Zeitschrift EE

Erfreulich hoher Ertrag

Wir veröffentlichen in unregelmäßiger Folge Erfahrungs­berichte zur Gewinnung und Nutzung erneuerbarer Energie aus beispielhaften Anlagen. Haben Sie auch eine besondere Anlage im Betrieb oder außergewöhnliche Erfahrungen gemacht? Schicken Sie uns eine kurze Nachricht an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Karl Kellner

Bei meiner routinemäßigen privaten Energiebuchhaltung stellte ich zu meiner großen Überraschung und Freude fest, dass meine solarthermischen Kollektoren im Zeitraum September 2018 bis September 2019 rund 520 kWh pro Quadratmeter kostenlose Wärmeenergie von meinem Dach geerntet haben – im Vergleich zu 440 beziehungsweise 430 kWh/m² in den beiden Jahren zuvor. Diese mittels Wärmezähler gemessenen Werte übertrafen deutlich meine Erwartung, die ich bei der Planung aufgrund von Expertenangaben für eine gute Anlage mit rund 350 kWh/m² beziffert hatte.

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Meine zeitgleich installierten Fotovoltaik-Module (2 kWp) lieferten in den ersten drei Jahren nach der Installation jeweils rund 1000 kWh/Jahr elektrische Energie ins Netz, in den vergangenen beiden Jahren dann nur knapp 700 kWh. Dieser Rückgang hat mich genauso überrascht wie der deutliche Anstieg der Solarwärme und muss noch analysiert werden.

WARUM SOLARTHERMIE UND FOTOVOLTAIK?

Begonnen hat mein Solarenergie-Projekt mit dem Wunsch, nach vielen Jahren der Berufstätigkeit mit Energie allgemein und erneuerbarer Energie, Energieeffizienz und Energiesparen im Speziellen diese endlich auch im eigenen Wirkungsbereich praktisch zu nutzen, und mit meiner Familie langfristig von kostenloser Solarenergie zu profitieren.

Ein wesentlicher Einflussfaktor war dabei, eine in die Jahre gekommene GasKombitherme zu ersetzen, unter maßgeblicher Nutzung von Solarenergie sowohl für Warmwasserbereitung und Zusatzheizung als auch stromseitig zur teilweisen Deckung des Eigenverbrauchs. Und das in einem Einfamilienhaus, das nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut und im Lauf der Jahre erweitert und insbesondere durch die Dämmung der Fassade energetisch saniert worden ist. Die Dämmung der obersten Geschoß – und der Kellerdecke wurde allerdings erst nachträglich vorgenommen.

Als ob meine Eltern als Bauherrn und die planende Genossenschaft die zukünftige Solarenergienutzung vorausgesehen hätten, ist das Dach nach Süden orientiert und mit 51 Grad fast ideal geneigt. Die Investitionssumme für die Solarthermie- und PV-Komponenten betrug rund 21.000 Euro.

Seit meiner Pensionierung bewohnen es meine Frau und ich durchgehend, und an heißen Sommer-Wochenenden oder an Feiertagen erhöht sich die Belegung aufgrund stadtflüchtiger Kinder und Enkelkinder von zwei auf bis zu zwölf Personen. An diesen Spitzentagen kommt die Bedeutung des neu errichteten, beheizten Pools und der beiden Pufferspeicher als wesentliche Komponenten zum Tragen.

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Einerseits ist im Sommer der Pool ein großer Abnehmer der Solarwärme, während zugleich die Fotovoltaik ausreichend Strom erzeugt, um die Filterpumpe zu betreiben (ca 7 kWh/Tag) und unangenehme Überraschungen bei der Stromrechnung vermeidet; zugleich laden die solarthermischen Kollektoren den Warmwasser-Speicher für die dann hohe Dusch-Nachfrage, aber auch den Heizungsspeicher vorrang ­g esteuert auf. Andererseits lädt die Solarthermie die beiden Pufferspeicher auch in den Winter­monaten immer wieder wenigstens teilweise auf und reduziert dadurch den Gasverbrauch des Brennwertkessels (wofür ich mich schlussendlich entschieden hatte, da Biomasse/Pellets zu kosten­intensiv waren und Wärmepumpen aufgrund der hohen Heizungsvorlauftemperatur der Radiatoren nicht in Frage kamen).

Trotz der hohen Energieabnahme des 2014 neu errichteten, beheizten Pools, der heuer über fast vier Monate ein Anziehungspunkt für die ganze Familie war, konnte aufgrund der Einbindung sowohl von richtig dimensionierter Solarwärme als auch von Photovoltaik sowie der zusätzlichen Dämmung der gesamte jährliche Verbrauch an Erdgas von rund 16 MWh/Jahr um fast ein Drittel auf rund 11 MWh/Jahr reduziert werden. Ehrlich gesagt, hätte ich eine Verminderung in dieser Höhe nicht erwartet und sehe meine Investition in Solarwärme und Fotovoltaik umso positiver.

Einfamilienhaus, 130 Quadrat­meter Wohnfläche, 1951 errichtet, 1988/90 erweitert und saniert.

