Zeitschrift EE

nt 02 | 2021 Großwärmespeicher

Porträt Michael Reisenbichler

„Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht.“ - Marie von Ebner-Eschenbach

Aufgewachsen in einem kleinen Ort in der Nähe von Weiz, war ich schon seit frühester Kindheit von Technik begeistert und lebte diese Begeisterung im heimischen Kinderzimmer mittels Lego-Bausteinen aus. Aufgrund dieser anhaltenden Technikbegeisterung zog es mich später an die Höhere Technische Lehranstalt in Weiz und anschließend zum Studium an die Technische Universität Graz. In Graz absolvierte ich zuerst das Bachelorstudium „Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau“ und im Anschluss das individuell zusammengestellte Masterstudium „Energie- und Verfahrenstechnik“ - eine Kombination aus dem Masterstudium Maschinenbau mit der Vertiefung Energietechnik, gespickt mit ausgewählten Lehrveranstaltungen aus dem Studium Verfahrenstechnik. Ich hatte schon während meiner Schulzeit ein großes Interesse an erneuerbaren Energietechnologien. Dieses Interesse manifestierte sich später während meines Studiums im intrinsischen Willen meine erworbenen Erkenntnisse dafür zu nutzen, im nachhaltigen Technologiebereich tätig zu werden und meinen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele zu leisten. Deshalb zog es mich auch zum Ende meines Studiums nach Gleisdorf, an das Institut für „Nachhaltige Technologien“.

Foto: Harald Lachner

Mein Name ist Michael Reisenbichler und ich bin seit 2017 bei AEE INTEC. Meine ersten Schritte bei AEE INTEC machte ich im Zuge meiner Masterarbeit. Darin beschäftigte ich mich mit solaren Großanlagen und Solarthermie-Wärmepumpenkombinationen. Ich fühlte mich von Anfang an sehr wohl am Institut. Die familiäre Stimmung und die große Hilfsbereitschaft aller Kolleginnen und Kollegen sind, wie ich finde, einzigartig. Auch deshalb konnte ich mich sehr glücklich schätzen, als ich nach meiner Masterarbeit die Möglichkeit bekam, ein fixer Bestandteil der Forschungsgruppe „Thermische Energiespeicher“ zu werden. Seit 2018 bin ich nun Teil dieser Gruppe, arbeitete zu Beginn verstärkt an thermochemischen Speichern auf Salzhydrat-Basis und war im Labor mit dem Aufbau von Testständen und bei der Durchführung von zahlreichen Experimenten tätig. Darüber hinaus befasse ich mich nun schon seit geraumer Zeit intensiv mit Großwärmespeicher-Technologien und bin sehr dankbar, dass ich seit rund einem Jahr meine Dissertation im Rahmen meiner Arbeit bei AEE INTEC verfassen darf. Darin beschäftige ich mich mit der Entwicklung von numerischen Modellen neuer thermischer Speichertechnologien, welche anschlie- ßend zusammen mit anderen Systemkomponenten in Systemsimulationen zur ganzheitlichen Betrachtung von beispielsweise Fernwärmenetzen eingesetzt werden. Diese neuen Speichertechnologien können dadurch neuen sowie bestehenden Systemen die nötige Flexibilität verleihen, den Anteil erneuerbarer Energien erhöhen und sich so erfolgreich am Markt etablieren.

Abseits der Arbeit trete ich nach 20 sehr intensiven Jahren im Vereinsfußball, und auch nach einigen „Wehwehchen“, nun ein bisschen kürzer. Einmal wöchentlich gehe ich zwar noch meiner Leidenschaft am Fußballplatz nach, ansonsten trifft man mich jedoch auch häufig in Laufschuhen an. Unter anderem auch in den Mittagspausen bei unseren „fast“ regelmäßigen Laufrunden bei AEE INTEC.

