03 | 2024 Innovation durch internationale Kooperation
Bedeutung der Internationalen Energieagentur für die österreichische Energieforschung
Sabine Mitter, Christian Fink, Wolfgang Weiß
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1974 zu einem zentralen Akteur in der globalen Energiepolitik entwickelt. Die IEA wurde von 16 Ländern, darunter auch Österreich, eingerichtet, um langfristige Strategien zur Sicherung der Energieversorgung zu entwickeln. Heute hat die IEA mit Sitz in Paris 31 Mitgliedsstaaten, vier Beitrittskandidaten und 13 assoziierte Staaten. Dr. Fatih Birol leitet die nun bereits 50 Jahre bestehende IEA als Exekutivdirektor seit 2015.
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Erweiterung des Mandats und neue Herausforderungen
In den Anfangsjahren lag der Fokus der IEA auf der Sicherung der Ölversorgung und dem Management zukünftiger Energiekrisen. Doch die Welt hat sich verändert – und mit ihr auch die IEA. Heute liegt der Fokus auf der Entwicklung von Strategien und Innovationen für emissionsfreie und energieeffiziente Energie-, Mobilitäts- und Industriesysteme, um die globalen Klimaschutzziele zu erreichen und eine saubere, sichere, nachhaltige und erschwingliche Energiezukunft für alle zu gestalten. Die Organisation berücksichtigt heute auch Aspekte wie eine menschenorientierte Transformation, Leistbarkeit und Gendergerechtigkeit sowie kritische Mineralien und Lieferketten für saubere Energietechnologien.
Ihre Daten und Analysen beziehen sich mittlerweile auf 80 Prozent des globalen Energieverbrauchs, 62 Prozent der globalen Energieproduktion, 80 Prozent der globalen CO2-Emissionen und 87 Prozent der globalen Investitionen in saubere Energie. Diese Zahlen verdeutlichen, wie groß der Einfluss der IEA ist. Durch Schwerpunktsetzungen in ihrer Arbeit hat sie wesentlichen Einfluss auf die Transformation des Energiesektors.
IEA-Forschungskooperationen und Technologienetzwerk
Von Anfang an erkannte die IEA die entscheidende Rolle von Forschung und Innovation für die Gestaltung einer nachhaltigen Energiezukunft. Durch die Förderung von Kooperationen zwischen den Mitgliedsländern und die Zusammenführung von Expertisen aus verschiedenen Disziplinen konnten zahlreiche wegweisende Projekte initiiert und Energieinnovationen auf den Weg gebracht werden. Das Committee on Energy Research and Technology (CERT) koordiniert die Entwicklung, Demonstration und Einführung sauberer Energietechnologien und dient als Austauschplattform für ihre Mitglieder. Die Themenfelder Erneuerbare Energie, Endverbrauchstechnologien, fossile Energien, Fusion und Industrielle Dekarbonisierung sind in fünf Arbeitsgruppen organisiert.
Die Forschungskooperationen werden im Rahmen der multilateralen Technology Collaboration Programmes (TCPs) durchgeführt. Das TCP-Netzwerk fördert den Austausch von Wissen und bietet gleichzeitig die Chance, österreichische Kompetenzen weltweit bekannt zu machen und voneinander zu lernen. Rund 6 000 Expert*innen aus 54 Ländern arbeiten aktuell in 38 TCPs zusammen.
Österreich im Technologienetzwerk
Österreich ist innerhalb der IEA ein sehr aktives Mitglied, denn es ist von den insgesamt 38 TCPs an 23 TCPs beteiligt. Das Bundesministerium für Klimaschutz unterstützt die Teilnahme an TCP-Kooperationen über die IEA-Forschungskooperation und fördert jährlich ca. 20 neue Projekte. Expert*innen aus Österreich sind in federführenden Funktionen aktiv, derzeit als Vorsitzende in Exekutiv-Komitees Dina Bacovsky (Bioenergy TCP), Helmut Strasser (Cities TCP), als Co-Vorsitzende Tara Esterl (Users TCP), René Hofmann (IETS TCP), Hubert Fechner (PVPS TCP), Christian Fink (Energy Storage TCP), Sabine Mitter (Equality Initiative) und Adriana Díaz (4E TCP). Zudem leiten immer mehr Forscher*innen aus Österreich multilaterale Forschungsgruppen (Tasks) im Rahmen der TCPs.
Abbildung 1: Organisationsstruktur der IEA und österreichische Beteiligung an 23 von 38 TCPs
AEE INTEC im Technologienetzwerk
AEE INTEC ist bereits seit den 1990er Jahren im Rahmen der IEA aktiv. Aufgrund des breiten Forschungsspektrums des Instituts und der langjährigen Forschungsarbeiten ist AEE INTEC aktuell in 28 Forschungsgruppen in neun verschiedenen TCPs aktiv vertreten (siehe Abbildung 2). Davon werden fünf Tasks durch Mitarbeiter*innen von AEE INTEC geleitet. Konkret handelt es sich dabei um die Tasks „Standardisierte Nutzung von Gebäudemasse als Speicher für erneuerbare Energien und Netzflexibilität“ und „Beschleunigung des Einsatzes von Großwärmespeichern“ im Energy Storage TCP, den Task „Kompakte Wärmespeicher“ im Solar Heating and Cooling TCP sowie die in Vorbereitung befindlichen Tasks „Solarreaktor“ (Solar Heating and Cooling TCP) und „Daten für städtische Energieraumplanung“ (Decarbonisation of Cities and Communities TCP). Darüber hinaus sind Mitarbeiter*innen von AEE INTEC die offiziellen Vertreter Österreichs im Exekutivkomitee der TCPs „Energy Storage“ und „Solar Heating and Cooling“.
