Zeitschrift EE

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2013-02: 25 Jahre AEE-INTEC

Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE – der Mitgliederverein

Von Doris Hammermüller, Heidi Rest-Hinterseer, Ewald Selvička und Armin Themeßl

Die letzten 25 Jahre zeigen im Rückblick eine recht unterschiedliche Entwicklung, die die AEE-Mitgleidervereine in dieser Zeit genommen haben. Das Ziel, Menschen auf dem Weg zu einer Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energieträger zu unterstützen, wurde auf die verschiedensten Arten verfolgt und hat die einzelnen Mitgliedervereine auch zu den unterschiedlichsten inhaltlichen Schwerpunkten geführt.

Die gemeinsame Geschichte

Die Notwendigkeit für den Aufbau einer Organisationsstruktur hat der erste Boom an Solar-Selbstbaugruppen in den Jahren 1986 und ´87 gezeigt, als in der Steiermark mehr Solarkollektoren gebaut wurden, als von allen gewerblichen Anbietern in Österreich zusammen. Parallel zur Vereinsgründung 1988 bildeten sich die ersten Baugruppen in Kärnten (Lavanttal, Gail- und Lesachtal) und Niederösterreich (Maria Lanzendorf), ab 1990 folgten die Bundesländer Burgenland (Oberwart und Jennersdorf), Salzburg (Tamsweg und Taxenbach), Tirol (Imst, Lienz) und Vorarlberg. Die BaugruppenleiterInnen-Schulungen der AEE in der Steiermark waren aber immer noch Sammelbecken für viele Energiebewegte. Bis zu 300 Personen aus ganz Österreich kamen zu einem Seminar nach Gleisdorf, kein Veranstaltungssaal der nicht bis auf den letzten Platz – inklusive Boden – gefüllt wurde.
Mit der Verleihung des Österreichischen und des Europäischen Umweltschutzpreises 1989 sowie des Österreichischen Staatspreises für Energieforschung 1989 wurde der AEE, stellvertretend für die vielen BaugruppenleiterInnen und -teilnehmerInnen, die erste nationale und internationale Anerkennung gezollt. Gleichzeitig fand die Solarbewegung damit auch ihren Widerhall in den Printmedien und sogar der ORF fand mit der Sendung „Argumente“ den Weg nach Gleisdorf.
Zu diesem Zeitpunkt waren in der Steiermark schon 4.800 Solaranlagen mit 42.000 m² Kollektorfläche errichtet worden. Das Tolle an den Baugruppen war, dass so viele Menschen nicht nur an der Produktion sondern auch am Wissenstransfer beteiligt waren, dass allein schon dieses rasch wachsende Netzwerk eine ganz neue Struktur an Energiebewusstsein schuf. Dennoch blieb die Arbeit bis 1990 ehrenamtlich.

Gründung von Mitgliedervereinen in den Bundesländern

Mit Unterstützung des Umweltministeriums war es möglich, österreichweit eine regionale Beratungsstruktur aufzubauen, die zur Gründung von Sektionen in den meisten Bundesländern führte. War es bis dahin für Solarinteressierte üblich, für den Kollektorbau in die Steiermark zu fahren, gab es ab 1991 Beratungsstellen in den meisten Bundesländern und ab 1992 auch erste hauptamtliche MitarbeiterInnen in Kärnten, Niederösterreich und Vorarlberg.
Um den AkteurInnen in den Bundesländern mehr Eigenständigkeit zu ermöglichen, wurden ab 1993 aus den Sektionen eigenständige Mitgliedervereine und die Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Dachverband vereinbart, an den ab diesem Zeitpunkt auch die Herausgeberschaft der Fachzeitschrift „erneuerbare energie“ als verbindendes Element übertragen wurde.
Die Mitgliedervereine entwickelten sich gemäß den  personellen Fähigkeiten ihrer MitarbeiterInnen und den Möglichkeiten in den Bundesländern Fuß zu fassen hin zu unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten. Bis Mitte der 90er Jahre blieb der Selbstbau die identitätsstiftende Säule und die Zahl der Mitglieder wuchs bis auf 5.500 an.
Der Weg, den AEE INTEC hin zu einer international anerkannten Forschungseinrichtung gegangen ist, wird im Artikel von Prof. Reinhold Lang [1] ausführlich beschrieben, nachfolgend kurze Berichte zu den Tätigkeit der anderen Mitgliedervereine.

AEE Kärnten

Als begeisterter Teilnehmer einer Solarselbstbaugruppe in der Steiermark „importierte“ Armin Themeßl im Jahr 1988 die Idee bzw. das System des organisierten Solaranlagenselbstbaus nach Kärnten. In diesen Baugruppen entstanden in den folgenden 5 Jahren allein in Kärnten rund 15.000 Solaranlagen, das entsprach 85% des gesamten damaligen Solarmarktes.
Standort der Sektion Kärnten war Villach und das vordringliche Ziel war die weitere Verbreitung der Sonnenenergienutzung, Organisation und Betreuung der Baugruppen und eine rege Vortrags- und Workshoptätigkeit, wobei Armin Themeßl in einem „Spitzenmonat“ bis zu 25 Vorträge hielt. So wie die heimische Industrie den neuen gewinnträchtigen Markt für sich entdeckte und nach und nach bearbeitete, zog sich auch in Kärnten der Selbstbau ab dem Jahr 1992 allmählich zurück.
Die Stadt Villach war immer ein wichtiger Partner der AEE Kärnten. Im Zuge der Einrichtung einer Energiekoordinationsstelle im Jahre 1993 wurde die AEE zur Beraterin der Stadt. Gleichzeitig wurde auch die Beratung für Private und das Gewerbe in Villach forciert. So kommen heute InteressentInnen aus der Stadt Villach bei der AEE in den Genuss einer kostenlosen, von der Stadt finanzierten Energieberatung.
Im Jahr 1994 erfolgte die Gründung des Vereins AEE Kärnten-Salzburg. Bereits ein Jahr davor wurde - gemeinsam mit der AEE in Gleisdorf – ein Ingenieurbüro gegründet, um eine umfassende Begleitung der Beratungssuchenden gewährleisten zu können.
Vom Bürohaus der AEE in Villach, das im Jahr 2002 als Plus-Energie-Gebäude errichtet wurde, werden über ein Nahwärmenetz sechzehn Haushalte in sechs Nachbarhäusern mit Wärme aus Sonne und Biomasse versorgt. Nachdem 2006 die AEE Energiedienstleistungen GmbH gegründet wurde, sind heute die zentralen Arbeitsgebiete Energieberatung und Gebäudeoptimierung, Qualitätskontrolle, Heizanlagenoptimierung mit den Schwerpunkten Hydraulik und Regelungstechnik sowie Energiedienstleistungen: Es werden Heizanlagen für Schulen, Kindergärten, öffentliche und konfessionelle Gebäude, Gewerbebetriebe und Wohnanlagen im Einsparcontracting errichtet, betrieben, fernüberwacht, vermessen und im Betrieb optimiert. Für Mitglieder werden Einkaufsgemeinschaften für Pellets und Ökostrom angeboten.
Als Beispiele für die Mitarbeit in den verschiedensten Projekten sei „klima:aktiv“ erwähnt. Hier ist die AEE seit über 6 Jahren in den Konsortien „holzwärme“ und jetzt „erneuerbare wärme“ tätig. In der Stadt-Umland Kooperation Villach wird an „Energieeffizienz und Erneuerbare Energie für Gemeinden“ gearbeitet. Es werden österreichweit EnergieberaterInnen und Biomasseinstallateure aus- und weitergebildet. Auch gibt es immer wieder Aufträge der Länder: So wurden für das Land Kärnten 100 thermische Solaranlagen  und geförderte Luft-Wasser-Wärmepumpen in einer detaillierten Feldmessung unter die Lupe genommen.