Mathieu Vilatte und ich im Labor beim Aufbau eines der Reaktor-Module für den thermochemischen Speicher im Rahmen des EU-Projektes „CREATE“. Foto: AEE INTEC

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AEE INTEC gewinnt gemeinsam mit internationalen Partnern die Helsinki Energy Challenge

Helsinki strebt an, eine der führenden Städte beim Übergang in eine nachhaltige Zukunft zu sein, mit dem Ziel, bis 2035 CO 2-neutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte die Stadt im Februar 2020 beschlossen, einen Wettbewerb auszuschreiben – die Helsinki Energy Challenge – um die Herausforderung anzunehmen, ihr Wärmenetz nachhaltig zu dekarbonisieren. Am Dienstag, den 16. März, wählte eine internationale Jury vier Gewinner aus, darunter als Erstplatzierten von insgesamt mehr als 250 Einreichungen das europäische Team HIVE (Hyvä bedeutet "gut" auf Finnisch) aus. HIVE besteht aus dem international tätigen Konzern ENGIE (FRA) und seiner Tochtergesellschaft Storengy (FRA), dem finnischen Solarkollektorhersteller SAVOSOLAR (FIN), den Technical Consultants von NEWHEAT (FRA) und PLANENERGI (DK) sowie AEE INTEC.

Foto: Stadt Helsinki

HIVE schlägt dabei eine Lösung für die Stadt Helsinki vor, die ein Ende der Kohleverbrennung bis 2028, keine Verbrennung von fossilen Brennstoffen über 2035 hinaus und eine Reduzierung der Nutzung von Biomasse auf 50 % des Bedarfs bis 2024 vorsieht. Diese Lösung, die sowohl auf bewährten als auch innovativen Lösungen basiert, sieht eine Kombination von Meerwasser-Wärmepumpen, Solarthermie, Elektrokesseln und Großwärmespeichern vor, um Fernwärme nachhaltig und effizient bereitzustellen. Dieses gemischte Anlagenportfolio aus ausgereiften Technologien erhöht die Zuverlässigkeit des Systems zusätzlich. Ferner tragen Optimierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen dazu bei, dass das Gesamtsystem effizienter betrieben werden kann und Flexibilität sowohl im Betrieb als auch in der Planung vorhanden sind. Durch die Umsetzung des Plans über die nächsten 15 Jahre wird die lokale Wertschöpfung gesteigert und lokale Arbeitsplätze geschaffen.

Diese Lösung war nur möglich durch die gute und enge Zusammenarbeit von kompetenten Industriepartnern wie ENGIE und der Innovativität und fachlicher Expertise von Forschungspartnern wie AEE INTEC. Hierzu Ingo Leusbrock, Bereichsleiter „Städte & Netze“ bei AEE INTEC: "Die Zusammenarbeit in HIVE für die Helsinki Energy Challenge war für uns eine spannende Herausforderung, da wir alle Facetten der Dekarbonisierung der Fernwärme abdecken mussten und dabei all unsere Expertise und Ideen miteinbringen konnten. Unser Team war eine hervorragende Kombination aus Einzelpersonen und Organisationen mit umfangreicher Erfahrung im Energiesektor und in Entwicklung komplexer Fernwärme- und Fernkälteprojekte und trug maßgeblich zum Erfolg bei. Meinen ausdrücklichen Dank an die Kollegen Franz Mauthner und Carles Ribas Tugores, die mit ihrem Enthusiasmus und Einsatz hier wirklich sehr gute Inputs und damit einen wichtigen Beitrag zu einer gelungenen Gesamtidee geliefert haben."

Die Helsinki Energy Challenge war mit insgesamt 1 Million € dotiert, die Preissumme für den 1. Platz für das HIVE-Konsortium beträgt 350.000 €. In den nächsten Wochen und Monaten wird das HIVE-Konsortium zusammen mit der Stadt Helsinki und dem dortigen Energieversorger über eine Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen diskutieren und diese Ideen weiter vorantreiben.

Weiterführende Informationen

Website Helsinki Energy Challenge https://energychallenge.hel.fi/

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Die Bedeutung solarer Prozesswärme in Europa

Die umfassende Dekarbonisierung der Sektoren braucht Anstrengungen aller verfügbarer erneuerbarer Technologien. Die solare Prozesswärme kann und wird einen entscheidenden Beitrag leisten, wie das Projekt „INSHIP“ zeigt.

