Zeitschrift EE

nt 03 | 2020: Innovative Demonstrationsgebäude

Verantwortungsbewusstes Wasser-Management im Betrieb

Fátima Bertrán de Lis

In unseren Breitengraden wird Wasser noch nicht als begrenzte Ressource wahrgenommen. Wenn wir Begriffe wie "Wasserknappheit", "Wasserfußabdruck" oder "Wasserstrategien für Unternehmen" fallen lassen, sehen wir fragende Gesichter. Gleichzeitig zeigt eine Studie der Universität für Ressourcen und Biowissenschaften und der Österreichischen Vereinigung für das Gas-und Wasserfach ÖVGW (2016), dass Wasserknappheit auch in Österreich ein Problem sein kann [1] . Wasser ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Produktion. Schließlich zahlen die Unternehmen für den Verbrauch und die Behandlung von Wasser. Effiziente Nutzung bringt daher nicht nur Umweltvorteile, sondern beeinflusst auch die Unternehmensbilanz. Mit den richtigen Methoden und Strategien können Wassereinsparungsmöglichkeiten und potenzielle Risiken aufgedeckt und lokalisiert werden. Ein einfaches Wasser-Controlling gibt beispielsweise Auskunft über mögliche Wasserverluste und Einsparungen. So gelang es einem bekannten österreichischen Lebensmittelhersteller in Wien, innerhalb von 3 Jahren knapp 10 000 m³ Wasser einzusparen.

Auf internationaler Ebene ist die Wichtigkeit von Wasser schon längst anerkannt. Wasser ist stark verankert in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals) für 2030, nicht nur explizit in Ziel 6 (Sauberes Wasser und Sanitärversorgung) und Ziel 14 (Leben unter Wasser), sondern auch implizit in vielen der 17 Ziele, in Themen wie verantwortungsvoller Konsum und Produktion, Maßnahmen zum Klimaschutz oder nachhaltige Städte und Gemeinden. Unternehmen verwenden vermehrt die Sustainable Development Goals und gleichen diese mit ihren eigenen Nachhaltigkeitsambitionen ab.

Foto: denkstatt GmbH

Wasserstrategie für Unternehmen

Laut dem neuen globalen Risikobericht des Weltwirtschaftsforums gehören wasserbedingte Risiken zum sechsten Mal in Folge zu den fünf Hauptrisiken [2] . Die Vereinten Nationen schätzen, dass im Jahr 2030 fast die Hälfte der Weltbevölkerung in Regionen mit hohem Wasserstress leben wird. Daher ist es an der Zeit, dass Unternehmen Wasser als entscheidenden Faktor für operative und strategische Überlegungen und Entscheidungen berücksichtigen und mit der Umsetzung einer soliden Wasserstrategie wasserbedingte Chancen und Risiken in Angriff nehmen.

Mit Unterstützung von denkstatt arbeitete ein Öl- und Gasunternehmen beispielsweise eine Wasserstrategie aus. In einem „Water Ambition Statement“ wurde allen Stakeholdern kommuniziert, dass Wasser eine wertvolle Ressource und einer der Schlüsselfaktoren für einen lokalen Betrieb („social license to operate“) ist. Darüber hinaus umfasst die Wasserstrategie klare Ziele in den Bereichen Wassernutzung und Steigerung der Wassereffizienz, Verbesserung der Abwasserqualität und Maßnahmen zur Minderung der lokalen Wasserrisiken für alle Standorte.

Über die Standortgrenzen hinausschauen – Water Stewardship

Es reicht aber nicht, nur den eigenen Betrieb zu beleuchten. Immerhin ist das Unternehmen einer von vielen Akteuren in einem Wassersystem, das es teilweise beeinflusst, aber von dem es auch beeinflusst wird. Folgende Fragen sollten beantwortet werden:

  • Wie ist die Wassersituation im Wassereinzugsgebiet, in dem das Unternehmen agiert?
  • Wie schaut es mit der Wasserqualität aus?
  • Gibt es Probleme in der Versorgung oder Entsorgung laut Wasserbehörde bzw. anderen Stakeholdern?
  • Sind die wasserrelevanten Risiken bekannt und wurden diese bewertet bzw. Maßnahmen zur Minimierung gesetzt?
  • Wie kann gemeinsam mit anderen Stakeholdern die Wassersituation im Einzugsgebiet verbessert werden?

Diese und viele weitere Wasserthemen werden im AWS (Alliance for Water Stewardship)-Standard adressiert. Dieser wurde von der Alliance for Water Stewardship, einer internationalen Organisation aus Mitgliedern führender Unternehmen, gemeinnütziger Organisationen, öffentlicher und akademischer Einrichtungen mit dem Ziel erstellt, einen verantwortungsvollen Umgang mit Frischwasser zu fördern, der sozial, wirtschaftlich und ökologisch vorteilhaft ist. Der AWS-Standard unterstützt Organisationen und Wassernutzer dabei, Maßnahmen zu implementieren, wasserrelevante Risiken zu minimieren, die Wassereffizienz zu steigern und die gemeinsamen Herausforderungen im Wassereinzugsgebiet in Angriff zu nehmen. Denn Water Stewardship bedeutet Verantwortung übernehmen für etwas, was einem nicht gehört, und dabei andere mit auf die Reise zu nehmen, mit Wasserressourcen verantwortungsvoll umzugehen.

