Zeitschrift EE

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2009-04

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Areal Zanklhof (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

Seit heuer repräsentiert der Grazer „Zanklhof“ drei Stufen der thermischen Gebäudesanierung in einem Projekt: die Revitalisierung, die Sanierung zum Niedrigenergie- und zum Passivhausstandard.

Energieeffiziente Sanierung am Beispiel Zanklhof Graz

Von Dietmar Koch *

Rahmenbedingungen

Die Sanierung und Revitalisierung von innerstädtischen Immobilien wird in Zukunft mit zunehmender Tendenz einen großen Teil der Bautätigkeiten einnehmen. Der Vorteil neben einer bereits bestehenden Infrastruktur liegt in der Nutzung des Lagevorteiles und in der Nutzung bzw. Wiederherstellung von bestehenden (historischen) Gebäudequalitäten. Altes mit Neuem zu kombinieren bietet eine Fülle an reizvollen architektonischen Aufgaben.
Ein weiterer Vorteil in der Sanierung wertvoller Immobilien liegt darin, dass die Wertschöpfung für den Arbeitsmarkt in der Sanierung im Vergleich zum Neubau wesentlich höher ist (ca. 20%), da der personelle Bearbeitungsaufwand hier ein höherer ist. Für die Energieeinsparung bei Gebäuden ist die thermische Sanierung die Maßnahme mit der weitaus größten Wirkung. Während jeder Neubau einen zusätzlichen Gebäudeenergiebedarf darstellt, bietet jede Sanierung ein großes Einsparungspotential an bislang benötigter Energie. Erneuerbare Energien im urbanen Raum einzusetzen, stellt eine spannende Herausforderung dar. Die herkömmliche, nicht erneuerbare Energieform im Grazer Raum ist Ferngas bzw. Fernwärme auf Gasbasis. Das Fernheizwerk in Mellach bei Graz wird auf Gasbasis derzeit weiter ausgebaut.

Ausgangssituation: Eine “farbenprächtige” Idylle

Ein ehemaliges Farbenfabriksgelände - der Zanklhof in Gösting im Norden von Graz- wurde im Jahr 2000 erworben. Die gewerblich genutzte Liegenschaft in bester infrastruktureller Lage mit Einkaufszentrum, öffentlichem Park, Schulen und Ärztezentrum wurde umgewidmet. Das architektonisch reizvolle Backsteingebäude wurde revitalisiert. Dieser 1. Bauabschnitt wurde im Jahr 2004 mit 55 Wohnungen, Büroflächen und einem charmanten Cafe fertig gestellt und ist mittlerweile eine begehrte Wohnanlage.

Abbildung 2: Zanklhof Historischer Stand (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

Abbildung 3: Haus F saniert – Westseite (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

Danach wurden drei westseitig dieses ersten Bauabschnittes gelegene, noch im Gewerbegebiet verbliebene Grundstücke mit Gebäudebestand erworben. Seinerzeit waren diese Gebäude weitgehend Teil des Zanklhofes. Somit war eine Wiedervereinigung der ursprünglichen Liegenschaft gelungen. Für den zweiten Bauabschnitt wurde angesichts der schon absehbaren energiepolitischen Entwicklungen der Schwerpunkt „Energieeffizienz in der Sanierung“ definiert. Zu diesem Zeitpunkt gab es förderungstechnisch noch keine Anreize in diese Richtung.

Abbildung 4: Lageplan mit Energiekenndaten (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

Planungskonzept

Westseitig der Grundgrenze verschattet ein parallel zur Grundgrenze stehender 16-geschoßiger Wohnbau ab Mittag einen großen Teil des Grundstückes. Gleichzeitig stellt dieser aber auch einen sehr guten Schallschutz zur nahegelegenen vierspurigen Wienerstraße dar.

Ruhiger Wohnhof:
Ziel der Planung war es, das gesamte Gewerbeareal umzuwidmen und einen PKW - freien Wohnhof mit zentralem Atrium zu formen. Dieser Hof ist Oase, Spielplatz, Treffpunkt – alle angrenzenden Wohnungen sind hofseitig ausgerichtet, sowie mit großen Balkonen und Terrassen ausgestattet.

