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Forschungsinnovationen der Harper Adams Universität

Von Marie Kirby, Matthew Reilly, Michael K Theodorou

Das Agrikultur-Zentrum für nachhaltige Energiesysteme (Agricultural Centre for Sustainable Energy Systems (ACSES)) an der Harper Adams Universität in Shropshire (Großbritannien) beherbergt ein multidisziplinäres Team von Forschern, das sich mit Fragen der Landwirtschaft und Lebensmittelversorgungsketten in Großbritannien und in einem globalen Zusammenhang beschäftigt. Die Gruppe etablierte sich 2014, um das Forschungs- und Lehrportfolio der Universität in Bezug auf erneuerbare Energie zu entwickeln. Die Gruppe betreibt strategische und angewandte Forschung und arbeitet direkt mit geförderten Projekten in der Industrie und verschiedenen gesellschaftlichen Stakeholdern zusammen, um Technologien, Prozesse und Strategien zur Verringerung von Energie/Abfall mit signifikanter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Auswirkung zu entwickeln. Die Philosophie ist, dass in keinem Prozess und keiner Technologie Abfallprodukte anfallen sollten, sondern diese Nebenprodukte und Reststoffe genutzt werden, um Ressourcen wie z. B. Energie, chemische Stoffe und/oder sauberes Wasser rückzugewinnen.

Foto: Harper Adams Universität, UK

Schwerpunkte der Forschungsarbeiten

Das derzeitige Forschungsportfolio fokussiert auf verbesserte Anwendungen in Bezug auf Farmen und in einem erweiterten Sinne auf den Agro-Lebensmittel-Sektor. Die hauptsächlichen Forschungsbereiche sind folgende:

  • Optimierung und Rückgewinnung von Energie, Nährstoffen und sauberem Wasser aus Abfällen und Reststoffen
  • Optimierung von Technologien, um Rohmaterialien im Sinn einer Kreislaufwirtschaft zu nutzen
  • Entwicklung von Methoden für die Haltbar- machung von Seegras als neuartigem Ausgangs- material für vielfältige energetische/chemische Technologien
  • Systemmodellierung, um wirtschaftliche Marktpotenziale, verbesserte Energieeffizienzen zu berechnen bzw. vorherzusagen sowie technisch-ökonomische Bewertungen und Lebenszyklusanalysen durchzuführen.

Projekte der Lebensmittel-Wertschöpfungskette

Das Hauptthema ist dabei die Optimierung und Rückgewinnung von Energie, Nährstoffen und sauberem Wasser unter Anwendung von erneuerbaren Technologien in den Bereichen landwirtschaftliche Abfälle, Reststoffe und Nebenprodukte. Einige nationale und EU geförderte Projekte sind am ACSES-Forschungszentrum diesem Thema gewidmet. Das EU Projekt „AgroCyle“ des Horizon 2020-Forschungsprogramms (Fördernummer 690142) analysiert in ganzheitlicher Weise die Abfälle der Agro-Lebensmittel-Wertschöpgungsketten und zeigt Wege auf, Produkte mit Zusatznutzen zu erzeugen. Ein Schwerpunkt der Forschung an der Harper Adams Universität soll das Potenzial der trockenen anaeroben Gärung (anaerobic digestion – AD) von Hühnermist und einem nassen anaeroben Gärungsprozess für die Aufwertung von Rindergülle aufzeigen. In Zusammenarbeit mit der Firma Alchemy Utilities Ltd. wird die Bewertung und Demonstration einer neuartigen Vorbehandlung und eines trockenen anaeroben Gärungssystems untersucht. Der neuartige Vorbehandlungsprozess entfernt und gewinnt Ammonium (als Ammoniumsulfat/nitrat) aus Hühnermist und erzeugt so Hühnermist mit geringerem Anteil von Stickstoff für die trockene anaerobe Gärung. Eine revolutionäre trockene anaerobe Gärungstechnologie im Farm-Maßstab wurde von der Firma entwickelt, die dezentral Wärme, Strom und Dünger für den Gebrauch auf der Farm und in der nahen Nachbarschaft erzeugt. In Zusammenarbeit mit PlanET Biogas UK Ltd. wurde an der Harper Adams Universität eine spezielle 2 m³ Pilotanlage für die anaerobe Gärung im Rahmen von Forschungsprojekten installiert. Dieser anaerobe Faulreaktor ist ein verkleinertes Abbild eines kommerziellen Reaktors, voll automatisiert und programmierbar, um den Anforderungen von Forschungsprojekten zu entsprechen. Ergebnisse aus dem Reaktor zeigen beachtliche wirtschaftliche Relevanz, da Scaling-up-Faktoren im Vergleich zu Experimenten im Labormaßstab minimiert werden und dadurch eine höhere Aussagekraft der Resultate für die Industrie gegeben ist.

