Zeitschrift EE

erneuerbare energie: 2.2020

KMU: innovative Finanzierung für Energieeffizienz und erneuerbare Energie

Kleine und mittelständische Industrieunternehmen können mit Energieeffizienz und erneuerbarer Energie große Einsparungen erreichen und ihre Klimabilanz nachhaltig verbessern. Doch selbst bestens vorbereitete Projekte scheitern oft an der Finanzierung. Dafür hat AEE INTEC gemeinsam mit Partnern im Projekt „TrustEE“ eine innovative Lösung mit hohem Standardisierungsgrad entwickelt.

Die Situation ist herausfordernd: „Wir haben in der Industrie damit zu kämpfen, dass gewisse Projekte nicht umgesetzt werden, obwohl sie technisch und wirtschaftlich sinnvoll sind“, umreißt Jürgen Fluch, Leiter des Bereichs Industrielle Systeme bei AEE INTEC, die Ausgangslage. „Anlagen zur Wärmerückgewinnung werden oft in Auftrag gegeben. Da beträgt die Amortisationszeit weniger als ein Jahr. Bei Solarthermie, Fotovoltaik, Wärmepumpen, Biomasse und Biogas sieht es anders aus. Da haben wir bei vielen Projekten in Österreich gesehen, dass da relativ wenig passiert.“

Der Prozesswärmebedarf steht für 60 Prozent des europäischen Energieeinsatzes in der Industrie (1.920 TWh) und somit für 18 Prozent des gesamten europäischen Energiebedarfs. Studien zeigen, dass 60 Prozent dieser Energie entweder durch Effizienzmaßnahmen eingespart oder durch erneuerbare Technologien versorgt werden können – und das bei wirtschaftlich sinnvollen Rahmenbedingungen und entsprechend kurzen Amortisationszeiten. Unter der Annahme von Technologiekosten von durchschnittlich 40 €/MWh stehen diese Einsparungen für ein jährliches Volumen von mehr als 50 Milliarden Euro und würden entsprechend große Investitionen nach sich ziehen.

Trotz dieses beachtlichen wirtschaftlichen Potenzials findet eine flächendeckende Umsetzung entsprechender Projekte nicht statt. Die Krux daran: neben technologischen Herausforderungen stellt vor allem die Finanzierung ein großes Hindernis dar. Am Ende des Tages spitzt es sich auf die Frage zu, ob durch die Investition das Eigenkapital des Unternehmens geschmälert wird und ob der Betrag nicht besser für Produktivitätssteigerungen eingesetzt oder für neue Produktionstechnologien mit direkter Auswirkung auf das Produkt verwendet werden sollte.

Daher werden solche Investitionen in den meisten Fällen fremdfinanziert. In der Praxis spielt sich das laut Fluch wie folgt ab: wenn eine Bank ein Konzept vorgelegt bekommt, mit Investitionen für einen neuen Wärmetauscher, einen Speicher, eine Wärmepumpe und Solarthermie, dann muss der Bankbetreuer einen externen Berater holen, der ihm das durchrechnet und ihm sagt, ob es gut gemacht ist oder nicht. Bei Projekten zwischen ein paar hunderttausend und drei bis vier Millionen Euro können die Transaktionskosten für Bewertung, rechtliche Beurteilung usw. ein so hohes Ausmaß annehmen, dass damit die ohnehin schon schwer zu finanzierenden Projekte noch schwieriger durchzubringen sind.

„Da wird oft nur auf die Amortisationszeit geschaut und nicht zum Beispiel auf die „levelized cost of heat“, wo ich mit der Solarthermie zumindest 20 bis 25 Jahre lang einen festen Preis garantieren kann“, weiß Fluch aus leidvoller Erfahrung. „Und wegen der ewigen Diskussionen wird so ein Projekt dann gerne wieder fallen gelassen.“

Das EU-­Forschungsprojekt TrustEE hat sich dieser Barrieren angenommen. Projektziel war es, mithilfe eines neuen und innovativen Finanzierungsmodells sowie einer digitalen, webbasierten Plattform zur standardisierten (technischen und wirtschaftlichen) Projektbewertung die Umsetzung industrieller Energieeffizienz­Projekte und Investitionen in erneuerbarer Energie in KMU zu erleichtern. -Die Idee wurde aus dem Gebäudebereich bezogen, wo es Standards gibt, wie ein Projekt aufgebaut sein muss, und wo es Schritte gibt, die einzuhalten sind, damit die Bank letztendlich die Finanzierung sicherstellen kann.

Jürgen Fluch beschreibt das Prozedere anhand eines Solarthermie­Projekts: „Der Einreichende beschreibt das fertig entwickelte Projekt anhand der Integration, Kollektortyp und notwendigen Systemkomponenten. Dann gibt er bekannt, was die Erwartungen an den technischen und wirtschaftlichen Output sind. Was ist der Ertrag, wie schnell rechnet es sich, was ist der Energiekostenpreis?“

Die Plattform ist mit entsprechenden Erfahrungswerten unterlegt und macht im Hintergrund eine hoch aufgelöste Simulation. Die Ergebnisse dieser Simulation werden dann mit den Daten, die der Antragsteller eingegeben hat, verglichen. Wenn die in einer gewissen Bandbreite übereinstimmen, wird die Anlage als „gut gemacht“ eingestuft. Im nächsten Schritt wird das Projekt noch um wirtschaftliche Parameter und die Frage der Kreditwürdigkeit des Unternehmens ergänzt, sowie den Angaben zur Finanzierung und zu Garantien im Hintergrund. Wenn alles zusammenpasst, kommt am Ende des standardisierten Prozesses ein „bankable project“ heraus.