Im Dezember 2020 wurde das 2017 gestartete und von der EU im Rahmen von Horizon2020 geförderte Projekt „INSHIP“ („Integrating National Research Agendas on Solar Heat for Industrial Processes“) erfolgreich abgeschlossen. Übergeordnetes Ziel des Projektes war es, im Bereich solarer Prozesswärme (Solar Heat for Industrial Processes, SHIP) technische und wirtschaftliche Fortschritte zu realisieren, um das Potential der Solarthermie deutlich steigern zu können. Dafür stand die Realisierung einer gemeinsamen Europäischen Forschungs- und Innovationsagenda („European Common Research and Innovation Agenda“, ECRIA) ganz oben auf der Agenda. Damit sollten führende europäische Forschungsinstitute in eine Struktur integriert und Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (F&E) koordiniert werden. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE koordinierte dabei 28 teilnehmende F&EEinrichtungen aus 12 europäischen Ländern, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Wissensverbreitung in Industrie-Workshops, eine Landkarte von SHIPForschungsinfrastrukturen sowie Netzwerke in Form von nationalen „Stakeholder Groups“ waren weitere Stoßrichtungen der koordinierenden Aktivitäten („Coordination and Support Actions“, CSA) des Projekts.

INSHIP Projektteam, Koordinationstreffen September 2019 bei FBK, Trient (IT). Foto: Fondazione Bruno Kessler

Projektergebnisse

Konkret wurden durch die Partner insgesamt 44 Forschungsaktivitäten bei unterschiedlichen Technologiereifegraden (TRL 2 bis 5) zu technologischen Fortschritten zukünftiger SHIP Technologien bearbeitet. Diese Aktivitäten adressierten verschiedene Bereiche mit spezifischen Zielen:

  • Verbesserung der Integration von Niedertemperatur- und Mitteltemperatur-Technologien, die den Betriebs-, Belastbarkeits- und Zuverlässigkeitsansprüchen von industriellen Endverbrauchern gerecht werden;
  • Vergrößerung des Anwendungsbereichs von SHIP in der Rohstoffindustrie durch die Entwicklung von geeigneten, in die Prozesse eingebundenen Solartechnologien auch bei hohen Temperaturen;
  • Stärkung der Synergien innerhalb von Industriekomplexen und Industriegebieten durch zentralisierte Wärmeverteilungsnetzwerke sowie Nutzung möglicher Synergien zwischen diesen Netzwerken und dem Fernwärme- und Stromnetz.

Neben vielen Detailergebnissen, die teilweise öffentlich zugänglich sind, wurde für vier Entwicklungen ein Verwertungsplan erarbeitet:

  • ein neuartiger quasi- stationärer linear konzentrierender Kollektor (CPC-Typ) für Anwendungen bis 200 °C und Installation auf horizontalen, geneigten oder vertikalen Flächen;
  • ein eingehaustes Parabolrinnen-Kollektorsystem für Anwendungen im Bereich von 150 bis 400 °C und vereinfachte Integration in eine industrielle Umgebung;
  • ein volumetrischer Solar-Receiver aus Metall mit innovativer innerer Struktur für punktfokussierende Hochtemperatur-SHIP >600 °C;
  • ein kostengünstiger, punktfokussierender Dish-Reflektor aus sphärischen und parabolischen Spiegelsementen für HochtemperaturAnwendungen bis >1000 °C.

Die internationale Forschungszusammenarbeit im Projekt wurde unterstützt durch ein Programm zur Mobilität von WissenschaftlerInnen, in dem insgesamt 29 Forschungsaufenthalte bei anderen Einrichtungen durchgeführt wurden. In einem Programm für den Zugang zu SHIP-Forschungsinfrastrukturen (für Labor- und Feldtests) war auch die Industrie eingeladen, gemeinsam mit INSHIP-Partnern spezifische Fragestellungen in insgesamt neun Kleinprojekten zu bearbeiten.

