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#Mission2030 und das Ende aller Ausreden

Leonore Gewessler, Johannes Wahlmüller

Unter dem Hashtag #Mission2030 stellte die österreichische Bundesregierung Ende Mai 2018 ihre Klima- und Energiestrategie vor. Der Präsentation des Papiers gingen jahrelange Vertröstungen voraus: Man könne keine Klimaschutzmaßnahmen setzen, erst müsse eine integrierte Klima- und Energiestrategie her, die alle großen Fragen löst. Dann wurde die Erstellung der Strategie jahrelang verzögert, mit der Folge, dass die Treibhausgasmissionen Österreichs stiegen, anstatt zu fallen, wie es das Pariser Klimaschutzabkommen erfordert. Und wie es auch anderen EU-Ländern gelingt. EU-weit sind die Treibhausgasemissionen seit 1990 um fast ein Viertel gesunken. Wenn wir so weiter machen wie bisher, haben wir das Österreich zustehende CO2-Budget schon in 10-15 Jahren verbraucht, warnen Klimaforscher des Wegener Center der Universität Graz1. Nichts braucht es daher dringender als wirksame Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion, zur Energieverbrauchssenkung und zum Ausbau erneuerbarer Energien.

Portraits der AutorInnen

Schöne Worte, erschreckende Leere

Auch GLOBAL 2000 hat die Erarbeitung einer integrierten Klima- und Energiestrategie jahrelang gefordert und es daher positiv gesehen, dass die Regierung das Projekt #Mission2030 rasch in Angriff genommen hat. Gesamtkonzepte sind sinnvoll, nur sollten sie auch halten was sie versprechen. Das tut die #Mission2030 leider nicht. Hinter vielen schönen Worten macht sich eine erschreckende Leere breit. Es ist zwar anzuerkennen, dass sich mit der Klimaund Energiestrategie erstmals eine österreichische Bundesregierung zu einem vollständigen Ausstieg aus fossiler Energie bekennt und das Umsetzen eines „konsequenten Dekarbonisierungspfades bis 2050“ mit dem Ziel einer „dekarbonisierten Energieversorgung bis 2050“ fixiert. Viele Teile der Strategie bleiben aber zu vage, sind zu wenig ambitioniert oder die Finanzierung bleibt ungeklärt, um dem proklamierten Ziel auch gerecht zu werden.

Ziele nicht kompatibel mit dem Pariser Klima-Abkommen

Diese Strategie wird nicht ausreichen, um die Klimaziele der EU bis 2030 zu erfüllen und sie ist inkompatibel mit einem konsequenten Dekarbonisierungspfad und den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Das in der Strategie festgelegte Ziel der Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber 2005 um 36 Prozent (Im Non-ETS2-Bereich) ist zu niedrig angesetzt, notwendig ist eine Reduktion der Treibhausgasemissionen (inkl. ETS) von 50 Prozent. Weiters sind sektorale Reduktionsziele nur für den Verkehr und für den Gebäudebereich vorgesehen. Für alle anderen Bereiche fehlen solche Festlegungen (Industrie, Landwirtschaft, etc.), was bedeutet, dass es bis dato keine Vorstellung gibt, wie die EU-2030-Ziele erfüllt werden sollen. Die Strategie hat aber noch weitere blinde Flecken. So soll zwar der Anteil erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch von derzeit 33,5 Prozent auf 45-50 Prozent bis zum Jahr 2030 gesteigert werden und das ambitionierte Ziel erreicht werden, den Gesamtstromverbrauch bis 2030 mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu decken. Aber mindestens genauso wichtig wäre ein klares Ziel für die Senkung des Energieverbrauchs. Die Klimastrategie gibt jedoch nur ein Intensitätsziel vor, kein absolutes Reduktionsziel, das mit 30 Prozent Energieverbrauchsreduktion bis 2030 angesetzt werden müsste. Zusätzliche Ausbaumengen an erneuerbarer Energie sollen das Problem lösen, wenn ein Energieverbrauch von 1200 PJ überschritten wird, was naturverträglich nicht möglich ist.

Konkrete Maßnahmen fehlen fast vollständig

Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung sind leider nur wenige zu finden, vieles bleibt zu vage und unkonkret, um überhaupt bewertet werden zu können. Auch werden weitere Strategiepapiere ebenso wie neue Gesetze und Gesetzesänderungen nur angekündigt, ohne Details zu skizzieren. Am konkretesten ist dabei noch das neue Energiegesetz ausgeführt. Bei den meisten anderen Maßnahmen ist die Umsetzung noch unter Vorbehalt zu sehen: Sie sind entweder von Entwicklungen auf EU-Ebene abhängig (CO2-Mindestpreis), nicht mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet (Leuchtturmprojekt Sanierungsoffensive), oder äußerst vage gehalten (Anpassung des Abgaben- und Fördersystems ohne wesentliche Details). Selbst aus medial bereits angekündigten konkreten Vorgaben (Ausstieg aus der Kohleverstromung 2020) wurden in der Strategie vage Absichtserklärungen (Beschleunigung des Ausstiegs aus der Kohle). Beim Ausstieg aus der Ölheizung wird die Strategie zwar etwas konkreter und auch der Vorschlag von GLOBAL 2000, erneuerbare Energien beim Heizen zum Standard zu erklären, hat Einzug gehalten. Alle Details sind aber noch offen und vor allem in Tirol, dem Land mit der höchsten Dichte an Ölheizungen, formieren sich bereits die Bremser.

