Zeitschrift EE

2019-03: Lebenszykluskosten von Gebäuden

Energie- und ressourceneffiziente Siedlungen

Christoph Sutter, Tobias Hatt

Foto: Pixabay

Bereits seit 2004 wird im Rahmen der Vorarlberger Wohnbauförderung der ökologische Rucksack für die Errichtung von Gebäuden anhand des Ökoindex (OI) bewertet. Um den Aufwand für die Bewertung möglichst gering zu halten, werden dabei nur jene Gebäudeteile berücksichtigt, die ohnehin im Rahmen der Ausstellung des Energieausweises (EAW) erfasst werden (OI-Bilanzgrenze BG01). Öffentliche Gebäude werden bereits jetzt im Rahmen des Kommunalge- bäudeausweises umfassender, d. h. inkl. Tiefgaragen, Keller und Innenwänden bilanziert (OI-BG32).

Verteilung des Ökoindex auf die Bilanzgrenzen BG0, BG1, BG3 und > BG3 bei den untersuchten Beispielprojekten unter der Berücksichtigung von Nutzungs- dauern, ohne Haustechnik.

Relevanz der Bilanzgrenzen

Im Forschungsprojekt HEROES (Häuser für Energie- und RessOurcenEffiziente Siedlungen) wurde die Verteilung des ökologischen Rucksackes auf die ver- schiedenen Bilanzgrenzen des OI untersucht. Dafür wurden zwei Einfamilienhäuser (EFH), acht Varianten des Projektes „Klimagerechter Nachhaltiger Wohn- bau“ (KliNaWo - KNW3) und fünf Mehrfamilienhäuser (MFH) detailliert erfasst und ausgewertet. Wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt, erfasst die BG0 ca. 50 % des ökologischen Aufwandes. Werden auch Tiefgaragen, Keller und Innenwände erfasst (BG3), liegt der erfasste ökologische Aufwand bei den untersuchten Projekten zwischen 74 % und 93 %.

Relevanz der Haustechnik

Ergänzend zu den Bauteilen wurde auch die Relevanz der Haustechnik für die ökologische Gesamtbilanz untersucht. Für das Mehrfamilienhaus in der Ausfüh- rung als Massivbau mit Wärmedämmverbundsystem und Passivhaushülle (MFH KNW 2p) liegt der Einfluss je nach Ausstattung der Haustechnik zwischen 10 % und 28 % (siehe Abbildung). Bei den Haustechnikkom- ponenten sind Photovoltaikanlagen, großflächige Solaranlagen und Tiefensonden für Wärmepumpen besonders relevant.

Ökoindex (OI) pro m Bezugsfläche (BZF) für das untersuchte MFH mit acht Wohneinheiten, Massiv- bau mit Wärmedämmverbundsystem, Passivhaushülle und drei Varianten von Haustechnikkomponenten (HT) unter der Berücksichtigung von Nutzungsdauern. HT max: 35kW Tiefensondenanlage, 120 m2 therm. Solaranlage, 80 m2 PV-Anlage, Wärmepumpe, Grundlüftung Untergeschoß, Komfortlüftung (Zentral); HT min: Fernwärme, Abluftanlage mit Zuluftströmung; HT gebaut: Fernwärme, 35 kW Tiefensondenanlage, 60 m2 therm. Solaranlage, Wärmepumpe, Grundlüftung Untergeschoß, Abluftanlage mit Zuluftströmung

Vereinfachte Berechnung

Damit eine umfassende Bilanzierung in einer breiten Anwendung möglich ist, wurde eine vereinfachte Er- fassung der über den Energieausweis hinausgehen- den Gebäudeteile entwickelt. Für die Erfassung der Innenwände ist beispielsweise nur der Gebäudetyp (EFH, MFH etc.) einzugeben. Die Flächen für tragende und nichttragende Innenwände werden in Abhängig- keit der Gebäudetypen anhand der Bruttogrundfläche (BGF) automatisiert ermittelt. Diesen Flächen können dann vordefinierte Bauteile zugeordnet werden. Die- se können anschließend bearbeitet und bei Bedarf angepasst werden.

Definition der Bezugsfläche

Um den ökologischen Aufwand für die Errichtung von Gebäuden unterschiedlicher Größe vergleichen zu können, wird der ökologische Aufwand eines Gebäudes nicht in absoluten Zahlen, sondern pro Quadratmeter einer zu definierenden Fläche angege- ben. Die im Projekt HEROES entwickelte Bezugsfläche orientiert sich am ökologischen Aufwand für die Errichtung der über den Energieausweis hinausge- henden Gebäudeteile. Durch die Gewichtung der verschiedenen Flächen soll verhindert werden, dass mit geringem ökologischem Aufwand errichtete Ge- bäudeteile (Balkone, Garagen etc.) die Bilanz eines Gebäudes verzerren.

Betrachtung von Betrieb und Errichtung

Neben der Erweiterung der Bilanzgrenze war die Betrachtung von Betrieb und Errichtung eine wesent- liche Zielsetzung des Projektes.

Die nachfolgende Abbildung macht die Wirksamkeit der Dämmung auch unter Berücksichtigung der Herstellungsenergie deutlich. Der erneuerbare und nichterneuerbare Primärenergieverbrauch für die Herstellung der zusätzlich erforderlichen Dämmung liegt auf 50 Jahre Nutzungsdauer umgelegt bei 1,7 MWh jährlich. Dem steht im Durchschnitt über alle Energieträger eine Einsparung von 16,7 MWh gegenüber. Zum Vergleich: Wird dieses Verhältnis als Jahresarbeitszahl ausgedrückt, erreicht die Däm- mung einen Wert von 10 und ist damit ca. dreimal so effizient wie gute Wärmepumpen.