Sowohl das Austauschprogramm als auch die Projekte mit Zugang zu Forschungsinfrastrukturen konnten trotz der Corona-Pandemie erfolgreich abgeschlossen werden, indem physische Reisen durch intensive Online-Zusammenarbeit ersetzt wurden. Leider mussten auch die letzten Projekttreffen online durchgeführt werden - das letzte physische Treffen fand im Jänner 2020 in Portugal an der Universität in Evora statt.

Fokus Industrie

AEE INTEC war im Projekt federführend für die Integration solarer Prozesswärme in der Industrie verantwortlich. Aufbauend auf der Evaluierung verfügbarer und innovativer Prozesstechnologien wurde daran gearbeitet, wie die Potenziale deutlich erhöht werden können. Im Fokus standen vor allem sogenannte „emerging technologies“ und der Ansatz der Prozessintensivierung. Dabei werden Technologien nicht einfach nur verbessert, sondern radikal neu gedacht. Gemeinsam mit den Partnern im Projekt wurden Konzepte entwickelt und evaluiert, wie man Solarthermie sowohl als Einzellösung als auch in Kombination mit anderen erneuerbaren Energieträgern in das industrielle Energiesystem integrieren kann. Dazu wurden verfügbare Technologien klassifiziert und hinsichtlich ihrer Kombinationsmöglichkeiten evaluiert.

Damit sollten sowohl für Einzelbetriebe als auch für Industrieparks Lösungen erarbeitet werden. Grundsätzlich zeigten die Fallstudien, die über einen Zeitraum von 4 Jahren durchgeführt wurden, dass die gesetzten Klimaziele immer größeres Interesse der Industrie an solchen Konzepten hervorrufen und die Nachfrage nach konkreten Lösungen kontinuierlich steigt. Hervorzuheben ist die Kooperation mit nationalen und europäischen Forschungsprojekten, wodurch Zugriff auf konkrete Fallstudien, Energiedaten und entwickelte Konzepte nah an der Praxis ermöglicht wurde. Die Erfahrungen zeigen, dass betriebsübergreifende Kooperationen in der Energieversorgung eine Herausforderung sind. Zum einen mangelt es an konkreten Fallbeispielen, die anderen als Vorbild dienen. Zum anderen scheitern solche Projekte an organisatorischen Hürden. So hat ein Beispiel aus der Türkei gezeigt, dass zwar das technische Potenzial von Solarthermie sehr hoch ist, wenn Betriebe aus Industriesektoren angesiedelt sind, die einen für die solare Prozesswärme geeigneten Wärmebedarf haben. Aber die Herausforderung der Solarthermie ist es, sich hier im administrativen Aufwand und Verständnis gegenüber anderen Erneuerbaren wie Photovoltaik durchzusetzen. Diese werden doch noch immer als „low-barrier“ Technologien angesehen.

Wichtig ist es deshalb, den Projektentwicklern, aber auch Industriebetrieben ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem mögliche hybride Energiesysteme, die unterschiedliche Technologien mit solarer Prozesswärme kombinieren, identifiziert und bewertet werden können. Im Rahmen von INSHIP wurde von AEE INTEC an einem solchen Tool gearbeitet.

