Zeitschrift EE

2019-03: Lebenszykluskosten von Gebäuden

Wie umweltverträglich sind unsere Gebäude, Produkte und Unternehmen?

Ihre Ökobilanz liefert messbare Antworten.

Therese Daxner, Adolf Merl

Die Jugend streikt für eine lebenswerte Zukunft und die tägliche Berichterstattung dreht sich um den Klimawandel. Die Vision der Weltklimakonferenz in Paris: Das Ende des fossilen Zeitalters. Nun ist aktives Handeln gefragt: Die Erreichung unserer Klimaziele zum Begrenzen der globalen Er- wärmung auf unter 1,5°C bleibt in der Verantwortung eines jeden von uns - ganz gleich ob Unternehmer/in oder Konsument/in. Doch wie entscheiden wir richtig? Sind alle wichtigen Faktoren in meiner Entscheidung berücksichtigt? Welches Produkt ist nachweisbar umweltverträglich? Wie wird zukunftsfähig gebaut? Und was ist in Zukunft zu vermeiden?

In a nutshell – die Ökobilanz ist die umfassende Betrachtung aller potenzieller Umweltwirkungen von Produkten, Unternehmen und Gebäuden. Foto: Paul Morris

Ökobilanzen liefern die Antworten: Sie stellen öko- logische Indikatoren als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung. Auf Basis einer ganzheitlichen Erfassung aller eingesetzten Ressourcen über die gesamte Wertschöpfungskette liefern Ökobilanzen somit messbare Kennzahlen, um Entscheidungen bewusst zu treffen. Dabei helfen sie den Fokus auf die we- sentlichen Stellschrauben zu lenken.

Durch den Lebenszyklusansatz wird sichergestellt, kein Glied in der Wertschöpfungskette zu übersehen. Es gilt zu erkennen, wo Material und Energie optimal eingesetzt werden können, ohne die damit verbunde- nen Umweltlasten zu verschieben.

Die Erreichung unserer Klimaziele zum Begrenzen der globalen Erwärmung auf unter 1,5°C bleibt in der Verantwortung eines jeden von uns - ganz gleich ob Unternehmer/in oder Konsument/in. Foto: Patrick Hendry

Klimawandel und Co. – ein umfassender Blick auf unser Ökosystem

Der „Carbon Footprint“ - die CO2-Bilanz - all unserer Gebäude, Produkte und Unternehmen ist entschei- dend für die Erreichung unserer Klimaziele. Der anth- ropogene Treibhauseffekt ist dabei ein Aspekt einer Reihe menschlicher Einflüsse auf das Ökosystem. So stehen neben dem Beitrag zum Klimawandel auch beispielsweise der „Water Footprint“, der Einsatz knapper Rohstoffe sowie lokale Umweltprobleme wie Überdüngung und Versauerung von Wasser und Boden anhand einer umfassenden Umweltbewertung im Fokus. Für ein möglichst vollständiges Bild liefert die Ökobilanz somit messbare Antworten unter Berücksichtigung einer ganzen Reihe wichtiger Um- weltindikatoren.

Natürliche Grenzen in der Verfügbarkeit von Res- sourcen und Landfläche werden damit erkannt. Dies ist die Basis für die Entwicklung nachhaltiger Stra- tegien für unternehmerisches Risikomanagement, die Nutzung branchenübergreifender Synergien und zukunftsfähige politische Entscheidungen.

Schlüsselrolle von Gebäuden

Insbesondere der Bausektor, verantwortlich für mehr als ein Drittel der anthropogen ausgestoßenen Treib- hausgase, nimmt eine Schlüsselrolle in Bezug auf Ressourcenverbrauch und die Minderung der Folgen der globalen Erwärmung ein. Dabei ist das Denken im Lebenszyklus essenziell: Ein hocheffizientes Gebäude mag in der Errichtung einen höheren Materialeinsatz und durch dessen Produktion höhere Treibhausgas- emissionen verursachen. Insgesamt kann die Um- weltperformance jedoch verbessert werden, indem weniger bzw. erneuerbare Energie in der Nutzung eingesetzt und hochwertige Verwertungsmöglichkei- ten der Materialien am Lebensende genutzt werden. Die isolierte Betrachtung des Nutzenergiebedarfs, der eingesetzten Materialmengen in der Bauphase oder der Rezyklierbarkeit einzelner Bauteile würde dabei zu kurz greifen.

Wie optimiere ich die Umweltperformance meines Gebäudes?

