Zeitschrift EE

nt 02 | 2020: Hybride Solartechnologien

Ständig auf Entdeckungsreise

28.4.2020 - Heute bin ich, Judith Buchmaier, seit genau 2250 Tagen bei AEE INTEC angestellt. Nach meinem Studium der Technischen Chemie und Biotechnologie an der TU Graz bin ich zunächst durch Südamerika gereist, bevor mich meine Initiativbewerbung ans Institut für Nachhaltige Technologien (Bereich Industrielle Prozesse und Energiesysteme) gebracht hat. Ich habe mich anfangs hauptsächlich mit verschiedenen Anwendungen und dem Design unserer ersten Pilotanlage für Membrandestillation beschäftigt.

Foto: privat

Mittlerweile bin ich im spannenden Bereich der Bioraffinerien tätig. Mit dem Ziel der Prozessintensivierung arbeiten wir an einem oszillierenden Bioreaktor-System, um verschiedene Bioprozesse zu optimieren, wie z.B. die Produktion von Biomaterialien oder Kunststoffen, Chemikalien, Biotreibstoffen etc. Die Optimierung betrifft die Verkürzung der Reaktionszeiten, Behandlung größerer Massen von Rohstoffen in kleinerem Volumen, die Reduktion des Enzymeinsatzes und natürlich eine Verringerung des Energiebedarfs.

Um auch von universitärer Seite wieder den neuesten Stand vermittelt zu bekommen, konnte ich im ersten Halbjahr 2019 eine Bildungskarenz absolvieren und mich intensiv dem Bereich Bioraffinerietechnik („Biorefinery Engineering“) widmen. Von sehr detaillierten Aufgabenstellungen aus der Partikeltechnologie („Particle Technology“), der Chemikalienverordnung („REACH“) über kontinuierliche Verfahrenstechnik („Continuous Process Engineering“) bis hin zu – ja auch Soft Skills – wie Diversitätsmanagement („Diversity Management“) u.v.m. habe ich das Angebot ausgenützt. Das Zurückkommen war ein sehr freudiges, mit vielen neuen Erfahrungen, zu vielen bekannten netten Menschen.

Schon in meiner Kindheit kam mein wissenschaftlicher Forschergeist zum Vorschein, bei Fragen hinsichtlich der Paarung von roten mit schwarzen Ameisen, der Faszination für den flüssigen Aggregatszustand von Wasser in der Badewanne oder dem Interesse des Aufbaus von Naturstoffen bis ins kleinste Detail. Immer noch bin ich sehr gerne in der Natur und betreibe dort – Sport! Am besten mit Freunden und Sonne.

Traumhafte Bedingungen in den Bergen von Südtirol. Foto: privat

nt 02 | 2020: Hybride Solartechnologien

Kontinuität durch Veränderung Neue Geschäftsführung und neue Organisationsstruktur bei AEE INTEC

Christian Fink, Christoph Brunner, Ewald Selvička

Nichts ist so beständig wie der Wandel“, merkte schon der griechische Philosoph Heraklit vor ca. 2500 Jahren an. Nicht ganz so lange, aber immerhin schon seit 32 Jahren werden bei AEE INTEC nun schon Forschungsprojekte im Bereich Erneuerbarer Energien und Ressourceneffizienz mit einem sehr anwendungsbezogenen Fokus durchgeführt. All diese Jahre und die mehr als 500 bearbeiteten Projekte waren natürlich auch beeinflusst von Wandel und Veränderung, aber auch von Phasen der gleichzeitig wichtigen Kontinuität. Eine gute Mischung, die wir nach der Entscheidung von Werner Weiß, seine Geschäftsführerfunktion mit Ende Februar 2020 zurückzulegen, auch zukünftig in der Geschäftsführung bei AEE INTEC leben möchten.

