Zeitschrift EE

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2011-04

Solarthermie

Abbildung 1: (Quelle: SPF – SwissWaterKiosk.org)

Der Konsum von verunreinigtem Trinkwasser führt zum Weltgesundheitsproblem Nummer Eins. Vor diesem Hintergrund wurde am Institut für Solartechnik SPF in der Schweiz eine Anlage entwickelt, die verunreinigtes Wasser solarthermisch entkeimt. Das System ist vor allem für den Einsatz in dezentralen Gebieten in Entwicklungsländern geeignet, wie zum Beispiel in Schulen, in Spitälern oder auch im Rahmen von finanziell nachhaltig betriebenen „Wasserkiosk“-Konzepten.

Solarthermische Waserentkeimung in Mosambik

Von Elimar Frank und Lars Konersmann *

Im Rahmen eines Forschungsprojektes am Institut für Solartechnik SPF der Hochschule für Technik Rapperswil wurden aktuelle Entwicklungen im Bereich der Solarthermie analysiert, um eine potentielle Anwendung der Technologie für die dezentrale Wasseraufbereitung zu identifizieren.
Im Rahmen einer Konkurrenzanalyse zeigte sich, dass der solarthermische Ansatz zur Wasserentkeimung hinsichtlich der Kosteneffizienz leicht hinter bereits etablierten Technologien wie der Filterung, dem Einsatz von Chlor oder der Deaktivierung durch UV-Strahlung steht. Ein entscheidender Vorteil des solarthermischen Ansatzes kann jedoch bei geeigneter Spezifikation der Anlage der vernachlässigbare Wartungsaufwand sein, und dies insbesondere dann, wenn das System komplett autark funktioniert.
Basierend auf der Konkurrenzanalyse wurde im Jahr 2007 das Projekt SoWaDis (Solar Water Disinfection) gestartet. Ziel war zunächst, eine solarthermische Wasseraufbereitungsanlage für Schwellen- und Entwicklungsländer zu entwickeln, die autark und fast ohne Wartung betrieben werden kann und bei Anlagenkosten von unter 1000 USD bis zu 500 Liter Trinkwasser pro Tag bereitstellt. Das interdisziplinäre SoWaDis-Projekt umfasste neben der technischen Entwicklung auch die Aufgabenbereiche „Mikrobiologie“ und „Implementierung in Entwicklungsländern“. Auf diese drei Themen wird nachfolgend näher eingegangen.

Drei Komponenten: Kollektor, Thermostat und Wärmetauscher

Für die technische Entwicklung der Wasseraufbereitungsanlage wurde in enger Zusammenarbeit mit Experten aus dem Entwicklungszusammenarbeitsbereich eine Vielzahl von relevanten Kriterien analysiert und die zentralen Parameter definiert. Dazu gehören u.a. tiefe Investitionskosten und niedriger Aufwand für Betrieb und Wartung, aber auch beispielsweise die Akzeptanz und Verständlichkeit der lokalen Bevölkerung. Anhand des Kriterienkatalogs wurden die einzelnen Komponenten und deren Zusammenspiel über zwei Jahre am SPF optimiert. Die Anlage besteht im Wesentlichen aus dem Kollektor, dem Wärmetauscher zur Effizienzsteigerung und einem Thermostatventil. Das Funktionsprinzip der solarthermischen Pasteurisierung wird in Abb. 1 genauer dargestellt. Das mikrobiologisch verunreinigte Wasser wird in einem Behälter ca. einen Meter über den Kollektor gelagert. Von hier fliesst das aufzubereitende Wasser zur Vorwärmung durch den Wärmetauscher und wird anschliessend im Kollektor bis auf 82°C aufgeheizt. Ein Ventil mit temperaturproportionalem Durchfluss öffnet und schliesst bei dieser Temperatur automatisch. Auf eine elektrische Steuerung des Ventils wurde bewusst verzichtet. Bei geöffnetem Ventil fliesst das nun desinfizierte Wasser wieder durch den Wärmetauscher, einerseits zur Abkühlung, andererseits zur Effizienzsteigerung des Prozesses. Zum Schluss wird das entkeimte Wasser in den Trinkwassertank geleitet. Die Anlage funktioniert nach dem Schwerkraftprinzip und kommt ohne zusätzliche Hilfsenergie aus.
Da die Anlage im Durchfluss betrieben wird, spielte bei der Wahl und Ausgestaltung der einzelnen Komponenten eine wichtige Rolle, wie sich mögliche Kalkablagerungen auf den angestrebten langfristigen Betrieb auswirken werden. Beim Kollektor fiel die Entscheidung nach eingehender Evaluation auf direktdurchströmte Vakuumröhren. Die Röhren verfügen über grosse Durchmesser, so dass sie bei Bedarf einfach gereinigt werden können und Ablagerungen kaum Einfluss auf den Durchfluss haben. Zudem ist der verwendete Vakuumröhrenkollektor wesentlich billiger als vergleichbare Flachkollektoren oder Spezialanfertigungen aus Kunststoff (bezogen auf die Leistung im gewünschten Temperaturbereich).

