Zeitschrift EE

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2011-03

Solarthermie

Im Projekt WRGpot untersuchen das Institut für Wärmetechnik der TU Graz und AEE INTEC die Potentiale einer Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser in Niedrigenergie- und Passivhäusern. Dabei wird die Einbindung der Abwasser-Wärmerückgewinnung (AWR) in das gesamte Wärmebereitstellungssystem betrachtet, wobei hier insbesondere Kombinationen aus Solarthermie und Wärmepumpe untersucht werden.

Wärmerückgewinnung aus Abwasser im Niedrigenergie- und Passivhaus
Potential und Konzepte in Kombination mit Solarthermie und Wärmepumpe

Von Andreas Heinz, Werner Lerch, Christian Fink und Johann Breidler*

Hintergrund

In Niedrigenergiehäusern ist der Anteil des Wärmebedarfs für die Warmwasserbereitung am Gesamtwärmebedarf relativ hoch und kann bei Passivhäusern sogar höher sein als der Heizwärmebedarf. Für das Erreichen des Warmwasserkomforts sind außerdem höhere Temperaturen erforderlich als dies für den Vorlauf z.B. einer Fußbodenheizung nötig ist. Dadurch steigt die Relevanz des Energiebedarfs für Warmwasser mit zunehmendem Dämmstandard von Gebäuden. Aus diesen Gründen wird auch die Nutzung der im Abwasser vorhandenen Wärme über eine AWR-Anlage mit sinkendem Heizwärmebedarf interessanter. Im Projekt WRGpot wird das Potential einer AWR insbesondere in Kombination mit einer thermischen Solaranlage und einer Wärmepumpe untersucht. Eine Wärmepumpe in Kombination mit der AWR hat den Vorteil, dass jene Wärme, die auf einem direkt nicht nutzbaren Temperaturniveau anfällt, nutzbar gemacht werden kann.

Feldmessungen

Um eine zuverlässige Basis für die Ermittlung des im Abwasser vorhandenen WärmePotentials zu erhalten, werden von AEE INTEC Messungen in einem Ein- und einem Mehrfamilienhaus durchgeführt. Ziel der Messungen ist die Ermittlung von detaillierten zeitlichen Profilen der Wasser-Zapfungen und des über die Abflussleitung abfließenden Abwassers (jeweils Durchfluss und Temperatur). Diese Daten werden im Projekt zur Bewertung von Systemkonzepten mittels Simulationen am Institut für Wärmetechnik verwendet.
Um einen Überblick über die anfallenden Temperaturniveaus und Volumenströme im Abwasser zu geben, wurden Temperatur-Häufigkeitsverteilungen der gemessenen Werte erstellt. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Häufigkeitsverteilung für den Zeitraum von 1. September bis 30. November 2010 für das Badezimmer des Einfamilienhauses. Ca. 75 % des gesamten Abwassers im Badezimmer fällt mit einer Temperatur von über 32 °C an (Temperaturmessstelle an der Abflussleitung im Keller). Auch der durchschnittliche Abwasserdurchfluss bei Temperaturen über 32 °C ist wesentlich höher als bei niedrigeren Temperaturen.
Für das Einfamilienhaus wurde über die Messdaten eine Energiebilanz zwischen Zufluss und Abfluss des Brauchwassers (Input/Output-Bilanz) erstellt. Dabei wird die Wärmemenge, welche über das Kalt- und Warmwasser zugeführt wird (Input), der Wärmemenge, welche im vom Gebäude abgeleiteten Abwasser enthalten ist (Output), gegenübergestellt. Als Referenztemperatur für den Wärmeinhalt wird dabei von 10 °C ausgegangen.