Das neue Geschäftsführungsteam bei AEE INTEC (v. links nach rechts): Ewald Selvička, Christian Fink und Christoph Brunner. Foto: AEE INTEC

Aber was heißt jetzt „wir“? Da ist einmal Ewald Selvička, Elektrotechniker und bereits langjähriger Geschäftsführer mit Zuständigkeit für die finanziellen Belange. Neu in der Funktion der Geschäftsführung und zuständig für die thematische Unternehmensausrichtung, Außendarstellung und interne Organisation sind seit März 2020 Christoph Brunner, Verfahrenstechniker, und Christian Fink, Maschinenbauer. Gemeinsam haben wir unter anderem, dass wir alle drei die Entwicklung von AEE INTEC bereits in den letzten Jahrzehnten erheblich mitgestalten durften, Ewald Selvička bereits seit 32 Jahren und viele Jahre davon als Geschäftsführer. Christian Fink ist seit nunmehr 28 Jahren Mitarbeiter von AEE INTEC und entwickelte bis 2008 den Arbeitsbereich „Bauen und Sanieren“ sowie danach den Arbeitsbereich „Thermische Energietechnologien und hybride Systeme“. Christoph Brunner ist seit 2010 Mitarbeiter bei AEE INTEC und entwickelte dabei die Themen Energie- und Ressourceneffizienz in der Industrie sehr erfolgreich in einem eigenen Arbeitsbereich.

Die Übernahme der Geschäftsführung von AEE INTEC bedeutet natürlich auch personelle Veränderungen in den zuvor bestehenden thematischen Arbeitsbereichen. Gleichzeitig wollten wir aber auch unsere Organisationsstruktur im sich permanent ändernden Umfeld mit Blick auf Kundenorientierung, Innovationen in der Technologieentwicklung und Digitalisierung und Nutzung interner Synergien noch stärker aufgestellt wissen. In einem Prozess wurde unter Einbindung von Führungskräften und MitarbeiterInnen die neue Organisationsstruktur entwickelt. Ergebnis ist die Organisation unserer Expertisen in den drei Zielgruppenbereichen "Gebäude", "Industrielle Systeme" und "Städte & Netze", dem Bereich "Technologieentwicklung" sowie den zwei Querschnittsbereichen "Technisches Labor & Daten" sowie "Verwaltung & Controlling".

Abbildung

Der Bereich „Technologieentwicklung“ hat die meisten Mitarbeiter und ist in drei Arbeitsgruppen - „Erneuerbare Energien“, „Thermische Energiespeicher“, „Wasser- & Prozesstechnologien“ gegliedert. Ganz besonders wichtig war uns, Strukturen zu finden, die eine flexible Zusammenarbeit zwischen MitarbeiterInnen aus unterschiedlichen Organisationseinheiten möglichst expertise- und interessengetrieben erlauben. Ein gutes Beispiel sind die beiden virtuellen Arbeitsbereiche „Datenmanagement & Digitalisierung“ sowie „Modellierung & Simulation“. Die Idee dieser virtuellen Arbeitsbereiche ist es, die betreffenden Themen über das gesamte Institut hinweg gezielt zu koordinieren, zu vernetzen und zukünftige Forschungsthemen strategisch zu entwickeln.

Seit März 2020 ist die neue Organisationsstruktur von AEE INTEC abgeschlossen und wir sind optimistisch, dass sie uns bestmöglich dienen wird, den erfolgreichen Institutsweg auch in Zukunft weiterzugehen. Klar ist, dass sich auch diese Organisationsstruktur verändern wird. Denn, wie schon eingangs zitiert: „Nichts ist so beständig wie der Wandel“.

nt 02 | 2020: Hybride Solartechnologien

Niedrige Rücklauftemperaturen für zukunftstaugliche Fernwärmenetze

Jakob Binder, Harald Schrammel, Paolo Leoni, Andreas Müller

Niedrige Fernwärme-Netztemperaturen steigern die Effizienz von Erzeugung und Verteilung und sind dadurch wesentlich für zukünftige Fernwärmenetze. Durch niedrige Netztemperaturen können erneuerbare Wärmequellen und Abwärme gut technisch integriert und hohe Erträge ermöglicht werden. Damit verbessert sich die Wirtschaftlichkeit der Einbindung erneuerbarer Wärmequellen und erleichtert die Transformation zu erneuerbaren, flexiblen und zukunftstauglichen Fernwärmesystemen.