Im Sommer 2014 installierte Komponenten:

  • Solarthermie Kollektoren 10 + 8 Quadratmeter
  • Fotovoltaik 8 PV-Module zu je 255 Watt, gesamt 2,04 kWp
  • 2 Pufferspeicher (1500 Liter für Heizung und 300 Liter für Warmwasser)
  • Wärmezähler wurde auf meinen ausdrücklichen Wunsch eingebaut
  • Gas-Brennwert-Kesseltherme 3,7 kW bis 15 kW

Megawatt-Wärmepumpen ohne Strom

Mario Sedlak

Das 5. PRAXIS- UND WISSENSFORUM FERNWÄRME/FERNKÄLTE hat am 19. November 2019 in Wien stattgefunden. Eine der vorgestellten Tech­no­logien dabei war die Lithiumbromid-Absorptionswärmepumpe. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie für den Hauptantrieb keinen Strom, sondern Wärme verwendet. Wie strombetriebene Wärmepumpen kann sie zum Heizen und zum Kühlen eingesetzt werden.

Im Biomasse-Heizkraftwerk Klagenfurt Nord, das 2018 in Betrieb ging, gewinnt eine Lithium­bromid-Absorptionswärmepumpe 5 Megawatt aus dem heißen Rauchgas. Für den Antrieb verwendet die Wärmepumpe 7 Megawatt der vom Heizkraftwerk erzeugten Wärme. Diese Energie geht nicht verloren, sondern wird gemeinsam mit den gewonnenen 5 Megawatt in das Fernwärmenetz eingespeist. Bei gleichem Brennstoffverbrauch wird die Leistung des Heizkraftwerks somit deutlich erhöht.

Bei der Ziegelproduktion im Wienerberger Werk in Uttendorf wird die Absorptionswärmepumpe mit ca. 400°C heißer Abluft aus dem Ziegelofen angetrieben. Als Niedertemperaturquelle dient Abwärme eines Tunneltrockners mit einer Temperatur von 30°C. Die Wärmepumpe hebt das Temperaturniveau an, sodass 1,44 Megawatt Wärme wieder für die Produktion nutzbar sind.

In Singapur wurden 2011 auf einem neuen Universitätscampus Sonnenkollektoren mit einer Fläche von 3.900 Quadratmeter installiert. Eine Absorptionskältemaschine auf Lithiumbromid-Basis mit einer Kälteleistung von 1.575 Kilowatt nutzt dort die Wärme zur Raumkühlung.

In China wurden seit der Jahrtausendwende rund 100.000 Absorptionswärmepumpen und Absorptionskältemaschinen mit mehr als 100 Kilowatt Leistung realisiert. Damit ist das Land Vorreiter bei der kommerziellen Nutzung dieser Technologie. In Europa wurden bisher erst wenige solche Anlagen installiert, obwohl die Machbarkeit durch ­Referenzanlagen bewiesen ist.

Beispielhafter Betriebszustand einer Absorptionswärmepumpe im Kühlbetrieb. Grafik: StepsAhead Energiesysteme GmbH

Absorptionswärmepumpen belasten die Stromnetze kaum, weil sie nur wenig Elektrizität für Pumpen und anderes brauchen: Bei 5 Megawatt Wärmegewinnung aus Rauchgas benötigen sie gerade mal rund 100 Kilowatt Strom.

Die Arbeitszahl (Wärmeoutput dividiert durch Hochtemperaturinput) ist zwar mit typischerweise 1,7 deutlich geringer als bei Kompressionswärmepumpen, aber dafür sind Absorptionswärmepumpen technisch einfacher und kostengünstiger. In manchen Fällen rechnen sie sich schon nach ein bis zwei Jahren.

Technisch funktionieren diese Anlagen auch als kleinere Absorptionskältemaschinen zufriedenstellend, wie die wissenschaftliche Auswertung, die die AEE INTEC 2012–2014 im Auftrag des Klimaund Energiefonds für einige Fallbeispiele durchgeführt hat, zeigt. Es ist allerdings eine automatisierte, gut abgestimmte Regelung entscheidend. Im Falle eines Hotels in Brodersdorf (Steiermark) konnten die Experten der AEE INTEC die elektrische Leistungszahl (produzierte Kälteleistung dividiert durch aufgenommene elektri sche Leistung) von 1,05–2,65 auf rund 4,8 erhöhen. Bei einer Fruchtsaftfabrik in Hartmannsdorf (Steiermark) erreichte die gleiche Absorptionskältemaschine (Pink Chiller PC19 mit 19 Kilowatt Nennleistung) im Jahresdurchschnitt eine elektrische Leistungszahl von 3,5. Als Ursache für die geringere Effizienz wurde in dem Fall von der AEE INTEC ein unterdimensionierter Rückkühler identifiziert. Laut Harald Blazek von der Steps Ahead Energiesysteme GmbH sind unter besten Bedingungen mit einer Absorptionskältemaschine elektrische Leistungszahlen bis zu 25 erreichbar.

In Fernwärmenetzen kann mit einer Sonderbauform – einem Absorptionswärmetauscher – Energie aus dem Rücklauf zurückgewonnen werden. Durch den kühleren Rücklauf sinken die Wärmeverluste, und es können mehr Abwärmequellen und auch Sonnenenergie leichter genutzt werden. Die zurückgewonnene Wärme steht für weitere Kunden zur Verfügung, ohne dass die Netzkapazität erhöht werden muss. Voraussetzung für den Betrieb eines Absorptionswärmetauschers ist allerdings, dass er an ein heißes Primärnetz (z. B. 120°C Vorlauf) und an ein kühleres Sekundärnetz (z. B. 90°C Vorlauf) zugleich angeschlossen werden kann.

