Zeitschrift EE

erneuerbare energie: 2.2020

„Ich habe dafür gelebt“

Franz Mair hat drei Jahrzehnte lang maßgeblich die Vorgaben für eine nachhaltige Energiewirtschaft im Bauwesen im Bundesland Salzburg mitgestaltet. Seine Projekte und Initiativen hatten Vorbildcharakter auf nationaler und internationaler Ebene und setzen heute noch Standards in der Szene. Ein Gespräch über Erreichtes und noch zu erreichendes mit Fragen von Heidi Rest-Hinterseer und Diethold Schaar.

Herr Mair, Sie gehen mit Ende November 2020 in Pension. Mit welchem Gefühl gehen Sie in diesen neuen Lebensabschnitt?

Franz Mair: Ich gehe mit einem guten Gefühl, da es gelungen ist die Nachhaltigkeit im Bauwesen doch deutlich zu verbessern. Die Instrumente für die Realisierung und den Betrieb von nachhaltigen Gebäuden mit hoher Gesamtenergieeffizienz zeigen gute Wirkung.

Meine Begeisterung für diese Themen werde ich wohl nicht so schnell ablegen, auch wenn jetzt eine neue Lebensphase kommt. Ich werde mich freuen, wenn ich dann noch gelegentlich um Rat gefragt werde – aber alles in allem glaube ich, dass ich sehr gut umschalten und was anderes machen kann. Natürlich hoffe ich, dass meine Arbeit auch in Zukunft mit ausreichend großer Professionalität sowie Widerstandskraft gegen rückwärts gerichtete Kräfte fortgesetzt wird.

Wie waren Ihre Anfänge in Salzburg?

Ich habe 1990 beim Amt der Salzburger Landesregierung in der Wohnbauförderungsabteilung begonnen. Von meiner Ausbildung her bin ich Maschinenbauer mit einem anschließenden Post-Graduate-Studium für technischen Umweltschutz. Nach dem Studium war ich in der Industrie, in der Kraftwerkstechnik im Bereich Reinigung von Rauchgasen beziehungsweise der Optimierung von Prozessen, wo es darum gegangen ist, die negativen Umwelteinflüsse der Kraftwerke und Industrieanlagen zu reduzieren. Damals ging es vor allem darum, die hohen Schadstoffemissionen aus der fossilen Energieerzeugung zu reduzieren um u.a. das Waldsterben zu verhindern.

Ich habe mir damals schon gesagt, dass es auch anders gehen muss. Man muss effizienter werden und man muss erneuerbare Energie einsetzen, statt fossiler Brennstoffe wie zum Beispiel Kohle.

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Warum haben Sie dann die Seiten gewechselt – von der Industrie zur Verwaltung?

Ich habe mich damals sehr bewusst für eine Anstellung beim Land Salzburg entschieden, weil ich persönlich der Meinung war, dass man im öffentlichen Bereich mit Gesetzen und Verordnungen einen großen Hebel hat, um von der Energieverschwendung zu mehr Effizienz und zur Nutzung erneuerbarer Energieträger zu kommen.

Das war dann auch so. Die Wohnbauförderung hat schon damals den politischen Auftrag gehabt, den Wohnbau zu ökologisieren, also über die bestehenden Anforderungen des Baurechts hinaus bessere Qualität zu liefern – sowohl was die Energieeffizienz betrifft, als auch den Einsatz erneuerbarer Energieträger. Damals wurden von den Bauträgern viele Stromheizungen installiert. Man hat bald erkannt, dass wir sehr hohe Energiekosten für die Wärmeversorgung der Wohnungen und gleichzeitig hohe Emissionen durch die fossile Stromerzeugung im Winter hatten. Es war eine meiner ersten Aufgaben, ein Modell zu entwickeln, dass die Wohnungskäufer und Mieter vor den hohen Folgekosten schützt. Danach mussten die Bauträger von geförderten Wohnungen nachweisen, dass die Stromheizung die günstigsten Vollkosten aufweist, was kaum möglich war. Damit war das Thema schlagartig erledigt.

Ging es am Anfang Ihrer Laufbahn in Salzburg also noch mehr darum, die technischen Probleme zu lösen und zum Beispiel die drohende Überlastung des Stromnetzes zu verhindern?

Ganz so kann man das nicht sagen. Der Fokus war in der Wohnbauförderung schon darauf gerichtet, dass man erneuerbare Energieträger einsetzt und energieeffizienter wird. Schon im Jahr 1993 wurde ein Zuschlagspunktefördermodell zur Verbesserung der Wärmedämmung und für die Verwendung erneuerbarer Energieträ- ger eingeführt. Je besser der Wärmeschutz und umso höher der Anteil des Einsatzes erneuerbarer Energie, desto mehr Wohnbauförderung. Erst später wurden die energetischen Anforderungen auch in der Bauordnung auf Basis der EU-Vorgaben sukzessive in diese Richtung getrimmt.

War der Umweltgedanke für Sie persönlich schon immer ein wichtiges Thema?