Foto: Stadtwerke Gleisdorf GmbH

Moderne Heiz- und Warmwassersysteme erlauben bereits heute niedrige Temperaturen 1. Hohe Rücklauftemperaturen ergeben sich häufig aus Mängeln bei den Kundenanlagen, die im Fokus des Projekts T2LowEx stehen. Im Rahmen des Projekts wurden Methoden entwickelt, die Wärmenetzbetreiber beim Erschließen von Potenzialen auf Kundenseite unterstützen. Diese umfassen die Abnehmeranalyse, die Ermittlung der wirtschaftlichen Effekte temperaturabsenkender Maßnahmen für das Gesamtsystem unter Berücksichtigung der relevanten Einflussparameter wie z. B. Erzeugungsmix oder Verteilung, sowie Geschäftsmodelle, die einen Anreiz zur Senkung der kundenseitigen Rücklauftemperaturen bieten.

Identifizieren und Beheben von Fehlern

Ein funktionierendes Monitoring und die regelmäßige Analyse von Kundendaten ist die Grundvoraussetzung für einen optimalen Betrieb bzw. das Erfassen von Mängeln. Dazu müssen neben den Energieverbräuchen auch die Volumenströme der Kundenanlagen erfasst werden. Priorisierungsmethoden basierend auf Monats- oder Jahreswerten 2 ermöglichen das Erkennen mangelhafter Kundenanlagen und deren Einfluss auf das Gesamtnetz. In voll digitalisierten Fernwärmenetzen mit zeitlich hochaufgelösten Daten aller Kundenstationen kann die Detektion automatisiert und rasch nach Eintreten von Veränderungen bzw. Mängeln erfolgen. Dazu wurde im Projekt T2LowEx eine digitalisierte und automatisierte Fehlererkennungsmethode auf Basis von Clustering-Algorithmen entwickelt, die derzeit mit realen Messdaten validiert wird. 3, 4 Um die Behebung von erkannten Mängeln zu forcieren, wurden im Projekt die Häufigkeit von Fehlern und der Aufwand zu deren Behebung evaluiert (siehe folgende Abbildung). Auffällig war dabei, dass der Aufwand für viele Fehlerbehebungen gering ist, die Verantwortung dafür aber häufig beim Kunden liegt. Gleichzeit profitieren Wärmenetzbetreiber meist mehr als die Kunden.

Häufigkeit verschiedener Mängel und Aufwand sowie Zuständigkeit für deren Behebung. Quelle: AEE INTEC

Anhand von 17 ausgewählten Fallbeispielen wurden Maßnahmen bei den Kundenstationen umgesetzt und die Auswirkungen untersucht, indem die Zeiträume vor und nach der Umsetzung messtechnisch erfasst und verglichen wurden. Diese Verbesserungsmaßnahmen betrafen z. B. Optimierung bzw. Tausch der Übergabestation, Spülung oder Tausch des Wärmetauschers oder den Tausch von Regelungsventilen. Auch die korrekte Einstellung des Heizungsreglers und die Implementierung einer neuen bzw. optimierten Regelung für Speicher, Pumpen und Warmhaltung zählten zu den umgesetzten Maßnahmen. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen exemplarisch die Ergebnisse von durchgeführten Verbesserungsmaß- nahmen. Die Ergebnisse der Fallbeispiele dienen als Grundlage für die Entwicklung und Validierung neuer Geschäftsmodelle und zur Abschätzung des technischen und wirtschaftlichen Optimierungspotenzials für Österreichs Fernwärmenetze.

Wie viel darf Optimierung auf Kundenseite kosten?