Abbildung 1: Plus-Energie-Bürogebäude der AEE Kärnten in Villach (Quelle: AEE Kärnten)

Abbildung 2: Das Team der AEE Kärnten (Quelle: AEE Kärnten)

AEE Niederösterreich-Wien

Auch das Leben der AEE Niederösterreich (NÖ)-Wien startete 1991 mit Solarselbstbaugruppen. Die vielen AktivistInnen der Selbstbaugruppen, z.B. aus den landwirtschaftlichen Fachschulen und der Umweltberatung in Wien und Niederösterreich machten die AEE NÖ-Wien rasch zu einem anerkannten Player. Klimaschutz-, Beratungs- und auch Begleitprojekte für Gemeinden waren in der 2. Hälfte der 90er Jahre einer der starken Schwerpunkte und  ein Markenzeichen der AEE NÖ-Wien. Mehrfach konnte dadurch auch der Grundstein für andere erfolgreiche Organisationen wie die der Interessensgemeinschaft Windkraft (IGW) oder der IG Passivhaus Ost gelegt werden.
"Windkraft für Österreich“ war 1995 das erste aus einer Serie erfolgreicher Projektkooperationen mit der “umweltberatung“ und führte zu den erfolgreichen Österreichischen Windbeteiligungsprojekten. Die AEE NÖ-Wien ist dem Wind als eines ihrer Themengebiete bis heute treu geblieben und hat neben der Beteiligung von AEE Mitgliedern am AEE-Windfang im Jahr 2000 heute noch ein Schwerpunktthema mit der Qualitätssicherung von Kleinwindkraftanlagen.
Die AEE NÖ-Wien zeichnet weiters für den äußerst erfolgreichen Import des Passivhauses nach Niederösterreich und in Folge den Export in die Slowakei mitverantwortlich. Die Jahre 2005 - 2010 brachte eine Vielzahl von Energiekampagnen in Niederösterreich und im Bund.
Derzeit laufen in Niederösterreich gerade eine „Qualifizierungsmaßnahme“ für Installateure zum Thema Einspar-Contracting und  Betriebsoptimierung sowie ein Forschungsprojekt zur Heizanlagenoptimierung im Auftrag der Wohnbauforschung.
20 Jahre nach der Gründung der AEE NÖ-Wien haben sich die Umstände der Arbeit stark geändert. Unzählige Firmen übernehmen die Versorgung mit Energieprodukten und teilweise auch die Beratung. Die Bundesländer haben inzwischen teilweise ihre eigenen Energieagenturen. Die Zeit der PionierInnen ist vorbei. Erneuerbare Energie ist ein breiter Markt geworden.
Deshalb besinnt sich die AEE NÖ-Wien wieder auf ihre Wurzeln und Kernkompetenz. Die optimale Nutzung von thermischer Solarenergie steht seit 2010 wieder im Zentrum, Zu dessen Zweck auch die AEE Solar Concept Gmbh gegründet wurde. Die Zukunft der AEE NÖ-Wien liegt beim Thema Qualitätssicherung von erneuerbaren Energieanlagen.

Abbildung 3: Energieforschungspark Lichtenegg (Quele: AEE NÖ-Wien)

AEE Salzburg

Die Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie Salzburg wurde 2008 als gemeinnütziger Verein gegründet. Zuvor war Salzburg Teil der AEE Kärnten-Salzburg. Ursprünglich ebenso aus der Selbstbau-Bewegung der 1980ger Jahre hervorgegangen, umfasst die Tätigkeit der AEE Salzburg heute Beratung, Entwicklung und Einreichung von Erneuerbare-Energie-Anlagen. Förderanträge werden bei der OeMAG (Abwicklungsstelle für Ökostrom AG) und beim Klima- und Energiefonds der österreichischen Bundesregierung für Mitglieder und InteressentInnen eingereicht. Mit Energieversorgungsunternehmen und dem Amt der Salzburger Landesregierung werden gemeinsame Projekte vorangetrieben (Kleinwasserkraft, Photovoltaik an Schulen, Tage der Erneuerbaren Energie).
Eine der wesentlichen zukünftigen Herausforderungen ist die Entwicklung von Pilotprojekten im Bereich der gemeinschaftlichen Stromerzeugung. Bürgerbeteiligungsprojekte werden in enger Zusammenarbeit mit Gemeinden, Pfarren und Unternehmen entwickelt.

Abbildung 4: Eröffnung der ersten Gemeinschaftsanlage auf dem Pfarrhof von Niedernsill/Oberpinzgau

Weitere Mitgliedervereine in Österreich und Kooperationen im Ausland

Die AEE Tirol und AEE Vorarlberg haben sehr unterschiedliche Wege beschritten. Während in Tirol nach den Solarbaugruppen die Ausbildung einen wesentlichen Schwerpunkt bildet und die Kooperation mit der HTL Jenbach der Angelpunkt der Aktivitäten ist, wurde in Vorarlberg ein neues Betätigungsfeld im Bereich der Ökostromproduktion und die Gründung einer Ökostrombörse gefunden.
Der organisierte Selbstbau von Solaranlagen führte auch im Ausland zur Gründung von Baugruppen aber auch Mitgliedervereinen. In Slowenien betreuen bis heute ehemalige Mitarbeiter des Bauinstitutes Ljubljana mit Unterstützung aus Kärnten Interessenten beim Bau ihrer Solaranlage. Der „Solarverein Trier“ in Deutschland zählt über 300 Mitglieder, von denen einige regelmäßig zu Solartagungen nach Österreich anreisen. Nachdem die „erneuerbare energie“ auch die Mitgliederzeitschrift des Solarvereins Trier ist, grüßen wir unsere treuen Leser im Bundesland Rheinland-Pfalz mit einem herzlichen „Servus aus Österreich“.