Mikrobiologische Untersuchungen zeigen: Wasser muss nicht kochen, um trinkbar zu werden

Um einerseits die Qualität des Wassers aus der Anlage sicherzustellen und andererseits die Effizienz der Anlage zu optimieren, wurde eine umfangreiche mikrobiologische Grundlagenstudie erstellt, die zusammen mit dem Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag durchgeführt wurde. Die Ergebnisse haben bestätigt, dass für die Inaktivierung von pathogenen Mikroorganismen nicht - wie häufig angenommen - 100°C über mehrere Minuten notwendig sind, sondern dass 65°C bei fünf Minuten für die unmittelbare Inaktivierung ausreichen (vgl. Tabelle 1). Mit ergänzenden Untersuchen konnte gezeigt werden, dass zur Vermeidung von Wiederaufwuchs nach mehreren Tagen eine minimale Temperatur von 75°C und 5 Minuten Expositionsdauer gewählt werden sollte. Diese Resultate waren für die Auslegung des Thermostatventils von zentraler Bedeutung. Die Sowadis-Anlage wird mit einem Sicherheitszuschlag bei 82°C und etwa 10 Minuten Verweildauer betrieben. Die beschriebene Grundlagenstudie wurde später durch mikrobiologische Schnelltests im reellen Betrieb ergänzt, welche bis dato vom SPF und lokalen Laboratorien an den Pilotanlagen in den einzelnen Entwicklungsländern regelmässig durchgeführt werden.

Einsatz in Mosambik und anderen Entwicklungsländern

Die praxisnahe Anwendung der Anlage in Entwicklungsländern ist ein zentraler Projektbestandteil, da nur so sichergestellt werden kann, dass das in der Schweiz entwickelte System wirklich den Bedürfnissen der Menschen in Entwicklungsländern entspricht. In einer ersten Phase wurde 2009 die technische Funktionalität unter realen Bedingungen getestet.
Hierzu wurden eine Anlage in einer ländlichen Primarschule in Nordmozambik, eine Anlage auf dem Campus einer Universität im eher ländlichen Raum in Tansania und zwei weitere Anlagen im urbanen Dhaka (Bangladesch) installiert. Die Tests zeigten, dass die spezifischen Vorteile der Anlage bislang vor allem in ländlichen Gebieten zum Tragen kommen. Die mittlerweile seit fast zwei Jahren laufenden Pilotanlagen bestätigen, dass sich der Betrieb im Vergleich zu den meisten alternativen Wasseraufbereitungstechnologien extrem wartungsarm gestaltet, da es keine Teile gibt, die regelmässig gewartet oder ausgewechselt werden müssen, wie dies i.d.R. bei Filtern, UV-Lampen oder der Chlorierung der Fall ist. Dies ist ein zentraler Erfolgsfaktor für den dezentralen Einsatz in Entwicklungsländern. Zudem ist die Akzeptanz sehr hoch, da das thermische Behandeln des Wassers vom sonst üblichen Abkochen bekannt und somit leicht verständlich ist, während bei vielen anderen Ansätzen zur Wasseraufbereitung - insbesondere beim Einsatz von Chemikalien - die schlechte Akzeptanz der Lokalbevölkerung eine zentrale Erfolgsbarriere darstellt.
Im März 2011 wurde die zweite Pilotphase gestartet. Das Ziel dabei ist es, nachhaltige Betriebsmodelle an unterschiedlichen Standorten und unter verschiedenen Rahmenbedingungen zu identifizieren. Für die Pilotphase-2 wurden 6 neue Anlagen in der Region Cabo Delgado in Nord-Mozambik installiert. Zwei Anlagen stehen an Schulen, zwei an Spitälern und zwei weitere werden finanziell nachhaltig als Wasserkiosk betrieben. Der Wasserkiosk wird in einem Fall durch einen privaten „Entrepreneur“ (gewinnorientiert) und im anderen Fall durch eine Genossenschaft (kostendeckend, nicht gewinnorientiert) betrieben. Erste Ergebnisse der Pilotphase-2 werden per Ende 2011 erwartet. Diese Resultate bilden die Basis für eine anschliessende Skalierung, die zunächst auf die erfolgversprechendsten Standorttypen konzentriert werden soll.
Das Sowadis-System hat sich über mittlerweile knapp zwei Jahre im Einsatz in drei Entwicklungsländern bewährt. Um möglichst vielen Menschen in Entwicklungsländern den nachhaltigen Zugang zu sicherem Trinkwasser zu ermöglichen, wurde im Mai 2011 die Stiftung SwissWaterKiosk (www.swisswaterkiosk.org) gegründet. Mit der weiteren Verbreitung der Anlagen und der verstärkten Einbindung lokaler Strukturen sind die ursprünglich gesetzten Ziele hinsichtlich der Kosten und der Produktionsleistung erreichbar.