Sozioökonomische Bedeutung

Im Zeichen der gesetzten Klimaziele ist die Bedeutung der solaren Prozesswärme besonders hervorzuheben. Zwar gilt es die Technologie laufend zu verbessern, was auch die Aktivitäten mit geringem TRL (technology readiness level) im Projekt INSHIP zeigen. Aber gleichzeitig ist die Solarthermie eine erprobte und weit verbreitete Technologie, die schon heute einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie leisten kann. Und dahinter stecken beeindruckende Zahlen, wie die Arbeiten an den sozio-ökonomischen Aspekten der solaren Prozesswärme zeigen. Natürlich liegen den Berechnungen Annahmen zugrunde, die sich an den Marktentwicklungen der letzten Jahre und entsprechenden Vereinfachungen orientieren. Aber selbst wenn sich der Beitrag von Solarthermie zur Abdeckung des industriellen Energiebedarfs eher moderat entwickelt (business as usual), werden bis 2030 allein in Österreich mehr als 45 Millionen € investiert und fast 2.000 Jobs neu generiert. Für die Erreichung der Klimaziele müssen allerdings große Anstrengungen getätigt werden. In optimistischen Szenarien würden bis 2030 mit Investitionen von mehr als 340 Millionen € mehr als 700.000 m² Kollektoren installiert, 14.300 neue Arbeitsplätze geschaffen und 52.000 t CO2 jährlich eingespart werden. In Deutschland sind die Zahlen entsprechend größer und vor allem für das optimistische Szenario noch beeindruckender, wenn mehr als 90.000 Arbeitsplätze dazu beitragen, 4,5 Millionen m² Kollektoren zu installieren und ein Investment von mehr als 2.000 Millionen € zu generieren. Solare Prozesswärme ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, das kann trotz der Vereinfachungen klar festgehalten werden.

„Green jobs” durch solare Prozesswärme in Österreich bis 2050; BAU=weiter wie üblich. Quelle: AEE INTEC

Ausblick

Insgesamt trug das Projekt INSHIP maßgeblich dazu bei, die Europäische Forschungskooperation zu SHIPTechnologien und -Anwendungen zu stärken. Über das Projekt hinaus arbeiten viele INSHIP-Partner im Rahmen des neu gegründeten IEA SHC/SolarPACES Task 64/IV zu solarer Prozesswärme bis etwa 400 °C mit. Die koordinierte europäische Forschungszusammenarbeit zu SHIP mit konzentrierenden Kollektortechnologien wird im Rahmen des neu gegründeten Subprogram 6 des Joint Programme CSP (concentrating solar power) der EERA (European Energy Research Alliance; EERA JP-CSP, SP6) weitergeführt.

Weiterführende Informationen

http://inship.psa.es/

https://task64.iea-shc.org

https://www.eera-csp.eu

AutorInnen

Dr. Peter Nitz ist Abteilungsleiter HochtemperaturSolarthermie und Industrieprozesse bei FraunhoferInstitut für Solare Energiesysteme ISE. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Jürgen Fluch ist Leiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Elena Guillen, Ph.D. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gruppe „Wasser- und Prozesstechnologien“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

nt 02 | 2021 Großwärmespeicher

Know-how für innovative Integration und Bewertung von Großwärmespeichern

Der Bedarf an Energiespeichern wird auf dem Weg zu vollständig dekarbonisierten Energiesystemen aufgrund des nicht-kontinuierlichen Angebots der verstärkt zum Einsatz kommenden erneuerbaren Energieträger erheblich steigen. Eine zentrale Rolle werden hierbei insbesondere Großwasserwärmespeicher für Nah- und Fernwärmenetze, mit Volumina von bis zu 100.000 m³, zur kurz- sowie langfristigen Speicherung von Wärme (beispielsweise aus Solarenergie, industrieller Abwärme und Power-to-HeatKonzepten) einnehmen. Zurückzuführen ist dies einerseits auf den hohen Anteil des Wärmebedarfs am gesamten österreichischen Endenergiebedarf (rund 50 %) sowie andererseits auf die wesentlich kostengünstigere Speichermöglichkeit von Wärme im Vergleich zu elektrischer Energie.

Materialtestreihe (Dreipunktbiegeversuch) an Leichtbeton mit Blähglas-Zuschlag. Foto: BTI

Die Erarbeitung des nötigen Know-hows zur erfolgreichen Umsetzung von Großwärmespeichern in Österreich haben sich vier Institute des „Austrian Cooperative Research“ (ACR) im Projekt „MoreStore“ zum Ziel gesetzt. Mit Hilfe der im Projekt entwickelten Dienstleistung, des sogenannten „Speicherchecks“, werden relevante Stakeholdergruppen, insbesondere KMUs wie beispielsweise Mikro-, Nah- und Fernwärmebetreiber, Baufirmen, Komponentenhersteller aber auch Bauträger oder Industriebetriebe, schon früh im Entscheidungsprozess die Möglichkeit haben, eine Abschätzung des Potenzials von Großwärmespeicher-Projekten zu treffen. Zudem werden die beteiligten ACR-Institute mit dem generierten Wissen und dem darauf aufbauenden Dienstleistungsportfolio weitere Unterstützung bei zukünftigen Großwärmespeicher-Projekten in Form von Consulting in der Planungs-, Ausführungs- als auch Betriebsphase anbieten können.