Referenzen

  1. R.W.Lang: Die Entwicklung von AEE – Von einer Basisinitiative zum international anerkannten Forschungsinstitut, ee 2013-1, xx-yy (Gleisdorf 2013)

* Doris Hammermüller, M.A. ist Geschäftsführerin der AEE NÖ-Wien
Mag.a (FH) Heidi Rest-Hinterseer ist Geschäftsführerin der Ökostrombörse Salzburg
Ing. Ewald Selvička ist Geschäftsführer von AEE INTEC
Ing. Armin Themeßl ist Geschäftsführer der AEE Energiedienstleistungen GmbH

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2013-02: 25 Jahre AEE-INTEC

Solarthermie - die unterschätzte Energiequelle in Entwicklungsländern

Titelbild

Abbildung 1: Jährliche Solarstrahlung auf die Horizontale (Quelle: Meteonorm 7.0)

Abbildung 2:  Beispiel einer Thermosiphonanlage in Mozambik (Quelle: AEE INTEC)

Warum thermische Solarenergie  vielfache Chancen für Entwicklung verspricht

Die Bewegung Sustainable Energy for All (SE4All) des UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon brachte seit dem namensgleichen UN-Jahr 2012 viel Schwung in den internationalen Diskurs zu Energie für Entwicklung. Bis 2030 sollen u.a. ein universeller Zugang zu modernen Energieträgern erreicht werden. Doch Solarthermie wird von vielen Geberländern und Entwicklungsländern unterschätzt und verkannt. Was kann Solarthermie für Entwicklung leisten? Wann wird sie endlich Mainstream?
Die UN werden ab Sommer 2013 ein eigenes Büro für SE4All in Wien unter Leitung des bisherigen UNIDO-Generaldirektors Yumkella einrichten und ab 2014 die Dekade für SE4All ausrufen. Zentrales Anliegen von SE4All ist, Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu leistbaren, sicheren, verlässlichen, gesundheitlich unbedenklichen Energiedienstleistungen und Energieträgern zu ermöglichen, primär aus erneuerbaren und umweltfreundlichen Energiequellen. Auch wenn Energie bisher nicht als Ziel in den Millenium Development Goals (MDG) vorkam, ist sie nötig zur Erreichung aller acht genannten MDG-Ziele wie Ernährung, Wasserversorgung, Landwirtschaft, Bildung etc. In den international diskutierten Sustainable Development Goals (SDG), die ab 2015 wahrscheinlich mit den MDG verschmelzen werden, haben hingegen nachhaltige Energien einen zentralen Stellenwert, auch in Bezug auf sicheren Zugang zu Energie, gesundheitlich unbedenkliches Kochen, breiten Energiemix,  Gendergleichstellung und Umweltauswirkungen.

Der Energieallrounder Strom

Ungebrochen stark in Entwicklungsländern ist der Wunsch nach dem Energieallrounder Strom als der praktischsten und vielseitigsten Energieform. Allerdings ist Strom auch die aufwendigste Energieform hinsichtlich der nötigen Infrastruktur, Speicherfragen, Orientierung am fluktuierenden Bedarf, Finanzierung und Umsetzung in armutsgeprägten Regionen.
Der Diskurs zum Thema Energie bzw. Solarenergie in der Entwicklungszusammenarbeit ist häufig zu stromlastig: oft wird unter Solarenergie nur Solarstrom subsumiert. Solarwärme hingegen wird von multilateralen Institutionen wie der Weltbank, von vielen Donoren und Entwicklungsländern viel zu wenig Beachtung geschenkt. Das ungeheure Potenzial an Solarwärme bleibt nach wie vor in Studien oft unerwähnt, könnte aber den Stromsektor entlasten und Black-outs oder regelmäßige Abschaltungen ganzer Stadtteile oder Slums reduzieren.

Solarwärme – die unterschätzte Energiequelle

In sonnenreichen Ländern werden oft ungeheure Mengen an Warmwasser für Haushalte,  öffentliche Einrichtungen und gewerbliche Prozesse mit der subventionierten und knappen Energieform Strom erzeugt. Der Fokus liegt einseitig auf der Strom- und nicht auf der Wärmeerzeugung, wobei der enorme Bedarf an Wärme stark unterschätzt wird. So ist die  globale gesamte operative Kapazität von Solarthermie 2011 größer als die der Windkraft oder Photovoltaik [1]. Das Wissen um den Zusammenhang zwischen Strom und Wärme oder um den Einsatz von Solarwärme in Haushalten, Hotels, Schulen, Wäschereien, Spitälern, aber auch in gewerblichen Prozessen wie z.B. im Lebensmittelsektor fehlt weitgehend in den entwicklungsländern und bei den Geldgebern. In Industrie und Gewerbe weit verbreitet sind Anwendungen von Wärme unter 100°C, deren Kosten sich mit Solarthermielösungen meist nach wenigen Jahren amortisieren.
Selbst in der SE4All Initiative der UN oder im Programm zum Energiesektor ESMAP der Weltbank wird das Potenzial für Solarwärme seit Jahren stark unterschätzt. Und das obwohl Österreich als Geberland bereits wiederholt darauf aufmerksam gemacht hat. Die Länder in Sub-Sahara Afrika weisen im Vergleich zu Österreich mit meist über 2.000 kWh/m² eine etwa doppelt so große solare Einstrahlung auf (Abbildung 1), sind aber im internationalen Vergleich der 2010 installierten Kapazität aller Solarthermieanlagen per capita weit abgeschlagen: Namibia auf Platz 38 und Südafrika auf Platz 42, während Österreich Platz 3 einnimmt [1].

