Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

Rahmenbedingungen für die Energiewende

Von Albrecht Reuter

Bereits sechs Wochen nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat der deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit die Energiewende-Gesetze beschlossen. Mit vielen guten Vorsätzen und Euphorie machte sich ein ganzes Volk ans Jahrhundertwerk, um die Energieversorgung auf erneuerbare Quellen abzustützen. Nach gut zwei Jahren ist Ernüchterung eingetreten. Im Wahlkampf und während der Koalitionsverhandlungen in Deutschland erfährt der Bürger, neben einer Faktenschlacht ohnegleichen, wie emotional das Geschäft mit 50 Hertz und 220 Volt sein kann.

Trotzdem, die Energiewende-Bewegung hat Fahrt aufgenommen. Die Bürger stehen nach wie vor mit großer Mehrheit hinter dem nachhaltigen Umbau des Energiesystems. Die Digitalisierung der Energieinfrastruktur ist nicht mehr zurückzuschrauben. Die Geschäftsmodelle der neuen Energiewelt machen erste Gehversuche und wo Standards fehlen, werden proprietäre Lösungen zusammengebastelt. Energiewende findet statt.

Trotz des eindeutigen politischen Beschlusses sind die Zukunftsszenarien vielfältiger als je zuvor. Für die Investoren sind jedoch die Leitplanken auch unsicherer geworden. Selbst die Geschäftsmodelle um Energie-Flexibilitäten, um virtuelle Energiesystem um neue Speicher, Smart Home und IKT-Systeme, können die Rentabilität für die nächsten Jahre nicht beziffern.

Daher haben wir die Energy Talks Ossiach 2014 unter das Leitthema Energiewende - "Im Trüben fischen" gestellt. Wir ahnen, wie groß die Potenziale sein können, ja sein müssen, wenn die ehrgeizigen Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts erreicht werden sollen. Wir sind sicher, dass sich erfolgreiche Geschäftsmodelle der Energiewende finden werden; wir können auch benennen, in welchen Bereichen und mit welchen Funktionalitäten man in Zukunft Geschäfte machen kann. Aber bei der Frage nach den Leitplanken, der Quantität und der möglichen Vorteilhaftigkeit von Energiewende-Geschäftsideen tappen wir im Dunkeln - und fischen im Trüben.

Energy Talks Ossiach 2014

Die Energy Talks Ossiach finden am 5. und 6. Juni 2014 im Stift Ossiach zum 17. Mal statt. Seit 1997 treffen sich in Ossiach namhafte Referenten und renommierte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um über die Zukunftsgestaltung der Energiesysteme zu diskutieren . Entscheidungsträger und Wissenschaftler aus aller Welt präsentieren in Ossiach innovative Technologien, Planungsansätze, Visionen, Methoden und Projekte. Das Rahmenprogramm unterstützt die Teilnehmer, neue Kontakte zu knüpfen und die mittlerweile etablierte Ossiacher energy Community stetig wachsen zu lassen.

Im Rahmen des neu gegründeten "OTF - Ossiacher Talente Forum" vernetzen sich Talente und Mentoren und erarbeiten gemeinsam Projekte, wie Ideen für Energiewende-Produkte, neue Dienstleistungen, Forschungsansätze oder Geschäftsentwicklungen. Die Ergebnisse werden am Vorabend (4. Juni 2014) diskutiert.

Personenbeschreibung

Dr. Albrecht Reuter (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), wissenschaftlicher Leiter und Vorstand Fichtner IT Consulting AG, www. energytalks.com

Zurück zu den Beiträgen

Energiewende

Die Revolution hat schon begonnen
Roger Hackstock

Bild des Buches


Die Energiewende hat schon begonnen. Tausende Bürger und Gemeinden erzeugen Energie vor ihrer Haustür – aus Wasser, Wind, Sonne und Biomasse. Sie schließen sich in Genossenschaften zusammen, errichten Solar- oder Windparks. Die Versorgung mit Energie aus erneuerbaren Quellen hat heute eine beachtliche Größenordnung

 erreicht. Überall im Land entstehen viele kleine Kraftwerke, deren Ziel nicht maximale Ren

dite, sondern der größte Nutzen für die Bevölkerung und die regionale Wirtschaft ist. Aber die Zeit drängt: Es braucht einen Plan für die großflächige Umsetzung der Energiewende. Lokale 

Anhand vieler persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen schildert der Autor die Entwicklung umweltfreundlicher Energien seit den 1970er Jahren und gibt einen spannenden Ausblick auf das kommende Jahrzehnt, in dem die Energiewende konkret wird.Initiativen und Kleinversorger müssen zu einem Gesamtkonzept zusammengefasst werden, neue Technologien und neue Regeln für die Energiewirtschaft sind erforderlich. Was braucht es, um die Versorgung mit Öko-Strom und -Wärme rund um die Uhr zu gewährleisten? Wie funktioniert der Transport, wie die Speicherung der Überschüsse? Wird Energie dann teuer?