Die Zusammenarbeit der ACR-Institute mit breitem Wissen auf den relevanten Gebieten der Wärme-, Bau- und Materialtechnik sowie an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Technik führt zu einer ganzheitlichen Abdeckung des benötigten Knowhows. Die Ergebnisse aus MoreStore werden nicht nur das Dienstleistungsportfolio der beteiligten ACR-Institute erweitern, sondern können auch für österreichische KMUs die Basis für den Eintritt in zukünftige Märkte bilden.

Auftraggeber: Austrian Cooperative Research

Projektpartner: Güssing Energy Technologies (GET), Industriewissenschaftliches Institut (IWI), Bautechnisches Institut (BTI)

Ansprechperson: Samuel Knabl, M.Sc., Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Herausragende klimaaktiv Gebäude in der Steiermark

Klimaaktive Gebäude

klimaaktiv ist die Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). Eines der wichtigsten Programme innerhalb dieser Initiative ist ‚klimaaktiv Bauen und Sanieren‘, und steht für Energieeffizienz, ökologische Qualität, Komfort und Ausführungsqualität von Gebäuden. Der vor 15 Jahren erstmals definierte klimaaktiv Gebäudestandard wird seitdem regelmäßig im Austausch mit Bauträgern, Politik und den Anforderungen aus dem Klimaschutz überarbeitet und bildet die Grundlage für die gleichnamige Zertifizierung von Gebäuden. Die Programmleitung liegt bei der ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik in Wien. Sie wird in allen Bundesländern von Regional- und Fachpartnerorganisationen unterstützt; die Energie Agentur Steiermark GmbH ist Regionalpartner für die Steiermark, AEE INTEC und GEA sind steirische Fachpartner im Programm.

Wohngebäude Reininghaus Zehn, klimaaktiv Gold zertifiziertes Gebäude in der Steiermark. Foto: Luef

Die Regional- und Fachpartner sind für die Durchführung von Beratungen zum Gebäudestandard und Plausibilitätsprüfungen der klimaaktiv Gebäude zuständig. Die Regionalpartner stehen zusätzlich im jeweiligen Bundesland für alle Fragen der Gebäudedeklaration und -bewertung zur Verfügung und unterstützen bei der regionalen Verankerung und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist damit gelungen, Unternehmen und Institutionen mit umfassender Erfahrung im Bereich des Nachhaltigen Bauens innerhalb von klimaaktiv Bauen und Sanieren zu vernetzen, und bisher 59 Gebäude in der Steiermark zu zertifizieren.

Klimaaktiv Gebäude aus der Steiermark

Etwa 10 Jahre nach der hochqualitativen Sanierung ihres Schulzentrums hat die Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark ein historisches, baufälliges Gebäude im Ortszentrum in ein offenes und einladendes Gemeindezentrum umgebaut. Der Kern der historischen Bausubstanz ist auf das 16. Jahrhundert zurückzuführen. Der Gebäudezustand war desolat. Die Gebäudehülle wurde thermisch an die heutigen Standards des Wärmeschutzes herangeführt. Durch Aufsparrendämmung im Dachbereich blieben die bestehenden Sparren sichtbar. Im Sparrenzwischenraum wurde eine weiß lasierte Holzschalung sowohl als optisches Gestaltungselement als auch zur Akustikoptimierung montiert. Die Wärmeversorgung erfolgt durch Fernwärme aus Biomasse, die über eine Niedertemperatur-Fußbodenheizung abgegeben wird. Die Besprechungsräume im Erd- und im Dachgeschoß wurden mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. In den Sommermonaten kann gekühlt werden. Info-Link: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/gebaeud-ein-oesterreich/objekt-des-monats-8-2019.html