Österreichisches Solarthermie Know-How

Vor diesem Hintergrund tragen Experten der AEE INTEC seit über zwölf Jahren im Auftrag der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) zur Verbreitung von Solarthermie in Südosteuropa, Zentralamerika und im südlichen Afrika bei. Die Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, beauftragte 2008 AEE INTEC mit dem Programm SOLtrain (Abbildung 3): gemeinsam mit fünf Partnern (drei Universitäten, Solarenergieverband und Solartechnikfirmen) in Südafrika, Namibia, Mosambik und Simbabwe wurden Kapazitäten zu Solarthermie aufgebaut, bestehende Anlagen analysiert und verbessert und neue in Schulen, Spitälern oder Waisenheimen errichtet. Kürzlich startete die SOLtrain Phase II (2012-2015) mit einer Förderung von knapp 1 Mio € durch die OEZA, die erstmals zusätzlich 0,4 Mio € seitens des OPEC „Fund for international development“ generieren konnte. Ziel ist die Einrichtung von  Kompetenzzentren in den beteiligten Ländern, die Ausbildungsprogramme wie Installationskurse oder universitäre Masterprogramme  durchführen. Nationale Technologieplattformen für Solarthermie werden zudem unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder Strategien und Umsetzungspläne für Solarthermie erarbeiten.
Betrachtet man die 2010 neu installierte Kapazität an verglasten und somit effizienteren Solarthermieanlagen per capita von Solar Heat Worldwide, (Abbildung 2) so ergibt sich das Bild, dass die besten Länder in dieser Statistik in Sub-Sahara Afrika SOLtrain-Partnerländer sind: Namibia auf Platz 26, Südafrika auf Platz 39 und Simbabwe auf Platz 49. Zu diesem Ergebnis hat AEE INTEC einen entscheidenden Beitrag  geleistet.


Abbildung 3:
2010 neu installierte Kollektorleistung pro 1000 Einwohnern  (Quelle: Solar Heat Worldwide [1])

Chancen, Unabhängigkeit und Wertschöpfung für Entwicklung

Die Kooperation zwischen der ADA und AEE INTEC zum Kapazitätsaufbau für Solarthermie ist eine Win-Win Situation für afrikanische Entwicklungsländer:

  • Solarwärme wird direkt und lokal genutzt
  • Die Amortisation der im Vergleich zu Diesel etwas höheren Investitionskosten erfolgt in wenigen Jahren
  • Überlastete Stromnetze werden durch Umstieg auf Warmwasser durch Solarthermie entlastet und Stromreserven aufgebaut
  • Solarthermie ermöglicht den Regierungen der Partnerländer mehr Budgetsouveränität durch weniger Abhängigkeit von fossilen Energieimporten
  • Solarthermie ermöglicht einen hohen Anteil an lokaler Wertschöpfung
  • Herstellung der Komponenten ist vor Ort möglich
  • Schaffung von lokalen Kapazitäten für Planung, Bau und Wartung von Anlagen
  • Professionisten wie Installateure, Monteure, Schweißer u.a. werden zu Solarteuren weitergebildet
  • Verstärkte Kooperation mit bestehenden Bildungsinstitutionen

Das Solarthermie Know-how aus Österreich in Anpassung an die lokalen Gegebenheiten stärkt die Eigenverantwortung und letztlich den Handlungsspielraum von Gemeinden, lokalen Akteuren und Regierungen in Entwicklungsländern.

Literatur

  1. Werner Weiss, Franz Mauthner: Solar Heat Worldwide, Markets and Contribution to the Energy Supply, IEA Solar Heating & Cooling Programme, May 2012


* Mag. Hannes Bauer ist Experte für Nachhaltige Energien in der Austrian Development Agency www.entwicklung.at

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2013-02: 25 Jahre AEE-INTEC

Energie für die nächste industrielle Revolution

TitelbildAbbildung 1: Hocheffiziente Prozesstechnologie in einer österreichischen Molkerei

Von Hans Schnitzer und Christoph Brunner

Die produzierende Industrie braucht eine neue Industrielle Revolution, um Betriebe und Arbeitsplätze wieder nach Europa zu holen. Energieeffizienz und der Umstieg auf Erneuerbare Energie ist ein Teil dieser Revolution, bei der AEE INTEC
entscheidend mitwirkt.

Erste und zweite industrielle Revolution

Unter einer industriellen Revolution versteht man eine rasche Umgestaltung der Arbeits- und Sozialordnung durch neue Produktionsstrukturen. Eine solche Revolution erfolgte in Europa erstmals im 19. Jahrhundert und leitete  das Industriezeitalter ein. Die Erfindung der Dampfmaschine und die Nutzung der Dampfkraft in den Werken war ein wichtiger Auslöser dieser Entwicklung (Abbildung 2).
Die Industrielle Revolution markiert mit dem steigenden Kohleeinsatz den Beginn eines starken Anstiegs im Verbrauch fossiler Brennstoffe und infolgedessen auch einen starken Anstieg in der Emission insbesondere von fossilem Kohlendioxid. In der Literatur wird die These vertreten, dass eine Energiekrise – nämlich Holzknappheit infolge der Abholzung von Wäldern für Schiffsbau etc.– einen wichtigen Impuls gab für die Erschließung neuerEnergiequellen und somit Auslöser war für die „1. Industrielle Revolution“ [1].
Diese „Erste Industrielle Revolution“ erbrachte eine Bevölkerungsexplosion ab Mitte des 18. Jahrhunderts bis spät ins 19. Jahrhundert und eineRevolution in der Agrarwirtschaft durch eine Umstellung von der Dreifelderwirtschaft auf die produktivere Fruchtwechselwirtschaft. Gesellschaftlich relevant waren die nun erfolgte Trennung von Arbeits- und Wohnstätte und die damit erforderliche Mobilität der ArbeitnehmerInnen.
Die „Zweite Industrielle Revolution“ (ab ca. 1890) war die Epoche der flüssigen und gasförmigen Kohlenwasserstoffe und das Zeitalter der Elektrifizierung. Oftmals unterschätzt ist hier die Bedeutung der elektrischen Beleuchtung für die Möglichkeit der Bildung und Arbeit in den Nachtstunden. Ansätze zur Nutzung regenerativer Energien hatten gegen die immer bessere Verfügbarkeit von Petroleum keine Chance.
Von 1895 bis 1914 hat sich der globale Primärenergieverbrauch mehr als verdoppelt, nach einigen Wirtschaftskrisen und Weltkriegen von 1950 bis 1980 verdreifacht. In dieser Zeit wurde der Verbrennungskraftmotor entwickelt und man erfand zudem die Fließband- und Massenproduktion, die zu einer deutlichen Verbilligung der Massengüter und damit inidrekt zu einem stark steigenden Energieverbrauch führten.

Abbildung 2: „James Rasmyth's erster Dampfhammer“: Die Verwendung von Kohle für die Dampfkraft revolutionierte die industrielle Produktion Quelle: Müller-Baden Emanuel (Hrsg): Bibliothek des allgemeinen und praktischen Wissens. DritterBand, DeutschesVerlagshaus Bong&Co, Berlin, 1912 deutlichen Verbilligung der Massengüter und damit indirekt zu einem stark steigenden Energieverbrauch führten.