Dipl.-Ing. Roger Hackstock, Studium der Elektrotechnik, Schwerpunkt Umwelttechnik, an der TU Wien. Von 2002 bis 2013 Geschäftsführer des Branchenverbandes Austria Solar. Mit dem ersten solaren, nur bei Sonnenlicht sichtbaren Jahresbericht sorgte er 2012 in der Werbebranche weltweit für Aufsehen. Seit 2013 Mitglied im europäischen Energiewirtschafts-Think-Tank Energy Academy und freiberuflicher Energiepolitik-Berater.

Format 13,5 x 21,5 cm, 224 Seiten, € (A, D) 22,-; SFr 31,50
ISBN 978-3-218-00909-6

K & S Kremayr & Scheriau KG, auch als E-Book erhältlich

Zurück zu den Beiträgen

GREENFOODS – Energieeffizienz in Bäckereien

Der Weg zum nachhaltig produzierten Brot

Von Jürgen Fluch, Wolfgang Glatzl

Ziel des IEE Projektes GREENFOODS ist es, die europäische Lebensmittel- und Getränkeindustrie zu mehr Energieeffizienz und somit einer Reduktion fossiler CO2- Emissionen zu führen. Abgeschlossene Audits in österreichischen Bäckereien zeigen rasch umsetzbare Wege und Optimierungspotentiale in der Produktion und Energieversorgung hin zu einer nachhaltigen Produktion sowohl in Klein- als auch Großbäckereien auf.

Im Rahmen des Projektes GREENFOODS wird ein Branchenkonzept für verschiedene Sub-Sektoren der Lebensmittel- und Getränkeindustrie entwickelt, das Nutzerinnen bei der Identifikation maßgeschneiderter Lösungen für eine „grüne Produktion“ in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unterstützt. Durch die Kombination technischer Expertise mit Kenntnissen über Energieeffizienz und erneuerbaren Energieträger können klare Strategien für KMUs betreffend Prozessoptimierung und Energieversorgung entwickelt werden, um das Ziel einer Produktion ohne fossile CO2-Emissionen zu erreichen. Das GREENFOODS Branchenkonzept basiert auf der Durchführung und Ergebnissen von insgesamt 200 Basis-Energieaudits und daraus 20 detaillierten Audits in 6 europäischen Ländern (Österreich, Deutschland, Polen, Spanien, GB und Frankreich). Darüber hinaus wird ein GREENFOODS Trainingsmodul entwickelt, das in den Europäischen Energiemanager oder ähnliche Ausbildungen integriert wird. Spezielle und maßgeschneiderte Förderungs- und Finanzierungsmechanismen werden aufbauend auf einer Analyse bestehender Systeme entwickelt, um die Einbindung identifizierter Energieeffizienzmaßnahmen in KMUs zu erleichtern und zu fördern. Die Ergebnisse werden in sogenannten „Virtuellen Energie-Kompetenz-Zentren“ als One-Stop-Shop-Servicecenter verbreitet.

Sub-Sektor Bäckereien

Als einer der ersten Sub-Sektoren wurden in Österreich Bäckereien detailliert untersucht. Im Rahmen des Projektes wurden Daten aus 6 Bäckereien erhoben und um Daten bereits abgeschlossener Audits aus Vorprojekten (EINSTEIN, SolarFoods) ergänzt. Damit reicht die abgedeckte Betriebsgröße von sehr kleinen „Dorfbäckereien“ mit angeschlossenen Filialen über mittelgroße Bäckereien bis hin zu den größten Bäckereien Österreichs, womit ein repräsentatives Spektrum erreicht werden kann. Die Betriebsstruktur bedingt naturgemäß sehr unterschiedliche Ausgangspunkte und Voraussetzungen für Optimierungsmaßnahmen. Das beginnt beim Status-Quo der Energieversorgung und der eingesetzten Prozesstechnologie und geht bis hin zur Bereitschaft und der wirtschaftlichen Möglichkeit Maßnahmen umgehend umzusetzen

