Zeitschrift EE

2019-03: Lebenszykluskosten von Gebäuden

Vergabe auf der Basis von Lebenszykluskosten: machbar, sinnvoll, notwendig

Susanne Geissler

Foto: Christina Anzenberger-Fink

Angesichts der aktuellen Klimadebatte und des neuen Bundesvergabegesetzes 2018 lohnt es sich, das Konzept der Lebenszykluskosten zu thematisieren. Es besteht nun die Möglichkeit, externe Kosten von Treibhausgasen in der Wirtschaftlichkeitsberechnung zu berücksichtigen und so mehr Kostenklarheit zu schaffen

Lebenszyklusbetrachtung: wirtschaftlich sinnvoll, ökologisch notwendig

Ziel der Lebenszyklusbetrachtung ist es, phasenübergreifend zu optimieren: In Planung, Errichtung, Nutzung und Betrieb, Umbau, Abbruch, Rückbau, Wiederverwendung und Entsorgung sollen die Auswirkungen in einer Phase des Lebenszyklus ohne gleichzeitigen Anstieg der Belastungen an anderer Stelle minimiert werden. Gängige Ansätze der Lebenszyklusbetrachtung sind Ökobilanzierung und Lebenszykluskosten-Berechnung. Der Begriff „Lebenszykluskosten-Analyse“ beschreibt phasenübergreifende Kostenbetrachtungen. Vereinfacht dargestellt ergibt die Summe sämtlicher Kosten aller Phasen dividiert durch die Lebensdauer die jährlichen Kosten, die als Basis für einen Variantenvergleich herangezogen werden können. Wichtig ist dabei die Definition der Systemgrenzen. Insofern ist der methodische Ansatz mit jenem der Ökobilanzierung vergleichbar, bei dem ebenfalls die Definition der Systemgrenzen am Beginn jeder Bilanzierung steht. Genau das ist jedoch auch der Grund, warum die Ergebnisse verschiedener Lebenszyklus-Analysen nicht vergleichbar sind und die praktische Anwendung oft Schwierigkeiten bereitet: Beim Vergleich von Energiesystemen können zum Beispiel unterschiedliche Instandhaltungszyklen zugrunde liegen oder es werden nur Errichtungs- und Betriebskosten einbezogen, aber keine Planungskosten und so weiter. Dennoch lohnt es sich, Lebenszyklusbetrachtungen gerade bei Gebäuden durchzuführen, denn aus dem Facility Management weiß man, dass die Folgekosten von Gebäuden in der Regel ein Mehrfaches der Errichtungskosten betragen und Folgekosten können am leichtesten zu Beginn der Planung durch etwas erhöhten Planungsaufwand reduziert werden.

Erstkosten, Folgekosten und Gesamtkosten von Varianten. Lebenszykluskosten können bei um 10 % höheren Erstkosten erheblich reduziert werden. Quelle: nach Prof. Andrea Pelzeter: Lebenszykluskosten IST und SOLL, Euroforum Konferenz 2008

Anwendungsbeispiele und Richtlinien

Städte wie Zürich1 und Frankfurt2 verwenden eigene Tools für die Optimierung der Lebenszykluskosten ihrer Gebäude, in Deutschland gibt es Zielvorgaben für Bauten der öffentlichen Verwaltung in Bezug auf Lebenszykluskosten inklusive einer genauen Berechnungsanleitun 3 und im österreichischen Gebäudesektor werden die Lebenszykluskosten als Teil der freiwilligen Gebäudebewertungssysteme der österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB), der österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) und des Programms „klimaaktiv“ des österreichischen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus thematisiert4.

Auf europäischer Ebene war die Ausarbeitung einer Methode zur Bestimmung der ökonomischen Nachhaltigkeit von Gebäuden eines der Vorhaben des Europäischen Komitees für Normung5, dessen Arbeit auch Eingang in österreichische Normen fand6.

Die europäische Gebäuderichtliniebezieht sich mit dem Kriterium der Kostenoptimalität von Energieeffizienzvorgaben auf die übergreifende Betrachtung von Errichtungs- und Nutzungsphase und auf internationaler Ebene ist die erstmals 2008 erschienene und 2017 aktualisierte ISO-Norm zu Planung von Betriebsdauer und Lebenszykluskosten maßgeblich8.

Erneuerbare Energiesysteme schneiden beim Vergleich von Energieversorgungsoptionen besser ab als fossilbasierte Energiesysteme, insbesondere dann, wenn eine Lebenszyklusbetrachtung unter Berücksichtigung von externen Kosten erfolgt.