Diese Frage bereitet vielen Netzbetreibern Kopfzerbrechen. Deshalb wurde im Rahmen des Projekts ein Rechenmodell auf Excel-Basis entwickelt, mit dessen Hilfe die technischen und wirtschaftlichen Aspekte von temperatursenkenden Maßnahmen im Gesamtwärmenetz bewertet werden können. Dazu wird die gesamte Anlagenkonfiguration in Hinblick auf die eingesetzten Wärmeerzeugungsanlagen und Energieträger inklusive aller relevanten technischen und wirtschaftlichen Parameter (u. a. Brennstoffund Stromkosten) basierend auf Betreiberangaben erfasst. Eine mögliche Kostenreduktion wird anschließend mittels der geplanten Optimierungs- und Mängelbehebungsmaßnahmen und der dadurch erwarteten Temperaturreduktion für die jeweilige Netzkonfiguration berechnet. Diese Einsparungen können in weiterer Folge den Kosten für die Optimierung der Kundenanlagen gegenübergestellt und so vom Wärmeversorgungsunternehmen auf deren Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Zusätzlich wird auch ein Kostenteilungsfaktor zwischen Betreiber und Kunde errechnet, der die zu erwartenden Kostenvorteile der Optimierung für Kunde und Betreiber widerspiegelt. Die Berechnungsmethode wird derzeit mit realen Anlagendaten getestet und optimiert.

Optimierung einer Pufferladeregelung. Neben der um 3 bis 5 °C erhöhten Spreizung ist die Reduktion des Volumenstroms deutlich zu sehen (hellrot: ganzjährig hoher Durchfluss vor der Umsetzung). Quelle: AEE INTEC

Austausch einer Wärmeübergabestation. Wie bei der Optimierung der Pufferladeregelung ist auch hier der geringere Volumenbedarf nach der Umsetzung aufgrund der 10 bis 40 °C höheren Spreizung zu sehen. Quelle: AEE INTEC

Attraktive Tarif- und Geschäftsmodelle als Motivation

Da die Verantwortung für Optimierungsmaßnahmen und Reparaturen häufig beim Wärmekunden liegt, während der Wärmenetzbetreiber hauptsächlich von der Optimierung profitiert, wurden im Projekt drei innovative Geschäftsmodelle entwickelt, um sowohl Kunden als auch Betreibern entsprechende Anreize für die Umsetzung von Maßnahmen zur (Rücklauf-) Temperatursenkung zu geben:

  • Die Stärkung der Kundenbeziehungen und Kundenmotivation durch neue Tarifmodelle (z.B. Motivationstarif), maßgeschneiderte Angebote, Kundenaufklärung und -beratung
  • Eine Finanzierung durch Schlüsselpartnerschaften und Crowdfunding-Plattformen
  • Energieeinspar-Contracting, um Interessenskonflikte in Mietwohnungen zu umgehen

Mit diesen Konzepten wird die Komplexität der technischen, ökonomischen, regulatorischen Zusammenhänge adressiert, die Entscheidungen hinsichtlich Optimierungsmaßnahmen beeinflussen. Die verschiedenen Geschäftsmodelle werden im Zuge des Projekts anhand der umgesetzten Fallbeispiele quantitativ und qualitativ evaluiert werden [5].

Die Weichen für niedrige Temperaturen stellen

Die Temperaturreduktion in Fernwärmenetzen ist eine wesentliche Voraussetzung zukünftiger, intelligenter und erneuerbarer Fernwärmesysteme. Dies kann unter anderem durch Verbesserungsmaßnahmen auf Kundenseite erreicht werden. Mit der Entwicklung und Testung einer gezielten und systematischen Vorgehensweise unterstützt das Projekt T2LowEx Anlagenbetreiber bei der Optimierung ihrer Wärmenetze durch Kundenanlagenanalyse bzw. automatisierte Fehlerdetektion, Fehlerkataloge, Maßnahmenempfehlungen und eine Wirtschaftlichkeitsbewertung der temperatursenkenden Maßnahmen. Mit Hilfe neuer Geschäftsmodelle sollen Fernwärmekunden gezielt eingebunden, und der Aufwand und Nutzen zwischen allen Beteiligten fair aufgeteilt werden. Die Investitionen in temperatursenkende Maßnahmen sind Investitionen in die Zukunft, ohne die das Ziel einer flexiblen, erneuerbaren und hocheffizienten Fernwärmeversorgung nicht erreicht werden kann.

