03 | 2024 Innovation durch internationale Kooperation
UNIDO-Kooperationen: Erfolgsfaktor für eine nachhaltige industrielle Entwicklung
Martin Lugmayr, Josephin Paetzold, Anais Garzon, Wolfgang Gruber-Glatzl
Die Zusammenarbeit mit dem globalen Süden ist entscheidend, um den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise erfolgreich zu führen und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinen Nationen bis 2030 zu erreichen. In diesem Zusammenhang kooperiert AEE INTEC seit Jahren mit der Organisation für Industrielle Entwicklung der Vereinten Nationen (UNIDO). Im Vordergrund steht die Markteinführung nachaltiger Energielösungen, um die Produktivität und Wettberwerbsfähigkeit lokaler Industrien zu erhöhen und gleichzeitig negative Umwelt- und Klimaemissionen zu reduzieren. Dabei steht Kapazitätsbildung, Wissenstranfer und Nord-Süd-Kooperation im Vordergrund.
Besuch in einer Kartonfabrik in Lima. Foto: AEE INTEC
AEE INTEC hat eine Vielzahl von Projekten in Kooperation und im Auftrag von UNIDO durchgeführt. Die Zusammenarbeit mit UNIDO ist auch deshalb so fruchtbar und erfolgreich, weil sich die Leitbilder unserer Organisationen decken. In den letzten 15 Jahren waren Mitarbeiter*innen von AEE INTEC im Auftrag von UNIDO in Ländern auf vier Kontinenten im Einsatz: Peru, Ägypten, Tunesien, Uganda, Malaysia, Ukraine, Mazedonien, Serbien, Montenegro und Nicaragua. Hervorzuheben sind die Capacity-Building- und Umsetzungs- Programme für Solare Prozesswärme in Ägypten und Malaysia, wo in langjährigen Projekten Trainingsprogramme und Know-how-Transfer durchgeführt und Demo-Anlagen errichtet wurden. Neben Solarthermie standen hier stets auch Energieaudits und Energieeffizienz-Maßnahmen in Industriebetrieben und Krankenhäusern, wie zum Beispiel die Installation von Wärmetauschern oder die Erstellung von Warmwasserspeicherkonzepten im Fokus.
AEE INTEC ist auch ein wichtiger Partner des Global Network of Regional Sustainable Energy Centres (GN-SEC), das von UNIDO in Kooperation mit Regionalorganisationen in den letzten zehn Jahre im Globalen Süden aufgebaut wurde. Nur wenige Entwicklungsländer haben erneuerbare Energieziele für den Bereich Wärme und Kühlung. Zur Förderung von Süd-Süd-Kooperation arbeiten AEE INTEC und UNIDO mit mehreren Zentren an regionalen Politiken und Standards für Solarthermielösungen, auch im Rahmen des Solar Heating and Cooling Programs der International Energieagentur (IEA).
Die Herausforderungen in den Ländern des globalen Südens sind vielfältig und oft nicht nur technischer Natur, sondern soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Durch diese Herausforderungen lernen wir, zu improvisieren und kreative Lösungen und innovative Ansätze zu finden. Diese praktischen Erfahrungen fließen zurück in Forschungsprojekte in Europa und bereichern unsere Arbeiten um wertvolle Perspektiven und Ansätze in der Entwicklung neuer Konzepte und Geschäftsmodelle, die global Anwendung finden können. Diese Synergie schafft eine Grundlage für nachhaltige Entwicklung und Innovation.
Ein kürzlich abgeschlossenes Projekt in Zusammenarbeit mit UNIDO war das Projekt „Nachhaltige Industriezonen (ZIS)“, eine Initiative der peruanischen Regierung in Zusammenarbeit mit der UNIDO und AEE INTEC als technischem Berater. Es konzentrierte sich auf die Umgestaltung der Industrielandschaft in der Region Callao durch Konzepte für die Nutzung erneuerbarer Energien (PV, Wärmepumpen, Biogas), Wärmerückgewinnung und Industrieller Symbiosen in Produktionsprozessen, beispielsweise der Textil- und Metallindustrie.
Energieverbrauch und GIS-Kartierung
Die Verbrauchs- und Standortdaten von 60 beteiligten Industrieunternehmen basieren hauptsächlich auf Energieaudits der peruanischen Energieeffizienzexperten von ZIS. Sie wurden in der QGIS-Software hinterlegt, um das Anzeigen und Filtern der Unternehmen unter anderem nach Sektor und Größe des Energieverbrauchs zu ermöglichen. Strom- und Gasverbrauch sowie die CO2-Emissionen werden als Blasen visualisiert, deren Größe der Höhe des Verbrauchs bzw. den Emissionen entspricht. Dadurch ist es möglich, mit einem Blick die größten Verbraucher zu erfassen, einen einfachen Vergleich anzustellen und nahe gelegene Unternehmen zu identifizieren, die von einer industriellen Symbiose profitieren könnten.
Vor-Ort-Besuche und Energiebewertungen
In Callao wurde ein Workshop mit Vertreter*innen aus Industrie, Consulting und lokaler sowie nationaler Regierung abgehalten. Auf der Tagesordnung standen Präsentationen von AEE INTEC über die Energiebilanzen und GIS-Kartierung der ZIS-Unternehmen sowie Best-Practice-Beispiele zur Nutzung erneuerbarer Energien in industriellen Prozessen und die Nutzung von Abwärme als Fernwärme. Während interaktiver Sessions wurden die Teilnehmenden gebeten, ihre Prozesse sowie ihren Energie- und Materialbedarf vorzustellen. Nach einem Brainstorming zu Konzepten zur Verringerung des fossilen Energieverbrauchs sollten die Unternehmen über individuelle Vorteile und Herausforderungen (rechtlich, finanziell, technisch) nachdenken. Als Hindernisse wurden beispielsweise das Fehlen eines rechtlichen Rahmens für die Eigenerzeugung und den Verkauf von Strom und Wärme, hohe Investitionskosten und fehlende Subventionen für die Nutzung erneuerbarer Technologien, sowie der Mangel an Technologieanbietern genannt. Trotzdem gab es großes Interesse an der Nutzung von Energiesynergien und erneuerbaren Technologien wie Photovoltaik.