Meist werden Absorptionswärmepumpen bei Heiz(kraft)werken eingesetzt. Durch Kondensation der Rauchgase können bei Biomassefeuerungen 30 Prozent und bei Gasfeuerungen 10 Prozent mehr Nutzenergie gewonnen werden, errechnet StepsAhead. Allerdings bedauert Blazek: „Die Botschaft ist in Europa erst bei wenigen Planern und Projektbetreibern so richtig angekommen.“

WIE FUNKTIONIERT EINE LITHIUM­BROMID-ABSORPTIONSWÄRMEPUMPE?

Kaltes Wasser verdampft im Vakuum bei niedrigen Temperaturen (z. B. 5°C) und nimmt dabei Wärme auf. Lithiumbromid nimmt den Wasserdampf auf. Dadurch bleibt das Vakuum erhalten.

Um den Wasserdampf vom Lithiumbromid wieder zu trennen, wird eine Wärmequelle mit zumindest 65°C benötigt. Die anschließende Abkühlung des Wasserdampfs und Lithiumbromids übernimmt ein Kühlturm, ein Rückkühler oder ein Wärmeverbraucher. Die Anlage kann sowohl Kälte als auch Wärme auf nutzbaren Niveaus liefern.

Die im Verdampfer aufgenommene Verdampfungswärme wird im Kondensator bei höherer Temperatur wieder abgegeben. Das ist der Nutzen einer Wärmepumpe.

Sonnenstrom für den fairen Handel

Florian Mayrhofer

Die EZA Fairer Handel GmbH bezieht seit Herbst 2019 einen Teil ihrer elektrischen Energie aus einem von Bürgern finanzierten Solarkraftwerk am Flachdach. Konzipiert, projektiert und errichtet wurde die Anlage von der AEE Salzburg im Rahmen ihrer Energiegenossenschaft.

Im Jahr 2005 übersiedelte die EZA Fairer Handel GmbH in das neue Betriebsgebäude in Köstendorf. Energieeffizienz stand dabei von Beginn an im Vordergrund. Das Gebäude ist ein mehrfach prämiertes Niedrigenergiehaus mit Bauteilaktivierung und verfügt über eine thermische Solaranlage. So schien es nur konsequent, die ausgedehnten Dachflächen auch zur Stromerzeugung zu nutzen. „Wir hätten die Sache aber nicht zu diesem Zeitpunkt in Angriff genommen, da es dafür auch die personellen und finanziellen Ressourcen braucht“, sagt EZA-Geschäftsführerin Andrea Schlehuber. „Mit der Agentur für Erneuerbare Energie als tatkräftige Partnerin konnte das Vorhaben dennoch realisiert werden.“

Die AEE eGen ist eine Energiegenossenschaft, an der Gemeinden, engagierte Personen und Organisationen wie die AEE Salzburg beteiligt sind. Mit der EZA ist nun auch der erste Gewerbebetrieb dabei. Ziel der Genossenschaft ist eine möglichst breite Einbindung der Bevölkerung in die Energiewende. Zu diesem Zweck wurde mit der EZA-Anlage bereits die vierte Photovoltaikanlage errichtet, an der Bürgerinnen und Bürger finanziell beteiligt sind. Daneben kümmert sich die AEE eGen um Förderungen, die Ausschreibung und den Betrieb.

Zunächst wurden wir auf das Gebäude im Zuge einer Energieberatung aufmerksam: Ein Flachdach, auf dem mühelos weit über 100 kWp Platz haben, mit gesicherter Abnahme des Stroms im Gebäude. Da die AEE der EZA zusichern konnte, die erforderlichen Planungen zu übernehmen, gab auch die EZA-Geschäftsführung ihre Zustimmung. „Als Klimabündnisbetrieb haben wir schon bisher Ökostrom bezogen“, erklärte Geschäftsführerin Andrea Schlehuber, „mit einer Photovoltaikanlage auf unserem Dach können wir einen Teil unseres verbrauchten Stroms auch selbst erzeugen.“ Bald war auch die Tarif- und Investitionsförderung der Abwicklungsstelle für Ökostrom AG (OeMAG) für eine 100-kWp-Anlage zugesagt.

Dennoch stand das Projekt mehrfach kurz davor, aufgegeben zu werden. Zum einen wurden Bedenken bezüglich der Statik des Gebäudes laut. Dieses war kurz vor der Katastrophe von Bad Reichen­hall errichtet worden, bei der im Jänner 2006 eine Eishalle unter der Schneelast einstürzte und 15 Menschen starben. Seither wurden die Anforderungen an die Tragkraft von Dächern verschärft, was in einer geringeren Lastreserve resultierte. Dazu stellte sich heraus, dass die Dachkonstruktion auf ein hohes Maß an Sonneneinstrahlung angewiesen ist, um Feuchtigkeitsschäden zu verhindern. Beides führte schließlich zu überdurchschnittlich großen Abständen zwischen den Modulreihen.

Noch einschränkender auf die Anlagengröße wirkte sich der Anschluss an das Stromnetz aus. Um den von einer Anlage in der angestrebten Größe produzierten Strom abtransportieren zu können, hätte ein zusätzliches Kabel verlegt werden müssen, dessen Kosten von der Anlage nicht erwirtschaftet hätten werden können. So sahen wir uns gezwungen, die Anlage wesentlich zu verkleinern. Die Leistung der Module liegt nun bei 28,8 kWp, die des Wechselrichters bei 20 kW. Damit ist die maximale Einspeiseleistung gering genug, dass notfalls bei voller PV-Leistung der gesamte Strom abgeleitet werden könnte. Es ist also Vorsorge getroffen für einen Fall, der nur eintreten würde, wenn die EZA ihren Betrieb einstellte.