Die dritte industrielle Revolution

Die letzten Jahrzehnte des zweiten Jahrtausends waren besonders durch die Globalisierung der Warenströme und den Durchbruch der Informationstechnologien (Mikroelektronische Revolution) gekennzeichnet. Ersteres war nur durch niedrige Energiepreise möglich, die weite Transportwege erlaubten ohne die Waren merkbar zu verteuern.
„Wir können nicht zulassen, dass unsere Industrie Europa verlässt. Unsere Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Europas Industrie bringt Wachstum und schafft Arbeitsplätze“, sagte Antonio Tajani, Kommissar für Unternehmen und Industrie und Vizepräsident der Europäischen Kommission, bei der Vorstellung der EU-Industriestrategie im Oktober 2012 in Brüssel. Eine neue industrielle Revolution soll die Industrie und Arbeitsplätze in produzierenden Betrieben nach Europa zurückbringen. Bis 2020 sollen nach den Plänen der EU 20% des Bruttosozialprodukts in der Unionvon der Industrie erwirtschaftet werden –derzeit liegt dieser Wert bei 16,5 %. Der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin berät die Europäische Kommission und hat gerade das Buch „Die Dritte Industrielle Revolution“[2] veröffentlicht. Retten können uns seiner Meinung nach u. a. der Umstieg auf Erneuerbare Energien und die Flexibilisierung von Energiebezug und Einspeisung.

Lösungen für die Industrie

Um zu den oben genannten Erfordernissen beizutragen, starteteim Mai 2010 dieForschungsgruppe „Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE“ bei AEE INTEC mit dem Auftrag, Lösungen mit und für produzierende Betriebe zur Senkung des thermischen Energieverbrauchs und des Ausstoßes von klimarelevanten Treibhausgasen zu entwickeln.
Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt dabei auf der Entwicklung und Optimierung von Verfahren und Produktionssystemen mit möglichst effizienter Nutzung des Betriebsmittels Energie. Dies geschieht einerseits auf technologischer Ebene (Einsatz von neuen Technologien), als auch auf Produktionssystemebene (systematische Optimierung) und unter dem möglichst vollständigen Einsatz von Erneuerbarer Energie.
Die Forschungsgruppe IPE sieht sich als Ansprechpartner zur Realisierung von innovativen und visionären Umsetzungskonzepten für national und international agierende Produktionsbetriebe und als Anbieter von Methoden und Werkzeugen, um diese Konzepte zu erarbeiten. Dabei wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, da die energetische Versorgung von Industrieprozessen auf Basis erneuerbarer Energieformen in Zukunft nicht nur von einer Energieversorgungstechnologie alleine bereitgestellt werden wird. Für die Sicherstellung einer Produktion mit keinem oder geringem fossilen CO2-Ausstoß wird in Zukunft ein Mix aus erneuerbaren Energiequellen entscheidend sein. Um erneuerbarer Energieformen in das Energiesystem von Betrieben optimal integrieren zu können, ist eine exergetische Betrachtung aller Prozesse, d. h. die Berücksichtigung der Prozesstemperaturen notwendig. Erst durch einen intelligenten Energiemix aus verschiedenen erneuerbaren Energieformen und deren exergetisch optimalen Einsatz wird es gelingen, entscheidende Schritte in Richtung eines emissionsfreien Betriebs umzusetzen.
In den drei Jahren seit Bestehen der Forschungsgruppe wurden im Rahmen von nationalen und internationalen Projekten Methoden und Werkzeuge entwickelt und Konzepte zur Umsetzung gebracht. Die EINSTEIN-Methode, die in Form eines Computerprogramms Energiemanager und Berater bei der Durchführung von Energieaudits in Industriebetrieben unterstützt, wurde in über 100 europäischen Betrieben eingesetzt und weiterentwickelt. Dies führte dazu, dass die Methode maßgeblich auf die Erstellung der zukünftigen Norm für Energieaudits Einfluss genommen hat. Ein weiterführendes Softwareprogramm, das eine detailliertere Berechnung von Wärmetauschernetzwerken und Speicherdimensionierung ermöglicht, wurde vor kurzem in einer ersten Beta-Version fertiggestellt.
Ein weiterer Schwerpunkt waren die Durchführung von Energieaudits in der Lebensmittelindustrie und Entwicklung von Energieeinsparungskonzepten die zur weiteren Umsetzung geführt haben. So wird im Moment bei der Brauerei Murau die Bierproduktion auf Heißwasser umgestellt und dadurch die Versorgung über die Fernwärme möglich gemacht. AEE INTEC hat dabei das technologische und wirtschaftlicheUmsetzungskonzept entwickelt und unterstützt die Anlagenbaufirmen bei der Realisierung der notwendigen Maßnahmen (Abbildung 3).
Als weiteres Highlight der letzten drei Jahre ist die Errichtung einer 1.400 m² großen Solaranlage für die Versorgung der Bierherstellung in der Brauerei Göss zu nennen. Das erzeugte Heißwasser wird für den Brauprozess zur Unterstützung des Maischens und Erzeugung des Brauwassers sowie zur Vorwärmung des Kesselspeisewassers genutzt. (Siehe dazu auch den Beitrag [3] in dieser Ausgabe!)

Ausblick

Der Einsatz neuer Technologien und erneuerbarer Energie muss Hand in Hand mit dem dazugehörigen ganzheitlichen Bewusstsein entwickelt werden und in einem sozialen und ökologischen Kontext stehen. Technologische Ansätze müssen mit den neuen Gesellschaftssystemen (Wohnen, Familie / Partnerschaften, Arbeit, Freizeit, ...) verträglich sein und darauf hin ausgerichtet sein, das Wohlbefinden der Bevölkerung zu vermehren und nicht darauf hin, das Bruttosozialprodukt zu erhöhen. In diesem Spannungsfeld sieht die Forschungsgruppe Industrielle Prozesse und Energiesysteme von AEEINTEC dieHerausforderungen für zukünftige Projekte und den Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung der europäischen Industrie.