Status Quo des Energieverbrauchs

In kleineren bis mittelgroßen Bäckereien ist die Produktionsstruktur meist über die Jahre gewachsen und wurde laufend an spezifische Anforderungen angepasst. Das spiegelt sich in einer komplexen Versorgungsstruktur und den eingesetzten Technologien wider. Große Bäckereien haben ihre Standorte zumeist umfassend an neue Begebenheiten adaptiert, sind deshalb aber nicht einfacher zu evaluieren. Allen Betrieben gemein sind die wichtigsten Prozesse Backen, Reinigung und Gärung, aus deren Betriebsparametern sich die eingesetzten Energieträger ergeben. In Abbildung 1 ist eine typische Aufteilung der Energieträger eines mittelgroßen Betriebes zu sehen. Die notwendige Wärme für Backen und Gären wird meist über Erdgas und/oder Erdöl erzeugt. Dabei können die Backöfen (Stikkenöfen) entweder direkt befeuert oder über zentrale Einheiten (Dampf- bzw. Themoölkessel) versorgt werden. Bei beiden Varianten, deren Wahl auf das Produkt keine Auswirkungen hat, kann durch integrierte Wärmetauscher Restwärme aus der Abluft rückgewonnen werden, wodurch der Gesamtwirkungsgrad erhöht wird. Der sehr hohe Anteil des Strombedarfs in Abbildung 1 setzt sich aus Stromverbrauch für Kühlung, Druckluft und Produktionsprozesse zusammen (siehe Abbildung 3). In kleinen Betrieben ist der Stromanteil an der gesamten eingesetzten Energie deutlich größer. Zum einen setzen diese auch strombetriebene Backöfen ein, zum anderen sind der Produktion Verkaufsräume und Filialen angeschlossen, in denen Beleuchtung, gekühlte Vitrinen und Kühlschränke den Stromverbrauch deutlich erhöhen.

Abbildung 1: Typische Aufteilung der eingesetzten Energieträger in einem mittelgroßen Bäckereibetrieb

Abbildung 2: Weckerl in einem direkt befeuerten Stikkenofen. Quelle: Bäckerei-Konditoreiwaren-Café Bichlbäck, Niederndorf

Abbildung 3: Typische Aufteilung des Strombedarfs auf Verbrauchen in einem mittelgroßen Bäckereibetrieb

Abbildung 4: Stikkenofen. Quelle: AEE INTEC

Prozessoptimierungen

Identifizierte Optimierungspotentiale in Bäckereien aller Größen erfordern in einem ersten Schritt die Minimierung von Stillstandszeiten durch zu frühes Vorheizen der Öfen und weiters das nicht notwendige Halten der Ofen-Temperatur zwischen den Backzeiten. Beide Verlustzeiten können durch Schulung des Personals und das Abstimmen der einzelnen Backvorgänge reduziert werden. In großen Bäckereien ist das aufgrund der deutlich höheren Auslastung der Öfen und des verfügbaren Personals eher möglich als in kleinen Bäckereien. Das Aufzeigen dieses Potentials und die Schaffung des Bewusstseins dafür müssen aber in allen Betrieben passieren. So weit möglich muss auch auf eine optimierte Auslastung der Stikken geachtet werden – Ofen-Beladungen von nur 20% über einen gesamten Produktionszyklus sind keine Seltenheit. Das Potential dieser einfachen Optimierungen liegt je nach untersuchtem Betrieb zwischen 10 und 33% der in den Öfen eingesetzten Energie. Weitere, jedoch geringe Potentiale zur Prozessoptimierung konnten durch Absenkung der eingesetzten Warmwassertemperatur (Reinigung) identifiziert werden.

Systemoptimierung

Je nach bestehender Versorgungsstruktur in den Bäckereien (zentral, direkt befeuerte Öfen) sind sehr unterschiedliche Ansätze zu verfolgen. Ein erster Schritt betrifft die Backöfen an sich. Zwar werden Öfen mit integrierter Wärmerückgewinnung (Nutzung der Restenergie in der Abluft aus dem Ofen) als Stand der Technik betrachtet, jedoch wird unabhängig von der Größe der Bäckereien eine Vielzahl an Backöfen ohne integrierte Wärmerückgewinnung eingesetzt (siehe Abbildung 4). Dabei verlässt die Abluft die Öfen mit Temperaturen bis zu 220°C ungenutzt. Die Integration in ein bestehendes Versorgungsnetz oder zur Vorwärmung der eintretenden Luft ist naheliegend und kann die Energieeffizienz der Öfen um bis zu 15% erhöhen. Dies gilt auch im Falle einer zentralen Energieversorgung über Dampf oder Thermoöl für die Nutzung der Abwärme und die dadurch zu optimierende Energieeffizienz.