Autoren

Jakob Binder, BSc. und Dipl.-Ing. Harald Schrammel sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Bereichs "Städte & Netze" bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Paolo Leoni ist Research Engineer in der Gruppe Electric Energy Systems am Austrian Institute of Technology (AIT). Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. Andreas Müller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Energy Economics Group an der TU Wien. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

  1. z. B. Flächenheizung VL/RL 35/25 °C, Warmwasser VL/RL 65/15 °C, im Vergleich zu derzeit üblichen Vorlauftemperaturen von 70 bis > 100°C und Rücklauftemperaturen von 40 bis 60°C vgl. Averfalk, H., Werner, S., Economic benefits of fourth generation district heating, Energy, Volume 193, 2020, https://doi.org/10.1016/j.energy.2019.116727
  2. z. B. QM Heizwerke/Dr. Friedrich Lettner oder Zinko et al. 2005: Improvement of Operational Temperature Differences in District Heating Systems; IEA report - Annex VII
  3. aufbauend auf Gadd, H., Werner, S. (2014), Achieving low return temperatures from district heating substations, Applied Energy, Volume 136, Pages 59-67, https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2014.09.022
  4. Hamilton-Jones M., Schrammel H., District Heating Fault Detection using Clustering Algorithms; 14th SDEWES conference, Dubrovnik 2019
  5. Averfalk, H., Werner, S., Economic benefits of fourth generation district heating, Energy, Volume 193, 2020,
    https://doi.org/10.1016/j.energy.2019.116727
  6. Zinko et al. 2005, Improvement of Operational Temperature Differences in District Heating Systems; IEA report - Annex VII
  7. Gadd, H., Werner, S. (2014), Achieving low return temperatures from district heating substations, Applied Energy, Volume 136, 2014,
    Pages 59-67, https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2014.09.022
  8. Hamilton-Jones M., Schrammel H., District Heating Fault Detection using Clustering Algorithms; 14th SDEWES conference, Dubrovnik 2019
  9. Leoni, P, Geyer, R, Schmidt, RR, Developing innovative business models for reducing return temperatures in district heating systems:
    Approach and first results, Energy, Volume 195, 2020, https://doi.org/10.1016/j.energy.2020.116963

nt 02 | 2020: Hybride Solartechnologien

Umsetzungskonzepte für solare Prozesswärme

In einem Projekt des Solar Heating and Cooling Programms der internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 64) ist das Hauptziel, die Rolle von solaren Prozesswärmeanlagen (SHIP) in industriellen Energieversorgungssystemen als Einzeltechnologie oder Teil eines integrierten Energiesystems zu fördern.

Solare Prozesswärmeanlagen könnten technisch etwa 4 % des gesamten industriellen Wärmebedarfs abdecken. Um dieses Potenzial besser zu nutzen, gab es in den letzten Jahren eine Vielzahl nationaler und internationaler Initiativen. Trotzdem liegt das Wachstum des Marktvolumens noch immer weit unter den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Foto: Vicot Solar Technology

Im Projekt liegt der Fokus auf der Betrachtung von konkreten Umsetzungskonzepten für einen Prozesswärmebedarf von knapp über der Umgebungstemperatur bis zu ca. 400 °C-500 °C. Offene Forschungsfragen sind die Standardisierung von Integrationskonzepten auf Prozess- und Versorgungsebene und die Kombination mit anderen effizienten Wärmeversorgungstechnologien wie Blockheizkraftwerken, Wärmepumpen oder Power-to-Heat. Die Integration von Solarenergie in ein hybrides Energieversorgungssystem muss durch ein optimiertes Energiespeichermanagement unter Berücksichtigung verschiedener thermischer Speichertechnologien ergänzt werden. Auf dieser Grundlage kann Solarenergie zu einem zuverlässigen Bestandteil der zukünftigen Wärmeversorgung industrieller Systeme werden.