Inzwischen hat der Netzbetreiber, die Salzburg Netz GmbH, eine Lösung für solche Fälle erarbeitet. Diese ermöglicht, größere Anlagen zu bauen, solange gewährleistet ist, dass nur die erlaubte Leistung eingespeist wird. Alle gängigen Wechselrichter sind dazu in der Lage. Eine Erweiterung der EZA-Anlage auf zumindest die doppelte Größe stößt damit auf kein technisches Hindernis mehr.

Der Bau der Anlage am Flachdach wurde vom Beginn bis zum Abschluss in einem mit einer Drohne aufgenommenen Film dokumentiert. Fotos: AEE Salzburg

Zur Finanzierung der Anlage hat die AEE eGen Anteilsscheine im Gesamtwert von knapp 30.000 Euro ausgegeben. Der Kaufpreis eines Anteils betrug 300 Euro. Insbesondere die Kunden der EZA waren eingeladen, in das Projekt zu investieren. Die Genossenschaft sichert den beteiligten Bürgern eine jährliche Fixverzinsung von 1,5 Prozent zu bei einer Laufzeit von 13 Jahren. Die Zeichner der Anteilsscheine erhalten jährlich einen Tilgungsbetrag und den Zinsgewinn ausbezahlt. Zusätzlich gewährt die EZA einen Rabatt beim Einkauf im Verkaufsraum in Köstendorf.

Der Ablauf eines solchen Beteiligungsverfahrens ist von der Finanzmarktaufsicht streng geregelt. Um nicht der sehr teuren Prospektpflicht zu unterliegen, dürfen sich höchstens 99 Personen an einem Projekt beteiligen. Zudem sind zwei Informationsveranstaltungen abzuhalten; zunächst eine öffentliche, bei der das Projekt vorgestellt wird und Personen ihr Interesse bekunden können. Diese Personen werden dann zu einer weiteren, diesmal nicht-öffentlichen Veranstaltung eingeladen und zur Einzahlung ihres Anteils aufgefordert.

26 Personen haben sich finanziell an der Errichtung der Anlage beteiligt, doch wäre das Interesse wesentlich größer gewesen. So mussten wir die Ausgabe auf höchstens acht Anteilsscheine pro Person beschränken und einige Interessenten auf spätere Projekte – etwa die erwähnte Erweiterung – vertrösten.

Vor dem Bau der Anlage wurden zahlreiche regionale und einige überregionale Firmen eingeladen, ein Angebot zu legen. „Mit der Norbert Loindl Installationen GmbH ist ein Gewerbebetrieb aus der unmittelbaren Umgebung als Bestbieter aus der Ausschreibung hervorgegangen“, zeigt sich Angela Lindner, Vorsitzende der AEE eGen, erfreut. Im September 2019 wurde die Photovoltaikanlage errichtet und in Betrieb genommen.

Aufstand der Jungen

Moderation und Text: Diethold Schaar. Fotos: Shao Hui He.

„Die Klimapolitik ist zu wichtig, als dass man sie der Politik allein überlassen darf“, sagt der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler und liegt damit auf einer Linie mit den KlimaaktivistInnenen von Fridays for Future. Mit ihm diskutieren Doris Hammermüller von der AEE Niederösterreich/Wien, Lisa de Pasqualin als Vertreterin des Klimavolksbegehrens und Katharina Schneider von Fridays for Future über die Energiewende und die Klimakrise im Spannungsfeld zwischen BürgerInnenbewegungen und Politik.

Doris Hammermüller: In der Zeit der Umweltbewegung der 80er-Jahre waren Wachstum und Technologien selbstverständlich und wurden nicht hinterfragt. Wir haben bei weitem nicht das Wissen und die Medien gehabt, die wir heute haben. Jetzt wissen wir ganz genau, was wir tun können, wie wir es tun müssen und was es bewirken soll. Was in der Klimapolitik jetzt fehlt, ist der große Wurf der Umsetzung.

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Katharina Schneider: Richtig ist, dass die Lösungen und Ansätze am Tisch liegen. Tatsache ist aber, dass wenig bis gar nichts davon umgesetzt wird. Unsere Rolle ist Druck und Aufmerksamkeit zu schaffen, damit Wirtschaft und Politik nicht aus können. Greta Thunberg sagt: „Wir beobachten Euch und jetzt muss etwas kommen.“ – Dieser Ansatz ist essenziell, und weil er von der Jugend kommt, sehen viele Menschen unsere Angst und die Dringlichkeit für Handlungen, und unterstützen uns auch.

Lisa de Pasqualin: Diese Aufmerksamkeit nützen auch wir vom Klimavolksbegehren, um die Bevölkerung und die Politiker ins Handeln zu bringen. Die einzelnen Menschen, indem sie auf das Gemeindeamt gehen und das Volksbegehren unterstützen und die Politiker, weil der Klimaschutz schon längst keine Frage des guten Willens mehr sein darf.

Franz Fischler: Volksbegehren hat es auch in den 80er-Jahren schon gegeben, und damals wie heute werden sie von der offiziellen Politik eher als Störfaktor empfunden. Meiner Meinung nach ist das große Thema, dass die junge Generation heute eine andere Einstellung zur Politik hat. In den 80er-Jahren, mit ihren großen wirtschaftlichen Wachstumsraten, war alles darauf ausgerichtet, wie ich als Einzelner aus diesem System für mich persönlich den größten Nutzen ziehen kann. Die jetzige Generation der 16-Jährigen ist anders; die sind – wenn man so will – politischer geworden. Die sind der 68er-Bewegung näher als den Jungen in den 80er-Jahren. Damals hat die Mehrheit auch der jungen Menschen die Meinung vertreten, dass man eh nichts machen könne. Heute ist das Bewusstsein vorhanden, dass man mit entsprechendem Einsatz sehr wohl etwas erreichen kann.