Literatur:

  1. Matthias Rekow: Die Entstehung der industriellen Welt – die Geschichte einer Energiekrise? München, GRIN Verlag GmbH
  2. Rifkin J.: Die dritte industrielle Revolution: Die Zukunft der Wirtschaft nach demAtomzeitalter. Campus 2011
  3. Fink C.: 2-2013, 14–19 (Gleisdorf 2013)


Abbildung 3:
AEE INTEC entwickelte das Konzept für die Umstellung auf Heißwasser bei der Brauerei Murau

* Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Hans Schnitzer ist Vizeuniversitätsvorstand am Institut für Prozess- und Partikeltechnik der Technischen Universität Graz und Mitglied im Vorstand und im Wissenschaftlichen Beirat von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dipl.-Ing. Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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2013-02: 25 Jahre AEE-INTEC

TitelbildErfolgsgeschichte dezentraler Pflanzenkläranlagen

Abbildung 1: Blühende Blumen auf einer Pflanzenkläranlage

Die praktische Beschäftigung mit erneuerbaren Energietechnologien bei AEE INTEC motivierte Eduard Luttenberger und weitere Interessierte Anfang der 1990er, Techniken des sparsamen Umgangs mit Wasser und der dezentralen Abwasserreinigung zu entwickeln und zu verbreiten.

Gleichzeitig gab es eine Nachfrage nach einer umweltfreundlichen, ressourcenschonenden Lösung für die Reinigung der häuslichen Abwässer von Objekten ohne Anschlussmöglichkeit an den öffentlichen Kanal. Inwenigen Jahren wurdenmehr als 800 Pflanzenkläranlagen geplant und errichtet. Daneben wurden Anlagenteile entwickelt, die den Betrieb der Kläranlagen ohne Energiezufuhr ermöglichen.
AllenWiderständen zumTrotz gelang es, die Pflanzenkläranlagen als einen dem Stand der Technik entsprechenden Kläranlagentyp zu etablieren. Die bereits seit den 1990ern existierende Vornorm zu Pflanzenkläranlagen (ÖNORMB2505), lange Zeit eher lückenhafte Basis für die planerische Tätigkeit inÖsterreich,wurde 2009 endgültig in eine gültige ÖNORMüberführt.

Das System: Technische Beschreibung

Das eigentliche Kernstück jeder Pflanzenkläranlage ist der bepflanzte Bodenfilter. Das gegen den Untergrund üblicherweise mit einer  PE-Dichtungsbahn abgedichtete Becken ist mit Sand- und Kiesschichten befüllt. Das Wasser wird in der Anlage durch Mikroorganismen gereinigt, indem die mechanisch vorgereinigten Abwässer von oben nach unten die Sand- und Kiesschichten, die den Mikroorganismen als Lebensraum dienen, durchsickern. Die Bepflanzung mit tiefwurzeligen Sumpfpflanzen hält den Bodenkörper durchlässig (Abbildung links).
Der Schichtaufbau wurde über die Jahre optimiert, das den Pflanzenkläranlagen zugrundeliegende, bewährte Reinigungsprinzip blieb seit den Anfangsjahren aber praktisch unverändert. In Österreich hat sich auf Grund der strengen Anforderungen und des Klimas der intermittierend beschickte und vertikal durchflossene Bodenfilter durchgesetzt. EinzelneBauteile des Systems wurden von AEE INTEC über die Jahre jedoch kontinuierlich weiterentwickelt. So sind beispielsweise Anlagenteile entwickelt worden, die den Betrieb der Kläranlagen ohne Energiezufuhr ermöglichen.
Nur im absolut ebenen Gelände ist zur Beschickung eine Pumpe notwendig. Annähernd 95% aller von AEE INTEC projektierten Anlagen werden ohne Einsatz von Fremdenergie betrieben. Zur Behandlung der anfallenden Schlämme wurden kompakte Schlammkompostierungsbeete in Betonfertigteilbauweise – sogenannte Vererdungsbeete – entwickelt. Damit war es erstmals auch Betreibern kleiner Kläranlagen (z. B. bei Einfamilienhäusern) möglich, die anfallenden Schlämme selbst zu verwerten.
Der Großteil der Kläranlagenwurde bzw. wird noch immer im sog.„kontrollierten Selbstbau“ errichtet.Das anAEE INTECangegliederte Technische Büro übernimmt die behördliche Abwicklung (Einreichplanung, wasserrechtliche Bewilligung, Förderungsabwicklung, Bauorganisation und -aufsicht). Die Anlage wird vom Bauherrn selbst unter Anleitung errichtet. Neben günstigen Realisierungskosten ergibt sich so der Vorteil, dass das  Reinigungssystem kennengelernt und verstanden wird. Der Bauherr kann Wartungsarbeiten später dann problemlos selbst erledigen.

Erfolgsgeschichte

In Kärnten wurde die erste Anlage bereits 1993 errichtet. Knapp 600 Anlagen wurden seit damals allein in diesem Bundesland realisiert. Daneben wurden zahlreiche Projekte auch in der Steiermark, in Salzburg, Osttirol und im Burgenland betreut und umgesetzt.
Heute werden jedes Jahr rund 580 Pflanzenkläranlagen vomTechnischen Büro der AEE INTEC im Zuge von Wartungsverträgen betreut. Die Funktionsfähigkeit ist jährlich der Wasserrechtsbehörde nachzuweisen. Dazu wird der Zustand vor Ort überprüft und eine Wasserprobe gezogen. Eine Laboranalyse als Nachweis der Funktionsfähigkeit wird jährlich, zusammen mit einer Zustandsbeschreibung der Anlage, der Behörde vorgelegt.
Neben wertvoller Erfahrung konnte im Zuge der Wartungen über die Jahre ein großer Pool an Messwerten gesammelt werden. Von unschätzbarem Wert erwiesen sich diese Daten, als imBundesland Kärnten aufgrund einer gesetzlichen Änderung eine Typisierung des Kläranlagentyps  notwendig wurde. Seit 2001 erhalten in Kärnten nur mehr jene Kläranlagen eine wasserrechtliche Bewilligung, die ein Typengutachten vorweisen können. Das Typisierungsgutachten wurde von JOANNEUM RESEARCH, Institut für Umwelttechnik und Ökosystemforschung Graz, verfasst und veranschaulicht die Leistungsfähigkeit der Pflanzenkläranlagen eindrucksvoll. Die Grundlage für das Typengutachten bilden 627 Ablaufbefunde von insgesamt 200 wasserrechtlich bewilligten Pflanzenkläranlagen. Details sind in der Zeitschrift erneuerbare energie 02/2004 nachzulesen.
Pflanzenkläranlagen haben sich als robuste Reinigungssysteme bewährt, wo andere Systeme häufig scheitern. So sind stark schwankende Abwasserbelastungen, wie sie z. B. in Tourismusbetrieben oder Ferienhäusern auftreten, mit Pflanzenkläranlagen problemlos zu bewältigen. Das gilt auch für klimatische Extremlagen: Bereits 1999 ging eine Anlage für die Hiasl-Zirbenhütte am Hochrindl in Kärnten auf 1670m Seehöhe in Betrieb. Eine Pflanzenkläranlage in dieser Höhe war zu dem Zeitpunkt ein Novum.

