Zeitschrift EE

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2013-02: 25 Jahre AEE-INTEC

TitelbildErfolgsgeschichte dezentraler Pflanzenkläranlagen

Abbildung 1: Blühende Blumen auf einer Pflanzenkläranlage

Die praktische Beschäftigung mit erneuerbaren Energietechnologien bei AEE INTEC motivierte Eduard Luttenberger und weitere Interessierte Anfang der 1990er, Techniken des sparsamen Umgangs mit Wasser und der dezentralen Abwasserreinigung zu entwickeln und zu verbreiten.

Gleichzeitig gab es eine Nachfrage nach einer umweltfreundlichen, ressourcenschonenden Lösung für die Reinigung der häuslichen Abwässer von Objekten ohne Anschlussmöglichkeit an den öffentlichen Kanal. Inwenigen Jahren wurdenmehr als 800 Pflanzenkläranlagen geplant und errichtet. Daneben wurden Anlagenteile entwickelt, die den Betrieb der Kläranlagen ohne Energiezufuhr ermöglichen.
AllenWiderständen zumTrotz gelang es, die Pflanzenkläranlagen als einen dem Stand der Technik entsprechenden Kläranlagentyp zu etablieren. Die bereits seit den 1990ern existierende Vornorm zu Pflanzenkläranlagen (ÖNORMB2505), lange Zeit eher lückenhafte Basis für die planerische Tätigkeit inÖsterreich,wurde 2009 endgültig in eine gültige ÖNORMüberführt.

Das System: Technische Beschreibung

Das eigentliche Kernstück jeder Pflanzenkläranlage ist der bepflanzte Bodenfilter. Das gegen den Untergrund üblicherweise mit einer  PE-Dichtungsbahn abgedichtete Becken ist mit Sand- und Kiesschichten befüllt. Das Wasser wird in der Anlage durch Mikroorganismen gereinigt, indem die mechanisch vorgereinigten Abwässer von oben nach unten die Sand- und Kiesschichten, die den Mikroorganismen als Lebensraum dienen, durchsickern. Die Bepflanzung mit tiefwurzeligen Sumpfpflanzen hält den Bodenkörper durchlässig (Abbildung links).
Der Schichtaufbau wurde über die Jahre optimiert, das den Pflanzenkläranlagen zugrundeliegende, bewährte Reinigungsprinzip blieb seit den Anfangsjahren aber praktisch unverändert. In Österreich hat sich auf Grund der strengen Anforderungen und des Klimas der intermittierend beschickte und vertikal durchflossene Bodenfilter durchgesetzt. EinzelneBauteile des Systems wurden von AEE INTEC über die Jahre jedoch kontinuierlich weiterentwickelt. So sind beispielsweise Anlagenteile entwickelt worden, die den Betrieb der Kläranlagen ohne Energiezufuhr ermöglichen.
Nur im absolut ebenen Gelände ist zur Beschickung eine Pumpe notwendig. Annähernd 95% aller von AEE INTEC projektierten Anlagen werden ohne Einsatz von Fremdenergie betrieben. Zur Behandlung der anfallenden Schlämme wurden kompakte Schlammkompostierungsbeete in Betonfertigteilbauweise – sogenannte Vererdungsbeete – entwickelt. Damit war es erstmals auch Betreibern kleiner Kläranlagen (z. B. bei Einfamilienhäusern) möglich, die anfallenden Schlämme selbst zu verwerten.
Der Großteil der Kläranlagenwurde bzw. wird noch immer im sog.„kontrollierten Selbstbau“ errichtet.Das anAEE INTECangegliederte Technische Büro übernimmt die behördliche Abwicklung (Einreichplanung, wasserrechtliche Bewilligung, Förderungsabwicklung, Bauorganisation und -aufsicht). Die Anlage wird vom Bauherrn selbst unter Anleitung errichtet. Neben günstigen Realisierungskosten ergibt sich so der Vorteil, dass das  Reinigungssystem kennengelernt und verstanden wird. Der Bauherr kann Wartungsarbeiten später dann problemlos selbst erledigen.