Zwei andere Projekte beschäftigen sich mit der Rückgewinnung und Wiederverwendung von Prozessabwasser durch nasse anaerobe Gärung, um Energie rückzugewinnen und den chemischen Sauerstoffbedarf zu reduzieren. Beide Projekte, Bioen NW (ein Interreg IVB North West Europe-Projekt) sowie das nachfolgende Supergen Pyro-AD (EP/K036793) untersuchten das Potenzial, Pyrolyse in die anaerobe Gärung zu integrieren, um Pyrolysewasser des Fraunhofer thermokatalytischen Umwandlungsprozesses (Thermo Catalytic Reforming Process) zu behandeln. Die Arbeiten wurden im Labormaßstab durchgeführt und nutzten Proben zum biochemischen Methanpotenzial in 125 ml Serumflaschen bis zu 12,5 l Kocher bzw. Vergärungsanlagen.

2m3 Reaktor zur nassen anaeroben Gärung in der Pilotanlage der Harper Adams Universität, UK. Foto: Harper Adams Universität, UK

In Bezug auf Nährstoff- und Wasserrückgewinnung wird in einem durch das UK Research Council geförderten Projekt (Redivivus EP/M007359/1) sauberes Wasser, Phosphor und Stickstoff aus Rindergülle und Gärresten rückgewonnen. Das Projekt konzentriert sich auf die Entwicklung von Elektro-Koagulationstechniken, um Phosphor und chemischen Sauerstoffbedarf zu reduzieren. Der industrielle Partner in diesem Projekt ist Elentec Ltd. Außerdem wird in dem Projekt Stickstoff mit Hilfe von Biokohle als mikrobioeller Wachstumsmatrix rückgewonnen.

Gärreste-Aufbereitung und Phosphor-Bodensatz unter Verwendung der Elentec Ltd-Technologie. Foto: Harper Adams Universität, UK

Neuartige Rohstoffe für die Treibstoff- und Chemikalienproduktion

Die Entwicklung von Technologien für die Verwendung neuartiger Rohstoffe, um neue Einkommensquellen zu erschließen und Abfallströme zu verringern, ist ein weiterer Forschungsbereich. In einem Projekt (MacroBioCrude – gefördert durch das UK Research Council unter der Fördernummer EP/K014900/1) wird die Verwendung von Seegras (sowohl gezogen als auch als Abfallstoff) zur Produktion von Kohlenwasserstoffen durch Pyrolyse und Vergasung mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren untersucht. Das Vorkommen von Seegras ist in temperierten Gewässern sehr saisonabhängig und sobald es aus dem Wasser geholt wird, degradiert es sehr schnell. An der Harper Adams Universität wurde das Silieren von unterschiedlichem Seegras untersucht, um einen lagerfähigen, stabilen Rohstoff für die weitere Verwendung zu erhalten. Die Verwendung eines innovativen Additivs zur Gärung ermöglicht eine kosteneffiziente Konservierung und Lagerung über längere Zeitperioden (über ein Jahr). Dies ermöglicht weitere Wege zur Erschließung, inklusive nasse anaerobe Gärung, um diesen neuartigen Rohstoff in Küstenregionen zu nutzen.

