Zeitschrift EE

2019-04: Wärmespeicher

80 % Deckungsgrad für solares Luftheizsystem mit Vakuumröhren-Luftkollektor und Sorptionswärmespeicher

Henner Kerskes, Rebecca Weber, Sebastian Asenbeck, Konstantinos Stergiaropoulos

Im Forschungsprojekt SolSpaces wurde gemeinsam mit dem Projektpartner Schwörer Haus KG ein solares Heizungskonzept mit Langzeitwärmespeicherung für energieeffiziente Gebäude entwickelt und realisiert. Ziel ist es, die Wärmeversorgung des Gebäudes mit dem neuen Heizsystem weitgehend auf solarer Basis sicherzustellen. Der zentrale Bestandteil des Konzepts ist ein Sorptionswärmespeicher zur saisonalen Wärmespeicherung, der über einen Sonnenkollektor beladen wird. Für die Erprobung des Heizsystems wurde auf dem Campus der Universität Stuttgart ein Gebäude der Firma Schwörer Haus KG errichtet. In dem derzeit durchgeführten Folgeprojekt SolSpaces 2.0 wird die Technologie um weitere Komponenten zur energieeffizienten Beheizung und Kühlung von modernen Gebäuden erweitert.

Abbildung 1: Forschungsgebäude SolSpaces auf dem Campus der Universität Stuttgart. Fotos: IGTE

Das Forschungsgebäude

Die Erprobung des neu entwickelten solaren Heizsystems erfolgt in einem Gebäude vom Typ „Flying Spaces“ [1], welches auf dem Universitätscampus in Stuttgart-Vaihingen errichtet wurde. Das Gebäude hat eine Nutzfläche von ca. 43 m2 und weist aufgrund seines relativ großen Oberflächen- zu Volumenverhältnisses einen vergleichsweise hohen spezifischen Wärmebedarf auf. Der absolute Wärmebedarf beträgt ca. 3000 kWh pro Jahr. Damit liegt er in einer ähnlichen Größenordnung wie größere Wohneinheiten mit gutem Dämmstandard. Das solare Heizungskonzept kann daher an dem kleinen Forschungsgebäude erprobt und später auch auf größere Gebäude mit ähnlichem Wärmebedarf übertragen werden.

Das entwickelte solare Heizsystem

Zentrales Element des neu entwickelten solaren Heizungskonzepts ist der saisonale Sorptionswärmespeicher, mit dem Energie mit hoher Speicherdichte über lange Zeiträume nahezu verlustfrei gespeichert werden kann. Als Sorptionsmaterial wird binderfreier Zeolith 13X verwendet, der im Speicher als Festbett aus kugelförmigem Granulat vorliegt. Auf dem Dach des Gebäudes befindet sich ein VakuumröhrenLuftkollektor. Während der Heizperiode kann bei vorhandener Strahlung mit dem Luftkollektor direkt geheizt werden oder anderenfalls mit der Energie aus dem Sorptionswärmespeicher 1. Die Beheizung des Gebäudes erfolgt über das Lüftungssystem. Der im Forschungsgebäude aufgebaute Sorptionswärmespeicher fasst 4,3 m3 Sorptionsmaterial. Die theoretische Speicherkapazität beträgt bei den vorhandenen Randbedingungen etwa 700 kWh. Das Vakuumröhren-Luftkollektorfeld hat eine Fläche von 20,5 m² und besteht aus sechs in Reihe geschalteten Modulen.

Abbildung 2: Schema des entwickelten solaren Heizsystems

Segmentierter Sorptionswärmespeicher

Die Besonderheit des neu entwickelten Sorptionswärmespeichers ist dessen Segmentierung, die den Einsatz von großen Materialvolumina und damit die Realisierung großer Speicherkapazitäten ermöglicht [2]. Der kubische Speicher ist in vier Quadranten aufgeteilt, mit jeweils sechs horizontalen Segmenten. Dadurch entstehen insgesamt 24 flache Teilstücke mit großem Strömungsquerschnitt und kurzer Durchströmungslänge, wodurch ein geringer Druckverlust bei der Durchströmung erreicht wird. Zwei übereinanderliegende Segmente bilden ein Segmentpaar, das gemeinsam durchströmt wird. Die Luft tritt in den zentralen Eintrittskanal ein, strömt durch ein Segmentpaar und tritt über einen der vier Austrittskanäle entlang der Speicherkanten wieder aus dem Speicher aus.

Abbildung 3: Schema des neu entwickelten segmentierten Sorptionswärmespeichers, vertikaler Schnitt durch den Speicher (Mitte), realer Aufbau im SolSpaces Gebäude (links) Foto: IGTE

Neuer Vakuumröhren-Luftkollektor

Das Besondere des verwendeten VakuumröhrenLuftkollektors der Firma airwasol (LSair-M-13-3-200) ist, dass die Vakuumröhren an beiden Seiten offen sind und längs durchströmt werden können. Aufgrund des dadurch sehr geringen Druckverlusts können mehrere Kollektormodule in Strömungsrichtung hintereinandergeschaltet werden.

Die äußere Glasröhre des Kollektors besteht aus Borsilikatglas. Im Inneren befindet sich das aus Edelstahl gefertigte Absorberrohr, das eine hochselektive Tinox-Beschichtung besitzt 2. Zur weiteren Leistungssteigerung ist auf der Rückseite des Absorbers ein Reflektor aus hochreflektierendem Aluminium angebracht. Der Reflektor befindet sich in der Glasröhre, sodass das Reflektormaterial hermetisch von der Umgebung getrennt ist und so vor Witterungseinflüssen und Verschmutzungen geschützt ist.

