Zeitschrift EE

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Neue Verfahren in der Stahlindustrie zur Steigerung der Energieeffizienz

Johannes Dock, Lukas Kriechbaum, Thomas Kienberger

Mit einem Endenergieverbrauch von 2140 PJ zählt die Eisen- und Stahlindustrie zu den größten Energieverbrauchern der Europäischen Union (4-7 % der anthropogenen hCO2-Emissionen).1,2 Die Erreichung der durch den Klimagipfel in Paris vorgegebenen Ziele erfordert daher Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Reduktion des CO2-Ausstoßes.3 Bei der Stahlerzeugung kommt derzeit neben der energie- und emissionsintensiven Hochofenroute hauptsächlich die Elektrolichtbogenofenroute zur Anwendung. Die Einschmelzung von recyceltem Schrott im Elektrolichtbogenofen erfordert weniger Energieeinsatz und verursacht geringere CO2-Emissionen als die Umwandlung von Eisenerz zu Eisen im Hochofen.4 Außerdem erlaubt die Elektrostahlroute die Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen.

Foto: Breitenfeld Edelstahl AG / Stefan Nadrag

Nichts desto trotz finden Gasfeuerungen im Elektrostahlwerk unter anderem bei der Beheizung von Nebenaggregaten, wie zum Bespiel Pfannenfeuern, Anwendung. Dabei bietet der Einsatz von Sauerstoffbrennern signifikante Energie- und CO2-Reduktionspotenziale. Zusätzlich besteht die Möglichkeit zur Produktion von reinem CO2. Durch die Einbindung des bei der Verbrennung entstehenden CO2 in den Produktionsprozess (CCU - carbon capture and utilization), beispielsweise als Spülgas im Elektrolichtbogenofen, kann der Strom- und Gasverbrauch weiter gesenkt werden. Zudem stellt der Prozess der Sauerstoffabscheidung in Verbindung mit einem Speicher eine Flexibilitätsoption für das Stromnetz dar, was die Verwendung von Erneuerbaren in die Elektrostahlroute erleichtert.

Energieeffizienz und Demand Side Management in der Stahlindustrie

Im Rahmen des Projekts OxySteel wird innerhalb der Vorzeigeregion NEFI („New Energy for Industry“) unter der Konsortialführung des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben gemeinsam mit den Projektpartnern Breitenfeld Edelstahl AG und Messer Austria GmbH ein neuartiges Prozessdesign für Elektrostahlwerke unter Einbindung von Sauerstoffverbrennung und CCU entwickelt. Die beiden Verfahren sollen am Demonstrationsstandort im Elektrostahlwerk der Breitenfeld Edelstahl AG getestet und optimal in das Energieversorgungssystem integriert werden (siehe Abbildung).

Zur Datenerhebung sowie zur Abnahme der Anlage sind umfangreiche energie- und umwelttechnische Messungen notwendig. Diese werden von den Projektpartnern und von der Abteilung Umwelttechnik des TÜV Süd durchgeführt.

Energieversorgungssystem des Elektrostahlwerks. Fünf konventionelle Pfannenfeuer werden durch drei neue Sauerstoffbrenner ersetzt. Ein Teil des entstehenden CO2 wird für die Abwasserneutralisierung im Werk eingesetzt.

Im Stahlwerk kann die Sauerstoffverbrennung im Elektrolichtbogenofen zum Vorheizen von Pfannen sowie in der Wärmebehandlung eingesetzt werden.5 Eine Anreicherung der Verbrennungsluft mit Sauerstoff führt zu einer höheren Flammentemperatur und geringeren Abgasverlusten. Gleichzeitig bewirkt die geringere Stickstoffkonzentration niedrigere NOX-Emissionen.6 Sauerstoffbrenner haben eine um bis zu 50 % höhere Energieeffizienz und produzieren ein Abgas mit hoher CO2-Konzentration, welches einerseits bei der umweltfreundlichen Abwasserneutralisation7,8 und andererseits als O2/CO2-Gemisch beim Frischen des Eisens im Elektrolichtbogenofen9 weitere Energieeffizienzvorteile bringen kann.

Technologieentwicklung

Um die angestrebten Energieeinsparungen sowie die Reinheitsgrade des CO2-Abgasstroms zu erreichen, müssen neue Technologien im Bereich der Sauerstoffverbrennung und der Abscheidung bzw. Nutzung von CO2 entwickelt werden. Die Oxipyr-Sauerstoffbrenner der Firma Messer werden innerhalb des Projektes mit einer entsprechenden Messsensorik ausgestattet, die eine optimale Steuerung des Verbrennungsprozesses und weiterführend eine höhere Brennereffizienz ermöglicht. Die weitere Nutzung der Abgase aus der Sauerstoffverbrennung setzt eine CO2-Konzentration von über 85 % voraus. Um die CO2Konzentration zu erhöhen und gleichzeitig die Flammentemperatur zu steuern, wird ein Teil des heißen Abgasstromes rückgeführt. Da Erdgas als Brennstoff eingesetzt wird, besteht das Abgas hauptsächlich aus CO2 und Wasserdampf. Nach der Abkühlung wird das CO2 abgeschieden, komprimiert und in Tanks für die weitere Nutzung gespeichert.