Bis zu diesem Punkt war einiges an Vorarbeiten zu leisten. Standardisierte Abläufe und methodische Projektbewertungen waren mit der Datenschutzgrundverordnung in Einklang zu bringen – insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten und bei der Anwendbarkeit wissenschaftlicher Simulationsmodelle. Wissenschaftler, Projektentwickler, Industriebetriebe und vor allem Investoren sprechen teilweise eine unterschiedliche Sprache und haben in den Projektphasen von der Idee bis zur Umsetzung unterschiedliche Erwartungen an Bewertungsparameter, die Finanzierung und die Risikobewertung.

Der Vergleich von Projekterwartungen mit Simulationsergebnissen ist per se nichts Neues. Die Besonderheit ist, dass dieser Arbeitsschritt zu einem hohen Grad automatisiert abläuft, die Transaktionskosten also im Vergleich zur herkömmlichen Methode signifikant reduziert werden.

Hat der Antragsteller die automatisierte Phase der Bewertung absolviert, gibt es eventuell noch Tipps oder Anregungen von den Profis der teilnehmenden Forschungseinrichtungen und am Ende den „TrustEE­-Stempel“, der besagt: gutes Projekt, ist finanzierbar.

Dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder geht der Antragsteller zu seiner Bank und erhält dort die Finanzierung, oder das TrustEE­Konsortium kümmert sich auch noch darum. Im Rahmen des Projekts wurde das Modell einer Zweckverbriefungsgesellschaft nach Luxemburger Recht gewählt, mit Finanziers, die Projekte unter dem „TrustEE“-­Siegel finanzieren.

In der Phase der Errichtung und Projektentwicklung trägt normalerweise der Technologieanbieter das gesamte Risiko, bis die Anlage in Betrieb genommen wird. Ist das Projekt erfolgreich umgesetzt und entspricht es den technischen Anforderungen, kommt die Finanzierungsgesellschaft ins Spiel. Sie übernimmt die Kosten, der Technologieanbieter bekommt sein Geld und muss im Rahmen der normalen Gewährleistung sicherstellen, dass die Anlage gut läuft. Der Industriebetrieb zahlt die vereinbarten Beträge für den Energiebezug und hat sein Eigenkapital und die Bilanz nicht belastet.

Die Vorteile für das Unternehmen liegen auf der Hand:

  1. Es nutzt erneuerbare Energie
  2. Der Finanzierungsrahmenvertrag geht über einen bestimmten Zeitraum, danach gehört ihm die Anlage
  3. Die Investition belastet sein Eigenkapital weder real noch bilanziell
  4. Ab dem Ende des Rahmenvertrags liefert die Anlage gratis Energie

Natürlich muss die Firma von Haus aus bereit sein, erneuerbare Energie verwenden und Energie einsparen zu wollen, und der Aufwand dafür muss unter den Gestehungskosten der aktuell vorhandenen Energieversorgung liegen. Nur dann rechnet es sich.

Abbildung: Im Bereich der Prozesswärme ist bei kleinen und mittelständischen Industriebetrieben noch gehöriges Einsparungspozential vorhanden, das stark zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen würde. Fotocredit: iStock

„Mit der Implementierung der neuen Anlage bezahlt man zumindest nicht mehr als mit dem bestehenden System, und wenn es abbezahlt ist, dann zahlt man gar nichts mehr dafür“, umreißt Fluch den Nutzen. Für den Start sind zehn bis 15 Projekte geplant, für die eine Anleihe zur Refinanzierung aufgelegt wird, die Banken, Versicherungen und weiteren Kapitalgebern zur Zeichnung angeboten wird. Der Fokus liegt zu Beginn auf Projekten in Österreich und Schweden, wo verfügbare Ressourcen gebündelt und an die notwendigen (Finanzierungs­)Rahmenbedingungen angepasst werden können.

Gespräche mit Stakeholdern verlaufen sehr vielversprechend und auch sogenannte TrustEEd Supplier wurden bereits gefunden, die aufgrund ihrer Referenzen auf der Plattform schneller bearbeitet werden. Aktuell treten Gespräche mit potenziellen Umsetzungsprojekten in die nächste Phase, um in kurzer Zeit erste Projekte zu realisieren. In weiterer Folge wird der Zielmarkt erweitert. TrustEE wurde neben dem deutschsprachigen Raum auch im Rahmen des laufenden UNIDO­Projekts zur solaren Prozesswärme in Malaysia vorgestellt und ist dort auf sehr großes Interesse gestoßen.

Interessierte aus den Bereichen Technologieanbieter, industrielle Betriebe, Projektentwickler und Investoren sind aufgerufen, sich bei TrustEE zu melden und den Bonus der ersten Nutzer der Plattform abzuholen. Der Fokus liegt derzeit auf Projekten aus dem Bereich thermischer Energieeffizienz sowie erneuerbare Wärme, das Portfolio wird aber laufend erweitert werden. Durch die akkordierte Zusammenarbeit wird die Dekarbonisierung gelingen und als Chance für den Markt erkannt werden.

Interessenten wenden sich an DI Jürgen Fluch, Leiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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