Blinder Fleck ökologische Steuerreform

Andere wichtige Vorhaben fehlen praktisch völlig. Dass man auf eine substanzielle ökologische Steuerreform verzichten will, ist ein schwerer Fehler, denn alle ExpertInnen sehen genau darin eine Schlüsselmaßnahme für eine gelingende Klimaschutzpolitik. Eine Modellierung im Auftrag von GLOBAL 2000 zeigt, dass höhere Steuern auf fossile Energien sehr gut mit Steuersenkungen z. B. auf Arbeit und anderen Rückvergütungsmöglichkeiten kombinierbar sind und dadurch schon in den nächsten Jahren 17 400 Arbeitsplätze entstehen können3. Länder wie Schweden haben diese Win-Win-Situation erkannt und setzen solche Konzepte bereits erfolgreich um.

Dass die Maßnahmen der Strategie nicht klarer sind, ist umso unverständlicher, als umfangreiche Studien vorhanden sind. Im Auftrag des Umweltministeriums untersuchten etwa Umweltbundesamt, Energieagentur, WIFO, TU Graz, TU Wien und andere, mit welchen Maßnahmen Österreich seine Klimaziele erreichen kann und erarbeiteten dazu ein überzeugendes Transitions-Szenario. Sie konnten auch zeigen, dass sich ambitionierte Klimapolitik wirtschaftlich rechnet und vor allem regionale Wirtschaftskreisläufe belebt4. Mangels konkreter Maßnahmen wird man wohl schon im Herbst nachbessern müssen, wenn Österreich der EU-Kommission einen Entwurf für seinen „National Energy and Climate Plan (NECP)“ vorlegen muss. Mit diesen Plänen sollen die Mitgliedsstaaten zeigen, wie die 2030-Ziele erreicht werden. Die „Mission2030“ leistet das nicht.

Keine Ausreden mehr

Der klimapolitische Handlungsbedarf wird in einem im Juni 2018 vom Climate Action Network (CAN) veröffentlichten Ranking nochmals verdeutlicht. Dabei wird den EU-Staaten insgesamt ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Kein Land ist auf Kurs zur Erreichung der Pariser Klimaziele (Wertung: Very good). Am nächsten kommen den Anforderungen noch Schweden (good), Portugal, Frankreich, die Niederlande und Luxemburg (jeweils moderate). Österreich rangiert auf dem 14. Platz lediglich im europäischen Mittelfeld (poor)5- und dabei ist die Klima- und Energiestrategie bereits berücksichtigt.

Wirklich positiv an der Energie- und Klimastrategie ist daher vor allem eines: Es gibt jetzt keine Ausreden mehr, die Regierung muss im Klimaschutz liefern. Es ist notwendig, die versprochenen Maßnahmen rasch umzusetzen und deutliche Verbesserungen nachzuliefern. Kommt man dabei nicht rasch in die Gänge wird aus der „Mission 2030“ rasch eine „Mission impossible“.

AutorInnen

Leonore Gewessler ist politische Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 und Mitglied im Europa-Vorstand von Friends of the Earth, dem weltweit größten Netzwerk an unabhängigen Umweltschutzorganisationen.

Mag. Johannes Wahlmüller ist Klimasprecher von GLOBAL 2000 – Friends of the Earth Austria und vertritt die österreichischen Umweltorganisationen seit vielen Jahren im Rahmen der UNFCC Klimakonferenzen.

Weiterführende Informationen

Die österreichische Klima- und Energiestrategie ist unter https://mission2030.info/ abrufbar. Eine detaillierte Analyse der #Mission2030 ist unter https://www.global2000.at/sites/global/files/Analyse-KlimaEnergiestrategie2018.pdf abrufbar.

Literatur

  1. Steininger/Meyer (2017): Das Treibhausgas-Budget für Österreich, abrufbar unter https://www.global2000.at/sites/global/files/CO2-Budget_Studie.pdf
  2. ETS: emission trading scheme
  3. Schneider/Wahlmüller (2015): Eine ökologische und soziale Steuerreform für Österreich, abrufbar unter https://www.global2000.at/sites/global/files/150307_Kurzpapier_%C3%B6kologisch_und_soziales_Steuermodell_Final.pdf
  4. Krutzler Thomas et al. (2017): Energie- und Treibhausgasszenarien im Hinblick auf 2030 und 2050, abrufbar unter: http://www.umweltbundesamt.at/aktuell/publikationen/publikationssuche/publikationsdetail/?pub_id=2250
  5. Climate Action Network (2018): Off target, abrufbar unter https://www.global2000.at/presse/klimaschutz-ranking-sieht-eu-l%C3%A4nder-nicht-auf-kurs-zur-erreichung-der-pariser-klimaziele
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