Eine kultivierte Reihe Seegras bestehend aus braunen Makroalgen. Die Forschungsarbeiten wurden in Zusammenarbeit mit der University of Highlands and Islands (Shetland) durchgeführt. Foto: Harper Adams Universität, UK

Ein weiterer Rohstoff, der kürzlich in Großbritannien aufgrund von Änderungen in der Förderung von Energiepflanzen für die anaerobe Gärung Interesse weckte, ist Getreidestroh. Das Agrikultur-Zentrum für Nachhaltige Energiesysteme führte Forschungsarbeiten durch, um das Potenzial der anaeroben Gärung für die anaerobe Zersetzung von Weizenstroh zur Herstellung von Treibstoff, Chemikalien und biologisch abbaubaren Enzymen zu untersuchen. Eine Methode, um das Rohstoffpotenzial weiter zu optimieren, ist es, die mikrobielle Zusammensetzung im Gärreaktor zu verändern. Grundlegende Forschungsarbeiten in Zusammenarbeit mit der Universität von Kalifornien (University of California, Santa Barbara) untersuchten, wie anaerobe Pilze, die zusammen mit methanogenen Stoffen kultiviert werden, den Abbau der Biomasse im Vergleich zu konventionell in der anaeroben Gärung verwendeten Mikroben verbessern könnten.

Systemanalysen

Zusätzlich zu den experimentellen Aufgabengebieten der Gruppe arbeitet das Agrikultur-Zentrum für nachhaltige Energiesysteme auch an Systemanalysen, um existierende und neue technologische Anlagen zu verbessern. Gemeinsam mit AEE INTEC wurde daran gearbeitet, ein Energie-Auditmodell, das sich vornehmlich auf Produktionsprozesse konzentriert, so zu erwei-
tern, dass auch Prozesse in der landwirtschaftlichen Produktion und Energieversorgung mit aufgenommen werden. Damit können existierende Prozesse optimiert und Treibhausgase sowie Kosten eingespart werden. Ebenso wurden mit der Brunel University London ökonomische Modellierungen und technisch-ökonomische Bewertungen durchgeführt, um zukünftige Wachstumsmöglichkeiten für den Biogassektor zu untersuchen.
Die Harper Adam Universität ist eine strategisch und anwendungstechnisch orientierte Universität, die einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Molkerei, Rinderhaltung (intensiv und extensiv), zwei Schafherden, einer intensiven Schweinezuchteinheit, Geflügelzucht für Forschungszwecke und kommerzielle Zwecke (Legehennen, Hähnchenzucht, Enten und Gänse) mit weiteren Haustieren unterhält. An der Harper Adams Universität sind Gastforscher von Firmen willkommen, die Zugang zum Wissen der Forscher erhalten, die umfangreichen Laboreinrichtungen nutzen und ihre Forschungsarbeiten durchführen können. Außerdem werden Gastforscher aus verschiedenen Programmen (Marie Curie, Erasmus, Phd, Post-Graduate-Programme) sowie Masterstudenten aufgenommen und Praktika angeboten. An der Harper Adams Universität wird ein Post Graduate Certificate in erneuerbarer Energie angeboten und die Universität ist Mitglied des UK Forschungs-Netzwerks für nachhaltige Energien zur Anwendung in der Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette (RCUK Centre of Excellence for Sustainable Energy Use in Food Chains).

Danksagung

Finanzielle Unterstützung wurde durch das UK Research Council sowie Horizon und Interreg gewährt. Den industriellen und akademischen Partnern Alchemy Utilities Ltd, Elentec Ltd, Fraunhofer Institute for Environmental, Safety, and Energy Technology UMSICHT, PlanET Biogas UK Ltd, RCUK Centre of Excellence for Sustainable Energy use in Food Chains Dank für die Zusammenarbeit.

AutorInnen

Dr. Marie Kirby und Dr. Matthew Reilly arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiter am Agricultural Centre for Sustainable Energy Systems (ACSES) der Harper Adams Universität, UK.

Professor Michael K Theodorou ist Vorsitzender des Fachbereichs Anaerobe Gärung und Fermentationstechnologien der Harper Adams Universität, UK. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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