Dachausbau mit Akustikoptimierung in Holz - Sanierung Gemeindezentrum Neumarkt. Foto: Gemeinde Neumark

Das Wohngebäude ‚Reininghaus Zehn‘ war das erste fertiggestellte Gebäude auf dem erst in Umsetzung befindlichen Grazer Stadtteil „Smart City Reininghaus“. Es besteht aus 155 Wohnungen sowie Büroflächen in klimaaktiv Gold Standard. Mit der hauseigenen Photovoltaikanlage beziehen die Mieterinnen und Mieter ihren Strom primär direkt vom Dach. Dieser ist um 30 % günstiger als der Strom von einem der Hauptstromlieferanten. E-Bike Ladestationen sowie E-Car-Sharing bieten Möglichkeit für nachhaltige Mobilität. Info-Link: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/gebaeude-in-oesterreich/objekt-des-monats-11-2020.html

Mit einer Nutzfläche von knapp 6.000 m² ist das „mineroom Leoben“ eines der weltweit größten Studierenden-Wohnheime in Holzmischbauweise und Passivhausqualität. Neben einer hocheffizienten Lüftungsanlage mit Wärme- und Feuchterückgewinnung, einer thermisch optimierten Gebäudehülle aus einer plastischen, mehrfärbigen Holzschalung und einer größtmöglichen PV-Anlage, wurden auch stromverbrauchende Komponenten optimiert und Standby-Funktionen vermieden. Das gesamte Objekt ist mit LED-Beleuchtung ausgestattet. Platz und Leerverrohrungen für einen möglichen Batteriespeicher sind vorhanden. Im Gebäude wurden für die Tragkonstruktion und die Fassade ca. 1.900 m³ Holz verbaut, dadurch sind hier ca. 2.000 Tonnen CO2 gebunden. Info-Link: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/gebaeude-in-oesterreich/odm-2017-05.html

Innenhofansicht mineroom Leoben. Foto: AEE INTEC / Armin Knotzer

Volksschule Semriach – eine steirische Schul-Vorzeigesanierung

Die Marktgemeinde Semriach hat ihre 1822 errichtete Volksschule gemeinsam mit Arch. Dipl.-Ing. Gerhard Kopeinig thermisch hochwertig saniert. Das 3-geschoßige Gebäude wird zu schulischen und zu Vereinszwecken genutzt. Zusätzlich zur Sanierung erfolgte ein Ausbau im Ober- und Dachgeschoß. Die Gesamtsanierung umfasste die Innendämmung, den Einbau eines Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung, ökologische Materialien wie Zellulose als Dämmung im Dach, die Optimierung des Beleuchtungssystems sowie die Errichtung einer Photovoltaikanlage.

Volksschule Semriach – kurz nach Fertigstellung der Vorzeigesanierung. Foto: ARCH+MORE / Luttenberger

Es wurde eine adaptierte Version einer Clusterschule umgesetzt. Die Klassenräume grenzen jeweils an Gruppenräume sowie an freie Lernzonen, die unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bieten. Die Räume sind freundlich, und der Wohlfühlcharakter zieht sich durch die ganze Schule. Die gesamten Heizflächen im Gebäude wurden erneuert. Die Verrohrung wurde hydraulisch saniert und weiterverwendet. Die gesamte Heizungs- und Lüftungsanlage ist zentral geregelt. Zur Verbesserung der Luftqualität in den Klassen wurde in allen Unterrichtsräumen eine Komfortlüftung ausgeführt. Die Lufteinbringung erfolgt über textile Luftsäcke, damit wurde sichergestellt, dass es in den Klassen zu keinen Zugerscheinungen kommt. Es wurde versucht, so viel wie möglich mit dem Baustoff Holz zu arbeiten, und wieder zu verwenden, so sind auch die Brandschutztüren aus Lärchenholz gefertigt. Besonderes Augenmerk lag auf dem Chemikalienmanagement (keine Raumgifte). Das Projekt wurde mit lokalen Unternehmen in 11 Wochen umgesetzt!