Franz Fischer

Moderator: Welche Auswirkungen hat das auf die Politik?

Franz Fischler: Politik ist per definitionem immer reaktiv. Sie reagiert. Und so wie heute Politik gemacht wird, wird das noch stärker spürbar. In der heute vorherrschenden postnationalen Politik wird zunächst abgetestet, was die Leute wollen. Danach richtet sich, was thematisiert werden soll, um Wahlerfolge zu haben. Politische Projekte und politische Ziele werden nicht mehr aus politischen Programmen abgeleitet, sondern ausschließlich aus dem, was der momentanen Stimmungslage entspricht, die aus Umfragen ermittelt wird. Die jungen Leute von Fridays for Future haben erkannt, dass sie das Stimmungsbild in der Wählerschaft beeinflussen können. Sobald dieser Einfluss in der Bevölkerung wahrgenommen wird, springt auch die Politik auf. Vorher nicht.

Moderator: Was bräuchte es, damit es schneller geht?

Franz Fischler: Ich finde, dass sich im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine sehr grundsätzliche Frage stellt: ist die Menschheit fähig nur aus Fehlern zu lernen, oder können wir auch Konsequenzen ziehen, wenn die Wissenschaft klar aufzeigt, wohin es geht? Wenn wir wirklich nur in der Lage wären, aus Schaden klug zu werden, dann sind wir de facto verloren. Wir können es uns nicht leisten, ausschließlich aus Schaden klug zu werden.

Doris Hammermüller: Aus meiner Beobachtung haben wir mit der Umweltbewegung irgendwann um die Jahrtausendwende unsere Wirksamkeit verloren. Wir konnten nicht mehr so revolutionär sein, weil wir mit dem Aufbau unserer Strukturen beschäftigt waren und weil wir natürlich immer noch gehofft haben, in den bestehenden Systemen etwas bewegen zu können.

Lisa de Pasqualin: Ich war um die Jahrtausendwende gerade 18 Jahre alt und habe zu studieren begonnen – damals mit Studiengebühren, gegen die niemand ernsthaft etwas unternommen hat. Wir waren nicht die Generation der Demonstranten. Wir waren die politischen Mitläufer. Wir waren wählen, aber wir hatten nicht das Gefühl, wirksam sein zu können.

Lisa de Pasqualin

Franz Fischler: Die allgemeine Meinung war, man kann ja eh nichts erreichen. Jeder hat auf sich selbst geschaut und hat versucht, sich durchzusetzen - die „Ich-AG“ eben. Die Finanzkrise 2008 hat dann eine völlige Veränderung gebracht. Bis dorthin war ja vor allem in der westlichen Welt die Meinung vorherrschend, dass wir die Globalisierungsgewinner sind und daher Globalisierung eine gute Sache sei. Durch die Krise, die Europa stärker betroffen hat als die meisten anderen Länder der Welt, hat man festgestellt, dass dem nicht so ist. Die grundlegenden Annahmen der Elterngenerationen, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird, gibt es nicht mehr. Die logische Konsequenz war, dass diese Kindergeneration heute die Frage stellt, wer ihnen das eingebrockt hat. Sind die Eltern mitschuldig geworden? Das sind ja genau die Vorwürfe, die Greta Thunberg erhebt, wenn sie sagt: „Ihr habt die Welt kaputt gemacht. Ihr seid schuld!“

Lisa de Pasqualin: Das große Thema, vor dem wir jetzt stehen, ist, dass wir einen Systemwandel brauchen. Die Ökobewegung war früher sehr wirkungsvoll und wirksam, aber ein Minderheitenprogramm. Heute ist vielen klar, dass wir an der Kippe stehen. Nur, die einen wollen etwas tun und sich aus ihren Komfortzonen herausbewegen, und gleichzeitig gibt es welche, die sagen einfach „Nein!“ und gruppieren sich als „Gegenbewegung“. Diese Ignoranz und Mobilisierung macht mich fassungslos. Genauso wie Fridays for Future immer wieder zu hören bekommt, dass es doch nicht geht, dass eine 16-Jährige die Politik beeinflussen will.

Franz Fischler: Darauf sollte man auch noch kurz eingehen, nämlich auf verschiedene Kräfte, die Greta Thunberg als Person massivst angreifen. Meine Schlussfolgerung ist: Die Agression wird größer, weil die Überlegenheit dieser Bewegung immer deutlicher wird und weil die Gegner eigentlich keine tauglichen demokratischen Mittel dagegen haben. Diese Sager, die durch die sozialen Medien geistern, sie soll doch zuerst einmal Matura machen oder sie soll dies und jenes tun – das ist in meinen Augen alles Ausdruck von Hilflosigkeit.

Doris Hammermüller: Greta Thunberg hinterfragt schon durch ihre Existenz in meinen Augen ja alles an bestehenden Machtsystemen. Sie ist eine junge Frau mit einer außergewöhnlichen Begabung, die sich den Mächtigen der Welt sehr kraftvoll entgegenstellt. Das hinterfragt schon viele gängige Kriterien, wie auch das klassische Wachstum – und das polarisiert.