Erfolgsgeschichte

In Kärnten wurde die erste Anlage bereits 1993 errichtet. Knapp 600 Anlagen wurden seit damals allein in diesem Bundesland realisiert. Daneben wurden zahlreiche Projekte auch in der Steiermark, in Salzburg, Osttirol und im Burgenland betreut und umgesetzt.
Heute werden jedes Jahr rund 580 Pflanzenkläranlagen vomTechnischen Büro der AEE INTEC im Zuge von Wartungsverträgen betreut. Die Funktionsfähigkeit ist jährlich der Wasserrechtsbehörde nachzuweisen. Dazu wird der Zustand vor Ort überprüft und eine Wasserprobe gezogen. Eine Laboranalyse als Nachweis der Funktionsfähigkeit wird jährlich, zusammen mit einer Zustandsbeschreibung der Anlage, der Behörde vorgelegt.
Neben wertvoller Erfahrung konnte im Zuge der Wartungen über die Jahre ein großer Pool an Messwerten gesammelt werden. Von unschätzbarem Wert erwiesen sich diese Daten, als imBundesland Kärnten aufgrund einer gesetzlichen Änderung eine Typisierung des Kläranlagentyps  notwendig wurde. Seit 2001 erhalten in Kärnten nur mehr jene Kläranlagen eine wasserrechtliche Bewilligung, die ein Typengutachten vorweisen können. Das Typisierungsgutachten wurde von JOANNEUM RESEARCH, Institut für Umwelttechnik und Ökosystemforschung Graz, verfasst und veranschaulicht die Leistungsfähigkeit der Pflanzenkläranlagen eindrucksvoll. Die Grundlage für das Typengutachten bilden 627 Ablaufbefunde von insgesamt 200 wasserrechtlich bewilligten Pflanzenkläranlagen. Details sind in der Zeitschrift erneuerbare energie 02/2004 nachzulesen.
Pflanzenkläranlagen haben sich als robuste Reinigungssysteme bewährt, wo andere Systeme häufig scheitern. So sind stark schwankende Abwasserbelastungen, wie sie z. B. in Tourismusbetrieben oder Ferienhäusern auftreten, mit Pflanzenkläranlagen problemlos zu bewältigen. Das gilt auch für klimatische Extremlagen: Bereits 1999 ging eine Anlage für die Hiasl-Zirbenhütte am Hochrindl in Kärnten auf 1670m Seehöhe in Betrieb. Eine Pflanzenkläranlage in dieser Höhe war zu dem Zeitpunkt ein Novum.

