Zeitschrift EE

 nt 04 | 2022 Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Der Königsweg zur klimapositiven Brauerei Göss

Die Grüne Brauerei Göss produziert bereits seit 2015 als erste Großbrauerei der Welt Bier zur Gänze CO2- und klimaneutral. Hundert Prozent des Energiebedarfs für den Brauprozess werden aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Gleichzeitig werden 90 Prozent der Abwärme aus dem Brauprozess wiederverwendet. Eine 1500 m² große Solarthermieanlage versorgt beispielsweise die Brauerei mit umweltfreundlicher Solarenergie. Eine brauereieigene Biogas- bzw. Biertreber-Vergärungsanlage liefert Biogas und Wärme. Als Nebenprodukt der Biogasanlage fallen pro Jahr rund 18 000 Tonnen hochwertiger Gärrest an, dessen großes ökologische Verwertungspotential nun im Rahmen eines Projektes erforscht wird. Konkretes Ziel ist eine ressourceneffiziente Inwertsetzung des „biogenen Reststoffes“ in Form eines neuen marktfähigen Torfersatzstoffes, einer Gartenerde und eines Flüssigstickstoffdüngers.

Die Brauerei Göss in Leoben. Links oben die Solarthermieanlage und die Biogasanlagen. Unten links außen der Gärrestespeicher. Foto: Brauunion Österreich

Wertstoff vergorener Biertreber

Vergorener Biertreber ist ein außergewöhnlich nährstoffhaltiger Reststoff und besonders reich an den essentiell wichtigen Pflanzenmakronährstoffen Stickstoff, Phosphor und Kalium. Derzeit erfolgt eine direkte Ausbringung des vergorenen Biertrebers auf landwirtschaftlichen Flächen mittels Güllefass, gilt er doch aufgrund des hohen Nährstoffgehaltes als sehr guter Dünger. Die aktuelle Ausbringungsform gestattet leider nur die tatsächliche Nutzung eines geringen Teils des ökologischen Potenzials dieses hochwertigen biozertifizierten Reststoffes.

Außerdem werden die in der Gärrest-Gülle gelösten Nährstoffe leicht ausgewaschen und können zum Teil auch ins Grundwasser gelangen. Zudem findet bei der direkten Ausbringung als Gärrest-Gülle keine langfristige Kohlenstofffixierung im Boden statt. Der in den Gärresten enthalten Kohlenstoff wird rasch abgebaut und geht in die Atmosphäre verloren.

Herausforderung Nährstoffdefizite im Bio-Landbau

Im gewerblichen Bio-Gartenbau kann der Nährstoffbedarf nur teilweise über organische Düngung mit Mist und Kompost ausgeglichen werden, konventionelle mineralische Düngemittel sind im Biolandbau nicht zulässig. Nährstoffe müssen entweder durch organische Düngung oder durch Bodenaustausch mit geeigneten Bio-Gartenerden, sogenannten Kultursubstraten, ergänzt werden. In Gewächshäuern kann es sogar erforderlich sein, den Boden bis zu dreimal pro Jahr zu „erneuern“. Der Bedarf an Kultursubstraten ist in Folge enorm und im Steigen begriffen.

Zerstörung von Hochmooren und massive CO2- Freisetzung durch Torfabbau

Moore zählen zu den gefährdetsten Lebensräumen Europas. Sie beherbergen eine hochspezialisierte Tier- und Pflanzenwelt. Aus absterbenden Torfmoosen und Pflanzenresten entsteht unter Luftabschluss Torf. Pro Jahr wächst der Torfkörper etwa einen Millimeter, es vergehen also rund 2000 Jahre, bis eine zwei Meter starke Torfschicht entsteht.

Torf ist ein beliebter Zuschlagstoff von Gartenerden, sein Anteil in allen Pflanzsubstraten beträgt beispielsweise in Deutschland 93,7 Prozent. Aber auch Bio-Substrate sind nicht automatisch Torf-frei. Auch Bio-Gartenerden enthalten bis zu 70 Prozent Torf! Der Torfabbau wird ökologisch gesehen immer problematischer. Negative Folgen der Torfnutzung sind neben der Zerstörung intakter Hochmoore die massive CO2-Freisetzung durch den Torfabbau. Die Emissionen von Torf für gärtnerische Zwecke betragen jährlich etwa 7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente für Europa. Österreich ist daher eine Verpflichtung zum mittelfristigen Ausstieg aus der Torfnutzung eingegangen. Derzeit werden aber leider noch immer jährlich rund 160 000 Tonnen Torf vor allem aus Osteuropa und dem Baltikum importiert.

Funktionale und ressourceneffiziente Inwertsetzung des bisherigen „Reststoffes“ Biertreber

Unter der Leitung von Braumeister Andreas Werner wurde von der Brauerei Göss eine Machbarkeitsstudie initiiert, um durch Anwendung neuer Methoden und Technologien ein Konzept für eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Inwertsetzung des vergorenen biozertifizierten Biertrebers zu entwickeln. Ziel ist die Implementierung einer neuen Wertschöpfungskette, die von der optimalen Vorbehandlung des Gärrestes über seine Aufwertung zu einem Torfersatzstoff für Bio-Gartenerden und zu einem Flüssigdüngemittel bis hin zur gezielten End-Nutzung der verbrauchten Substrate nach Verwendung im Gartenbau als Humusaufbausubstrat zur CO2-Fixierung im Boden reicht.