Franz Fischler: Wir wissen schon längst, dass das Messen von Wachstum in Kennzahlen wie dem BIP veraltet ist. Da hat es schon eine Reihe politische Initiativen gegeben, das zu ändern. Als Politiker muss man sich fragen, warum hat das nicht funktioniert und warum haben im Gegensatz dazu die Proteste der jungen Leute heute Wirkung?

Katharina Schneider: Ein wichtiger Punkt ist das Storytelling. Wir haben halt über die sozialen Medien die Möglichkeit, unsere Geschichten schnell zu erzählen. Die vergangenen zehn, zwanzig Jahre waren die Jugendlichen politisch eher ruhig. Es wurde uns auch vorgeworfen, dass wir uns nicht engagieren, und das wurde auch politisch ausgenutzt. Und jetzt auf einmal gehen 14-Jährige oder sogar noch jüngere auf die Straße und nutzen ihre Stimme. Die Jugendlichen sind nicht auf der Straße, weil es cool ist, sondern weil es um etwas geht.

Katharina Schneider

Franz Fischler: Ungeheuer wichtig ist auch, dass die Fakten des Klimawandels eine breite wissenschaftliche Abstützung haben. Vielen Wissenschaftlern, die in ihrem Tun auch einen gesellschaftlichen Auftrag sehen, ist es nur recht, wenn junge Leute die entsprechende Begleitmusik produzieren. Dieses neue Mobilisieren aller gesellschaftlichen Kräfte, dieses Zusammenwirken zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – das hat neue Möglichkeiten geboten, wie man an Probleme anders herangehen kann. Die Zeiten sind vorbei, wo es möglich ist, zu sagen, das ist eine politische Aufgabe und die Politiker sollen sich darum kümmern. Heutzutage herrscht da eher die Meinung, das ist so wichtig, dass man es nicht der Politik allein überlassen darf.

Lisa de Pasqualin: Durch den wahrnehmbaren Klimawandel und die Fridays for Future spüren wir jetzt diesen Drive, dieses Momentum in der Gesellschaft. Wir leben heute in einer Zeit, in der viele Menschen für sich selbst erkennen, dass sie wirksam sein können, auch das Kollektiv erkennt, dass es wirksam sein muss.

Franz Fischler: Wir Österreicher sind da schon ein besonderes Volk. Wir glauben ja immer, dass es für uns irgendwelche Extrawürste geben wird oder irgendwelche Abkürzungen, oder man handelt nach dem Prinzip: es wird ja nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das sieht man dann auch in der Praxis, wo am Beginn einer Gesetzgebungsperiode wunderbare Ziele festgeschrieben werden, die dann am Ende umformuliert werden, weil es mit der Umsetzung doch nicht so einfach ist. Diese Vorgangsweise führt dazu, dass wir europaweit zu den schlechtesten Performern gehören. Bei der Umsetzung der Kyoto-Ziele war Österreich das zweitschlechteste Land der EU, und jetzt bei der Umsetzung der EU-2030-Ziele sind wir momentan die Viertschlechtesten. Und wir alle wissen, wenn wir das nicht schnell ändern, werden wir Milliarden für CO 2 -Zertifikate zahlen. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass das wahnsinnig viele Leute aufregt. Warum investieren wir das Geld nicht besser jetzt, um einigermaßen unsere Ziele zu erreichen?

Moderator: Das Bewusstsein ist da, der Druck ist weltweit da und dennoch stimmen die Ergebnisse nach wie vor nicht. Keines der G20-Länder erreicht seine selbstgesteckten Klimaziele. Woran liegt das?

Lisa de Pasqualin: Weil noch immer an Einzelmaßnahmen herumgedoktert und nicht der notwendige Systemwandel eingeleitet wird.

Franz Fischler: Genau – die System-Transformation fehlt.

Doris Hammermüller: Veränderung ist immer Angst machend. Für jede einzelne Person. Da würde ich uns gar nicht ausnehmen. Das heißt für uns ja auch eine große Veränderung. Was wir allerdings auch schon ganz lange wissen: je früher wir den Veränderungsprozess starten, umso flacher kann man den Ball halten, und je länger wir warten, umso steiler müssen später die Kurven sein.

Doris Hammermüller

Katharina Schneider: Was der ganzen Klima­bewegung noch fehlt, ist das bessere Darstellen einer positiven Utopie, was wir erreichen können, wenn wir jetzt sofort aufhören, Treibhausgase in die Luft zu blasen. Man kann auch sehr provokant fragen, worauf wir jetzt bereits verzichten? Durch unser Verhalten verzichten wir jetzt schon auf gute Luft oder Nahrungsmittelsicherheit. Wir verzichten mit dem jetzigen Verhalten auf eine sichere Lebensgrundlage.

Franz Fischler: Genau genommen ist es schon ein Wahnsinn, dass die größten Verursacher des Klimawandels am wenigsten von den Folgen betroffen sind. Und die, die ihn am wenigsten verursachen, leiden am meisten darunter. Daraus entsteht eine ungeheure Ungerechtigkeit in der Welt. Das kann gar nicht oft genug in die Öffentlichkeit gebracht werden.

Natürlich ist es richtig, dass es ohne Verzicht nicht gehen wird. Aber politisch betrachtet, ist es nicht sehr klug, nur über den Verzicht zu reden, sondern es geht tatsächlich um die Alternativen. Die gibt es. Es geht nicht darum, Mobilität zu verbieten, sondern wir müssen die Mobilität auf eine andere Art und Weise organisieren. Das lässt sich machen, ohne dass da ein großer Komfortverzicht entsteht. Dazu müssen wir die Systeme umstellen, und diese Transformation ist der Schlüssel der ganzen Geschichte. Ich bringe die Leute ja nur dann zum Mitmachen, wenn ich ihnen die Alternativen aufzeige.