In Bäckereien besteht auch ein sehr hoher Kühlbedarf. Durch die Nutzung der Abwärme aus den bestehenden Kältemaschinen zur Bereitstellung von Warmwasser für die Reinigung kann die eingesetzte Gesamtenergie um bis zu 5% reduziert werden. Zur optimalen Ausnutzung der Wärmerückgewinnung aus Ablufttemperatur oder Abwärme der Kältemaschinen ist die Integration von Warmwasser-Speichern besonders in kleinen Bäckereien sinnvoll, um die Energie im Bedarfsfall nutzen zu können.

Große Bäckereien setzen teilweise anstatt direkt befeuerter Backöfen bereits zentrale Dampf- oder Thermoölnetze ein. Dadurch können zum einen die Backöfen, aber auch die Dampf- und Thermoölkessel effizient betrieben und die Nutzung der Abwärme in einem zentralen Netz sinnvoll umgesetzt werden. Für kleine Bäckereien ist eine solche Maßnahme aus wirtschaftlichen Gründen schwieriger umzusetzen.

Effiziente Energieversorgung und Integration Erneuerbarer Energieträger

Der Fokus für kurzfristige Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz in Bäckereien aller Größen muss es sein, die bestehende Infrastruktur möglichst effizient zu nutzen. Wärmerückgewinnungsmaßnahmen mit integrierten Speichern, optimierter Betrieb der Backöfen und Kessel und Vermeidung von Verlusten erhöhen die Energieeffizienz deutlich. Beim notwendigen Tausch von Backöfen ist auf eine integrierte Wärmerückgewinnung zu achten. Speziell in großen Bäckereien ist eine zentrale Versorgung der Prozesse mit Wärme und Kälte langfristig anzustreben, da damit auch die eingesetzte Energie effizienter genutzt werden kann.

Das Potential zur Integration Erneuerbare Energieträger liegt in Bäckereien im Bereich der Solarthermie und Photovoltaik. Der Bedarf an Warmwasser für die Reinigung eignet sich aufgrund des Temperaturniveaus (50 – 60°C) auch nach der Wärmeintegration zur Abdeckung mit Solarthermie, was auch ökonomisch sinnvoll bewertet werden kann. Aufgrund des hohen Strombedarfs für die Abdeckung des Kältebedarfs ist auch die Integration von Photovoltaik abhängig von verfügbaren Rahmenbedingungen sinnvoll zu prüfen.

Ausblick

Nach der erfolgten Untersuchung österreichischer Bäckereien werden die Ergebnisse dieser Sub-Branche in das GREENFOODS Branchenkonzept integriert, das allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung steht. Weiters wird zumindest ein Betrieb im Rahmen des Projektes bei der Umsetzung der identifizierten Maßnahmen aktiv begleitet. Als nächste Sub-Branche werden Fleischereien und fleischverarbeitende Betriebe im Detail bewertet und auf ihr Optimierungspotential auf Prozess- und Systemebene sowie die Integration Erneuerbarer Energieträger hin untersucht. Molkereien, Unternehmen der Fischverarbeitung, Produzenten von Babynahrung, Getreideprodukten und Futtermitteln, sowie Brauereien und Fruchtsafthersteller folgen in den nächsten Monaten. Ergebnisse können laufend über die Projekt-Homepage oder über die unten angeführten sozialen Medien verfolgt werden.

Autorenbeschreibung

DI Jürgen Fluch und Wolfgang Glatzl, BSc, sind Mitarbeiter von AEE INTEC, Bereich Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Zurück zu den Beiträgen

Erdwärmenutzung

Versorgungstechnische Planung und Berechnung
Peter Loose

Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Nutzung von Wärme niedriger Temperatur für energietechnische Zwecke. Die theoretischen Grundlagen und praktischen Erfahrungen zur Nutzung von Erdwärme werden umfassend dargestellt, auch die Voraussetzungen, planerischen Aspekte und technischen Verfahren werden erläutert. Das Buch wird durch zahlreiche Projektierungsberechnungen und die Beantwortung häufig gestellter Fragen abgerundet.