Internationale Projekte im BereichWasser/Abwasser

Mit diesen Erfahrungen startete 2001 DI Martin Regelsberger als Projektkoordinator von AEE INTEC das EU-Projekt „Sustainable Water Management andWastewaterPurification inTourismFacilities“ (SWAMP– NachhaltigeWasserwirtschaft und Abwasserreinigung in touristischen Einrichtungen). Dabei wurden von acht Partnern in Österreich, Italien,Deutschland und Lettland nachhaltige, ressourcenschonende Wasserwirtschaftskonzepte für Tourismusbetriebe erarbeitet und in 13 Pilotanlagen umgesetzt.
Die Reaktion der Anlagen auf saisonal stark schwankende Zuläufe, wie sie bei Tourismusbetrieben vorkommen, war damals noch nicht ausreichend bekannt. Auch fehlte es an Richtlinien für die Bemessung von Anlagen unter diesen speziellen Bedingungen. Es konnte gezeigt werden, dass Pflanzenkläranlagen sich in unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen, von Nordeuropa über die Alpen bis in den Mittelmeerraum bewähren.
Die gewonnen Erkenntnisse konnten in Folge in einer Vielzahl von Projekten verwertet werden. Heute sind von AEE INTEC projektierte Pflanzenkläranlagen in inneralpinen Extremlagen bis in eine Seehöhe von rund 2.000m–Millstätterhütte des Österreichischen Alpenvereines Sektion Millstatt auf 1.870 m Seehöhe (mittlere Abbildung) oder der Almgasthof Glocknerblick in Großkirchheim auf 2.050 mSeehöhe – im Einsatz.
In die Planung der SWAMP-Pilotanlagen wurde erstmals gezielt die Betrachtung des Wasserverbrauchs eingeschlossen und die getrennte Sammlung und eventuelle Wiederverwendung verschiedener Abwasserströme untersucht.
Die gewonnen Erfahrungen aus SWAMPwurden aufgegriffen um ein weiteres erfolgreiches EU-Projekt zu initiieren. 2003 startete mit dem Projekt Zer0-M – Sustainable Concepts towards a Zero Outflow Municipality („Nachhaltige Konzepte in Richtung einer abwasser /abflusslosen Gemeinde“, www.zer0-m.org), das zum damaligen Zeitpunkt vom Projektvolumen größte EU-Projekt bei AEE INTEC.
Das Projekt hatte sich zum Ziel gesetzt, einen neuen Zugang zum Umgang mit Wasser in vier Mittelmeerländern, Ägypten, Marokko, Tunesien und Türkei, einzuführen. Die Möglichkeit, gereinigtes und hygienisch unbedenkliches Abwasser wiederzuverwenden, ist angesichts des Mangels an sauberem Wasser in diesen Regionen ein großes Bedürfnis. Doch nicht nur das Abwasser, auch die enthaltenen Nährstoffe sollten idealerweise nutzbar sein.
Wieder wurden – neben anderenTechnologien – Pflanzenkläranlagen eingesetzt und untersucht. Die Robustheit und Einfachheit des Systems konnte auch in den Mittelmeerländer überzeugen. Aufgrund des heißen Klimas konnten die Anlagen zudem deutlich kleiner bemessen werden als dies in Österreich der Fallwäre. Die Einsatzbereiche waren vielfältig, so z. B. die Reinigung von Abwässern aus der Gemüse und Obstverarbeitung sowie von Molkereiabwässern in Ägypten, Grauwasserreinigung in Marokko oder die Reinigung der Abwässer einer schnell wachsenden Ortschaft im
ländlichen Tunesien. In allen Fällen wurde der Ablauf für Bewässerungszwecke wiederverwendet (Abbildung rechts).
Sehr viel Aufmerksamkeit hat ein Grauwassersystem in Marokko für ein öffentliches Bad erhalten. In Marokko sind öffentliche Badehäuser weit verbreitet. Der Großteil des Abwassers dieser sog. „Hammams“ ist nur schwach verunreinigt. Im konkreten Projekt werden jetzt etwa 60.000 Liter Wasser pro Tag von im Schnitt 400 Besuchern getrennt gesammelt, in einer Pflanzenkläranlage gereinigt und für Grünanlagen-Bewässerung verwendet. Das gereinigte Wasser ermöglichte es, die Straßenzüge und Parkflächen der Stadt großflächig grün zu gestalten. Um Holz, das in Marokko Mangelware ist, bei der Warmwasserbereitung des Hammams zu sparen, wurde auch eine 400 m² große Solaranlage gebaut.

Umfassendes Energie- und Wasserkonzept

Neben der Projektarbeit und der Planungstätigkeit des Technischen Büros war AEE INTEC auch immer wieder als Konsulent tätig und hat national wie auch international Schulungen, beispielsweise imWestjordanland oder in Jordanien, durchgeführt.
Aber nicht nur in südlichen Ländern wurden in den vergangen Jahren Projekte zur Wasserkreislaufführung umgesetzt. In Markt Hartmannsdorf wurde im Zug der Sanierung und Ausbaues eines alten Gutshofes zu einer modernen Wohnanlage ein innovatives Projekt verwirklicht, das so unterschiedliche Bereiche wie (Bau-)Material, Energie,Wasser und sozialen Lebensraumberücksichtigte.
Das zukunftsweisende Wasserkonzept mit Grauwasseraufbereitung (Abwasser aus Duschen und Handwaschbecken) und -wiederverwendung, Wärmerückgewinnung aus dem Duschwasser, Regenwassernutzung und eine Pflanzenkläranlage für den Toilettenablauf wurde 2008 mit dem Energy Globe Styria Award in der Kategorie Wasser ausgezeichnet.


Abbildung 2: Pflanzenkläranlage für Millstätter Hütte (1.870 Meter)

Abbildung 3: Bau einer Anlage für die SEKEM-Hauptfarm (Ägypten). Das gereinigte Wasser wird zur Bewässerung einer Plantage verwendet.

