Zeitschrift EE

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Energieeffizienz und solare Prozesswärme in Malaysien

Jürgen Fluch, Wolfgang Glatzl, Christoph Brunner

Im Rahmen eines UNIDO-Projektes (UNIDO-gef5) werden Industriebetriebe bei der Identifikation von Maßnahmen zu mehr Energieeffizienz und der Integration solarer Prozesswärme begleitet. Die Arbeiten an der tatsächlichen Umsetzung dieser Maßnahmen haben im letzten Jahr Schwung aufgenommen: Bis dato wurden mehr als 50 Maßnahmen zu Energieeffizienz umgesetzt und die erste solare Prozesswärmeanlage in Betrieb genommen.

Erste Umsetzung solarer Prozesswärme in Malaysien. Foto: SIRIM / MAEESTA

Ausgangspunkt

Die Ziele des UNIDO-Projektes „Green House Gas Emissions Reductions in Targeted Industrial SubSectors through Energy Efficiency and Application of Solar Thermal Systems in Malaysia“ sind auf die Bedürfnisse der Industrie und die nachhaltige Förderung solarer Prozesswärme in Malaysien ausgelegt. Industrie und auch Berater verstanden bis Projektstart unter Energieeffizienz lediglich die Optimierung elektrischer Anlagen und die Nutzung solarer Energie wurde vor allem mit Photovoltaik verbunden. Das Bewusstsein für innovative Lösungen zu schaffen, war der erste Schritt. Die Ausgangslage ist dabei mit jener in Europa durchaus vergleichbar. Der Anteil der Industrie am gesamten nationalen Endenergiebedarf (57 218ktoe (Kilotonnen Öläquivalent)) lag im Jahr 2016 bei knapp 28 %. Die drei größten Industriesektoren sind „Eisen und Stahl“, „Mineralerzeugnisse“ und „Herstellung von Lebensmitteln und Getränken“ (National Energy Balance Report, 2016, Energy Commission-Malaysia). Hervorzuheben sind weiters die Palmölindustrie und die Herstellung von LatexHandschuhen, wo Malaysien zu den Weltmarktführern zählt. Abgesehen von der Stahlindustrie ist in diesen Sektoren der Anteil des Prozesswärmebedarfs im niedrigen und mittleren Temperaturbereich (<100°C / 100 – 400°C) sehr groß (ECOHEATCOOL (IEE ALTENER Project), The European Heat Market, Work Package 1, Final Report published by Euroheat & Power), die Voraussetzungen für Wärmeintegration und solare Prozesswärme also sehr gut. Der industrielle Energiebedarf ist in den letzten Jahren stetig gestiegen und wird zu mehr als 50 % durch Erdgas (37 %) und Strom (15 %) gedeckt. Der Anteil erneuerbarer Energieträger ist, abgesehen von wenigen Wasserkraftwerken, zu vernachlässigen. Dabei sind die Rahmenbedingungen für die Nutzung solarer Energie ausgezeichnet. Bei einem ähnlichen Anteil diffuser und direkter Solarstrahlung wie in Mitteleuropa liegt der Gesamtwert solarer Strahlung bei mindestens 1 600 kWh/m².a, ist also signifikant höher als in Mitteleuropa (Österreich etwa 1 100 kWh/m².a). Dieses Potential zu heben und Industriebetriebe dabei zu unterstützen, ist das Ziel des Projektes.

Bewusstsein und Ausbildung

In der ersten Projektphase galt es, das Bewusstsein für die technischen und wirtschaftlichen Potentiale industrieller Energieeffizienz und solarer Prozesswärme zu schaffen. Die Erfahrung zeigt, dass man dabei alle Ebenen adressieren muss: politische Entscheidungsträger und das Top-Management, Produktionsverantwortliche und Energiemanager in den Industriebetrieben, Berater und Technologieanbieter sowie Ausbildungsinstitutionen. Abgestimmt auf den Bedarf der einzelnen Zielgruppen wurden bei AEE INTEC spezifische Informations-Workshops, Trainings und Ausbildungen entwickelt. Im Rahmen von Halbtages-Workshops wird bei Entscheidungsträgern über Impulsvorträge das Interesse geweckt, die dann in Folge bereit sind, Produktionsverantwortliche zu 2-Tages-Trainings zu senden. In diesen werden bereits Methoden erarbeitet und erste Konzepte für Energieeffizienz und solare Prozesswärme diskutiert, um bestehende Vorbehalte (keine zuverlässige Technologie, zu teuer, etc.) abzubauen. Wenn das gelungen ist, werden Vertreter von Industriebetrieben und Energieberater zu Expertentrainings eingeladen, in denen in 2 x 4 Tagen und einer Projektstudie konkrete Konzepte erarbeitet und erste Implementierungen umgesetzt werden. Damit ist es gelungen, das Thema in 4 Jahren mehr als 1 100 Teilnehmern in den Veranstaltungen näherzubringen.

