Zeitschrift EE

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Bettina MusterSlawitsch Forscherin, Bergfex und Mama

Ich bin Bettina Muster-Slawitsch, leidenschaftliche Forscherin, Bergfex und Mama von 4 Kindern. Ich habe 2006 mein Studium „Industrieller Umweltschutz/Verfahrenstechnik“ an der Montanuniversität Leoben abgeschlossen und nach einem Volontariat an der Universität in Managua, Nicaragua begonnen, bei der JOANNEUM RESEARCH (bei meinem späteren Doktorvater Hans Schnitzer) zu arbeiten, wo ich schon während des Studiums laufend als Praktikantin mitarbeiten durfte. Mein Forschungsfokus lag schon damals auf Energieeffizienz in Industriebetrieben und erneuerbarer Energie, und 2010 bekam ich die Gelegenheit, gemeinsam mit Christoph Brunner zu AEE INTEC zu wechseln und Christoph im Aufbau des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme (IPE)“ zu unterstützen. Durch spannende Projekte in der Brauindustrie und das Projekt SOCO, in welchem ich die Algorithmen für das Wärmerückgewinnungs-Software Tool SOCO entwickeln durfte, konnte ich genügend Daten und Erfahrungen sammeln, um während meiner ersten beiden Karenzzeiten meine Dissertation fertig zu stellen „Thermal Energy Efficiency and Process Intensification for the Food Industry“.

Foto: AEE INTEC

Schon während meiner Dissertation fokussierte sich mein Interesse auf den Einsatz von radikal neuen Technologien zur Erhöhung von Prozessund Energieeffizienz. An der TU Delft durfte ich bei Prof. Stankiewicz hier wichtige Erfahrungen sammeln. Heute beschäftigen wir uns in der IPE-Gruppe bei AEE INTEC intensiv mit zwei dieser „emerging technologies“ – der Membrandestillation und oszillierenden Reaktoren. Der Einsatz dieser Technologien in der Industrie zeigt große Potenziale und wirft spannende Detailfragestellungen auf – in diesem Spannungsfeld zwischen grundlegenden chemischen Fragestellungen und industrieller Einsetzbarkeit fühle ich mich wohl und liebe die Herausforderungen. 2017 bekam ich ein Stipendium des australischen Außenund Bildungsministeriums für ein Post-Doc-Projekt an der Victoria Universität in Melbourne und widmete mich dort für einige Monate der Einsatzmöglichkeit von Membrandestillation in der Fleischindustrie. Meine damals drei Kinder kamen mit und durften Australien als Heimat kennenlernen die Erfahrungen und Eindrücke werden wir alle nie vergessen.

Foto: privat

Ich bin sehr froh, trotz meiner vielen Babypausen wissenschaftlich arbeiten zu können und auch strategisch arbeiten zu dürfen. Das erfordert natürlich viel persönlichen Einsatz auch während der Karenzzeiten, aber ich bin sehr dankbar, dass mir das bei AEE INTEC durch flexible Arbeitszeiten und Wertschätzung des Mama-Forscherin-Spagats ermöglicht wird. Es ist nicht selbstverständlich, dass man ein schlafendes Baby mit in eine Besprechung bringen darf und genau das ermöglicht mir, mehr zu arbeiten und mitzudenken, als ich es sonst schaffen könnte. Meine Kraftquelle sind die Berge – wann immer möglich sind wir mit Bergschuhen oder Skitouren-Ski auf Gipfeln unterwegs. Durch das Haus meiner Eltern in Oppenberg ist uns das glücklicherweise sehr oft möglich und wir verbringen sehr viel Familienzeit in den Bergen. Zuhause sind wir in Rein, nördlich von Graz, wo wir gerade ein altes Bauernhaus umbauen und es genießen, die Grazer Hügelund Berglandschaft vor der Haustür zu haben.

Wie herrlich für den Forschergeist, dass man noch längst nicht alles weiß. Er kann vergnügt sein ganzes Leben, nach Wissen und nach Weisheit streben. Zu hoffen bleibt, dass es gelingt, dass es der Menschheit Gutes bringt.