Ich habe gelebt dafür. Ich habe genau gewusst, dass ich in die Verwaltung einsteige, weil ich diese Themen unbedingt dort unterbringen wollte. Etwas überrascht hat mich dann doch, wie anders die Abläufe in der Verwaltung im Vergleich zur Wirtschaft sind. In der Wirtschaft hat man ein Projekt bekommen, um es umzusetzen. In der Verwaltung waren zuerst immer komplexe Widerstände auf allen Ebenen zu überwinden. Es war immer eine riesige Herausforderung, irgendetwas zu verbessern.

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Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Veränderungen, die Sie eingebracht haben?

Die Veränderungen wurden vor allem ab Ende 2002 durch die verpflichtende Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinien vorangetrieben.

Um nachhaltiges Bauen zu fördern und eine hohe Gesamtenergieeffizienz zu erreichen, stehen uns heute folgende Instrumente zur Verfügung:

  1. Energieausweis als zentrales Steuerungsinstrument

    Wichtige Voraussetzung, um Nachhaltigkeit beim Bauen zu fördern, ist die nötige Bewusstseinsschaffung sowohl bei den Bauherren als auch bei den ausführenden Unternehmen. Der Energieausweis mit seiner für den Kunden einfach verständlichen Darstellung der wichtigsten energetischen Kennzahlen – wie Primärenergiebedarf, Kohlendioxidemission und Gesamtenergieeffizienz –, stellt eine zentrale Komponente dar, um eine Bewusstseinsänderung hin zu mehr Qualität und Nachhaltigkeit am Bau sicherzustellen. Basierend auf der fachgerechten Eingabe der Gebäudegeometrie und der verwendeten Bauteile und Haustechnik generiert der Energieausweis automatisch Empfehlungen für die energetische Optimierung der Gebäudehülle und der möglichen Nutzung erneuerbarer Energien am Standort. Die Darstellung der optimalen Dämmstärke dient dem Kunden dabei als zuverlässiges Maß für die wirtschaftlich günstigste Umsetzung der geforderten Gesamteffizienz.

    Den durchführenden Fachbetrieben andererseits dient der Energieausweis durch die Vorgabe von entsprechenden Qualitätsstandards für Gebäudehülle und Haustechnik als wichtiges Planungsinstrument für die fachgerechte Umsetzung des Bauvorhabens (Planungs-Energieausweis). Im Zuge der Fertigstellung wird abschließend geprüft, ob die geforderten Vorgaben auch tatsächlich erreicht werden (Fertigstellungs-Energieausweis).

  2. Praxistaugliche Anforderung im Baurecht

    Zur Gewährleistung kostenoptimaler Dämmstärken und der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort erzeugt wird, haben sich höchstzulässige Koeffizienten für den Wärmedurchgang (Transmissionswärmeverluste), den Primärenergiebedarf sowie die Kohlendioxidemissionen als sehr zweckmäßig erwiesen. Die gewählten Anforderungskoeffizienten für den Wärmeschutz (LEKT-Wert) und die Gesamtenergieeffizienz (Primärenergieindikator, Pi) erlauben maximale Planungsfreiheit bei der Wahl der Mittel zur Erreichung der geforderten Effizienz.

  3. EDV-gestützte Beratung, Planung und Qualitätskontrolle

    Für die breite Umsetzung der geforderten kostengünstigen Niedrigstenergiebauweise (near zero energy building) stehen für die Energieberater und Planer leistungsfähige, praxistaugliche Softwareprogramme zur Optimierung der Lebenszykluskosten und für die Beurteilung der Gesamteffizienz zur Verfügung. Durch die Integration von Produktdatenbanken sowohl für Baustoffe als auch für Haustechnikkomponenten wird gewährleistet, dass die geforderten Qualitätsstandards bereits in der Planungsphase entsprechend berücksichtigt werden. Die Erfüllung der im Planungsenergieausweis deklarierten Beratungs- und Planungsergebnisse sind von den mit der Umsetzung beauftragten Fachbetrieben im Zuge der Fertigstellung auch zu bestätigen und, falls erforderlich, durch zusätzliche Gutachten nachzuweisen. Die fachgerechte und planungskonforme Umsetzung kann vor Ort auch stichprobenartig geprüft werden.

  4. Online-Plattform ZEUS seit 2006 zur Abwicklung des unabhängigen Kontrollsystems

    Wichtige Grundlage für die wiederholte, flächendeckende Qualitätskontrolle von Nachhaltigkeitsfaktoren auf Basis des Energieausweises ist eine zentrale Online-Plattform für Energieausweise (ZEUS) und auch Planungs- und Ausführungsdeklarationen. Sie dient als wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des in der EU-Gebäuderichtlinie 31/2010 geforderten Anspruchs, dass ab 31. 12. 2020 alle neu errichteten Gebäude die höchsten Anforderungen an die Gesamteffizienz erfüllen müssen, nämlich „nahezu Null“-Energie für Errichtung und Betrieb aufzuwenden. Alle Baubehörden auf Landes-, Bezirksund Gemeindeebene sowie Förderstellen können auf die Energieausweisprüfergebnisse zugreifen, wodurch die verwaltungstechnische Abwicklung der Bauvorhaben erleichtert wird.