Bei sieben ZIS-Unternehmen, die aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs und ihres besonderen Interesses an den Projektaktivitäten ausgewählt worden waren, wurden Vor-Ort-Analysen durchgeführt. Einzelne Maßnahmen (Technologien für erneuerbare Energien, Nutzung organischer Abfälle, Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung) und mögliche Konzepte wurden mit den Verantwortlichen diskutiert. Als Potenziale wurden unter anderem der Ausbau einer bereits installierten Photovoltaikanlage in einem Textilunternehmen, die Wärmerückgewinnung der Öfen zur internen und externen Nutzung in einem Glasunternehmen und die Nutzung von großen Dachflächen der Produktionshallen zur Erzeugung von Photovoltaikstrom in einem Unternehmen für Kunststoffverpackungen und Karton identifiziert. Für alle ZIS-Firmen wurden die globalen erneuerbaren Energieversorgungspotenziale und die damit verbundenen CO2-Einsparungen berechnet Dazu zählten Berechnungen des Photovoltaik-Erzeugungspotenzials auf Basis der vorhandenen Flächen und der lokalen Einstrahlung, der Abwärmemengen mit branchenspezifischen Faktoren auf Basis des Erdgasverbrauchs, der Kühlungsabwärme als Wärmepumpenquelle, des Wärmebedarfs unter 100 °C als Wärmepumpensenke und zudem das Biogaspotenzial der Fischerei- und Kartonagenfabriken. Das Abwärmepotenzial beläuft sich für alle ZIS-Unternehmen auf mindestens 84 139 MWh pro Jahr. Die Nutzung des Potenzials könnte 9 Millionen Kubikmeter Erdgas ersetzen, was 24 550 CO2-Äquivalenten entspricht. Insbesondere die Glasverarbeitung mit ihren Hochtemperaturprozessen weist ein sehr hohes Potenzial für die Nutzung der überschüssigen Wärme auf.
Fallstudien und Schlussfolgerungen
Auf der Grundlage der globalen Analyse und der Vor-Ort-Besuche wurden drei Fallstudien für eine technische und finanzielle Bewertung ausgewählt und an den österreichischen Projektpartner REENAG zur Entwicklung von Finanzierungs- und Betriebsmodellen weitergeleitet. Die finanzielle Durchführbarkeit von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien ist nur mäßig attraktiv und würde kaum zu einer Investition motivieren. Die Hauptattraktivität für die Unternehmen liegt in der Beschaffung CO2-freier Energie, die den CO2-Fußabdruck der von ihnen hergestellten Produkte verringert, sowie in der Preisstabilität der gekauften Energie. Mit besonderem Augenmerk auf das Photovoltaikprojekt empfiehlt sich die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch Unternehmen, die erneuerbaren Strom erwerben möchten.
In der Abschlusspräsentation wurden die Ergebnisse vorgestellt, und Workshops mit den Teilnehmer*innen durchgeführt, in denen Lösungen für Hindernisse und Motivationen erörtert wurden. Das Projekt unterstreicht das Engagement für die Einführung nachhaltiger Energien im Industriesektor in der Region und stellt einen Fahrplan für künftige Initiativen dar. Trotz aller Herausforderungen stellt das ZIS-Projekt einen entscheidenden Schritt in Richtung einer grüneren und nachhaltigeren Zukunft in der Region Callao und darüber hinaus dar.
Durch das Projekt erhielt AEE INTEC Einblick in die peruanische Industrielandschaft mit ihren Treibern und Hindernissen und erlebte das hohe Interesse und den Innovationsgehalt, der aus den Stakholder*innen-Workshops entstehen kann. Diese Erkenntnisse nehmen wir gerne in zukünftige Projekte mit.
Kommentar
„Heizen und Kühlen stellen eine große Chance für die Reduzierung von Treibhausgasen dar, da sie für 40 Prozent der weltweiten energiebezogenen Emissionen verantwortlich sind. Trotz zahlreicher verfügbarer erneuerbarer und energieeffizienter Lösungen schreitet die Marktakzeptanz nur langsam voran, insbesondere in Entwicklungsländern, in denen der Verbrauch immer noch wächst. Im Rahmen von Süd-Süd- und Dreieckskooperationen arbeitet die UNIDO mit Einrichtungen wie AEE INTEC am Wissens- und Technologietransfer für industrielle Anwendungen, um die Dekarbonisierung von Heizen und Kühlen zu beschleunigen. Gemeinsam unterstützen wir die Entwicklung lokaler grüner Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in diesem Sektor."
Rana Ghoneim, Leiterin der Division Energy and Climate Action, UNIDO. Foto: UNIDO
Autor*innen
Martin Lugmayr, Mag., Msc, Industrieller Entwicklungsexperte, Koordinator des Globalen Netzwerks von Regionalzentren für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Josephin Paetzold, MSc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Anais Garzon ist studentische Mitarbeiterin des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC.
Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Gruber-Glatzl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!