Eine hohe thermische Leistungsfähigkeit insbesondere bei Arbeitstemperaturen von über 150 °C ist für die solarthermische Desorption des Sorptionsspeichermaterials sehr wichtig. Bei 850 W/m2 Einstrahlung auf die Kollektorebene wurde eine Stagnationstemperatur des Kollektors von 265 °C gemessen 3.

Abbildung 4: Vakuumröhren-Luftkollektor auf dem Dach des Forschungsgebäudes und Detailansicht einer Röhre mit innenliegendem Reflektor. Foto: IGTE

Messergebnisse der Heizperiode 2017/2018

In der Heizperiode 2017/18 wurden interne Wärmeund Feuchtequellen im Gebäude installiert, um den Betrieb eines bewohnten Gebäudes nachzubilden. Während der Zeit von Mitte Oktober bis Ende April konnten durch den Sorptionswärmespeicher 610 kg Wasserdampf aus der Raumluft adsorbiert und somit ca. 610 kWh Adsorptionswärme freigesetzt werden, die zur Beheizung des Gebäudes genutzt wurde. Ende Februar erreichte der Speicher eine maximale Wasserbeladungsdifferenz von 588 kg. Dies entspricht ca. 85 % der theoretisch maximal möglichen Wasseraufnahme unter den herrschenden Betriebsbedingungen. Zwischenzeitlich, besonders in den Frühlingsmonaten März und April, konnte der Speicher auch desorbiert werden, d. h. es erfolgte eine zwischenzeitliche Beladung des Speichers. Insgesamt wurden in der untersuchten Zeitperiode 143 kg Wasser desorbiert.

Mit der über die Heizperiode adsorbierten Wassermenge von 610 kg ergibt sich eine sorptive Energiespeicherung von 141 kWh/m3. Der Kollektorertrag während der Heizperiode 2017/18 betrug ca. 1762 kWh. Etwa die Hälfte der vom Kollektor bereitgestellten Wärme konnte direkt für die Gebäudebeheizung genutzt werden, die andere Hälfte wurde im Sorptionswärmespeicher, größtenteils als sensible Wärme, zwischengespeichert 4. Die in der Heizperiode zusätzlich benötigte elektrische Nachheizenergie betrug 592 kWh. Als Gesamtheizwärmebedarf des Gebäudes wurden 2942 kWh gemessen, damit ergibt sich ein solarer Deckungsanteil von 79,9 %.

Ausblick

In der Fortführung des Forschungsprojekts werden ergänzende Maßnahmen entwickelt und erprobt, um den solaren Deckungsanteil weiter zu erhöhen. Dazu gehört eine photovoltaisch unterstützte Regenerationsstrategie des Speichers, um in der Praxis eine weitere Annäherung an die theoretische Speicherkapazität zu erreichen.

Die Untersuchungen des Heizsystems bezüglich photovoltaisch unterstützter Regeneration und sommerlichem Überhitzungsschutz durch schaltbare Verglasungen 5 werden seit Sommer 2019 durchgeführt.

Fußnoten

  1. Prinzip der Wärmespeicherung mittels Sorptionsspeicher: Bei der Entladung des Speichers durchströmt Raumabluft den Sorptionsspeicher und Wasser(dampf )moleküle der Luft werden vom Speichermaterial (Zeolith) adsorbiert. Dadurch wird Wärme (Adsorptionsenthalpie) frei, wodurch sich die den Speicher durchströmende Luft erwärmt. Umgekehrt werden bei der Beladung des Speichers durch die Zufuhr von heißer Luft aus dem Vakuumröhren-Luftkollektor die adsorbierten Wassermoleküle wieder desorbiert und mit dem Luftstrom aus dem Sorptionsmaterial abtransportiert. Die angestrebte Desorptionstempe- ratur beträgt 180 °C.
  2. Abmessungen der äußeren Glasröhre: Durchmesser x Wandstärke x Länge = 90 x 2,5 x 2000 mm Absorberrohr: Durchmesser x Wandstärke = 50 x 0,2 mm
  3. Die Stagnationstemperatur bezeichnet die höchste Temperatur, die der Kollektor erreicht, wenn keine Wärme abgeführt wird.
  4. Der Wärmespeicher funktioniert als Kombinationsspeicher: Einerseits wird Wärme aufgrund von Sorption gespeichert, andererseits in Form von sensibler Wärme wie in einem herkömmlichen Wasserspeicher.
  5. Schaltbare Verglasungen verändern die Durchlässigkeit gegenüber Sonnenlicht mit der Temperatur bzw. Sonneneinstrahlung und bieten somit Schutz vor Überhitzung.

Autoren

Dr. Henner Kerskes ist Leiter der Arbeitsgruppen Sorptionstechnik und Thermische Energiespeicher am Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung der Universität Stuttgart. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Rebecca Weber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung der Universität Stuttgart. rebecca. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Sebastian Asenbeck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung der Universität Stuttgart. sebastian. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Dr. Konstantinos Stergiaropoulos ist Institutsleiter des Instituts für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung an der Universität Stuttgart. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

SchwörerHaus KG. FlyingSpaces. https://www.schwoererhaus.de/flyingspaces/ Stand: Oktober 2019.

Rebecca Weber, Sebastian Asenbeck, Henner Kerskes, Harald Drück, SolSpaces – Testing and per-formance analysis of a segmented sorption store for solar thermal space heating, Energy Procedia 91 (2016) 250–258.

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