Öffentliche Vergabe auf Basis von Lebenszykluskosten und Berücksichtigung externer Kosten von Treibhausgasen

Die Vergaberichtlinie 2014/24/EU9 und das Bundesvergabegesetz (BvergG 2018)10 als ihre Umsetzung ermöglichen nun die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten in der öffentlichen Auftragsvergabe und erlauben auch das Einberechnen von externen Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden und die auch bei der Diskussion um den Klimawandel eine wichtige Rolle spielen: Eine drastische Reduktion der Treibhausgas-Emissionen ist erforderlich, um die Folgekosten des Klimawandels zu begrenzen. Maibach11 et al. (2007) kommen nach Literaturauswertungen zur Empfehlung, Kosten durch CO2-Emissionen in Höhe von 70 €/t CO2 als „besten Schätzwert“ zu verwenden. Der Stern-Report12 geht ebenfalls von Schadenskosten in einer ähnlichen Größenordnung (85 €/t CO2 ) aus.

Die Anwendung des §92 BvergG bedeutet, dass Umfang und Detaillierungsgrad der Lebenszykluskostenrechnung dem Projektvorhaben angepasst und in der jeweiligen Ausschreibung spezifiziert werden. Erfolgt die Berechnung der Lebenszykluskosten durch den Auftraggeber, so werden in der Ausschreibung die durch das anbietende Unternehmen bereitzustellenden Daten sowie die Methode zur Lebenszykluskostenermittlung genannt. Alle Rechenparameter, normativ festgelegten Annahmen und die Art der Ergebnisse der Berechnung werden transparent und strukturiert dargestellt und auch die projektbezogenen externen Kosten von Treibhausgasen können auf der Basis von CO2-Emissionen und den oben genannten Kosten in EUR/t CO2 ermittelt werden.

Die Zeit ist reif für die breite Anwendung

Nachhaltig agierende Organisationen bzw. Unternehmen haben längst Know-how aufgebaut und verwenden den Lebenszykluskosten-Ansatz für Entscheidungsfindungsprozesse. Von einem „Business as Usual“-Prozedere kann jedoch nach wie vor nicht die Rede sein. Die Zeit ist reif, die LebenszykluskostenAnalyse breit anzuwenden, dafür sollte nicht nur das BVergG 2018 sorgen, sondern vor allem die aktuelle Entwicklung im Bereich der Digitalisierung des Gebäudesektors. Die Datenqualität wird verbessert, das Datenmanagement wird erheblich vereinfacht und Lebenszykluskostenrechnungen können mit vertretbarem Aufwand als fester Bestandteil der normalen Abläufe etabliert werden.

Autor

Mag. Dr. Susanne Geissler, MLS ist Geschäftsführerin von SERA global – Institute for Sustainable Energy and Resources Availability. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, http://www.sera.global/

Literatur

  1. https://www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/hochbau/beratung/projektoekonomie/lukretia.html
  2. https://energiemanagement.stadt-frankfurt.de/ (Investive Maßnahmen / Gesamtkostenberechnung)
  3. https://www.bnb-nachhaltigesbauen.de/
  4. ÖNORM B 1801-4 (2014) „Bauprojekt- und Objektmanagement Teil 4: Berechnung von Lebenszykluskosten“. Das frei verfügbare Excel-Tool Lekoecos beruht auf ÖNORM B 1801-1 (Objekterrichtung), ÖNORM B 1801-2 (Objekt-Folgekosten) und ÖNORM B 1801-4.
  5. CEN/TC 350 - Sustainability of construction works
  6. ÖNORM EN 15643-4 (2012): Nachhaltigkeit von Bauwerken - Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden - Teil 4: Rahmenbedingungen für die Bewertung der ökonomischen Qualität, sowie ÖNORM EN 16627 (2015): Nachhaltigkeit von Bauwerken - Bewertung der ökonomischen Qualität von Gebäuden - Berechnungsmethoden
  7. RL 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), ABl L 2010/153, 13 und RL (EU) 2018/844 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der RL 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und der RL 2012/27/EU über Energieeffizienz, ABl L 2018/156, 75
  8. ISO 15686-5 (2017): Buildings and constructed assets. Service life planning. Life-cycle costing
  9. Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl L 2014/94, 65
  10. Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen BGBl. I 2018/65 idgF. Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018.
  11. Maibach, M.; Sieber, N.; Bertenrath, R.; Ewringmann, D.; Koch, L.; Thöne, M.; Bickel, P. (2007): Praktische Anwendung der Methodenkonvention: Möglichkeiten der Berücksichtigung externer Umweltkosten bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen von öffentlichen Investitionen. Forschungsprojekt im Auftrag des Umweltbundesamtes FuE-Vorhaben Förderkennzeichen 203 14 127. Publikation des Umweltbundesamtes
  12. Stern, N. (2006): The Economics of Climate Change. The Stern Review. Cabinet Office - HM Treasury, UK, abrufbar unter https://webarchive.nationalarchives.gov.uk/+/http://www.hm-treasury.gov.uk/independent_reviews/stern_review_economics_climate_change/stern_review_report.cfm
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