Dachboden der Volksschule in Semriach vor und nach der Sanierung. Die Umbaumaßnahmen wurden nach den klimaaktiv Kriterien durchgeführt. Foto: ARCH+MORE / Luttenberger

Detail Sommerkomfort- und Tageslichtanalyse

Für die Volksschule Semriach wurde im Zuge der klimaaktiv Bewertung eine dynamische Gebäudesimulation durchgeführt. Dazu wurden fünf Klassenzimmer ausgewählt. Von den fünf Klassenzimmern sollten zwei Räume typisch für das Schulgebäude sein, drei Räume sollten im Hinblick auf den thermischen Komfort und den Tageslichtfaktor als kritisch eingestuft sein.

Die ausgewählten fünf Räume sind über das Schulgebäude verteilt, befinden sich in unterschiedlichen Geschoßen und besitzen unterschiedliche Ausrichtungen. Die Ziele der Simulation waren die Bestimmung des Tageslichtfaktors und der Nachweis der thermischen Behaglichkeit.

Laut klimaaktiv Kriterienkatalog für Dienstleistungsund Schulgebäude ist der Nachweis des thermischen Komforts mittels dynamischer Gebäudesimulation erfüllt, wenn die Temperatur von 26 °C in maximal 5 % der Nutzungszeit überschritten wird. (Siehe PDF – Seite 40)

Operative Raumtemperatur der Größe nach sortiert - aufgetragen über die Nutzungsstunden Quelle: AEE INTEC

Die Grafik zeigt die operativen Raumtemperaturen der fünf untersuchten Räume, der Größe nach sortiert über die kumulierten Nutzungsstunden – in Stunden und Prozent. Diese Darstellungsform ermöglicht einen schnellen Überblick, wie viele Überschreitungsstunden vorliegen. Als Beispiel für Raum 3 sind das maximal 23 Stunden pro Jahr oder umgerechnet knapp 2,1 % der Nutzungsstunden. Der klimaaktiv Zielwert wird somit deutlich erfüllt.

Fazit und Ausblick

Während bei Neubauten der klimaaktiv Standard schon häufig mitgeplant, geprüft und erfasst wird, gibt es aktuell sehr viel weniger Sanierungen, die in äquivalenter Qualität zum Neubau erfasst und durchgeführt wurden – das verdeutlicht auch die https://klimaaktiv-gebaut.at Datenbank, die derzeit etwa 120 Gebäudesanierungen, aber schon 920 Neubauten auflistet. Gebäudesanierung ist noch immer ein eher ‚exotisches‘ Thema, und bleibt SpezialistInnen und baulichen HasardeurInnen vorenthalten. Es gibt immer noch zu viele Schnittstellenprobleme, ungelöste technische Details und hoch zeitaufwändige Bauablaufschwierigkeiten. Gerade deshalb und wegen des starken politischen Rückenwindes sollten sich mehr Unternehmen dem Thema widmen und qualitativ hochwertige Gebäudesanierungen in klimaaktiv oder ähnlichem Standard umsetzen.

Weiterführende Informationen

Infos rund um die Sanierung: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung.html

Wesentliche Motive zur Sanierung: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung/warum-sanieren.html

klimaaktiv Angebote für Bauträger und Gemeinden: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung/warum-sanieren/von-nachbarn-und-der-community-lernen.html

klimaaktiv Angebote unter anderem für Gemeinden: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/sanierung/warum-sanieren/mitten-im-leben.html

Vorlage für Gemeinderatsbeschluss zum Downloaden: https://www.klimaaktiv.at/bauen-sanieren/dienstleistungsgeb/gemeindegebaeude-2018.html

AutorInnen

Dipl.-Ing.in Heidrun Stückler ist Teamleiterin für Bauen & Energie – Qualitätssicherung bei der Energie Agentur Steiermark GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Arch. Dipl.-Ing. Gerhard Kopeinig ist Architekt und Geschäftsführer der ARCH+MORE ZT GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. David Venus und Dipl.-Ing. Armin Knotzer sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Bereichs „Gebäude“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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