Zeitschrift EE

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2013-01: Kunststoff-Kollektoren

Herausforderungen architektonischer Integration von Solartechnologien

Abbildung 1Abbildung 1: Visualisierung „Solarenergie Urban“, Ausschnitt desTitelbilds einer Veröffentlichung der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 41 – Communication Guideline)

Gebäudeintegrierte Solartechnologien greifen als gestalterisches Element wesentlich in den architektonischen Ausdruck eines Gebäudes und in das umgebende Stadtbild ein. Sie können damit nicht nur als solare  Energiebereitstellungstechnologien betrachtet werden, sondern müssen auch architektonische und städtebauliche Gestaltungsaufgaben erfüllen, um eine Vereinbarkeit von energetischer Optimierung und qualitativ hochwertiger Architektur zu ermöglichen. Diese Vereinbarkeit wurde in einem Projekt der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 41: Solar Energy and Architecture) thematisiert.

Von Susanne Gosztonyi, Naghmeh Altmann-Mavaddat,  Andreas Lechner und Thomas Mach

Ausgangslage

Trotz der verfügbaren Vielfalt an Systemlösungen für gebäudeintegrierte Solartechnologien ist deren Nutzungspotential noch lange nicht ausgeschöpft. Dies hat mehrere Ursachen; eine davon steht im direkten Zusammenhang mit architektonischen Gestaltungskriterien. Kriterien zu „architektonisch gelungenen“ Integrationen von Solartechnologien in Gebäudekonzepten hängen auch von einer subjektiv empfundenen Formensprache ab. Die Bewertung von „guten“ oder „schlechten“ Lösungen wird auch von einer sozio-kulturellen und zeit-ästhetischen Auffassung geprägt, und kann nur bedingt durch allgemein gültige Formulierungen beschrieben werden. Dennoch gilt es, die wesentlichsten formalen Merkmale aufzuzeigen, um architektonische Barrieren abzubauen.

In Österreich sind die Marktdurchdringung solarer Technologien in der Gebäudeplanung und die Auseinandersetzung mit deren architektonischer Qualität bereits etablierte Themen. Durch solare Informationsplattformen, welche Know-how zur Technik, Planung oder Kosten von gebäudeintegrierten Solartechnologien vermitteln, oder durch renommierte Architekturpreise zu solarer Architektur wurde in den letzten Jahren viel zur Steigerung von gebäudeintegrierten solaren Energietechnologien beigetragen. Damit ist Österreich ein wichtiger internationaler Initiator von Solararchitektur der nächsten Generation, welche eine gelungene Verbindung von Ästhetik, Identität und Funktion anstrebt.

Solarenergie und Architektur

Das Projekt „Solar Energy and Architecture" innerhalb des Solar Heating and Cooling Programms der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 41) hat zum Ziel, die Akzeptanz und Nutzung von solaren Technologien in der Architekturplanung zu steigern und Barrieren abzubauen. Die Schwerpunkte des Tasks liegen dabei in der Aufarbeitung von architektonischen Integrationskriterien für ArchitektInnen und ProduktentwicklerInnen (Subtask A), in der Sondierung von Planungswerkzeugen und deren Eignung das Integrationspotenzial unterschiedlicher Solartechnologien in der frühen Planungsphase zu bewerten (Subtask B) sowie in der Darstellung internationaler Best Case Beispiele aus den 14 teilnehmenden Ländern, die eine hohe architektonische Qualität im Lösungsansatz der Gebäudeintegration zeigen (Subtask C). Die Bedeutung der Ergebnisse liegt vor allem in der konzentrierten Form der erstellten Planungshilfen für die Frühplanungsphase, den fachspezifisch aufbereiteten Kommunikationsprozessen und den internationalen Best Case Studies, welche die Diversität in der Umsetzung aufzeigen.

Kriterien für die architektonische und technische Integration solarer Energietechnologien

Grundlage und Startpunkt des Tasks war eine international durchgeführte Umfrage unter ArchitektInnen, ProduzentInnen von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen und ExpertInnen für Energie- und Gebäudekonzeptentwicklung zum Status Quo der Umsetzbarkeit und Integrationsfähigkeit von solaren Technologien sowie zur Nutzbarkeit und Praxisnähe von Planungshilfen und Tools in der Frühplanungsphase. Die Umfrage zeigte, dass in allen Ländern die Verfügbarkeit entsprechender Produkte und Planungshilfen als zentrales Kriterium für eine verstärkte Anwendung gesehen wird. Auf Seite der Produkt- und Systementwicklung wurden dabei auch die Barrieren und Hemmnisse bei der Produktgestaltung erfragt, um die notwendigen Schnittstellen zwischen den PlanerInnen und ProduktentwicklerInnen zu beleuchten. Die Umfrageergebnisse sind im Dokument „Building Integration of Solar Thermal and Photovoltaics – Barriers, Needs and Strategies“ und im Dokument “International Survey About Digital Tools Used by Architects for Solar Design” nachzulesen [1][2].