Der Schwerpunkt des österreichischen Beitrags liegt in der Entwicklung einer Dimensionierungs- und Integrations-Richtlinie sowie eines Leitfadens für den Markt in Bezug auf solare Prozesswärmeanlagen und integrierte Energiesysteme. Außerdem sollen Systemkonzepte mittels technologieübergreifender System-KPIs (Key Performance Indicators) bewertet und eine Roadmap für die nachhaltige Marktdurchdringung von SHIP-Anlagen erstellt werden. Die Förderung innovativer und gesamtheitlicher Ansätze bei der Investitionsbewertung von solarer Prozesswärme (z. B. LCOH: Levelized Cost of Heat: Energiekosten unter Berücksichtigung von Investitions-, Betriebs- und Instandhaltungskosten) und die Koppelung mit maßgeschneiderten Finanzierungsmodellen, die Stärkung von solarer Prozesswärme für die Industrie im Kontext internationaler Forschungsaktivitäten sowie maßgeschneiderte Marketingkonzepte für relevante Stakeholder sollen dazu beitragen, das mögliche Potenzial solarer Prozesswärmeanlagen in der Industrie in Zukunft besser auszuschöpfen.

Auftraggeber: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

Projektpartner: AEE INTEC (nationaler Koordinator), REENAG, Johannes Kepler Universität Linz Energieinstitut, Institut für Solartechnik SPF (Hochschule für Technik Rapperswil - internationaler Koordinator)

Ansprechperson: Dipl.-Ing. Jürgen Fluch, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

www.aee-intec.at/iea-shc-task-64-ship-zu-solarer-prozesswaerme-p249

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TrustEE – Bewertung, Standardisierung und Finanzierung industrieller Maßnahmen zur Dekarbonisierung

Jürgen Fluch

Die Dekarbonisierung der industriellen Energieversorgung basiert auf der effizienten Nutzung von Ressourcen und der Integration erneuerbarer Energieträger. Technisch und finanziell erfolgreiche Umsetzungen brauchen eine standardisierte Projektbewertung und eine maßgeschneiderte Finanzierung. TrustEE bietet beides.

Foto: iStock

Ausgangspunkt

Der Prozesswärmebedarf steht für 60 % des gesamten europäischen Energieeinsatzes in der Industrie (1 920 TWh) und somit 18 % des gesamten europä- ischen Energiebedarfs. Studien zeigen, dass 60 % dieser Energie entweder durch Effizienzmaßnahmen eingespart oder durch erneuerbare Technologien versorgt werden kann. Da das unter wirtschaftlich sinnvollen Rahmenbedingungen möglich ist, sind diese Zahlen für Investoren von größtem Interesse. Unter der Annahme von Technologiekosten von durchschnittlich 40 €/MWh stehen diese Einsparungen für ein jährliches Volumen von mehr als 50 Milliarden Euro.

Trotz dieses beachtlichen wirtschaftlichen Potenzials findet eine flächendeckende Umsetzung entsprechender Projekte nicht statt. Die Crux daran: neben technologischen Herausforderungen stellt vor allem die Finanzierung ein großes Hindernis dar. KMUs, die Mehrheit der Unternehmen in der produzierenden Industrie, haben Schwierigkeiten, Bankkredite für diese Art von Projekten zu erhalten und somit scheitern zahlreiche technisch und wirtschaftlich vielversprechende Projekte zur Realisierung und zur Integration von erneuerbaren Energien an fehlenden tragfähigen Finanzierungsmöglichkeiten.