Biogasanlage der Brauerei Göss in Leoben. Foto: BDI-BioEnergy International Credit: Helmut Pierer

Voraussetzung für eine Weiterverwertung des Gärrestes ist eine mechanische Separation der Gärreste und eine getrennte Weiterverarbeitung der Flüssigund Feststofffraktion. In der festen Phase steckt ein Großteil des pflanzenverfügbaren Düngers und des Kohlenstoffes, die flüssige Phase ist besonders reich an Stickstoff.

Versuche zur Fest- Flüssigseparation des Gärrestes am Standort der Brauerei Göss. Foto: Derler Agrar GmbH

Erzeugung eines Recycling-Flüssigstickstoffdüngemittels

Mithilfe des Membrandestillationsverfahrens (MD) kann aus der Gärrest-Flüssigfraktion ein hochqualitatives Flüssigdüngemittel erzeugt werden, das in der Landwirtschaft oder als Konzentrat zur Nährstoffaktivierung von Kultursubstraten nutzbar ist. Das MDVerfahren zur Stickstoffrückgewinnung kam bisher im Bereich kommunaler Kläranlagen zum Einsatz. AEE INTEC entwickelt das innovative MD-Verfahren weiter, sodass es für das neue komplexe Stoffsystem Biertreber genutzt werden kann.

Die Substitution von industriell – das heißt aus Erdgas – erzeugten Stickstoffdüngemitteln durch regionale Produkte ermöglicht nicht nur Energie- und Emissionseinsparungen, sondern trägt auch nachhaltig zur Senkung der Abhängigkeit von importierten Stickstoffdüngemitteln bei. Anmerkung: Russland war im Jahr 2021 der weltweit größte Exporteur von Stickstoffprodukten.

Upcycling der Feststofffraktion

Vom Unternehmen Derler Agrar GmbH wird die Feststofffraktion zu einem Torfersatzstoff weiterentwickelt. Der entwässerte Gärrest weist bereits einen hervorragenden Nährstoffgehalt auf. Das Material übertrifft hinsichtlich des Gehaltes von Spurenstoffen die Anforderungen der höchsten Kompostgüteklasse A+. Die Konzentration der wertvollen Nährsalze Phosphor und Kalium ist für eine direkte Nutzung des Materials im Gartenbau sogar zu hoch. Ziel der Forschung ist es nun, auf Basis des Biertrebers optimale Substratmischungen durch Zugabe unterschiedlicher, teils nährstoffärmerer biogener Zuschlagstoffe zu finden. Als biologische Nährstoffquelle kann das Material als hochwertige Basis und Torfersatzstoff für Bio-Kultursubstrate oder als BioFeststoffdünger im Erwerbsgartenbau eingesetzt, oder abgemischt als hochwertige Bio-Gartenerde Verwendung finden.

Entwässerter Gösser Bio-Biertreber. Foto: Derler Agrar GmbH

CO2-Speicherung durch Humusaufbau

Nach Verwendung in Glashäusern sind die „verbrauchten Substrate“ noch immer sehr kohlenstoffreich und können als Humusaufbausubstrat gezielt genutzt werden, um auf heimischen landwirtschaftlichen Flächen neuen Bodenhumus aufzubauen und die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig zu verbessern. Humusaufbau ist eine der wenigen Klimaschutzmaß- nahmen, die es erlauben, CO2 in großem Umfang der Atmosphäre zu entziehen. Bei der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris entstand daher die „4 Promille Initiative“. Eine Erhöhung der Humusgehalte in allen Böden der Welt um 4 ‰ pro Jahr könnte die durch Menschen bedingten CO2-Emissionen weitgehend kompensieren. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Carbon Capture“ oder „Negative Emission Technology“. Nebenbei wirkt sich das positiv auf die Bodenfruchtbarkeit aus, erhöht die Wasserspeicherkapazitäten und damit die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft gegenüber den Folgen des Klimawandels. So sieht auch das „Klimaschutzprogramm 2030“ der deutschen Bundesregierung vor, dass das Kohlenstoffspeicherpotenzial der landwirtschaftlich genutzten Böden durch humusmehrende und humuserhaltende Landwirtschaft verstärkt aktiviert werden soll.

Fazit

Das stoffliche Potenzial von Biertreber ist insgesamt enorm. Allein in Österreich fallen jedes Jahr ca. 189 000 Tonnen Biertreber an. In der EU sind es sogar 8 Millionen Tonnen pro Jahr.

Für die Brau-Union Österreich liegt die strategische Bedeutung des Projektes darin, die bereits heute klimaneutrale „grüne Brauerei GÖSS“ in die erste klimapositive Großbrauerei der Welt zu verwandeln. Klimapositiv bedeutet, in Summe mehr CO2 zu kompensieren als man verursacht hat. Dieses Ziel kann allein durch lokale Maßnahmen ohne Zukauf von CO2-Zertifikaten erreicht werden. Die geplanten Schritte erlauben nicht nur CO2-Emissionen zu verhindern, sondern ermöglichen es sogar, CO2-Emissonen anderer zu kompensieren.

Die grüne Brauerei Göss zeigt damit vor, dass durch effiziente Nutzung von heimischen Ressourcen- und Reststoffen und einer nachhaltiger Kreislaufwirtschaft nicht nur hervorragendes, sondern auch „klimapositives“ Bier gebraut werden kann.

Autor

Dipl. Ing. (FH) Christian Platzer, MSc ist Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Technologieentwicklung“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kommentar

"Der große Charme der Gärrestverwertung liegt für mich in der optimalen Nutzung dieses Wertstoffes und in der de-facto Schließung des Wertschöpfungskreislaufes." Andreas Werner, Braumeister Brauerei Göss. Foto: Brauunion

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