Die Festlegung von Kriterien für eine architektonisch gelungene Integration von solaren Technologien in Gebäude ist ein herausforderndes und komplexes Unterfangen, da deren Bewertung nicht nur mit objektiv nachvollziehbaren Gestaltungsprinzipien, sondern auch mit subjektiven Wahrnehmungen zu tun hat. Die wesentlichsten formalen Kriterien für die architektonische Solarintegration wurden in Leitlinien für ArchitektInnen zusammengefasst und sollen die Entscheidungsfindung gerade in der Frühplanungsphase unterstützen. Sie bieten funktionale Integrationskonzepte für solare Technologien und behandeln konstruktive wie technische Belange sowie formale architektonische Aspekte (Form, Größe, Farbgebung, Oberflächengestaltung, Materialbeschaffenheit oder Positionierung der Module).

Für die Erarbeitung der technischen Integrationskriterien wurden unterschiedliche Technologien sondiert (verglaste und unverglaste Solarthermiekollektoren, Vakuumröhrenkollektoren, diverse Zelltechnologien der Photovoltaik), um die technischen Anforderungen den jeweiligen gestalterischen Auswirkungen gegenüberstellen zu können. Innovative Produktneuentwicklungen wurden in Beispielblättern dokumentiert. Die identifizierten Produkte und die Leitlinien sind in den Dokumenten „Solar Energy Systems in Architecture - Integration Criteria and Guidelines“ und „Innovative Solar Products“  zu finden [3][4].

Planungsmethoden und Tools für solares Design

Wie lässt sich die Integration von Solartechnologien bzw. solarenergetischen Aspekten in den Entwurfsprozessen der Architekturproduzierenden gegenwärtig bewerkstelligen? Welche Methoden und Werkzeuge kommen dabei zum Einsatz, welche gäbe es dafür und welche Verbesserungen wären hier wünschenswert?

In einem ersten Schritt wurde ein Überblick über 56 Software-Pakete hergestellt, die – in CAAD (computer-aided architectural design), Visualisierung und Simulation gegliedert – hinsichtlich ihrer Eignung und Unterstützung solartechnischer Aspekte im architektonischen Entwurfsprozess bewertet wurden. In einem zweiten Schritt wurden Büros über ihre Arbeitsweisen befragt und dadurch hemmende Faktoren verdeutlicht (unterschiedliche Programme, unterschiedliche Dateiformate, Export/Import-Probleme, wenig intuitive und damit für den architektonischen Alltag untaugliche Tools, Kosten, etc.). Gleichzeitig werden aber auch die konkreten Möglichkeiten integrierter Solarenergieunterstützung in bestehenden CAAD-Paketen ausführlich beschrieben und in Fallbeispielen erläutert. Abschließend wird ein an Industrie- und Software-Entwickler adressierter Katalog von speziell für Architekturschaffende relevanten Kriterien im Bereich des CAAD und der Simulationen erstellt, der Benutzungsbarrieren künftig abbauen helfen soll. Die Details sind in mehreren Dokumenten zum „State-of-the-Art of Digital Tools Used by Architects for Solar Design“ und „Needs of Architects regarding Digital Tools for solar Building Design“  nachzulesen [5][6].

So schwierig es auch erscheint, Architekturbüros, ihre Entwurfsaufgaben und ihre dabei jeweils zielführenden Entwurfsmethoden auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so besitzen diese drei Themen-Felder doch zumindest einen wesentlichen gemeinsamen Schnittpunkt in den digitalen Werkzeugen, die in der Alltagspraxis der Architekturbüros zum Einsatz kommen. Dass für die Erhöhung der gestalterischen Qualität von Solarenergie-Bauten die dafür notwendigen Elemente, Produkte, Varianten, Oberflächen, etc. verstärkt in den Alltag des Entwurfsprozesses - und das heißt hier auf die Bildschirme der EntwerferInnen und damit in die Objektbibliotheken ihrer CAAD-Software - kommen müssen, steht außer Zweifel.

Best Case Beispiele und Empfehlungen zu Kommunikationsprozessen

Parallel zu den Leitlinien wurde eine Auswahl von internationalen Pilotprojekten zusammengestellt, welche die gestalterische Diversität von integrierten Solarsystemen im Gebäude- und Energiekonzept anhand unterschiedlichster Nutzungstypologien und länderbezogenen Faktoren veranschaulichen. Diese sind als Datenbank „Collection of Case Studies – IEA SHC Task 41 Solar Energy and Architecture“ unter http://csc.esbensen.dk auch online abrufbar.