Systemintegration

In der Elektrolichtbogenofenroute des Stahlwerks der Breitenfeld AG werden fünf konventionelle Pfannenfeuer durch drei neue weiterentwickelte Sauerstoffbrenner ersetzt. Ein Teil des entstehenden CO2 wird für die Abwasserneutralisierung im Werk eingesetzt. Ziel ist es, mit dem im Werk anfallenden Gas mit einer CO2-Konzentration von 85 % dieselbe Neutralisierungsleistung wie mit purem CO2 zu erreichen. Die Anwendung von CO2 anstatt Säuren führt zu geringeren Salzfrachten in die Mürz, zudem ist kein eigener Prozess zur CO2-Produktion notwendig. Ein weiterer Teil des CO2 wird zum Frischen im Elektrolichtbogenofen verwendet. Die Einbringung eines O2/ CO2-Gemisches zur Eisenraffination verbessert das Schmelzverhalten und erhöht den Eisenertrag bei gleicher Schrottmenge, was sich positiv auf die Energieeffizienz auswirkt. Zusätzlich wird der Verschleiß des Lichtbogenofens minimiert.10

Demand Side Management

Zukünftige Stromnetze mit einem hohen Anteil erneuerbarer Einspeiser benötigen Speicher oder flexible Verbraucher. Die Kombination eines Elektrolichtbogenofens mit einer Sauerstoffproduktionsanlage stellt eine gute Möglichkeit dar, Flexibilität bereitzustellen und fluktuierende erneuerbare Energiequellen zu integrieren. Der Standort des Stahlwerks eignet sich durch die bestehende Anbindung ans 110 kV-Hochspannungsnetz sowie den zukünftig geplanten Anschluss an das nahe gelegene 220 kV-Netz, die werksinterne betriebliche Flexibilität als regionale oder überregionale Flexibilitätsoption zu nutzen und somit die Netzbelastung zu verringern. Im Rahmen von OxySteel werden die betrieblichen Flexibilitäten bewertet und evaluiert und daraus abgeleitet, welche Netzservices angeboten werden können.

Danksagung

OxySteel wird im Rahmen der Vorzeigeregion Energie – NEFI vom österreichischen Klima- und Energiefonds gefördert. 

Autoren

Dipl.-Ing. Johannes Dock und Dipl.-Ing. Lukas Kriechbaum sind wissenschaftliche Projektmitarbeiter an der Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Energieverbundtechnik. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, lukas.kriechbaum.unileoben.ac.at.

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Thomas Kienberger leitet den Lehrstuhl für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben

Literatur

  1. Energy balance sheets. 2014 data 2016.
  2. Nicolás Pardo; José Antonio Moya: Prospective scenarios on energy efficiency and CO2 emissions in the European Iron & Steel industry, in: Energy 54, 2013, 113–128.
  3. United Nations Framework Convention on Climate Change. Adoption of the Paris agreement, Paris 2015.
  4. Marlene Arens; Ernst Worrell; Wolfgang Eichhammer; Ali Hasanbeigi; Qi Zhang: Pathways to a low-carbon iron and steel industry in the medium-term – the case of Germany, in: Journal of Cleaner Production 163, 2017, 84–98.
  5. Joachim Von Schéele: Oxyfuel Combustion in the Steel Industry. Energy Efficiency and Decrease of CO2 Emissions, in: Energy efficiency, hg. von Jenny Palm, Rijeka, Croatia 2010.
  6. Schéele, Oxyfuel Combustion in the Steel Industry.
  7. Erin R. Bobicki; Qingxia Liu; Zhenghe Xu; Hongbo Zeng: Carbon capture and storage using alkaline industrial wastes, in: Progress in Energy and Combustion Science 38, 2012, 302–320.
  8. Peter J. Gunning; Colin D. Hills; Paula J. Carey: Accelerated carbonation treatment of industrial wastes, in: Waste management (New York, N.Y.) 30, 2010, 1081–1090.
  9. Guangsheng Wei; Rong Zhu; Xuetao Wu; Kai Dong; Lingzhi Yang; Runzao Liu: Technological Innovations of Carbon Dioxide Injection in EAF-LF Steelmaking, in: JOM 69, 2018, 1.
  10. Wei, Zhu; Wu, Dong; Yang, Liu; Technological Innovations of Carbon Dioxide Injection in EAF-LF Steelmaking.
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