  • Umfassende Darstellung der theoretischen Grundlagen und praktischen Erfahrungen zur Nutzung von Erdwärme für energietechnische Zwecke
  • Erläuterung der Voraussetzungen, planerischen Aspekte und technischen Verfahren
  • Zusatzkapitel mit Antworten auf häufig gestellte Fragen
  • Beispielhafte Projektierungsberechnungen

Professor Dr. Peter Loose betreibt ein Ingenieurbüro für Gebäude- und Energietechnik in Berlin. Zuvor war er Gründungsdekan und Dekan des Fachbereichs Versorgungstechnik der Fachhochschule Lausitz in Cottbus.

VDE Verlag, 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2014, 158 Seiten, € 32,-
ISBN 978-3-8007-3518-1

Zurück zu den Beiträgen

Solarthermische Kühlung – Status Quo und Optimierungspotential

von Bettina Nocke, Hilbert Focke, David Hannl, Daniel Neyer, Erich Podesser, Anita Preisler und Alexander Thür

Solarthermische Kühlanlagen sind dann energetisch sinnvoll, wenn sie deutlich weniger elektrische (Hilfs-)Energie benötigen als konventionelle Kompressionskältemaschinen. In den letzten Jahren gab es international zahlreiche Aktivitäten, um diese Anlagen zur Marktreife zu bringen. In Österreich ging 2013 das Forschungsprojekt „Primärenergetische Optimierung von Anlagen zur solaren Kühlung mit effizienter Anlagentechnik und innovativen Regelstrategien“ (SolarCoolingOpt) zu diesem Thema zu Ende, das sich die primärenergetische Optimierung dieser Technologie zum Ziel gesetzt hatte.

Status Quo

Die thermisch betriebene Kältetechnik, die Solarenergie als Prozessantrieb nutzen kann, wird seit vielen Jahren beforscht, betrieben und weiterentwickelt. Trotz des grundsätzlich genialen Ansatzes – Solarenergie steht meist dann zur Verfügung, wenn auch der Kühlbedarf am höchsten ist – ist der anfängliche Enthusiasmus in den letzten Jahren vielerorts zwar nicht verschwunden, aber doch deutlich gedämpft worden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Systemkosten immer noch deutlich höher sind als für konventionelle Kühlung, und die Einsparungen an Primärenergie und an Betriebskosten oft nicht in der erwarteten Höhe eintrafen. Die Suche nach dem Grund dafür führte in den meisten Fällen nicht zu Mängeln an thermisch betriebenen Kältemaschinen oder Sorptionselementen, sondern vielmehr zu Mängeln in der Systemintegration, unzureichender Konzeptionierung und Auslegung der Komponenten, falschen Regelstrategien und fehlender Anlagenüberwachung. Genau hier setzt das gegenständliche Forschungsprojekt an. Um diesen Problemfeldern auf internationaler Ebene zu begegnen, wurde 2011 eine Forschungsgruppe der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 48) mit dem Titel „Quality Assurance & Support Measures for Solar Cooling“ gegründet. Das Projektteam arbeitet u.a. an der Entwicklung einheitlicher Bewertungsverfahren und Qualitätsanforderungen für Komponenten und Systeme der solarthermischen Kühlung. Österreich ist darin mit führenden Experten vertreten, und das Projekt SolarCoolingOpt konnte durch die IEA-Aktivitäten unterstützt werden. Einige Projektinhalte werden im Folgenden vorgestellt.

Simulationsmodelle

Ein wichtiges Werkzeug für die Anlagenoptimierung ist die Simulation. Hier sind zunächst Simulationsmodelle für die Hauptkomponenten der solarthermischen Kühlung notwendig. Für die vorrangig angewandte Simulationsumgebung TRNSYS (TRaNsient SYstems Simulation) sind die bisher verfügbaren Modelle nicht ausreichend flexibel, um ein realistisches dynamisches Betriebsverhalten abzubilden und Regelungsstrategien im Vorfeld zu untersuchen. Es wurde daher ein Modell für eine Absorptionskältemaschine, sowie für luftgeführte Anlagen ein Modell für den Sorptionsrotor einer Desiccant-Evaporative-Cooling (DEC)-Anlage entwickelt.