Abbildung 2: Architekturbeispiele aus dem Projekt „Solarenergie und Architektur“ der Internationalen Energieagentur  Quelle: http://csc.esbensen.dk Klick Mich!

Abbildung 3: Architekturbeispiele aus dem Projekt „Solarenergie und Architektur“ der Internationalen Energieagentur  Quelle: http://csc.esbensen.dk Klick Mich!

Abbildung 4: Architekturbeispiele aus dem Projekt „Solarenergie und Architektur“ der Internationalen Energieagentur  Quelle: http://csc.esbensen.dk Klick Mich!

Um eine erhöhte Nutzung der Solartechnologie in einer energiebewussten Architekturplanung zu stimulieren, wurde letztendlich auch der Kommunikationsprozess selbst zwischen KundInnen, PlanerInnen, Behörden und ProduzentInnen aufbereitet. Mit der Leitlinie „The Communication Process“ sollen den EntscheidungsträgerInnen Argumente und Wissen übermittelt werden, um eine breite Umsetzung nachhaltiger Solarlösungen künftiger Gebäude zu ermöglichen

Zusammenfassung

Es gibt kein allgemein gültiges Rezept für eine gelungene Integration von Solartechnologien in der Gebäudeplanung. Jedes Projekt hat unterschiedliche Prioritäten, Dynamiken und individuelle Ziele, die eine Komplexität schaffen, welche nicht über Leitlinien vereinheitlicht werden kann. Es ist jedoch von erheblicher Bedeutung für die verstärkte Nutzung von solaren Energietechnologien, auf deren Rolle im Kontext architektonischer Formensprachen einzugehen. Die unterschiedlichen Herausforderungen bezüglich Gebäudetypologien, städtebaulicher Bedingungen bis hin zu funktionalen und energetischen Zielsetzungen verlangen unterschiedliche Lösungsansätze der Solartechnologieintegration. Die Ergebnisse aus dem Projekt „Solarenergie und Architektur“ der internationalen Energieagentur bieten dazu vertiefendes Know-how und Verständnis der Solarenergie an und informieren über die aktuellen technologischen Entwicklungen, um die Optionen solarer Technologieintegration für die Architektur aufzuzeigen.

Alle Publikationen zum IEA SHC Task 41 können kostenfrei über die IEA SHC Projektwebsite abgerufen werden: http://archive.iea-shc.org/publications.

Ein Bericht des österreichischen Teams sowie deren Beiträge zum IEA SHC Task 41 ist über die nationale Programmwebsite „Nachhaltig Wirtschaften“ zu finden: http://www.nachhaltigwirtschaften.at/results.html/id5919.

Literatur

  1. International Survey About Digital Tools Used by Architects for Solar Design
    http://archive.iea-shc.org/publications/downloads/International_Survey_About_
    Digital_Tools_Used_by_Architects_for_Solar_Design.pdf.
  2. Building Integration of Solar Thermal and Photovoltaics – Barriers, Needs and Strategies http://
    http://archive.iea-shc.org/publications/downloads/T41A1_Survey_FinalReport_May2012.pdf
  3. Solar Energy Systems in Architecture - Integration Criteria and Guidelines
    http://archive.iea-shc.org/publications/downloads/T41A2-Solar_Energy_
    Systems_in_Architecture-19sept2012.pd
  4. Innovative Solar Products http://leso2.epfl.ch/solar/index.php
  5. State-of-the-Art of Digital Tools Used by Architects for Solar Design
    http://archive.iea-shc.org/publications/downloads/IEA-T41_STB-DB1_SOA-DigitalTools.pdf
  6. Needs of Architects regarding Digital Tools for solar Building Design
    http://members.iea-shc.org/publications/downloads/T41B4-final-27Jun2012.pdf
  7. The Communication Process http://archive.iea-shc.org/publications/
    downloads//T41C1-CommunicationsGuide-2012.pdf

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. Susanne Gosztonyi ist am Austrian Institute of Technology (AIT), Energy Department, Sustainable Building Technologies als Scientist im Forschungsbereich Energie in Gebäuden tätig. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Dipl.-Ing. Naghmeh Altmann-Mavaddat MSc ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Gebäude Solare Energie und nachhaltige Architektur der Österreichischen Energieagentur (AEA).

Dipl.-Ing. Dr. techn. Andreas Lechner ist Assistenz-Professor am Institut für Gebäudelehre der Technischen Universität Graz.

Dipl.-Ing. Dr. techn. Thomas Mach ist am Institut für Wärmetechnik der Technischen Universität Graz, Arbeitsgruppe Energieeffiziente Gebäude, tätig.

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