    Aktuell ist eine Baurechtsnovelle für die Umsetzung der neuen EU-Vorgaben für gebäudetechnische Systeme und die Ausstattung mit Ladepunkten für die Elektromobilität in Vorbereitung.

Worauf muss man besonders aufpassen, wenn man auf dem politischen Parkett und in der Verwaltung agiert?

Es gibt vorausschauende Politik, basierend auf der bestehenden Verfassung und dem EU-Recht, die demokratische und transparente Prozesse einfordert und unterstützt. Andererseits hat man es auch mit politischen Akteuren zu tun, deren Entscheidungen intransparent und auf partikuläre Interessen ausgerichtet sind. In einem solchen Umfeld sind umsichtig aufbereitete Vorhaben schwer umzusetzen.

Da spielen sie wahrscheinlich auf Ihr Projekt „Zeus“ an?

Mit ZEUS werden Serviceleistungen für Baubehörden, Förderstellen, Bauträger, Hausverwaltungen, Gemeinden, Energieausweis-Berechnerfirmen und für Förder- und Bauwerber erbracht. ZEUS ist so breit aufgestellt, über Fachbereiche und Ressorts hinweg, dass – auch bei fehlender Unterstützung für einen dieser Bereiche – andere Handlungsfelder davon profitieren können.

Wie sieht heute ein typisches Beratungsprozedere in Salzburg aus?

Die kostenlose und produktneutrale Energieberatung findet direkt beim Kunden statt und wird mit dem bei der Anmeldung zugeteilten Energieberater vereinbart. Die Beratungsthemen sind Gebäudehülle, Fenster, Heizung, Heizkostenabrechnung, Planung, Energiesparen, Stromverbrauch, Förderungen, Erneuerbare Energie, Photovoltaik- und Solaranlagen (Strom- bzw. Warmwassererzeugung). Die Beratungsdauer beträgt ca. 1,5 Stunden. Das Beratungsergebnis wird auf der ZEUS-Kundenplattform bereitgestellt. Zusätzlich wird das Beratungsergebnis per E-Mail auf Wunsch auch per Post zugesandt.

Sind alle Bundesländer bei dem Projekt „Zeus“ dabei?

Nein. Vorarlberg und Wien haben jeweils eine eigene Energieausweisplattformen. Burgenland, Kärnten und Steiermark sind bei ZEUS dabei.

Welche Baustellen sind in Salzburg derzeit noch offen?

Derzeit ist eine Novellierung des Salzburger Baupolizeigesetzes und des Bautechnikgesetzes für die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie 2018 in Vorbereitung. Anschließend ist die Bautechnikverordnung auf den Stand der OIB-Richtlinien 2019 anzupassen.

Die langfristige Renovierungsstrategie der Europäischen Union zielt auf eine Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80–95% im Vergleich zu 1990 ab. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, der EU-Kommission eine langfristige Renovierungsstrategie vorzulegen, in der ein Fahrplan mit Maßnahmen und festgelegten Fortschrittsindikatoren zur Zielerreichung enthalten ist. Um die Ziele der langfristigen Renovierungsstrategie erfüllen zu können, bedarf es einer laufenden Anpassung der baurechtlichen und förderrechtlichen Rahmenbedingungen – und vieles mehr.

Hören wir da heraus, dass Sie die strengen Vorgaben der EU gut finden? Auf der politischen Ebene wird die EU sonst gerne als Sündenbock für Überregulierung dargestellt.

Wenn die EU für Gebäude nicht so hochqualitative Grundgesetze hätte, die von den Mitgliedsstaaten umzusetzen sind, dann würde ich diesen Job nicht mehr machen oder hätte ihn nicht so lange gemacht. Von einer Überregulierung kann hier keine Rede sein.

Wer zieht am anderen Ende in die entgegengesetzte Richtung?

Fossile Brennstoffe decken noch immer über 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs ab. Dementsprechend groß ist das Interesse, die fossile Energiewirtschaft weiter in Gang zu halten. Erfreulicherweise ist die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Sonnenenergie zu einer echten Konkurrenz für die fossile Stromerzeugung geworden. Die weltweiten Investitionen in die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern steigen stark, die Investitionen in Kohlekraft gehen hingegen zurück.

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Was wünschen Sie der Branche für die Zukunft?

Der Energiebranche und uns allen ist zu wünschen, dass durch geeignete Rahmenbedingungen eine Transformation der Energiewirtschaft im Sinne der Weltklimaziele möglich wird. Wie aus vielen Beispielen ablesbar, können Rahmenbedingungen ohne großes Risiko durch zielkonforme Begrenzung oder Besteuerung der fossilen Energieformen bzw. Förderung der Alternativen verändert werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

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