Internationale Projekte im BereichWasser/Abwasser

Mit diesen Erfahrungen startete 2001 DI Martin Regelsberger als Projektkoordinator von AEE INTEC das EU-Projekt „Sustainable Water Management andWastewaterPurification inTourismFacilities“ (SWAMP– NachhaltigeWasserwirtschaft und Abwasserreinigung in touristischen Einrichtungen). Dabei wurden von acht Partnern in Österreich, Italien,Deutschland und Lettland nachhaltige, ressourcenschonende Wasserwirtschaftskonzepte für Tourismusbetriebe erarbeitet und in 13 Pilotanlagen umgesetzt.
Die Reaktion der Anlagen auf saisonal stark schwankende Zuläufe, wie sie bei Tourismusbetrieben vorkommen, war damals noch nicht ausreichend bekannt. Auch fehlte es an Richtlinien für die Bemessung von Anlagen unter diesen speziellen Bedingungen. Es konnte gezeigt werden, dass Pflanzenkläranlagen sich in unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen, von Nordeuropa über die Alpen bis in den Mittelmeerraum bewähren.
Die gewonnen Erkenntnisse konnten in Folge in einer Vielzahl von Projekten verwertet werden. Heute sind von AEE INTEC projektierte Pflanzenkläranlagen in inneralpinen Extremlagen bis in eine Seehöhe von rund 2.000m–Millstätterhütte des Österreichischen Alpenvereines Sektion Millstatt auf 1.870 m Seehöhe (mittlere Abbildung) oder der Almgasthof Glocknerblick in Großkirchheim auf 2.050 mSeehöhe – im Einsatz.
In die Planung der SWAMP-Pilotanlagen wurde erstmals gezielt die Betrachtung des Wasserverbrauchs eingeschlossen und die getrennte Sammlung und eventuelle Wiederverwendung verschiedener Abwasserströme untersucht.
Die gewonnen Erfahrungen aus SWAMPwurden aufgegriffen um ein weiteres erfolgreiches EU-Projekt zu initiieren. 2003 startete mit dem Projekt Zer0-M – Sustainable Concepts towards a Zero Outflow Municipality („Nachhaltige Konzepte in Richtung einer abwasser /abflusslosen Gemeinde“, www.zer0-m.org), das zum damaligen Zeitpunkt vom Projektvolumen größte EU-Projekt bei AEE INTEC.
Das Projekt hatte sich zum Ziel gesetzt, einen neuen Zugang zum Umgang mit Wasser in vier Mittelmeerländern, Ägypten, Marokko, Tunesien und Türkei, einzuführen. Die Möglichkeit, gereinigtes und hygienisch unbedenkliches Abwasser wiederzuverwenden, ist angesichts des Mangels an sauberem Wasser in diesen Regionen ein großes Bedürfnis. Doch nicht nur das Abwasser, auch die enthaltenen Nährstoffe sollten idealerweise nutzbar sein.
Wieder wurden – neben anderenTechnologien – Pflanzenkläranlagen eingesetzt und untersucht. Die Robustheit und Einfachheit des Systems konnte auch in den Mittelmeerländer überzeugen. Aufgrund des heißen Klimas konnten die Anlagen zudem deutlich kleiner bemessen werden als dies in Österreich der Fallwäre. Die Einsatzbereiche waren vielfältig, so z. B. die Reinigung von Abwässern aus der Gemüse und Obstverarbeitung sowie von Molkereiabwässern in Ägypten, Grauwasserreinigung in Marokko oder die Reinigung der Abwässer einer schnell wachsenden Ortschaft im
ländlichen Tunesien. In allen Fällen wurde der Ablauf für Bewässerungszwecke wiederverwendet (Abbildung rechts).
Sehr viel Aufmerksamkeit hat ein Grauwassersystem in Marokko für ein öffentliches Bad erhalten. In Marokko sind öffentliche Badehäuser weit verbreitet. Der Großteil des Abwassers dieser sog. „Hammams“ ist nur schwach verunreinigt. Im konkreten Projekt werden jetzt etwa 60.000 Liter Wasser pro Tag von im Schnitt 400 Besuchern getrennt gesammelt, in einer Pflanzenkläranlage gereinigt und für Grünanlagen-Bewässerung verwendet. Das gereinigte Wasser ermöglichte es, die Straßenzüge und Parkflächen der Stadt großflächig grün zu gestalten. Um Holz, das in Marokko Mangelware ist, bei der Warmwasserbereitung des Hammams zu sparen, wurde auch eine 400 m² große Solaranlage gebaut.

Umfassendes Energie- und Wasserkonzept

Neben der Projektarbeit und der Planungstätigkeit des Technischen Büros war AEE INTEC auch immer wieder als Konsulent tätig und hat national wie auch international Schulungen, beispielsweise imWestjordanland oder in Jordanien, durchgeführt.
Aber nicht nur in südlichen Ländern wurden in den vergangen Jahren Projekte zur Wasserkreislaufführung umgesetzt. In Markt Hartmannsdorf wurde im Zug der Sanierung und Ausbaues eines alten Gutshofes zu einer modernen Wohnanlage ein innovatives Projekt verwirklicht, das so unterschiedliche Bereiche wie (Bau-)Material, Energie,Wasser und sozialen Lebensraumberücksichtigte.
Das zukunftsweisende Wasserkonzept mit Grauwasseraufbereitung (Abwasser aus Duschen und Handwaschbecken) und -wiederverwendung, Wärmerückgewinnung aus dem Duschwasser, Regenwassernutzung und eine Pflanzenkläranlage für den Toilettenablauf wurde 2008 mit dem Energy Globe Styria Award in der Kategorie Wasser ausgezeichnet.


Abbildung 2: Pflanzenkläranlage für Millstätter Hütte (1.870 Meter)

Abbildung 3: Bau einer Anlage für die SEKEM-Hauptfarm (Ägypten). Das gereinigte Wasser wird zur Bewässerung einer Plantage verwendet.

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