Ausbildungskonzept

Kern der Ausbildung auf dem Weg zu tatsächlichen Umsetzungen im industriellen Bereich sind die Expertentrainings. Dabei bilden jeweils interessierte Industriebetriebe mit grundsätzlich hohem Potenzial für solare Prozesswärme mit Trainingsteilnehmern eine Gruppe, in der die Trainingsziele gemeinsam erarbeitet werden und damit der personelle Aufwand des Betriebs minimiert wird. Dem Grundsatz „efficiency is the first fuel“ folgend, widmet sich der erste Trainingsblock (4 Tage) der Methodik eines Energieaudits und der Identifikation und Bewertung von (thermischer) Energieeffizienz anhand der Methode der Pinch-Analyse (Die Pinch-Analyse ist die methodische Identifikation des theoretischen Wärmerückgewinnungspotentials in einem industriellen Energiesystem) (Wärmeintegration). Das Gelernte wird in einem Zeitrahmen von 6 Monaten angewandt und für den Industriebetrieb ein Audit beginnend mit der Erhebung des Ist-Standes durchgeführt. Die Ergebnisse werden im zweiten Training (4 Tage) präsentiert und der Fokus auf Identifikation und Bewertung möglicher solarer Prozesswärmekonzepte gelegt.

Ziel ist es, ein erstes Konzept einer solaren Integration zu entwickeln, ohne jedoch auf detaillierte Simulationen und Programme zurückgreifen zu müssen. Dafür wurde bei AEE INTEC ein speziell zugeschnittenes SHIP(SHIP: Solar Heat for Industrial Processes)-Tool entwickelt, das den Trainingsteilnehmern zur Verfügung gestellt wird und im Training erarbeitet wird. Darin werden die Hauptpunkte in der Auslegung eines solaren Konzeptes adressiert:

  • Prozessintegration: Für jährliche WärmebedarfsLastprofile (stündliche Auflösung) werden aufbauend auf Prozesstemperaturen und Energiebedarf geeignete Integrationskonzepte (Wärmetauscher, Speicher, Verluste, Auswahl geeigneter Kollektortechnologien, etc.) auf Prozess- und Systemebene identifiziert.
  • Solarkonzept: Kollektortyp, Klimadaten (solare Einstrahlung, Außentemperaturen), Kollektorausrichtung und Speichergröße werden in die Bewertung des Konzeptes anhand einer jährlichen Grob-Simulation (siehe Abbildung) und definierten KPIs (Key Performance Indicators) aufgenommen.
  • Technisch-wirtschaftliche Analyse: Durch den Vergleich mehrerer Systemverschaltungen und Parameterstudien (Kollektorfläche, Kollektortyp, Speichergröße, etc.) werden optimierte Konzepte identifiziert.

Auswahl geeigneter Kollektortechnologien in Abhängigkeit der Kollektortemperaturen

Grob-Simulation und Darstellung der energetischen Analyse einer solaren Prozesswärmeanlage – solarer Ertrag, Speicherbe- und -entladung, „solarer Überschuss“. Quelle: AEE INTEC

Das SHIP-Tool hilft dabei, Konzepte für solare Prozesswärme zu entwickeln, die über einfache Vorstudien hinausgehen. Die Ergebnisse werden mit den Industriebetrieben diskutiert und weiter ausgearbeitet. Ziel ist, eine Investitionsentscheidung basierend auf den entwickelten Konzepten herbeizuführen und gemeinsam mit dem UNIDO-Team vor Ort bei der Planung der Umsetzung zu unterstützen.