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Rebekka Köll gewinnt ACR Woman Award

Rund 250 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Politik folgten der Einladung zur 17. ACR-Enquete in die Industriellenvereinigung, um die gemeinsame Forschungsleistung von KMU und den anwendungsorientierten Forschungsinstituten der ACR zu würdigen. Vergeben wurden, unterstützt durch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, zum 13. Mal die ACR-Kooperationspreise, zum 9. Mal der ACR Woman Award und zum 2. Mal der ACR Start-up Preis powered by aws. Nach der Begrüßung durch den Hausherrn und Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Kapsch folgte ein Eröffnungsgespräch mit Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Heinz Faßmann, Generalsekretär im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Michael Esterl und ACR-Präsident Martin Leitl.

Foto: ACR / APA-Fotoservice / Martin Hörmandinger

Der ACR Woman Award, der seit 2010 im Rahmen der Enquete verliehen wird, macht die Leistung von Frauen in Technik und Wissenschaft sichtbar und schafft Vorbilder. „Diese ACR-Auszeichnung schafft Bewusstsein, indem sie Frauen, die sich in den Naturwissenschaften und in der Technik bewähren und sich einen Platz in der Forschung erarbeitet haben, vor den Vorhang holt und ihre Leistungen wertschätzt“, so Juryvorsitzende und Laudatorin Barbara Weitgruber, Sektionschefin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Rebekka Köll von AEE INTEC erhielt den ACR Woman Award 2018 für ihre Leistungen im internationalen Projekt „COMTES“ und die institutsinterne Projektleitung des EU-Projekts „SCORES“. Die 27-jährige Forscherin ist seit 2014 bei AEE INTEC tätig und hat sich auf innovative Energiespeichermethoden spezialisiert. In dem von der EU geförderten Forschungsprojekt COMTES werden drei Technologien für eine saisonale Wärmespeicherung vorangetrieben. Das Ziel dabei ist es, Wärmespeicher mit wesentlich geringerem Volumen als vergleichbare Systeme mit Wasser als sensiblem Speichermaterial zu entwickeln.

Im Rahmen von „SCORES“ wird die Nutzung von Elektrizität und Wärme im Gebäudebereich optimiert und eine Steigerung des Eigenverbrauchs von lokal erzeugter, erneuerbarer Energie forciert. Um diese Ziele zu erreichen, werden relevante Schlüsseltechnologien weiterentwickelt und in Bezug auf Kompaktheit und Kosten untersucht. Eine optimale Systemintegration der einzelnen Technologien in einem ausgefeilten Gebäudeenergiemanagementsystem soll eine möglichst hohe Systemeffizienz und -flexibilität gewährleisten. Schlussendlich wird das SCORES-System unter realen Bedingungen an zwei klimatisch unterschiedlichen Standorten demonstriert werden. Durch dieses umfassende Forschungsvorhaben werden nicht nur technische Aspekte, sondern auch Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Nutzen für die Umwelt untersucht.

Weiterführende Informationen:

AEE INTEC ist Mitglied des Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research (ACR)

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Vergleichsstudie Infrarotversus konventionelle Heizung

Der Trend zur Infrarotheizung in Wohngebäuden hat sich in letzter Zeit deutlich verstärkt. Hersteller preisen viele Eigenschaften der Heizsysteme, wie zum Beispiel geringe Anschlussleistung, exakt geregelte Betriebszeiten, Einzelraumregelung, markant reduzierte Investitionsund Betriebskosten, keine Wartungsoder Nebenkosten, sowie erhöhte Behaglichkeit an. Zur Objektivierung bzw. Bestätigung dieser Aussagen existieren jedoch kaum unabhängige und wissenschaftlich fundierte Studien. Aus diesem Grunde wurde AEE INTEC von der Fachabteilung A15 "Energie und Wohnbau" der steiermärkischen Landesregierung mit der Durchführung eines entsprechenden Monitoring-Projekts betraut.

Dreidimensionale Analyse der thermischen Behaglichkeit im Raum (PMV-Index). Quelle: AEE INTEC

Wohnanlage Kaindorf an der Sulm

Unterstützt wurde das Projekt von der ENW Gemeinnützige Wohnungsges.m.b.H. aus Graz. Der Wohnbauträger stellte zwei baugleiche, identisch orientierte Gebäude einer neuerrichteten Siedlung in Kaindorf an der Sulm für dieses einzigartige Monitoring-Projekt zur Verfügung. Die kompakten Gebäude mit jeweils sechs Wohneinheiten wurden im Niedrigenergiestandard mit einem HWB von 28 kWh/m2a errichtet. Eines der beiden untersuchten Gebäude wird mit Hilfe von Infrarot-Paneelen beheizt (Stromdirektheizung), das andere verfügt über ein Radiatorheizsystem, welches durch Fernwärme gespeist wird. Im elektrisch beheizten Objekt wurde zusätzlich für jede Wohnung jeweils eine eigene 2 kWp-Photovoltaikanlage installiert.