Die Gründe sind vielfältig:

  1. unzureichende Leistungs- oder Kreditgarantien der KMU für die Umsetzungsprojekte
  2. fehlende Richtlinien für Banken/ Investoren zur Projektbewertung und Abschätzung der Projektrisiken
  3. mangelndes Knowhow in der technischen Projekt- und Risikobewertung
  4. keine industriellen Standards in der Projektentwicklung, Projektbewertung sowie Vertragserrichtung und damit einhergehend
  5. hohe Transaktionskosten, die in keinem Verhältnis zu den eigentlichen Investitionskosten stehen.

Forschungsprojekt

Das Horizon 2020 Projekt TrustEE hat sich dieser Barrieren angenommen. Das Konsortium um AEE INTEC und REENAG Holding GmbH in Österreich sowie Borg & Co AB, Fraunhofer-ISE, ainia centro tecnológico (ainia), European Council for an Energy Efficient Economy (eceee) und Universidade de Évora hat den Fokus dabei auf die thermische Energieeffizienz und die erneuerbaren Technologien Solarthermie, Biomasse und Biogas gelegt. Projektziel war es, mithilfe eines neuen und innovativen Finanzierungsmodells sowie einer digitalen, web-basierten Plattform zur standardisierten (technischen und wirtschaftlichen) Projektbewertung die Umsetzung industrieller Energieeffizienz-Projekte und Investitionen in erneuerbare Energien in KMUs voranzutreiben.

Dreh- und Angelpunkt war die wissenschaftliche Entwicklung der web-basierten Plattform. Standardisierte Abläufe und methodische Projektbewertungen waren mit der Datenschutzgrundverordnung in Einklang zu bringen, der Umgang mit sensiblen Daten und gleichzeitig die Sicherstellung der Anwendbarkeit wissenschaftlicher Simulationsmodelle ein Forschungsschwerpunkt. Wissenschaftler, Projektentwickler, Industriebetriebe und vor allem Investoren sprechen teilweise eine unterschiedliche Sprache und haben in den Projektphasen von der Idee bis zur Umsetzung unterschiedliche Erwartungen an Bewertungsparameter, die Finanzierung und die Risikoabschätzung.

Das Finanzierungsmodell selbst wurde von REENAG ausgehend von der Antragsphase bis zum Projektabschluss an das Feedback aller beteiligten Stakeholder angepasst, erweitert und vorangetrieben.

Am Ende steht der innovative Ansatz eines "Securitisation Vehicles", das in dieser Form im industriellen Bereich noch nicht angewendet wurde und die Bedürfnisse von Investoren, industriellen Endkunden und Technologieanbietern gleichermaßen berücksichtigt. Dabei werden die Forderungen eines Technologieanbieters gegenüber dem Endkunden mit der erfolgreichen Inbetriebnahme übernommen und Investoren angeboten. In der Phase der Projektentwicklung bis zur Umsetzung trägt der Technologieanbieter das Risiko, ab der Inbetriebnahme wird die Absicherung des Risikos über geeignete Schienen von TrustEE abgedeckt. Der Technologieanbieter hat sich dann im Rahmen einer technischen Gewährleistung um den reibungslosen Betrieb zu kümmern, der Industriebetrieb bezieht die Energie zu einem festgelegten Preis. Was wiederum die Rendite für den Investor ist, er verdient unter Berücksichtigung des Restrisikos Geld. Das Geschäftsmodell steht.