Im Rahmen des Projekts wurde eine Ammoniak/Wasser (NH3/H2O)-Absorptionskältemaschine (AKM) am Institut für Wärmetechnik (IWT) der TU Graz detailliert vermessen und die Messergebnisse zur Beschreibung der Betriebscharakteristik der Anlage ausgewertet. Basierend auf Massen-, Stoff- und Energiebilanzen wurden diese Daten in ein Simulationsmodell in EES (Engineering Equation Solver) übergeführt und in weiterer Folge zur Erstellung eines Kennlinienmodells für die AKM verwendet. Gemeinsam mit der Universität Innsbruck (UIBK) wurde dieses Kennlinienmodell als neues Type in TRNSYS implementiert und um das dynamische Verhalten (Start und Stopp) erweitert. Dabei wird bei Betriebspunktänderungen die thermische Trägheit der externen Kreise (Kaltwasser-, Heißwasser- und Rückkühlkreis) mit äquivalenten Speichertermen und Änderungen der internen Sammelbehälter-Füllstände berücksichtigt. Eine detaillierte Beschreibung der Modellbildung ist in [1] zu finden. Am Austrian Institute of Technology (AIT) wurde ein Simulationsmodell für einen drehzahlgeregelten Sorptionsrotor entwickelt. Es wurden unterschiedliche Strategien zur Abbildung der Drehzahlabhängigkeit untersucht und hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit verglichen. Ein vorhandenes Simulationsmodell wurde entsprechend angepasst und mit Hilfe von gemessenen Daten einer DEC-Anlage am Gebäude ENERGYbase in Wien mit variabler Drehzahl validiert. Mithilfe dieser Modelle konnten bekannte Anlagenkonzepte zur Kühlung detailliert untersucht und ihr Optimierungspotential analysiert werden. Dies betrifft sowohl die Komponentenauswahl als auch die Regelungsstrategie für die beabsichtigte Anwendung.

Geeignete Konfigurationen und Regelstrategien

Mithilfe von Simulationen wurden drei verschiedene Anlagentypen untersucht: eine Desiccant-Evaporative-Cooling (DEC)-Anlage zur Luftbehandlung, eine NH3/H2O-AKM im sehr kleinen Leistungsbereich (19 kW) und eine Großanlage mit 1,5 MW AKM als Grundlast-Kältebereitstellung in Singapur.

Im ersten Fall wurde am AIT eine DEC-Anlage für Büro- und Hotelklimatisierung an vier verschiedenen Standorten (Wien, Kairo, Athen und Honolulu) mit verschiedenen Anlagenkonfigurationen auf ihre Charakteristik hinsichtlich Innenraumkomfort und Primärenergie(PE-)bedarf untersucht. Hierbei kam das Modell des drehzahlgeregelten Rotors erstmalig zum Einsatz. Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse wird in [2] gegeben. Für mitteleuropäisches Klima konnte gezeigt werden, dass im Ganzjahresbetrieb, vor allem durch die Nutzung des Sorptionsrotors zur Feuchterückgewinnung im Heizbetrieb, Primärenergieeinsparungen über 35% möglich sind. An den Standorten Kairo, Athen und Honolulu wird im Kühlbetrieb für besseren Raumkomfort empfohlen, den Zuluftbefeuchter durch ein Kühlregister zu ersetzen. In Klimaregionen wie Kairo und Athen, wo der Kühlbedarf sehr viel höher ist als der Heizbedarf, wurden potentielle PE-Einsparungen von 20 – 23% errechnet.

Abbildung 1: Schema eines optimierten Desiccant-Evaporative-Cooling-Prozesses zur Luftbehandlung Quelle: AIT

Absorptionskältemaschine (AKM) im kleinen Leistungsbereich

Für die 19kW-AKM wurden mithilfe des neuentwickelten Simulationsmodells verschiedene Konfigurationen und Regelstrategien für die Kühlung eines Bürogebäudes über Fancoils am Standort Wien untersucht (AEE INTEC, UIBK).

Ausgehend von der Jahresenergiebilanz einer herkömmlichen Anlagenkonfiguration (mit Kaltwasser(LT-)speicher und thermischem Back-Up wurden verschiedene Varianten (z.B. mit und ohne LT-Speicher, LT-Speicher mit einem oder zwei Sensoren, Einsatz von thermischem oder elektrischem BackUp-System für Zeiten ungenügender Sonneneinstrahlung) bzw. Regelungsstrategien simuliert. Der Vergleich wurde auch für den Fall der Kühlung über Bauteilaktivierung (Geschoßdecken) durchgeführt.

Der Primärenergiebedarf wurde für alle Varianten mit dem Primärenergiebedarf einer Referenzanlage - einer Kompressionskältemaschine (KKM) mit durchschnittlicher elektrischer Jahresarbeitszahl SPFel von 2,8 (Kaltwassertemperatur 10°C) bzw. von 3,3 (für Deckenkühlung mit einer Kaltwassertemperatur von 15°C) verglichen. Der Seasonal Performance Factor SPFel bezeichnet das Verhältnis von gelieferter Kälteenergie zum Stromverbrauch. Schließlich wurde auch der Standort gewechselt und dasselbe Gebäude in Athen solar gekühlt, was natürlich eine Anpassung der Kältekapazität (35 kW statt 19) und eine annähernde Verdoppelung der Kollektorfläche und des Solarspeichers mit sich bringt.