Die Planung, Ausschreibung und Ausführung der beiden Heizsysteme wurde nach den üblichen Verfahren durch kompetente Unternehmen der jeweiligen Branchen durchgeführt. AEE INTEC war bei Planung und Ausführung nicht involviert, stattete jedoch beide Gebäude mit sehr umfassender Messtechnik aus. Auf Basis dieser Sensoren konnten alle für die Untersuchung relevanten Parameter zeitlich hochaufgelöst erfasst werden. Dies waren insbesondere: Energieverbrauch für Heizung, Warmwasser und Haushaltstrom (inkl. Verlusten), PV-Produktion, -Eigenverbrauch und –Einspeisung, Raumtemperaturen, Raumluftfeuchten, CO2 -Konzentrationen, Fensteröffnungszeiten, sowie das lokale Außenklima in Form von Lufttemperatur, Globalstrahlung und Luftfeuchte. Zusätzlich wurden zeitlich begrenzt lokale Behaglichkeitsmessungen und Befragungen der NutzerInnen durchgeführt. Auf Basis der gemessenen Daten konnte im September 2018 eine umfangreiche Auswertung durchgeführt werden. Diese umfasst sowohl energetische, wirtschaftliche, umweltrelevante, als auch behaglichkeitsrelevante Analysen. Einige wichtige Erkenntnisse der Untersuchung sollen hier kurz zusammengefasst werden. Für weitere und detaillierte Ergebnisse wird auf den umfangreichen Endbericht verwiesen (siehe Link unten).

Kosten und Wirtschaftlichkeit

Beim Vergleich der Herstellungskosten lag das Infrarot-Abgabesystem nur leicht unter dem Radiatorsys tem (-4 %). Maßgebliche Kostenfaktoren stellten der Fernwärme-Anschluss bzw. die Photovoltaik-Anlage dar. Vergleicht man die gesamten Investitionskosten für die Heizungsund Elektroinstallationen inkl. PVAnlage, so waren diese im elektrisch beheizten Gebäude um 12 % höher (299 € zu 267 €/m2WNF).

Für die Nettobetriebskosten der Heizungsanlagen konnte im Jahr 2017 ein Wert von 291,8 € für die durchschnittliche mit Fernwärme beheizte Wohnung (73,0 m2) ermittelt werden, beim elektrisch beheizten Objekt ergaben sich 266,6 € (-8,6 %) bei gleicher Wohnungsgröße.

Bei der Übertragung dieser Ergebnisse auf andere Objekte gilt es zu berücksichtigen, dass die Kostenstruktur für den Betrieb sehr unterschiedlich ist. Der Anteil der betriebsgebundenen Kosten ist bei der Stromdirektheizung deutlich höher, dementsprechend sind die Heizkosten stark vom jeweiligen spezifischen Heizwärmebedarf abhängig.

Vergleich der monatlichen Treibhausgas-Emissionen zweier Wohnungen (73 m2 WNF) Quelle: AEE INTEC

Energie, Primärenergie und Treibhausgasemissionen

Beim Vergleich des Energieverbrauchs der Heizung ergab sich ein um ca. 20 % geringerer Energieverbrauch bei der Stromdirektheizung. Bei einer detaillierten Betrachtung zeigte sich, dass diese Differenz vorwiegend auf die Verteilverluste in bzw. zu den Fernwärme-Objekten zurückzuführen ist. Die in den Wohnungen abgegebenen, nutzbaren Energiemengen waren also weitgehend vergleichbar.