Kommerzialisierung

Das Forschungsprojekt war von Anfang an dazu ausgelegt, Erkenntnisse in ein kommerzielles Produkt umzuwandeln, d. h. das wissenschaftliche Knowhow in eine Form zu gießen, die den Gap zwischen technischem und wirtschaftlichem Potential und tatsächlichen Umsetzungen schließt. Gemeinsam mit CP i-Invest GmbH wurde TrustEE in eine bestehende Plattformstruktur eingebunden und weiterentwickelt. Antragsteller können sich auf der Plattform registrieren und ihre Projekte definieren. Das mehrstufige Verfahren (siehe Abbildung auf der nächsten Seite) basiert dabei auf allgemeinen Projektdaten, wirtschaftlichen Informationen zu beteiligten Partnern (Technologieanbietern und industriellen Endkunden) und schließlich technischen Details der geplanten Umsetzung. Jeder Schritt wird einem Plausibilitätscheck unterworfen. Sobald die Formulare vollständig befüllt sind, wird der Kern von TrustEE automatisch aufgerufen. Je nach gewählter Technologie wird ein Algorithmus gestartet, der die Technologieintegration technisch und wirtschaftlich bewertet. Der technische Teil basiert auf der wissenschaftlichen Expertise von AEE INTEC und der beteiligten Partner. Die Projekterwartung wie beispielsweise Energieerträge, erreichte Wirkungsgrade, etc. werden mit den Ergebnissen der im Hintergrund ausgeführten Simulationen verglichen. Gleiches gilt für die wirtschaftliche Bewertung. Dabei werden die beteiligten Stakeholder einer Risikoanalyse unterworfen, die in Kombination mit der erwarteten ökonomischen Performance schließlich ein Gesamtbild ergeben.

Am Ende steht die Bewertung, ob ein Projekt als sinnvolles (bankable) Projekt klassifiziert wird oder nicht. Der Vergleich von Projekterwartungen mit Simulationsergebnissen per se ist nichts Neues. Die Besonderheit ist, dass dieser Arbeitsschritt zu einem hohen Grad automatisiert abläuft, die Transaktionskosten also signifikant im Vergleich zur herkömmlichen Methode reduziert werden. Dazu zählt auch die Risikoanalyse des Projektes. Durch diese Automatisierung wird ein hohes Maß an Standardisierung und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse erreicht. Mit der positiven Bewertung wird der Antragsteller auch in den Prozess der Refinanzierung eingegliedert. Am Anfang steht ein Vertrag, der eine Finanzierung im Falle einer erfolgreichen Inbetriebnahme und der Erfüllung diverser Auflagen zusichert. Weitere Verträge regeln die Abwicklung des Projektes und der beteiligten Stakeholder bis zur und ab der Inbetriebnahme und schaffen so Sicherheit.

Überblick der Menüführung von TrustEE

Ausblick

Gemeinsam mit REENAG, Borg&Co und CP i-Invest arbeitet AEE INTEC am Gesamtpaket TrustEE. Dazu zählt die Erweiterung der Plattform für andere Technologien sowie der Aufbau einer repräsentativen Projektpipeline für Gespräche mit interessierten Investoren. "TrustEEd Supplier", Technologieanbieter, die aufgrund ihrer Referenzen auf der Plattform schneller bearbeitet werden, wurden bereits gefunden. Aktuell treten Gespräche mit potenziellen Umsetzungsprojekten in die nächste Phase, um in kurzer Zeit erste Projekte zu realisieren. Der Fokus liegt derzeit in Österreich und Schweden. TrustEE wurde im Rahmen eines laufenden UNIDO Projektes zu solarer Prozesswärme auch in Malaysien vorgestellt und ist dort auf sehr großes Interesse gestoßen. Interessierte aus den Bereichen Technologieanbieter, industrieller Betrieb, Projektentwickler und Investoren sind aufgerufen, sich bei TrustEE zu melden und den Bonus der ersten Nutzer der Plattform abzuholen. Durch die akkordierte Zusammenarbeit wird die Dekarbonisierung gelingen und als Chance für den Markt erkannt werden

Dieses Projekt erhielt eine Förderung des Forschungs- und Innovationsprogrammes „Horizon 2020“ der Europäischen Union unter der Fördervertragsnummer 696140. Die alleinige Verantwortung für den Inhalt liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Europäischen Union wieder. Die Europäische Kommission übernimmt keine Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen.

Autor

Dipl.-Ing. Jürgen Fluch ist Leiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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