Jährlicher Primärenergieverbrauch (Betrieb und Errichtung) für ein untersuchtes Mehrfamilienhaus mit acht Wohneinheiten in Massivbauweise, zwei Energieniveaus (BTV und PH-Hülle) und vier verschiedenen Energieträgern. (BTV – Mindestanfor- derung Bautechnikverordnung Vlbg., PH - Passivhaus)

Eine wesentliche Erkenntnis besteht dabei darin, dass die gemeinsame Betrachtung von Betrieb und Errichtung vor allem für den Variantenvergleich eines Bauprojektes sinnvoll ist. Dafür sollten dann keine flächenbezogenen, sondern absolute Werte (pro Jahr oder über den gesamten Betrachtungszeitraum) verwendet werden. Wenn dagegen Gebäude mit un- terschiedlicher Größe und Kubatur verglichen werden sollen, dann sollten Betrieb und Errichtung getrennt voneinander, bezogen auf die jeweils sinnvollen Be- zugsflächen, verwendet werden.

Bei der Gegenüberstellung von Errichtung und Betrieb gibt es einige Aspekte, die das Ergebnis erheblich beeinflussen und die Gewichtung zwischen Betrieb und Errichtung vollständig verschieben können:

  • Betrachtungszeitraum und Nutzungsdauern
  • Bilanzgrenze im Betrieb, speziell die Mitbilanzierung des Haushaltsstroms
  • Bilanzgrenze für die Errichtung
  • Auswahl der Indikatoren
  • Konversionsfaktoren und Berechnungsgrundlagen

Fazit

Gut zu dämmen ist hocheffizient. Die Einsparungen im Gebäudebetrieb überwiegen den Aufwand für die Herstellung deutlich. Sollen unterschiedliche Gebäu- de miteinander verglichen werden, ist eine getrennte Betrachtung von Gebäudebetrieb und -errichtung mit den jeweils dafür sinnvollen Bezugsflächen empfehlenswert. Mit dem entwickelten vereinfachten Berechnungsverfahren können Gebäudeteile, die über den Energieausweis hinausgehen, mit wenig Mehrauf- wand erfasst und bewertet werden.

Danksagung und Partner

Das Forschungsprojekt HEROES wurde im Rahmen der ersten Ausschreibung des Programms „Stadt der Zukunft“ durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert. Neben dem Energieinstitut Vorarlberg hatte der Forschungspart- ner IBO (Österreichisches Institut für Bauen und Öko- logie) wesentlichen Anteil am Erfolg des Projektes. Folgende Institutionen und Firmen waren am Projekt beteiligt: A-NULL Development GmbH, Wien; baubook GmbH, Wien/Dornbirn; EDV-Software-Service GmbH & Co KG, Villach; Morscher Bau- & Projektmanagement GmbH, Mellau; Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH, Wien; Planungsteam E-Plus GmbH, Egg; SPEKTRUM Bauphysik & Bauökologie GmbH, Dornbirn; teamgmi Ingenieurbüro GmbH, Wien

Anmerkungen

  1. Bei der Ökoindexbilanzgrenze BG0 werden die Konstruktionen der thermischen Gebäudehülle berücksichtigt (exkl. Dacheindeckung, exkl. Feuchtigkeitsabdichtungen, exkl. hinterlüftete Fassaden, inkl. Zwischendecken), Leitfaden zur Berechnung des Ökoindex OI3 für Bauteile und Gebäude, Hrsg. Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH – IBO, Wien 2018 https://www.ibo.at/fileadmin/ibo/materialoekologie/OI3_Berechnungsleitfaden_V4.0_20181025.pdf
  2. OI-BG3 umfasst Konstruktionen der thermischen Gebäudehülle (Konstruktionen vollständig), inkl. Innenwände (gesamt, exkl. Türelemente), inkl. Kellerbauteile (inkl. Kellertrennwände, Streifen.- bzw. Punktfundamente), inkl. unbeheizte Pufferräume (Baukörper komplett), exkl. offene Erschließungsbereiche (Stiegenhäuser, Laubengänge, Loggien, Balkone usw). ebd.
  3. https://www.energieinstitut.at/unternehmen/bauen-und-sanieren-fuer-profis/kosten-und-wirtschaftlichkeit/forschungsprojekte-energieeffizienz-und-wirtschaftlichkeit/alps-klinawo/

Autoren

Mag. Christoph Sutter ist Projektleiter im Bereich „Ökologisch Bauen“ am Energieinstitut Vorarlberg. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Dr.-Ing. Tobias Hatt ist Projektleiter im Bereich „Energieeffizientes Bauen“ am Energieinstitut Vorarlberg

Weiterführende Informationen / Links im E-Paper

C. Sutter, T. Hatt, H. Figl, V. Huemer-Kals, Häuser für Energie und RessOurcenEffiziente Siedlungen (HEROES), Berichte aus Energie- und Umweltforschung 9/2018, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Wien 2018 online unter: https://nachhaltigwirtschaften.at/resources/sdz_pdf/schriftenreihe_2018-09_heroes.pdf

 

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