Zur Analyse der Umweltauswirkungen wurde eine stündliche Bewertung der aktuellen Elektrizitätszusammensetzung in Österreich durchgeführt. Bei dieser zeigte sich, dass insbesondere im Winter auch in Österreich ein hoher Anteil an nicht-erneuerbaren Energiequellen zur Bereitstellung der Elektrizität benötigt wird. Aus diesem Grund lag der Primärenergiebedarf aus nicht erneuerbaren und nuklearen Energiequellen beim elektrisch beheizten Objekt um den Faktor 8 höher. Folglich waren auch die Treibhausgasemissionen, welche bei der Beheizung verursacht wurden, markant höher. Während bei der Bereitstellung einer Kilowattstunde nutzbarer Heizenergie mit Fernwärme 53 g CO2 -Äquivalente emittiert wurden, waren dies in der elektrisch beheizten Wohnung 310 g (+487 %).

Behaglichkeit

Sowohl bei den Befragungen der BewohnerInnen, als auch bei den Begehungen wurden signifikante Beeinträchtigungen der Behaglichkeitssituation in den mit Infrarotpaneelen beheizten großen Räumen mit lediglich einem zentral angeordneten IR-Paneel festgestellt. Beinahe alle BewohnerInnen bemängelten die ungleichmäßige Verteilung der Wärme im Raum. Insbesondere im Wohn-/Essbereich scheint die Beheizung mit nur einem Infrarot-Deckenpaneel ungünstig zu sein. Es konnte durch Modellierung und dreidimensionale Auswertung gezeigt werden, dass zentral im Raum eine physiologisch ungünstige, hohe vertikale Strahlungsasymmetrie vorliegt, während weiter entfernte und abgeschattete Bereiche des Raums als zu kühl empfunden werden.

Die gleichmäßige Verteilung der Strahlungswärme im Raum stellt insbesondere bei Paneelen mit geringen Flächen und hohen Oberflächentemperaturen auf Grund der physikalisch wirksamen Prinzipien eine maßgebliche Herausforderung dar. Insbesondere bei Deckenmontage gilt es zusätzliche physiologische Sensitivitäten zu berücksichtigen.

Monatlicher spezifischer Heizstromverbrauch und Eigendeckung durch PV-Anlage Quelle: AEE INTEC

Photovoltaik-Eigendeckung

Bei der Analyse der Photovoltaik-Eigendeckung des Heizstroms zeigt sich das natürlich bedingte Missverhältnis zwischen Bedarf und Angebot. Naturgemäß ist der Heizbedarf bei modernen Gebäuden immer dann am höchsten, wenn jahreszeitlich, tageszeitlich oder witterungsbedingt nur ein geringer solarer Eintrag verfügbar ist. Zu diesen Zeiten steht folglich in der Regel auch nur wenig PhotovoltaikStrom zur Verfügung. Dementsprechend liegt der Eigendeckungsgrad des Heizstroms in den heizintensivsten Monaten November bis Februar im Mittel nur bei 13,3 %. In den Monaten der Übergangsjahreszeit ergeben sich höhere Eigendeckungen bis 30 % und darüber. Insgesamt wurde für das untersuchte Jahr 2017 ein Eigendeckungsgrad des Heizstroms von 20 % ermittelt.

Monatliche Primärenergiefaktoren und Treibhausgas-Emissionen für den österreichischen Verbraucherstrommix (2017). Quelle: AEE INTEC

Analysiert man den gesamten Eigennutzungsgrad der Photovoltaikanlage (Heizung, Warmwasser, Haushaltsstrom) im Jahr 2017, so ergeben sich umgekehrt in den Wintermonaten Werte von 53 % bis 78 %, während im Juni auf Grund des Überangebots nur 16 % im Haushalt genutzt werden können. Auf das gesamte Jahr bezogen lag der Eigennutzungsgrad bei 32 %. Auf Basis der Untersuchung wurden zur Erhöhung der Eigennutzung Zeitschaltuhrregelungen für die Warmwasserbereitung nachgerüstet. Erste Analysen des Folgejahres zeigen bereits eine Erhöhung der Eigennutzung.

Zusammensetzung des österreichischen Strommix im Jahr 2017 (168h-Mittelung) Quelle: AEE INTEC

Fazit

In diesem einzigartigen Monitoring-Projekt konnten wertvolle Erkenntnisse zum Thema Infrarot-Heizung im Neubau gewonnen werden. Diese sind einerseits allgemeiner Natur, kommen aber andererseits spezifisch den EigentümerInnen und BewohnerInnen der untersuchten Objekte zugute. Es wurden auf Basis der Untersuchung bereits Verbesserungsund Adaptierungsarbeiten in den Wohnungen durchgeführt, deren Wirkung in einem Anschlussprojekt von AEE INTEC gemonitort und analysiert wird.