Die wichtigsten Kennzahlen, die Aussagen über die Effizienz der Kältelieferung erlauben, sind in Abbildung 3 aufgeführt. Die Schlussfolgerungen daraus in Kürze:

Der thermische SPFth gibt Auskunft darüber, wie gut die Generator-/Antriebswärme in Kälteenergie umgewandelt werden kann. Dieser Wert ist bei höheren Kaltwassertemperaturen bzw. niedrigen Umgebungstemperaturen für die Rückkühlung (Kühlturm) deutlich besser. Das Primärenergieverhältnis für die Kälteerzeugung PERc gibt an, wieviel Kälteenergie in kWh mit einer kWh Primärenergie erzeugt werden kann. Die roten Balken in der Grafik zeigen, dass der Einsatz eines thermischen fossilen BackUps diesen Wert deutlich niedrig hält. Die direkte (Spitzen)-Kälteerzeugung über eine KKM als elektrisches BackUp, die wesentlich kleiner sein kann als die AKM, ist hier (bei mitteleuropäischem Klima) eindeutig von Vorteil. Die SolarFraction (SF) cool zeigt den solaren Anteil an der Kälteerzeugung. Der Verzicht auf ein BackUp-System (SFcool =1) führt zu exzellenter Primärenergieeffizienz, ist aber generell nur bei hohem solarem Strahlungsangebot realisierbar bzw. wenn ein gelegentliches Überschreiten der Komfortgrenzen in Kauf genommen wird.

Schließlich zeigt fsave die potentielle Primärenergieeinsparung gegenüber der jeweiligen Referenzanlage in Abhängigkeit der Kaltwassersolltemperatur (SPFel = 2,8 bzw. 3,3). Die niedrigsten (negativen) Werte entstehen, wenn der Kaltwasserspeicher mit 2 Sensoren auf ständig minimaler Temperatur gehalten wird und auch mehr Kälteenergie an das Gebäude abgegeben wird – ohne deutliche Komfortverbesserungen. Die Simulationen haben gezeigt, dass sehr gut geplante und betriebene solare Kühlanlagen mit drehzahlgeregelten Pumpen im kleinen Leistungsbereich 30 bis über 60% weniger Primärenergie verbrauchen als konventionelle Kälteanlagen.

Es hat sich außerdem gezeigt, dass der Einsatz eines Kaltwasserspeichers zumindest bei geringen Nennleistungen nachteilig und prinzipiell nicht notwendig ist. Sehr von Vorteil ist stattdessen eine dynamische Leistungsregelung über die Massenströme im Austreiber- und Rückkühlkreis sowie die Ventilatordrehzahl im Kühlturm. Hier können Kosten und Energieaufwand gespart werden. In [3, 4] sind die Simulationsergebnisse und die Regelstrategien detailliert erklärt.

Abbildung 2:
Links: Schema der untersuchten Standardkonfiguration einer Absorptionskältemaschine auf NH3/H2O-Basis mit 19 kW Kälteleistung (HT – Generatorkreis, MT – Rückkühlkreis, LT – Kaltwasserkreis) Quelle: IEA SHC Task 38 (adaptiert)
Rechts: Beispiel einer Absorptionskältemaschine)(Quelle: Pink GmbH)

Abbildung 3: Kennzahlen als Ergebnis von Jahressimulationen einiger ausgewählter Konfigurationen für Gebäudekühlung mit AKM Quelle: AEE INTEC

Absorptionskältemaschine (AKM) mit 1,5 MW Leistung

Als weiteres Untersuchungsobjekt sei die von der Fa. SOLID installierte Großanlage am United World Campus Singapur mit 1,5 MW Absorptionskälte als Vorkühlung bzw. Grundlastabdeckung (Kaltwassertemperaturniveau 16/11°C) für insgesamt 5,6 MW installierte Kompressionskälte erwähnt. Die 2012 in Betrieb gegangene Anlage wurde am UIBK simuliert, um das Effizienzsteigerungspotential möglicher Optimierungen zu quantifizieren. Da hier die AKM praktisch immer in Volllast arbeitet, sind eine ausreichend große Kollektorfläche, aber auch die entsprechende Speichergröße wichtigste Voraussetzungen. Regelbare Massenströme wie bei kleinen Anlagen sind hier zweitrangig, entscheidend ist dagegen, dass überall genau dem Bedarf entsprechend ausgelegte Hocheffizienzpumpen eingesetzt werden. Elektrische Jahresarbeitszahlen >12 sind, theoretisch mit Simulationen berechnet, möglich. Real werden in dieser Anlage derzeit SPFel von ca. 8 erreicht.