Abbildung 1:Beispiel für einen Abwasserwärmetauscher im Durchlaufprinzip Quelle: www.watercycles.aca

Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung Badezimmer – Anteil des anfallenden Abwasser in verschiedenen Temperaturbereichen sowie durchschnittlicher Durchfluss pro Minute (Zeitraum: 1.9. bis 30.11.2010)

Eine Auswertung für das Badezimmer und die Küche des Einfamilienhauses über den Messzeitraum von 1. September bis 30. November 2010 ist in Abbildung 2 dargestellt. Die Tagesdurchschnitte der Wärmemengen für Küche und Badezimmer zeigen, dass das Potential zur AWR im Badezimmer jenes in der Küche deutlich übersteigt.
Wird die nutzbare Wärme des Abwassers aus dem Badezimmer und der Küche (Output) addiert, ergibt sich ein theoretisches Wärmerückgewinnungs-Potential von rund 6 kWh pro Tag. Von den insgesamt zugeführten 8,6 kWh pro Tag werden also 70 % (74 % Badezimmer, 49 % Küche) über das Abwasser abgeleitet.

Abbildung 3: Vergleich des Wärme-Inputs durch Brauchwasser mit dem Wärme-Output durch Abwasser aus Badezimmer und Küche eines Einfamilienhauses (1.9. bis 30.11.2010)

Analog zum Messkonzept im Einfamilienhaus wurde auch im Mehrfamilienhaus die Input/Output-Bilanzierung angewendet. Jedoch wurde hier aufgrund des vorhandenen gemeinsamen Sammelstranges der sechs Wohneinheiten die Temperatur des Abwassers nur an einer Stelle am Sammelstrang gemessen.
Beispielhafte Messungen im Februar 2011 ergeben, dass 66 % der zugeführten Wärme für die Warmwasserbereitung theoretisch als Potential für eine Wärmerückgewinnungsanlage zur Verfügung steht. Dies entspricht einer durchschnittlichen Wärmemenge von 28,3 kWh pro Tag.

Bewertung von unterschiedlichen Systemkonzepten

Zu Beginn des Projektes wurde eine Literaturrecherche über AWR-Konzepte und am Markt erhältliche Abwasserwärmetauscher durchgeführt. Aufbauend auf den gesammelten Informationen wurden sechs Konzeptideen für die Wärmebereitstellung für Warmwasser und Heizung über eine Kombination von Solarthermie und Wärmepumpe mit AWR entwickelt. Dabei werden unterschiedliche Wärmequellen für die Wärmepumpe benutzt und auch für die AWR werden verschiedene Systeme betrachtet (Wärmeentzug im Durchlaufprinzip oder Abwasserspeicher mit internem Wärmetauscher).
Zur Bewertung des energetischen Potentials bzw. der Effizienz der verschiedenen Konzepte wurde ein einfaches Simulationstool erstellt. Dieses basiert auf Stundenzeitschritten, wobei in jedem Zeitschritt die Energiebilanzen für die einzelnen Komponenten des jeweiligen Systemkonzepts (Wärmepumpe, Kollektor, Speicher, etc.) berechnet werden.
Abbildung 3 zeigt exemplarisch ein schematisches Schaltbild eines der untersuchten Konzepte.
Hier sind für die Wärmebereitstellung eine thermische Solaranlage und eine Wärmepumpe installiert. Die Solaranlage belädt im Vorrang einen Hochtemperaturspeicher. Solarwärme, die - vor allem im Winter und in der Übergangszeit - auf einem relativ niedrigen Temperaturniveau erzeugt wird, wird in den Niedertemperatur-Speicher eingespeist. Diese Niedertemperaturwärme kann mit der Wärmepumpe auf ein höheres, nutzbares Temperaturniveau gebracht und entweder in den Hochtemperaturspeicher eingespeist oder direkt über die Fußbodenheizung genutzt werden.

Abbildung 4: Schematisches Schaltbild eines der im Projekt untersuchten Konzepte

Das Abwasser wird in einem Abwassertank gespeichert, der über einen integrierten Wärmetauscher ebenfalls als Wärmequelle für die Wärmepumpe verwendet wird. Sind sowohl der Abwassertank als auch der Niedertemperaturspeicher vollständig entladen, erfolgt die Nachheizung elektrisch über eine im Hochtemperaturspeicher integrierte E-Patrone. Die Warmwasserbereitung erfolgt über ein Frischwassermodul aus dem Hochtemperaturspeicher.
Durch das durch den Wärmeentzug der Wärmepumpe bedingte tiefe Temperaturniveau im Niedertemperaturspeicher ergibt sich ein erhöhtes Potential sowohl für die Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser als auch für die Solarkollektoren.