Autoren

Dipl.-Ing. Daniel Rüdisser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Bauen und Sanieren“
bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. Karl Höfler ist Leiter des Bereichs „Bauen und Sanieren“ bei AEE INTEC.

Dipl.-Ing. Reinhard Pertschy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs "Messtechnik" bei AEE INTEC.

Ing. Waldemar Wagner ist Leiter des Bereichs "Messtechnik" bei AEE INTEC.

Weiterführende Informationen:
Abschlussbericht InfraMess http://www.aee-data.at/downloads/inframess.pdf

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Konzeptentwicklung und deterministisch/stochastische Bewertung kalter Fernwärme

51 % des Endenergiebedarfes der EU wird zur Wärmeund Kälteversorgung verwendet. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist daher eine vollständige Dekarbonisierung der Wärmeund Kälteversorgung erforderlich, die mittels innovativer Konzepte eingeleitet werden soll.

Anergieleitungsbau Foto: anex Ingenieure AG

Wärmeund Kältenetze werden dabei als Schlüsseltechnologie betrachtet, da sie durch intelligente Vernetzung von Erneuerbaren und Abwärmequellen, Speichern, Wärmeabnehmern und durch Kopplung mit anderen Energieversorgungsnetzen (Strom, Gas) und Infrastruktur (Abwasser, Abwärme) eine Steigerung der Gesamteffizienz sowie die Reduktion des Primärenergiebedarfes ermöglichen.

Kalte Fernwärme (KaFe) oder Anergienetze können durch Versorgungstemperaturen von <30°C niedrigexergetische Wärmequellen wie Abwärme oder Erneuerbare nutzbar machen, Transportverluste fast vollständig eliminieren, signifikante Primärenergieeinsparungen gegenüber dem Stand der Technik erreichen und mit der gleichen Infrastruktur sowohl Wärme als auch Kälte bereitstellen.

Innovative Netztypologien erlauben dabei ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich Versorgung von Bestandsund Neubau sowie Ausbau und Integration neuer Quellen, Senken und Speicher. Erste Demonstrationsanlagen mit einfacher Systemkonfiguration in der Schweiz zeigen dies eindrucksvoll vor.

Das Projekt DeStoSimKaFe:
Bevor das Potential dieser Technologie voll ausgeschöpft und planbzw. umsetzbar wird, müssen wissenschaftlich fundiertes Grundlagenwissen und Methoden erarbeiten werden, die eine ganzheitliche Konzeption und Bewertung solcher Systeme ermöglicht. Es fehlen unter anderem Grundlagen zur Bewertung des Nutzens, Methoden zur Entwicklung ganzheitlicher Systemlösungen und Geschäftsmodelle, Wissen über Minimalanforderungen, Anwendungsgebiete und Einsatzgrenzen und wissenschaftlich fundierte Methoden zur Langzeitbeurteilung.

Übergeordnetes Ziel des Projektes ist es, die Anwendund Umsetzbarkeit innovativer und nachhaltiger Wärmeund Kälteversorgung auf Basis kalter Fernwärme zu ermöglichen bzw. zu erhöhen. Um das zu erreichen, erfolgt die Entwicklung komplexer technischer Systemlösungen und methodischer und simulationstechnischer Grundlagen für die Konzeption, Planung und langfristige Bewertung solcher Systeme. Weiters wird ein stochastisches Modell für die Langzeitbewertung von Systemlösungen auf Basis variierender Rahmenbedingungen und exogener Szenarien entwickelt. Aufbauend auf den erarbeiteten Systemlösungen und der technisch/ökologischen Bewertung werden maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen für kalte Fernwärme erarbeitet, die dann in eine ökonomische Bewertungsmethode einfließen.