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2013-02: 25 Jahre AEE-INTEC

Hochwertige GebäudesanierungTitelbild

Abbildung 1: Fassadenkollektor in der Sanierung, Dieselweg Graz Quelle: AEE INTEC

Von Karl Höfler und Armin Knotzer

Nur in Gebäuden mit geringem Energiebedarf macht es Sinn, Erneuerbare Energien einzusetzen. Denn auch der Rohstoffeinsatz bei der Produktion von Solaranlagen, Biomasseheizungen und für deren Betrieb ist, in Gebäudenutzungszyklen und gesamtheitlich gedacht, von Belang. In diesem Sinn begann sehr früh das Interesse von AEE INTEC, die Energieeffizienz der Gebäude - Neubau wie Sanierung - zu erhöhen.

Der Schwerpunkt der Aktivitäten lag zu Beginn auf der Symbiose aus Holzbau, Wärmedämmung und Sonnenkollektorintegration in die Gebäudehülle (siehe dazu Beitrag  [1] in dieser Ausgabe).
Die ersten Forschungs-Projekte, mit dem Ziel thermische Sonnenkollektoren bauphysikalisch und architektonisch in die Fassade zu integrieren, wurden schon vor über 10 Jahren durchgeführt. [2] [3]
 
Abbildung 2:  Fassadenkollektor aus dem Projekt Colourface (Quelle: AEE INTEC)

Sie widmeten sich der bauphysikalischen Herausforderung, relativ dampfdichte Materialien wie Glas bzw. Kollektoren großflächig an den Außenbauteilen der Gebäude zu integrieren. Parallel dazu begann die Entwicklung von großflächig vorgefertigten Fassadenmodulen für hochwertige Sanierungsprojekte. Diese „passiven“ Module wurden teilweise mit „aktiven“ Fassadenelementen wie Sonnenkollektoren in „Haus der Zukunft“-Sanierungen angewandt. Beispiele dafür sind die Hauptschule Schwanenstadt und das Wohngebäude Markartstraße Linz, beide durch AEE INTEC messtechnisch untersucht, oder Dieselweg Graz, dort wurde das Qualitätsmanagement durch AEE INTEC untersucht.
Gleichzeitig stieg politisch wie inhaltlich die Einsicht, dass die Sanierung des europäischen Gebäudebestandes die einzig relevante Maßnahme ist, um im Gebäudesektor übermäßigen Energieeinsatz zu vermeiden. In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts gab es auch in der Steiermark Bestrebungen, sich dem Gebäudebestand zu widmen. Das große regionale Projekt „ökosan – die Modernisierungsinitiative der Oststeiermark“ [4] wurde 2005 gestartet.
 
Abbildung 3: Bezirkspensionistenheim Weiz Quelle: AEE INTEC

Das zentrale Ziel der Initiative war es, großvolumige Gebäude in der Oststeiermark durch hochwertige, ganzheitliche Modernisierungskonzepte energieeffizient und nachhaltig zu sanieren. Es sollte die Umsetzung umfassender thermisch-energetischer Sanierungen großvolumiger Gebäude fördern. Damals wurde die noch jetzt für AEE INTEC relevante Konferenz ökosan‘ ins Leben gerufen. Mit der ökosan’13, die dieses Jahr im Rahmen der Konferenz SB13 abgehalten wird (siehe www.aee-intec-events.org) werden seit 8 Jahren im 2-Jahres-Rhythmus nationale und internationale Forschungs- und Demonstrationsprojekte zur Sanierung großvolumiger Gebäude präsentiert.
AEE INTEC hatte zu dieser Zeit Know-how in der messtechnischen Begleitung von hochwertig thermisch-energetischen Gebäuden aufgebaut. Herausforderungen bei Sanierungen (luftdichte Ausführung, Wärmebrücken, Wartungszugänglichkeit der Haustechnik) und andererseits im Betrieb (Verteilverluste, Stromverbrauch der Lüftungsanlagen, Sommerkomfort) sollten analysiert werden. Die Auseinandersetzung mit der hochwertigen thermischen Sanierung, mit den Messtechnikergebnissen und mit vorgefertigten Sanierungselementen führte dann zum „Haus der Zukunft Plus“-Leitprojekt „e80^3: Sanierungskonzepte zum Plus-Energiehaus mit vorgefertigten aktiven Fassadenelementen, integrierter Haustechnik und Netzintegration“ [5] mit folgenden Zielen:

  • 80 % Energieeffizienz - Reduktion des Energiebedarfs
  • 80 % Anteil Erneuerbarer Energie am Gesamtenergieverbrauch
  • 80 % Reduktion der CO2-Emissionen

 
Abbildung 4: Montage von vorgefertigten Fassadenmodulen, Kapfenberg (Steiermark) Quelle: AEE INTEC

Abbildung 4.1: Fertig montierte Fassade, Kapfenberg Quelle: AEE INTEC

Dieses zukunftsweisende und umfassende Sanierungsprojekt wird derzeit in Kapfenberg in einem großen Wohngebäude mit Plusenergiestandard unter Anwendung vier verschiedener
Lüftungskonzepte realisiert. Das Gebäude wird wiederum messtechnisch begleitet, um den Betrieb zu optimieren und zu evaluieren.

Abbildung 5: Rege Diskussionen bei der ökosan’09 Quelle AEE INTEC

AEE INTEC möchte so einen wesentlichen Beitrag zur thermisch-energetisch hochwertigen Sanierung mit vorgefertigten passiven und aktiven Modulen leisten. Wichtige Ziele sind dabei die praktische Verbreitung der angewandten Technologien - „vom Reden zum Handeln“, ihre langfristige Kostenreduktion, aber auch der Einsatz nachhaltiger und recyclierbarer Materialien. Gebäudehülle, Energiekonzept und NutzerInnenkomfort sollen dabei eine Einheit bilden.

Literatur:

  1. Knotzer A., Fink C.: Wir bauen mit der Sonne. ee 2013-2, 24-26 (Gleisdorf 2013)
  2. Bergmann I. und Weiß W.: Fassadenintegration von thermischen Sonnenkollektoren ohne Hinterlüftung, Berichte aus der Energie- und Umweltforschung 13/2002, BMVIT (Gleisdorf 2002)
  3. Müller T., Bergmann I., Hausner R., Höfler K. und Nussmüller W.: Colourface - Planungsrichtlinien für farbige Fassadenkollektoren (Gleisdorf 2004)
  4. Details unter http://www.aee-intec.at/index.php?seintenName=projekteDetail&projekteId=88 (abgerufen am 22.3.2013)
  5. Höfler K.: Sanierung zum Plus-Energiegebäude mit vorgefertigten Fassaden- und Haustechnikmodulen. ee 2012-3, 16-18 (Gleisdorf 2012)

*Dr. DI Karl Höfler (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) ist Leiter, DI Armin Knotzer (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) Mitarbeiter des Bereichs „Nachhaltige Gebäude“ von AEE INTEC

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