Abbildung 5: Jahres-Wärmebilanz für das gezeigte System (Konfiguration A nach Tabelle 1)

Als Bewertungsgröße wird die System-Jahresarbeitszahl SPFsys herangezogen. Diese ist definiert als Quotient aus der an das Gebäude abgegebenen Nutzwärme (Raumheizung und Warmwasser) und dem Strombedarf des Systems (Kompressor der Wärmepumpe plus direkte elektrische Nachheizung). In Abbildung 4 ist für das dargestellte Konzept beispielhaft die Jahres-Wärmebilanz für ein Niedrigenergiegebäude mit einem Heizwärmebedarf von 30 kWh/(m²a) dargestellt, die mit dem entwickelten Simulationstool berechnet wurde. Hier ergibt sich bei einer Kollektorfläche von 22 m² und einem Pufferspeichervolumen von insgesamt 1750 ltr (siehe Variante A in Tabelle 1) eine SPFsys von 5,5. Die aus dem Abwasser zurück gewonnene Wärmemenge entspricht etwas über 50 % der für die Warmwasserbereitung notwendigen Wärme.
Variantenrechnungen zeigen, dass bei entsprechender Vergrößerung der Kollektorfläche und des Speichervolumens auch höhere SPFsys erreichbar sind (z.B. SPFsys=6,5 bei Variante D). Berechnungsergebnisse für Varianten ohne AWR zeigen, dass der Einfluss der Nutzung der Abwasserwärme auf die Gesamteffizienz des Systems relativ hoch ist (Varianten B, C und E).

Tabelle1: Berechnungsergebnisse für ein Gebäude mit einem Heizwärmebedarf von 30 kWh/(m²a)

 
A
B
C
D
E
 
SPF 5,5 mit AWR
ohne AWR
SPF 5,5 ohne AWR
SPF 6,5 mit AWR
ohne AWR
Kollektorfläche [m²]
22
22
32
25
25
Volumen Niedertemperatur-Speicher [ltr]
1500
1500
2000
2000
2000
Volumen Hochtemperatur-Speicher [ltr]
250
250
250
250
250
SPF System [-]
5,5
3,5
5,5
6,5
4,2
SD [%]*
81,8
71,7
81,8
84,6
76,4
Wel (WP + dirket) [kWh]
1266
1972
1268
1071
1647
AW-Rückgewinnung [kWh]
1517
-
-
1497
-

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Arbeiten im Projekt zeigen, dass mit derartigen Systemen sehr hohe Systemarbeitszahlen bzw. hohe solare Deckungsgrade mit relativ kleinen Speichervolumen und Kollektorflächen möglich sind (vgl. Tabelle 1). Die beiden Systeme, die aufgrund der ersten Berechnungen am erfolgversprechendsten erscheinen, werden im nächsten Schritt des Projekts in detaillierten dynamischen Anlagensimulationen in TRNSYS abgebildet und optimiert. In diesen Arbeiten werden Details, welche im bisher verwendeten Simulationstool vereinfacht abgebildet wurden, wesentlich genauer betrachtet. So kann z.B. die Modellierung der Wärmeübertragung im Abwasser-Wärmetauscher wesentlich genauer und mit wesentlich höherer zeitlicher Auflösung erfolgen und es können Regelungskonzepte entwickelt und optimiert werden.
Dieses Projekt wird über das Forschungs- und Technologieprogramm „Haus der Zukunft Plus“ des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie finanziert.

*) Dr. Andreas Heinz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik der TU Graz (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!); DI Werner Lerch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik der TU Graz (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!); Ing. Christian Fink ist Leiter des Bereichs "Solarthermische Komponenten und Systeme" von AEE INTEC. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!); DI (FH) Johann Breidler ist Mitarbeiter des Bereichs "Solarthermische Komponenten und Systeme" von AEE INTEC. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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