Auftraggeber: Klimaund Energiefonds
Projektpartner: anex Ingenieure AG, Institut für Wärmetechnik der TU Graz, Energieinstitut Vorarlberg, 3F Solar Technologies GmbH, Ochsner Energietechnik GmbH
Ansprechperson: Dr. Hermann Edtmayer, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen: www.destosimkafe.aee-intec.at

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Renewable Gasfield und UpHy - zwei Projekte der Vorzeigeregion WIVA P&G

Horst Steinmüller, Alexander Trattner, Klaus Neumann, Michael-Dieter Ulbrich

Österreich hat sich im Rahmen der Klimastrategie #mission2030 zum Ziel gesetzt, den nationalen Gesamtstromverbrauch zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Im Zuge der Energiewende nimmt der Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu, wobei Windkraft und Photovoltaik am stärksten ausgebaut werden. Ein Schlüssel zur Systemintegration dieser fluktuierenden erneuerbaren Energien liegt in Langzeitspeichern basierend auf Wasserstoff und synthetisch erzeugtem Erdgas. Die Produktion erneuerbaren synthetischen Erdgases kann aus grünem Wasserstoff und Rohbiogas CO2-neutral erfolgen. Dieses Credo der Vorzeigeregion WIVA P&G (Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power & Gas) stellt auch die Basis für zwei im ersten Call genehmigte Projekte dar. Beide Projekte beschäftigen sich mit der Herstellung von grünem Wasserstoff mittels PEM-Elektrolyse.

Abbildung. Quelle HyCentA Research GmbH

Synthetisches Erdgas

Das im ersten Call genehmigte Projekt „Renewable Gasfield“ demonstriert vorbildlich die Sektorkopplung, indem der Strom einer Photovoltaikanlage zu Wasserstoff umgewandelt wird, der über Trailer für industrielle Anwendungen abgegeben wird, als Treibstoff bei einer öffentlichen 350 bar-Wasserstofftankstelle zur Verfügung steht, direkt ins Gasnetz eingespeist und für die Methanisierung von Biogas und nachheriger Einspeisung ins Gasnetz genutzt wird. Mit diesem Projekt sollen besonders die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Wasserstoff und deren Eingliederung ins Energiesystem demonstriert werden. Dabei steht die Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten im Fokus der Entwicklung der vielseitig einsetzbaren Anlageninfrastruktur. So existiert am gewählten Projektstandort südlich von Graz eine 1 MWel Biogasanlage, die derzeit nur mit halber Auslastung betrieben wird und sich daher ideal für die Kopplung mit einer lastflexiblen Methanisierungsanlage eignet. Die eingesetzte Methanisierungstechnologie, wie sie in Kombination mit fluktuierenden erneuerbaren Energien notwendig ist, wurde in einem früheren Projekt (RSA Optfuel) entwickelt und im Pilotmaßstab umgesetzt. Im Zuge von „Renewable Gasfield“ erfolgt die Demonstration dieser Technologie im großen Maßstab mit direkter Kopplung zu einer bestehenden Biogasanlage. Bei der Vorbehandlung des Biogases werden lediglich katalysatorschädliche Substanzen durch Adsorption abgeschieden. Das Biogas kann danach direkt der Methanisierung zugeführt werden, wodurch eine sonst übliche aufwändige CO2-Abscheidung vor der Einspeisung ins Erdgasnetz entfällt. Die Modularität des Infrastrukturkonzepts ist eine weitere Schlüsselinnovation, die eine unabhängige Erweiterung und Anpassung aller Anlagenteile an zukünftige Anforderungen ermöglicht. Durch Einspeisung des synthetisch erzeugten Erdgases in das bestehende Netz sowie die Bereitstellung des Wasserstoffs über Trailerabfüllung und die öffentliche 350 bar-Wasserstofftankstelle werden die Sektoren Haushalt, Industrie und Mobilität mit grünen Energieträgern versorgt. Das innovative und an die lokalen Gegebenheiten anpassbare Anlagenkonzept inklusive Demonstration der lastflexiblen Methanisierung liefert neue, wirtschaftliche Geschäftsmodelle, positive ökologische Auswirkungen und hohe Attraktivität für unterschiedliche Anlagenbetreiber.

Wasserstoff für Mobilität und Industrie

Das Projekt „UpHy I“ (Upscaling of green hydrogen for mobility and industry) stellt einen wesentlichen Baustein für den Ausbau der Wasserstoffmobilität in Österreich dar.