Kontonummer für dieses Projekt (steuerbefreit:
Bank Name St. Galler Kantonalbank, 9000 St. Gallen
SWIFT Code KBSGCH22XXX
Bank Clearing No. 781
Account Holder HSR Hochschule Rapperswil, 8640 Rapperswil
Account No. 16 10 343 319 05
IBAN CH62 0078 1161 0343 3190 5
VAT No. 380 325
Vermerk SPF-SwissWaterKiosk

Abbildung 1: Schema des solarthermischen Pasteurisierungssystems mit den Hauptkomponenten Wärmeübertrager, Kollektor und Thermostatventil. Grafik: SPF

Abbildung 2: Das verunreinigte Wasser wird im Wärmetauscher vorgewärmt und anschließend im Kollektor desinfiziert. Das System folgt dem Schwerkraftprinzip und kommt somit ohne weitere Hilfsenergie aus. Grafik: SPF

Tabelle 1: Übersicht zur Hitzeresistenz von verschiedenen getesteten Mikroorganismen. Die Analyse erfolgte mit “plate-counting on Trypton-Soy-Agar in triplicates”.

  Negativ Kontrolle

Legende:
X ... Inaktivierung unterhalb Detektionslimit;
(X) ... Inaktivierungsrate unter 10 4;
- ... nicht getestet

Temperatur
20°C
55°C
60°C
65°C
70°C
55°C
60°C
65°C
70°C
55°C
60°C
65°C
70°C
Expositions-Zeit 
5 min
1 min
2 min
5 min
V. cholerae 01    
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
P. aeruginosa      
X
X
 
X
X
X
 
X
X
X
S. typhimurium      
(X)
X
 
(X)
X
X
 
X
X
X
S. flexneri      
(X)
X
   
(X)
X
 
X
X
X
E. coli K12  
-
-
-
-
   
X
X
 
X
X
X
E. coli 0157        
X
   
X
X
   
X
X
E. faecalis        
X
   
(X)
X
   
X
X
MS2 Phage        
(X)
   
(X)
X
   
(X)
X


Abbildung 3: Tagesverlauf des Systembetriebs an einem einstrahlungsreichen Tag in Rapperswil (27.7.2009). Der Graph beinhaltet Die Parameter Globalstrahlung (45° Inklination, südorientiert, in Kollektorebene), Temperaturen und Volumenstrom. Das Thermostatventil reguliert den Volumenstrom, so dass die Kollektoraustrittstemperatur konstant bei 82°C bleibt.

*) Dr. Elimar Frank leitet die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Instituts für Solartechnik in Rapperswil; Lars Konersmann ist seit Projektbeginn 2006 Leiter von Sowadis/SwissWaterKiosk an der Hochschule Rapperswil [^]

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