Im Rahmen dieser Arbeiten kooperiert AEE INTEC mit über 250 Forschungsinstituten aus 34 verschiedenen Ländern. Die Forschungspartner*innen stammen dabei überwiegend aus Europa, aber auch aus Nordamerika, Südamerika, Australien und Asien.
Nutzen der kollaborativen internationalen Forschung für Österreich
Für ein vergleichsweise kleines Land wie Österreich sind internationale Forschungskooperationen essenziell wichtig. Einerseits bieten diese die Möglichkeit, österreichische Kompetenzen weltweit bekannt zu machen sowie können andererseits österreichische Akteur*innen rasch über internationale Entwicklungen informiert und so ein Netzwerk aus internationalen Forschungs- und Unternehmenspartner*innen gepflegt werden. Gleichzeitig können komplexe Forschungsfragestellungen gemeinsam wesentlich rascher bearbeitet werden und führen in der Regel zu deutlich besseren Ergebnissen, was neben volkswirtschaftlichen Vorteilen insbesondere für österreichische Unternehmen von besonderem Interesse ist. Aus langjähriger Erfahrung kann gesagt werden, dass häufig der Impuls für eine erfolgreiche österreichische Technologie- oder Methodenentwicklung sowie für eine systemische Innovation einer internationalen Zusammenarbeit unter dem Dach der IEA entspringt und österreichische Unternehmen davon profitieren. Um plakativer darzustellen, wie vielfältig IEA-Kooperationen wirken, werden nachfolgend zwei aktuelle Beispiele vorgestellt:
Basisarbeiten aus dem Task 81 „Datengesteuerte intelligente Gebäude“ im TCP „Energy in Buildings and Communities“ führten dazu, dass AEE INTEC in Kooperation mit sieben österreichischen Unternehmenspartnern (PORR Bau, PORREAL, pde Integrale Planung, Bundesimmobiliengesellschaft, Landesimmobiliengesellschaft Steiermark, Energie Steiermark und Architekturbüro Nussmüller) eine Web-basierte Plattform entwickelt hat. Diese mittlerweile bereits in den Markt eingeführte Plattform ermöglicht es, das BIM-Gebäudemodell aus der Planung als digitalen Gebäudezwilling für den Betrieb des Gebäudes und dessen Optimierung zu verwenden.
Der Task 39 „Großwärmespeicher für Fernwärmenetze“ aus dem TCP „Energy Storage“ hat unter der Leitung von AEE INTEC Basisdaten in Form von einer umfangreichen Materialdatenbank, Konstruktionskonzepte zu unterschiedlichen Speichertechnologien sowie Ergebnisse zu einer messdatengestützten Validierung von unterschiedlichen Simulationsmodellen für Großwärmespeicher generiert. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde in einer Kooperation zwischen Wien Energie, Ingenieurbüro Ste.p, PORR Bau und AEE INTEC ein konkretes Umsetzungskonzept für einen 40 000 m³ fassenden Erdtankspeicher sowie dessen Integration in das Wiener Fernwärmesystem entwickelt.
Bedeutung der IEA und Ausblick
Wie diese Beispiele verdeutlichen, stellt die Beteiligung Österreichs am weltweiten Energietechnologienetzwerk der IEA eine wesentliche Säule der österreichischen Energieforschung dar. Der Nutzen für Österreich, Mitglied der IEA zu sein ist sehr vielfältig, denn diese liefert auch Informationen über den globalen Stand der Energiewende und zeigt auf, welche Schritte notwendig sind, um das Paris-Übereinkommen zur Temperaturbegrenzung einzuhalten. Die Beschleunigung von Forschung, Innovation und Markteinführung neuer Technologien und Systemlösungen sind Schlüsselfaktoren dafür.
Kommentare
„Als kleines Land profitiert Österreich sehr stark von den Kooperationen des IEA-Technologienetzwerks. Zusammenarbeit mit Ländern über Europa hinaus bietet neue Perspektiven für Forscher*innen und Marktchancen für Unternehmen. Mit der IEA-Forschungskooperation unterstützen wir diese Bestrebungen seit vielen Jahren und sehen nun die Erfolge.“
Henriette Spyra, Leiterin der Sektion Innovation und Technologie im BMK. Foto: Luiza Puiu
„Die IEA ermöglicht niederschwelligen Austausch und kollaborative Bearbeitung von globalen Forschungsthemen. Insbesondere bei komplexen Fragestellungen wie z. B. der Umsetzung von Großwärmespeichern ist es für uns wichtig, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die Überblick und Zugang zu internationalem Wissen haben.“
Rusbeh Rezania, Head of Alternative Thermal Asset Development, Wien Energie GmbH, CFO deeep Tiefengeothermie GmbH. Foto: Wien Energie
„Internationale Forschungskooperationen ermöglichen Technologietransfers und globale Standards. Dadurch können nationale Unternehmen ihre Innovationskraft, insbesondere bei Technologien wie BIM und digitalen Zwillingen, stärken und global wettbewerbsfähig bleiben.“
Clemens Neubauer, Bereichsleiter pde Solutions, Head of BIM Excellence, Porr AG. Foto: Porr AG
Autor*innen
Mag.a Sabine Mitter ist IEA-Verantwortliche im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Ing. Christian Fink ist Geschäftsführer von AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Weiß ist Leiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!