In Österreich versursacht der Mobilitätssektor rund 30 % der gesamten Treibhausgasemissionen. Die Elektromobilität mittels Brennstoffzellenantrieb, basierend auf grünem Wasserstoff, bietet dahingehend großes Potential, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dies trifft insbesondere auf den Anwendungsbereich der Langstrecken- und Allzweckfahrzeuge, wie etwa PKW, Busse und LKW, zu. Trotz alledem gestaltet sich die Einführung der Wasserstoff-Mobilität schwierig und die Entwicklung geschieht langsam. Die limitierte Anzahl an brennstoffzellenbetriebenen Elektrofahrzeugen, fehlende Kapazitäten für die wirtschaftliche Produktion von grünem Wasserstoff, eine daraus resultierende überschaubare Anzahl an Tankstellen sowie die anspruchsvollen Anforderungen der Gesetzgebung für Wasserstoff-Tankstellen sind Gründe dafür. Offiziell errichtete oder erneuerte Wasserstoff-Tankstellen müssen ab dem 18. November 2017 den technischen Anforderungen der ISO 14687-2 und EN 17124 genügen. Aktuell können jedoch die erforderlichen Nachweisgrenzen zur Ermittlung der Wasserstoff-Qualität noch nicht von unabhängigen Prüfstellen ermittelt werden. Darüber hinaus sind messtechnische Lösungen für die Eichung der abgegebenen WasserstoffMasse nach den derzeitigen Standards nicht ausreichend, um große Mengen abzugeben, und müssen vor einem weiteren Ausbau geklärt werden. Die heute betriebenen Wasserstofftankstellen sollen dann mit den entsprechenden Systemen nachgerüstet werden. „UpHy I“ befasst sich mit der Entwicklung von grüner Wasserstoffproduktion und -verteilung sowie mit der dafür benötigten Eichmesstechnik der Wasserstoffmasse und -qualität. „UpHy I“ soll durch die Entwicklung von offiziellen Eichmethoden der Gasqualität und Abgabemenge einen stetigen Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetzes ermöglichen. Das Ziel von „UpHy I“ ist demnach die Entwicklung von modernen Analysemethoden zur Ermittlung der geforderten Qualitätsparameter direkt an der Zapfsäule.

Zusätzlich werden Szenarien möglicher Ausbaukonzepte grüner Wasserstoff-Produktion sowie zugehöriger Wasserstoff-Logistik untersucht und entwickelt. Dies bildet auch die Basis für das Folgeprojekt „UpHy II“, in dem aufbauend auf die Entwicklungen von „UpHy I“ eine grüne Wasserstoff-Produktion, eine modulare Wasserstoff-Wertschöpfungskette, bestehend aus einer 350 bar-Trailer-Füllstation und einer 350 bar-Betankungsinfrastruktur für Busse und LKW, nach neuesten Standards errichtet werden. Mit den erzielten Resultaten von „UpHy I“ sollen neue Geschäftsmodelle in Bezug auf die Verwendung von grünem Wasserstoff in der Mobilität sowie der Industrie entwickelt werden.

Die modulare Wasserstoff-Wertschöpfungskette dient auch als Technologiebasis zur Durchführung des geplanten Folgeprojekts „UpHy II“, mit dem Ziel, die bisher größte, rein auf Wasserstoff basierende Fahrzeugflotte Österreichs zu versorgen. Abschließend werden Optimierungspotentiale über die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette anhand begleitender Analysen identifiziert.

Beide Projekte sollen nicht nur die Wasserstoffproduktionstechnologie optimieren, sondern auch die Vielseitigkeit der Wasserstoffanwendung unterstreichen. Dies ist insbesondere für eine Vorzeigeregion, die die Umstellungsmöglichkeit auf erneuerbare Gase zu einem Hauptziel erklärt hat, von großer Bedeutung.

Autoren

Dipl.-Ing. Dr. Horst Steinmüller ist Geschäftsführer des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität in Linz und beschäftigt sich seit nahezu 30 Jahren mit Technologieentwicklungen zur Umstellung auf ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem. Er ist Obmann des Vereins WIVA P&G. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. techn. Alexander Trattner ist Chief Executive Officer der HyCentA Research GmbH in Graz.

Prokurist Dipl.-Ing. Klaus Neumann, Stabstelle Produktentwicklung Koordination der Energie Steiermark Technik GmbH.

Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael-Dieter Ulbrich ist Projektleiter von UpHy I in der Technischen Entwicklung, OMV Refining & Marketing GmbH, Wien.

Weiterführende Informationen: https://www.wiva.at/v2/

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