Abbildung 4: Solarunterstützte Kühlung am United World Campus Singapur. Quelle: SOLID

Kühlturmentwicklung

Versuche und Praxistests mit einem im Projekt entwickelten Funktionsmuster für eine effiziente und kostengünstige Rückkühleinheit (Podesser Consulting) konnten nachweisen, dass durch die Verwendung kostengünstiger Serienbauteile und mit geeigneter Wasserverdüsung auch ohne Füllkörper eine zufriedenstellende Kühlleistung erreicht werden kann. An den Füllkörpern sammeln sich an kaum zugänglichen Stellen Ablagerungen, die den Aufwuchs von Bakterien und Pilzen begünstigen (Kühlturmhygiene). Die Desinfektion des Wassers im gesamten Rückkühlkreislauf erfolgte durch Metallionen (Silber- und Kupferionen). Das Ansteigen der Wasserhärte des Kühlwassers wird durch Leitwertmessung und gezielte Abschlämmung verhindert. Durch Verwendung von energiesparenden EC-Motoren für Ventilator und Umwälzpumpe, sowie durch Drehzahlregelung des Ventilators kann der Stromverbrauch im Teillastbetrieb signifikant reduziert werden. Weiterentwicklungen von Rückkühlanlagen ohne Ventilatoren mit wesentlich niedrigerem Lärmpegel und reduziertem Energieverbrauch sind geplant.

Ausblick

Während der dreijährigen Projektlaufzeit konnten viele nützliche Erkenntnisse gewonnen und hilfreiche Werkzeuge entwickelt werden. Die solarthermische Kühlung ist in Österreich vorangekommen, und die Ergebnisse können auch international genutzt werden. Weitere Forschungsziele sind:

  • die bessere Ausschöpfung der dynamischen Leistungsregelung
  • das Erreichen von SPFel > 10 (sollte immer erreicht werden)
  • die weitere Reduzierung des Primärenergiebedarfs für thermische Kühlung im Zusammenhang mit der Gebäuderegelung
  • die Optimierung der Systemkonfigurationen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit
  • die Verbesserung der Zuverlässigkeit der Rückkühltechnik einschließlich der Wasseraufbereitung für offene Kühltürme
  • die Erweiterung der Betrachtung von solarthermischen auf solarelektrische Systeme bzw. Kombinationen aus beiden

Literatur

  1. „Stationäres und dynamisches Betriebsverhalten einer Ammoniak/Wasser-Absorptionskälteanlage – Experimentelle Analyse und Simulationsmodellbildung“, D. Hannl, D. Neyer, R. Rieberer, W. Streicher, Gleisdorf Solar 2012, Internationale Konferenz für Heizen und Kühlen, A-Gleisdorf
  2. “Results of system configurations to optimize solar-driven desiccant evaporative cooling systems in full year operation”, A. Preisler, M.Brychta, SHC 2013, International Conference on Solar Heating and Cooling for Buildings and Industry, D-Freiburg
  3. SolarCoolingOpt: Publizierbarer Endbericht 2014
  4. “Dynamic power control of a small capacity chiller, modeling and first results”, D. Neyer, B. Nocke, A.Thür, M. Brychta, 5th International Conference Solar Air-Conditioning 2013, D-Bad Krozingen
  5. „Solares Kühlen – Technologie – Planung – Betrieb“, Broschüre im Rahmen von SolarCooling Opt (Neue Energien 2020, FFG-Nr.825544), 2013

Autorenbeschreibung

DI Bettina Nocke, PhD, ist Mitarbeiterin von AEE INTEC, Bereich Solarthermische Komponenten und Systeme (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Hilbert Focke ist Projektmanager am Austrian Solar Innovation Center ASiC

DI David Hannl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik der TU Graz

DI Daniel Neyer und DI Alexander Thür, PhD sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Arbeitsbereichs Energieeffizientes Bauen an der Universität Innsbruck (UIBK)

DI Dr.Erich Podesser, Podesser Consulting, Theodor-Körner-Str. 35, 8010 Graz

DI Anita Preisler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Austrian Institute of Technology GmbH ,

Top of page