Moderator: Gibt es etwas, das Hoffnung macht?

Lisa de Pasqualin: Mir macht Hoffnung, dass sich diese Starrheit der 2000er-Jahre löst und ein gewisses Momentum entsteht. Aus dem müssen wir etwas machen. Das Bewusstsein ist da. Die Zeit ist reif. Es geht jetzt darum, die Dinge in die Hand zu nehmen. Das Klimavolksbegehren ist ein erster Schritt.

Katharina Schneider: Es wird wieder kritisch gedacht, und ich freue mich, wenn ich sehe, wie viele Leute auf der Straße sind. Es wird reflektiert, was passiert. Und es wird nicht mehr nur akzeptiert, was die politischen Akteure vorgeben.

Franz Fischler: Letztlich glaube ich doch an die Einsicht des Menschen, dass er nicht sein eigener Feind sein will. Der Weg der Dekarbonisierung ist ohne Alternative. Wenn das der Großteil der Menschen einsieht, dann haben wir schon gewonnen.

Doris Hammermüller: Ich glaube immer, dass sich etwas ändern kann, wenn alles zusammenpasst. Dass da jetzt so viel Energie entsteht, die auf ausreichend Wissen trifft und auch von der Wirtschaft unterstützt wird – das nährt die Hoffnung, dass wir diesen Moment solange halten können, bis er in der Politik wirklich angekommen ist.

Moderator: Herzlichen Dank an alle für das Gespräch.

 

Dr. FRANZ FISCHLER, Jahrgang 1946, hat an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert und war in den 80er-Jahren Leiter der Landwirtschaftskammer in Tirol. Von 1989 bis 1994 Landwirtschaftsminister und von 1995 bis 2004 Europäischer Kommissar für Landwirtschaft und die Entwicklung des ländlichen Raums. Heute betreibt er ein Beratungsunternehmen und ist Präsident des Europäischen Forums Alpbach.

KATHARINA SCHNEIDER MSc, Jahrgang 1993, hat ihren Masterabschluss in Evolutionsbiologie gemacht und steckt momentan in den Vorarbeiten zum Doktorat. Sie ist seit dem ersten Streik in Wien (21. Dezember 2018) bei Fridays for Future und kümmert sich vor allem um Verwaltungsarbeit und die Koordination von Terminen und Anfragen.

MMag. a LISA DE PASQUALIN, Jahrgang 1983, hat in Graz Betriebswirtschaft und Umweltsystemwissenschaften studiert, war mehr als zehn Jahre in Unternehmen für Kommunikation und Nachhaltigkeit verantwortlich und ist jetzt selbständige Resilienz-Trainerin und Nachhaltigkeits-Beraterin. Ehrenamtlich ist sie im Lenkungskreis des Global Compact Netzwerks Österreich tätig und engagiert sich für das Klimavolksbegehren.

DORIS HAMMERMÜLLER MA, Jahrgang 1962, hat Sozialarbeit studiert und ist seit den frühen 80er-Jahren in verschiedenen NGO tätig, beispielsweise als Energieberaterin und Vorstandsmitglied der Umweltberatung NÖ bis 2001. Sie war 1993 eine der Mitbegründerinnen der AEE Arbeitsgemeinschaft Erneuerbar Energie NÖ-Wien, deren langjährige Geschäftsführerin sie heute noch ist.

Saisonale Speicher für Wärmenetze

Das Dilemma ist bekannt: die Energie der Sonne würde man vor allem dann brauchen, wenn sie nicht scheint. Im Projekt Store4grid untersuchte AEE-NOW mit Technologie- und Forschungspartnern wie große thermische Speicher in Wärmenetzen in Österreich modellhaft eingesetzt werden könnten.

Im Ein- und auch teilweise im Mehrfamilienhausbereich werden zunehmend mehr Solarhäuser, deren solare Deckung bei mehr als 70 Prozent liegt, umgesetzt. Fernwärmenetze mit hoher solarer Deckung sucht man jedoch in Österreich noch vergeblich. Das liegt vor allem daran, dass bei Großwärmespeichern die Wirtschaftlichkeit derzeit noch nicht gegeben ist. Internationale Erfahrungen zeigen, dass dabei sehr hohe spezifische Speicherkosten entstehen.

Das Musterland der großen Langzeitwärmespeicher liegt im Norden Europas. Dänemark gilt beim kommerziellen Einsatz großer Solaranlagen weltweit als beispielgebend. In Marstal im Süden Dänemarks steht seit 1996 eine solare Großanlage, die 2003 um einen Erdbeckenspeicher mit 10.000 Kubikmeter Fassungsvolumen ergänzt wurde und heute mit rund 33.000 Quadratmetern thermischer Solarkollektoren und einem weiteren Speicher mit 75.000 Kubikmeter Fassungsvermögen Energie in das Fernwärmenetz der Stadt einspeist.

Von den langjährigen Erfahrungen in Marstal profitieren Fernwärmeversorger im ganzen Land und entwickeln Großanlagen, mit denen zukünftig solare Deckungsgrade von 45 bis 55 Prozent erwartet werden.