Umsetzungen

Ein direkter Nutzen für die beteiligten Industriebetriebe sind entwickelte Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz. Bis dato wurden mehr als 50 Konzepte implementiert, die das gesamte Spektrum von Mitarbeiterschulung, Verlustminimierung durch Isolierungen, Regelungsoptimierungen von Heizkesseln, etc. umfasst. Für diese sogenannten „Low-Hanging Fruits“ sind in der Regel sehr kurze Amortisationszeiten zu erwarten. Ergänzt werden umgesetzte Maßnahmen durch Wärmerückgewinnungen anfallender Abwärme basierend auf einer detaillierten Pinch-Analyse, die ein wesentlicher Teil des ersten Trainings ist.

Das Projekt will neben der Steigerung der Energieeffizienz auch bei der Integration solarer Prozesswärme über reine Konzeptstudien hinausgehen und zeigen, dass diese in Malaysien technisch und wirtschaftlich sinnvoll sind. Für solare Umsetzungen stellt UNIDO in einer definierten Größe Investitionsförderungen zur Verfügung, die nach einer technischen Evaluierung der entwickelten Konzepte durch AEE INTEC von einer Jury freigegeben werden. Voraussetzung für die Auszahlung ist die tatsächliche Umsetzung und Inbetriebnahme der Anlage.

Die erste Anlage in Malaysien wurde in einem Lebensmittelbetrieb umgesetzt. PPNJ Poultry & Meat Sdn. Bhd. in der Provinz Johor produziert Geflügel für den Verkauf in Supermärkten und an Restaurants. Dafür müssen geschlachtete Hühner in einem Wasserbad bei einer Prozesstemperatur von etwa 80°C gereinigt werden. Im Ausgangssystem wurde dafür mittels Strom Dampf erzeugt und das Wasserbad beheizt. Das Konzept solarer Prozesswärme sieht die Bereitstellung von Prozesswasser bei einer Temperatur von maximal 91°C vor, womit ein solarer Deckungsgrad von etwa 80 % erreicht wird. Im System speisen 119 m² Kollektorfläche (Vakuumröhren) einen Speicher von 8 m3, in den auch das Backupsystem (Strom) integriert ist. Aufgrund des sehr ineffizienten Ausgangssystem (Strom, Dampf) werden jährlich etwa 266 t CO2 eingespart.

Neben der feierlichen Eröffnung durch eine Ministerin war ein besonderer Erfolg des Projektes die Prämierung mit dem „ASEAN ENERGY AWARD 2018“, wodurch eine über die Landesgrenzen hinausgehende Sichtbarkeit erreicht wurde.

Ausblick

Das Ziel der letzten Projektphase ist es, weiter Umsetzungen zu begleiten. weitere Umsetzungen zu begleiten. Derzeit befinden sich drei Projekte in der Umsetzungsphase, weitere 22 Projekte haben die Ausschreibung gestartet bzw. warten auf die Freigabe der Industriebetriebe und die Finalisierung der technischen Konzepte. In der ersten Jahreshälfte 2019 sind weitere Trainings geplant. Derzeit wird gerade von PricewaterhouseCoopers eine solare Roadmap mit Unterstützung durch AEE INTEC finalisiert. Damit sollen die Politik und auch Investoren unterstützt werden, industrielle Energieeffizienz und solare Prozesswärme nachhaltig in Malaysien umzusetzen. Dem UNIDO-gef5-Projekt wäre es damit gelungen, das Potenzial in diesem Bereich nicht nur aufzuzeigen, sondern auch nachhaltig zu verankern.

Autor

Dipl.-Ing. Jürgen Fluch und Dipl.-Ing. Wolfgang Glatzl sind wissenschaftliche Mitarbeiter, Dipl.-Ing. Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme“ bei AEE INTEC mit langjähriger Erfahrung im Bereich industrieller Energieeffizienz und solarer Prozesswärme. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

SHIP-Datenbank zu umgesetzten Anlagen solarer Prozesswärme: www.ship-plants.info / IEA SHC Task 49/IV http://task49.iea-shc.org/, Projektinformationen: http://bit.ly/AEE_SHIP

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