Eine erfolgreiche AWS-Zertifizierung ist ein klar strukturierter Prozess, der eine Reihe von Kriterien und Indikatoren für das Management von Wasser sowohl auf Werksebene als auch außerhalb der Grenzen eines Standorts umfasst. 2017 und 2018 unterstützte denkstatt zusammen mit HPC AG (Deutschland) die Umsetzung des AWS-Standards bei einem der weltgrößten Hersteller von Tabakprodukten in Brasilien.

Der Produktionsstandort hatte zu dieser Zeit überhaupt kein umfassendes Wassermanagement. Binnen vier Monaten sammelte das Unternehmen alle erforderlichen Dokumente, kontaktierte relevante Interessensgruppen und ermunterte sie, zu diesem anspruchsvollen Projekt beizutragen. Im Zuge der Bewertung durch denkstatt wurde eine GAP-Analyse durchgeführt und ein Aktionsplan entwickelt. Die Unternehmensleitung implementierte die notwendigen Managementmaßnahmen und begann mit der Modernisierung der Infrastruktur. Die Vorteile der Umsetzung sind vielfältig. Neben einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Nutzung der wertvollen Ressource Wasser kann der Wert eines Unternehmens oder einer Organisation steigen und dazu beitragen, den Wandel der Wasserwirtschaft in einer Region zu fördern. Mittlerweile hat denkstatt fünf weitere Standorte desselben Kunden in Italien, der Türkei, Portugal, Russland und Indonesien erfolgreich begleitet.

AWS-Standard, Schritte und Ergebnisse (www.a4ws.org)

Der Wasserfußabdruck

Der AWS-Standard beschäftigt sich sehr stark mit der indirekten Wassernutzung. Denn auch die Rohstoffe und Leistungen, die für betriebliche Aktivitäten gebraucht werden, hinterlassen Spuren in der Umwelt. Nicht nur der CO2-, sondern auch der Wasserfußabdruck („Water Footprint“) hilft, die Schwachstellen verschiedenster Produkte und Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette unter die Lupe zu nehmen. So wird auch klar sichtbar, ob die größten Mengen an Wasser bei der Herstellung der Rohstoffe (z. B. Zuckerrohranbau), bei der Produktion selbst oder in der Verwendungsphase (z. B. Seife) verbraucht bzw. verschmutzt werden. Dennoch sind die Zahlen allein nicht aussagekräftig genug. Wichtig ist nicht nur die Wassermenge, die entnommen bzw. verschmutzt wird, sondern wo dies passiert und welche Auswirkungen das auf das Einzugsgebiet und die anderen Wassernutzer hat.

Ein "Grüner Wasserfußabdruck" steht für den Anteil des Regenwassers, das die Pflanzen aus dem Boden holen. Blau steht für Wasser, das für Bewässerung entnommen wird. Grau steht für das Wasser, das in Produktionsprozessen verschmutzt wird.

Abbildung. Quelle: denkstatt GmbH

Für einen der weltweit größten Getränkehersteller rechnete denkstatt zusammen mit dem Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der TU Wien den Wasserfußabdruck für den Rübenzucker, der bei der Herstellung der Getränke zum Einsatz kommt. Weiters wurde auch dargelegt, in welchen Gebieten der eigentliche Impact stattfindet, da Wasser im Gegensatz zu CO2 eine wichtige lokale Komponente hat. Der Getränkehersteller ging noch einen Schritt weiter, um zu evaluieren, welche Auswirkungen der Anbau von Zuckerrüben in den jeweiligen Regionen hat, in denen sie angebaut werden. So wurden sensible Gebiete aufgedeckt, in denen die Wasserquantität bzw. die Wasserqualität eine Einschränkung für den zukünftigen Rübenanbau und daher die Zuckerlieferung für das Getränkeunternehmen darstellen können.

Bewertung der Auswirkungen des blauen und grauen Wasserfußabdrucks bei der Rübenzuckerproduktion für einen Getränkehersteller. Quelle: denkstatt GmbH

Autorin

Fátima Bertrán de Lis ist Senior Consultant der denkstatt GmbH, Wien. denkstatt ist ein Beratungsunternehmen im Nachhaltigkeitsbereich und bietet maßgeschneiderte Lösungen für praktisch alle Fragestellungen in den Bereichen Umwelt, Gesundheit, Sicherheit, Energie und Nachhaltigkeit. www.denkstatt.eu, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

  1. DI Dr. Roman Neunteufel et al. (2016), Wasserversorgung im Jahre 2015 – Erfahrungen und Ausblick Studie der Universität für Bodenkultur im Auftrag der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach ÖVGW mit Unterstützung des Lebensministeriums BMLFUW, Wien
    2016 https://www.ovgw.at/media/medialibrary/2016/04/Studie_Wasserversorgung_2015.pdf
  2. The Global Risks Report 2020, World Economic Forum, 15th Edition http://www3.weforum.org/docs/WEF_Global_Risk_Report_2020.pdf
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