Ein anschauliches Beispiel für nachweisbaren Klima- schutz illustriert das folgende Projekt:

Gegenüberstellung des "Carbon Footprints" der Planung und des verbesserten Entwurfs für die Ausführung (Verringerung um den Faktor 3). Dies entspricht einer Einsparung der jährlichen Treib- hausgasemissionen von fast 70 Österreichern. [Building components & EoL = Produktion der Baumaterialien inklusive deren Verwertung nach dem Ausbau - End of Life; Construction = Gebäudeerrichtung; Use Phase = Wärme- und Strombereitstellung in der Nutzungsphase; Photovoltaic = vorgelagerte Emissionen aus der Produk- tion der Photovoltaik-Module; Maintenance of building componetns & EoL = Austausch der Materialien über die Lebensdauer des Gebäudes inkl. deren Verwertung nach dem Ausbau] Quelle: Daxner & Merl

Der „Carbon Footprint“ des gezeigten Bürogebäudes wurde von der Entwurfs- zur Ausführungsphase um den Faktor 3 verringert. Verschiedene Faktoren, mit- unter insbesondere der Wechsel von Wärmebereit- stellung aus Erdgas hin zu eigener Stromproduktion aus Photovoltaik gekoppelt mit einer Wärmepumpe machten dieses ausgezeichnete Ergebnis möglich. Im Planungsprozess wurden alle lebenszyklusbezo- genen Treibhausgasemissionen bereits umfassend berücksichtigt, die mit dem Bau, der Errichtung, der Nutzung, dem Rückbau sowie der Verwertung der rückgebauten Rohstoffe verbunden sind. Damit wurde die Klima-Performance des Gebäudes nachweislich verbessert. Dies gilt auch für die Lebenszykluskosten und alle anderen in der Ökobilanz betrachteten In- dikatoren (z. B. Versauerung von Boden und Wasser, Überdüngung, Sommersmog, etc.). Schlussendlich liegt das gebaute Bürogebäude unter dem Best- Practice-Branchenbenchmark des deutschen Güte- siegels für nachhaltiges Bauen (DGNB) und setzt damit einen wichtigen Schritt im Klimaschutz.

Ökobilanz der eingesetzten Baustoffe

Mit der Verringerung der Emissionen aus der Nut- zungsphase der Gebäude rückt der ökologische Rucksack der eingesetzten Baumaterialien vermehrt in den Fokus. Dafür liefern Ökobilanzen umfassende Kennzahlen. Über transparente Kommunikationsme- chanismen wie Umweltproduktdeklarationen (EPDs) gelingt die direkte Verlinkung vom Baustoffprodu- zenten zum Gebäudekontext. Die ökologische Gebäu- dequalität wird somit durch die Umweltleistung des Gebäudes unter Betrachtung aller verbauten Bau- materialien, der Instandhaltung, der Nutzungsphase und des Rückbaus bewertet. Somit kann die in den Umweltproduktdeklarationen enthaltene Informati- on erst im Gebäudekontext unter Zusammenwirken der einzelnen Komponenten wirklich beurteilt und nachweisbar optimiert werden.

Beispielsweise stellen Umweltproduktdeklarationen in der öffentlichen Beschaffung bereits einen unver- zichtbaren Faktor bei der Auftragsvergabe dar. Durch den Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette ergeben sich wettbewerbsentscheidende Möglich- keiten in der Intensivierung der Kunden-Lieferanten- Beziehung durch den Austausch produktbezogener Umweltkennzahlen, wie sie in EPDs enthalten sind.

EGGER setzt mit der innovativen Holzrahmenbau-Konstruktion seiner Bürogebäude Maßstäbe. Damit gelingt die lebenszyklusbezo- gene Optimierung der Ökobilanz auf Produkt- und Gebäudeebene basierend auf EGGER-spezifischen Umweltproduktdeklarationen (hier am Beispiel der ersten Umsetzung in Radauti). Foto: Markus Mitterer

Letztlich ist es eine ganzheitliche Verschränkung der umweltbezogenen Leistung auf Unternehmens-, Produkt- und Gebäudeebene, die in Zukunft auf dem Markt zu erwarten ist. Es ist die ganzheitliche Be- trachtung über die gesamte Wertschöpfungskette, die grundlegendes Erfordernis und - durch die trans- parente Kommunikation fundierter Umweltinforma- tion - wettbewerbsentscheidend sein wird. So wie die Übersicht und Kontrolle über die Finanzbuchhaltung für Unternehmen, Regionen und Staaten selbstver- ständlich ist, wird es in Zukunft unumgänglich, Stoff- und Materialströme zu erfassen und zu managen. Die Ökobilanz als zentrales Instrument zur Quantifi- zierung ökologischer Auswirkungen liefert lebenszy- klusbezogene Umweltinformation auf allen Ebenen und kombiniert diese miteinander: Material – Produkt – Unternehmen – Gebäude – Stadt – Region.

AutorInnen

Therese Daxner und Adolf Merl sind Gründer und Geschäftsführer der Daxner & Merl GmbH in Wien. Ihre Kernkompetenzen sind Nachhaltiges Bauen – Unternehmens- und Produktnachhaltigkeit – Umweltproduktdeklarationen – Ökobilanz - LCA – Carbon Footprint – Water Footprint – Externe Prüfung. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen / Links im E-Paper

www.daxner-merl.com

www.lifecycleinitiative.com

https://ibu-epd.com/

www.dgnb.de

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