Die Solarwärmeanlage in Vojens, Dänemark mit 70.000 Quadratmeter Kollektorfläche und 200.000 Kubikmeter saisonalem Speicher. Die Anlage wurde 2013 installiert und in Betrieb genommen. Foto: Arcon Sunmark

In Österreich gibt es keine praktischen Erfahrungen mit Anlagen, die über mehrere Wochen bis Monate Wärme speichern und bei Bedarf wieder abgeben. Dabei könnten große oder auch saisonale Erdbecken-Wärmespeicher dazu beitragen, Erzeugungsüberkapazitäten von Solaranlagen, Betrieben, Heizkesseln, Kraftwerken oder anderen fluktuierenden Energieerzeugern besser zu nutzen.

Im Projekt Store4grid hat ein Autorenteam unter Leitung der AEE Niederösterreich-Wien (AEE-NOW) untersucht, unter welchen Voraussetzungen langfristig eine kostenoptimierte und ressourceneffiziente Implementierung von großen thermischen Speichern in Wärmenetzen möglich wäre.

Als Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Betrieb eines solar unterstützten Nah- oder Fernwärmesystems hat sich dabei die auf die Anwendung und den Standort optimierte Bauweise des (unterirdischen) Wärmespeichers herauskristallisiert.

Bauformen von Behälterspeichern (B) und Erdbecken-Wärmespeichern (E). Grafik: Bauformen von Behältern und Erdbecken

Während Pufferspeicher für Fernwärmenetze meist als freistehende Stahloder Stahlbetontanks ausgeführt und problemlos gedämmt werden können, ist das bei Erdbeckenspeichern nicht mehr so trivial. Unterirdische Wärmespeicher können mit oder ohne Wärmedämmung ausgeführt werden. Ohne Dämmung sind die Speicherverluste entsprechend groß, und bei Ausführungen mit Dämmung besteht das Risiko, dass eindringende Feuchte – beim Bau oder während des Betriebs – nicht mehr entweichen kann.

Mit einem neuen, im Rahmen des Projekts entwickelten Simulationsmodell für unterirdische Wärmespeicher können sowohl Wärmespeicher verschiedener Bauart verglichen, als auch Wärmespeicher bezüglich ihrer Bauart (Erdbecken oder Tank) und bezüglich ihrer Ausführung mit oder ohne Wärmedämmung für eine spezielle Anwendung optimiert werden. So kann damit zum Beispiel untersucht werden, unter welchen Bedingungen und für welche Speichergrößen die Wärmedämmung gegen das Erdreich wirtschaftlich ist.

Mit der Simulation kann zusätzlich noch ermittelt werden, ob die Einbindung einer Wärmepumpe sinnvoll möglich ist und die Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage erhöht. Die Koppelung von Wärmepumpen mit großen Wärmespeichern wird von einigen Fachleuten als vielversprechendes Konzept gesehen, um das Gesamtsystem zu optimieren und die laufenden Kosten zu senken.

Ganz grundsätzlich lässt sich sagen: das Vorhandensein eines Speichers macht die effiziente und aufeinander abgestimmte Nutzung und die Kombination unterschiedlicher, erneuerbarer Energietechnologien möglich.

In Dänemark sind mittlerweile über 117 Solarwärmeanlagen mit mehr als 950 MW thermischer Leistung in Betrieb und speisen vor allem Fern- und Nah­wärmenetze. Sie zeigen, wie durch die großen Wärmespeicher die Nutzung erneuerbarer Energien und die StromWärme-­Sektorenkopplung auf lokaler Ebene intelligent kombiniert werden können. Großspeicher sind eine Voraussetzung für den optimierten Betrieb von KWK- oder Power-to-Heat-Anlagen.

Für die Verbreitung der solaren Großanlagen und der Großspeicher in dem skandinavischen Vorzeigeland sind mehrere Gründe verantwortlich: Die Betreibergesellschaften sind oft „VerbraucherInnengenossenschaften“, die nicht auf Profit ausgerichtet sind. Für die Investitionen gibt es günstige Finanzierungs- formen mit langen Rückzahlzeiten. Und – nicht unwesentlich – auf fossile Energieträger werden hohe Steuern eingehoben.

Im Store4grid-Projekt haben sich die Autoren auch mit den ökonomischen Aspekten der Großspeicher in unterschiedlichen Szenarien beschäftigt. Je nach Netzstruktur, Abnehmeranzahl und Gebäudetypen sind solare Deckungsgrade bis zu 98 Prozent möglich.

Was der Umwelt gut tut, schont aber noch nicht unbedingt das Börserl. Die Preise in einem Erzeugerverbund aus Solarthermie, Langzeitspeicher und Wärmepumpe liegen in allen betrachteten Szenarien über den Erzeugerpreisen von zum Beispiel einem mit Biomasse betriebenen Heizwerk. Im Sinne einer ökonomisch optimalen Umsetzung regen die Autoren an, ein Szenario zu untersuchen, bei dem Effizienzgewinne zu erzielen sind, indem Langzeitspeicher mit Solarthermie und einer Großwärmepumpe in bestehende Biomasse-Netzwerke integriert werden.

Freistehende Speicher, wie dieser Wärmespeicher der Linz AG, sind einfach zu dämmen. Foto: Linz AG

Dann würden auch noch ökonomische Argumente für den Einsatz der erneuerbaren Energie sprechen – neben der klima­schonenden Erzeugung und der Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.

STORE4GRID PROJEKTPARTNER

  • AEE NÖ-Wien
  • AIT – Austrian Institute of Technology
  • TU Graz – Institut für Wärmetechnik
  • Universität Innsbruck – Institut für
  • Konstruktion und Materialwissenschaften
  • Pink Energie- & Speichertechnik

Die Zusammenfassung der Studie und der detaillierte Endbericht sind auf der Homepage www.aee-now.at/store4grid abrufbar.

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