponenten vom Speicher bis zum Endverbraucher. Damit lassen sich insbesondere auch kurzfristig bereits signifikante Effekte erzielen. Die folgende Abbildung zeigt die Vorteile eines auf Wasserstoff und erneuerbarem Methan basierten Energiesystems in aller Kürze auf.

Versorgung aller Segmente durch erneuerbare Energieträger

Wasserstoff aus erneuerbaren Ressourcen kann als eine Schlüsselkomponente für den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung zur Erreichung der Klimaziele und zur Verringerung der Abhängigkeit fossiler Energien definiert werden. Der erneuerbare Wasserstoff und die daraus produzierten erneuerbaren Kohlenwasserstoffe wie Methan können in allen Energiesegmenten genutzt werden:

Grüne Mobilität

Die derzeitigen Antriebskonzepte - sowohl beim Gütertransport auf der Straße als auch im Individualverkehr - basieren auf fossilen Rohstoffen. Die zukünftigen politischen Rahmenbedingungen lassen aber darauf schließen, dass es zu gravierenden Änderungen beim Einsatz der Energieträger kommen wird. Strom aus erneuerbaren Energiequellen, der in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen wird, weist bei Elektromobilen einen hohen Gesamtwirkungsgrad (Power to Wheel) von ca. 80 % entlang der Prozesskette auf. Jedoch sind die Hürden einer flächendeckenden Einführung u. a. wegen der begrenzten Reichweiten, der langen Betankungszeiten und des notwendigen Ausbaus des Stromnetzes und der Ladestrukturen gravierend. Der Einsatz von Wasserstoff oder Methan aus Power-to-Gas-Anlagen, wo diese Hürden in deutlich geringerem Maße auftreten, könnte trotz des geringeren Gesamtwirkungsgrades von ca. 50 % die Umstellung der Mobilität in Richtung eines nachhaltigen Verkehrssystems mit geringen oder keinen Emissionen deutlich beschleunigen. Wasserstoff und auch synthetisches Methan auf Wasserstoff-Basis können in Verbrennungskraftmaschinen und in Brennstoffzellen genutzt werden und weisen ein großes Potential zur Reduktion des Primärenergieeinsatzes, der Emission von Luftschadstoffen (z. B. NOx) und auch von Treibhausgasemissionen auf. Beim Einsatz von Methan kann darüber hinaus auf eine bestehende Infrastruktur, sowohl was das Leitungsnetz als auch die Tankstellen betrifft, zurückgegriffen werden, was die höheren Kosten und den geringeren Wirkungsgrad gegenüber dem direkten Einsatz von Wasserstoff rechtfertigen kann. In der Vorzeigeregion WIVA P&G beschäftigen sich mehrere Projekte mit zukunftsfähiger Mobilität basierend auf Wasserstoff, wobei bei der Einreichung 2018 die Projekte „HyTruck“ und „UpHy“ genehmigt wurden.

Vorteile eines Wasserstoff- und auf (erneuerbarem) Gas basierten Energiesystems. SNG … Synthetic natural gas. Quelle: Energieinstitut an der JKU Linz

Grüne Industrie

Neben der energetischen Nutzung ist Wasserstoff auch als erneuerbare Ressource in der produzierenden Industrie ein signifikanter Energieträger für ein „Greening“ des Systems, insbesondere auch als Reduktionsmittel in verschiedenen Prozessen. So kann er in Zukunft bei der Roheisenerzeugung (Gewinnung von Eisenschwamm) eingesetzt werden. Bereits heute könnte unter bestimmten Bedingungen (im Fall einer fehlenden Erdgasleitung oder geringer Wasserstoffverbrauchsmengen) anstelle von Reformern, die zur Wasserstofferzeugung Erdgas verwenden, klimaneutral auf Wasserstoff aus Elektrolyseanlagen umgestellt werden. Weiters wird auch an der Wasserstoff-Plasmaschmelze gearbeitet. Ein weiterer Einsatz von Wasserstoff in der Industrie erfolgt bei der Herstellung von elektronischen Bestandteilen. In der ersten Einreichung wurde das Projekt „H2Pioneer“, welches sich mit der Herstellung und Rückgewinnung von hochreinem, grünem Wasserstoff beschäftigt, genehmigt.

Grüne Energie

Wasserstoff und Methan aus Power-to-Gas-Anlagen können für den Aufbau von Hybridnetzen (Strom, Gas, Wärme) eine entscheidende Rolle spielen. Das im ersten Call genehmigte Projekt „Renewable Gasfield“ demonstriert diese Kopplung, indem Strom einer Photovoltaikanlage zu Wasserstoff umgewandelt wird, der über Trailer abgegeben, ins Gasnetz eingespeist und für die Methanisierung von Biogas genutzt wird. Das ebenfalls in der WIVA P&G behandelte Projekt „Underground Sun Conversion“, welches bereits seit 2017 läuft, zeigt die Möglichkeit der Untertage-Methanisierung während der Speicherung in Porenspeichern.

Grüne Infrastruktur

Die bestehende Gasinfrastruktur (Leitungen und Speicher) kann mit grüner Energie genutzt und ein Ausbau der Stromleitungsinfrastruktur teilweise vermieden werden. Darüber hinaus kann in entlegenen Gebieten ohne Zugang zum öffentlichen Strom- oder Gasnetz die Energieversorgung mit Dieselgeneratoren ersetzt werden. Denn der Einsatz von Wasserstoff kann zur Speicherung elektrischer Energie aus dezentralen erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen in Zeiten geringer Nachfrage dienen. Wasserstoff wird dann bei hohem Strombedarf rückverstromt oder für Wärmebereitstellung bzw. als Kraftstoff für Mobilitätszwecke eingesetzt. Hierfür sind Weiterentwicklungen sowohl bei der Wasserstoffherstellung als auch bei der Verwertung in der Brennstoffzelle notwendig. Im Projekt „HYTECBASIS“ wird daher auch ein neues Elektrolyseurkonzept entwickelt.

Autor

Dipl.-Ing. Dr. Horst Steinmüller ist Geschäftsführer des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität in Linz und beschäftigt sich seit nahezu 30 Jahren mit Technologieentwicklungen zur Umstellung auf ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem. Er ist Obmann des Vereins WIVA P&G. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen: https://www.wiva.at/v2/

Top of page