Energiekonzept:
Die bestehenden Gebäude wiesen einen Heizenergiebedarf von bis zu 200kWh/m²a auf. Gebäude mit historischen Stilfassaden sollten als Niedrigenergiehäuser (Heizenergiebedarf unter 40kWh/m²a), Gebäude mit erhöhtem Neubauanteil als Passivhäuser ausgebildet werden. Insgesamt wurden sechs Wohngebäude (Häuser A,B,C,E,F und G) sowie das Hofgebäude (Haus D) saniert. Die Passivhäuser E und G sind vor Ort an der gelben Fassadenfarbe einfach erkennbar.
Es wurden 26 Wohneinheiten in Passivhausbauweise und 64 Wohneinheiten in Niedrigenergiebauweise mit insgesamt 5.825 m² Nettonutzfläche saniert. Warmwasser- und Restenergie zur Versorgung der Passivhäuser werden mit Erdwärme (mittels sechs Tiefenbohrungen von jeweils 90 m) bereitet. Während das Passivhaus E mit einem semizentralen Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung ausgestattet wurde, kommen im Passivhaus G Lüftungs-Kompakt-Geräte zur Anwendung. Die Restwärme wird nicht über Zuluft eingebracht (Konvektionswärme), sondern über kleinflächige Fußbodenheizkreise (Strahlungswärme). Damit wird die Behaglichkeit vergrößert sowie der Komfort gehoben. Die Niedrigenergiehäuser werden sowohl über das Fernwärmenetz als auch über die Solaranlage mit Wärme versorgt.

Ökologie:
Da die Flachdächer unserer maximal dreigeschoßigen Häuser von den umliegenden höheren Häusern eingesehen werden, wurden diese unter Bedachtnahme einer ökologischen Bauweise extensiv begrünt.
Die Hofanlage und die Wohnungszugangsbereiche wurden stark begrünt. Es wurden 20 Bäume, wie z.B. Obstgehölze und Feigenbäume, gepflanzt. Im ersten Obergeschoß des Hauses E wurden wohnungsweise Hochbeete vor den Eingangsbereichen zur freien Gestaltung für die Mieter errichtet. In einer Zisterne wird Regenwasser für die Grünanlagenpflege gesammelt.

Solarenergienutzung:
Aufgrund der oben erwähnten Grundstücksverschattung gibt es nur im südlichen Grundstücksbereich ausreichend gute Möglichkeiten zur Nutzung von Solarenergie. So wurde auf dem Haus E eine 50 m² große thermische Solaranlage errichtet.

PKW-Abstellflächen:
Von den 92 Abstellflächen wurden 60 in der ebenerdigen Bestandshalle des Passivhauses E untergebracht, die restlichen Abstellflächen befinden sich an der Randzone des Grundstückes. Eine bislang auch durch die Nachbarschaft genutzte Straße zwischen den beiden Bauabschnitten wurde für den motorisierten Verkehr abgesperrt.

Barrierefreiheit:
Das Passivhaus E ist, obwohl es nur dreigeschossig ist, mit einem Lift ausgestattet. Somit sind von der Garage im Erdgeschoß ausgehend 22 Wohnungen barrierefrei erschlossen. Auch generell wurden Türdetails, Terrassenausgänge, Duschen,... barrierefrei ausgeführt. Dementsprechend ist auch das Wegesystem im Hof stufenfrei nutzbar. Im Haus E wohnt ein rollstuhlfahrender Mieter.
Von der umgebenden Nachbarschaft wurde das Projekt goutiert. Keiner der ca. 500 einwendungsberechtigen Nachbarn erhob einen Verfahrenseinspruch.

Ausführung

Wände
Das Sichtmauerwerk wurde mit einer Innendämmung (8 cm XPS - Platten) und einer gedämmten Installations-Vorsatzschale ausgeführt (bauphysikalische Abstimmung beachten!). Weiters wurde es gereinigt, ergänzt, restauriert und hydrophobiert.
Beim Passivhaus E wurden über dem Raster der Garagenstützen Mantelbetonscheiben als Tragstruktur errichtet, die nord- und südseitige Scheibe wurde außen mit 30 cm starken EPS-Platten gedämmt. Die übrigen Wände wurden aus vorgefertigten Riegelwandkonstruktionen mit 26 cm Zellulosedämmung errichtet. Diese sind außen teilweise verputzt oder mit Sichtschalungen versehen, haben innen luftdichte Ebenen und gedämmte Installations-Vorsatzschalen (U-Wert = 0,11 W/m²K).
Die Außenwände des Passivhaus G sind als massive Ziegelwände mit 30 cm EPS-Dämmplatten (U-Wert = 0,10 W/m²K) ausgeführt.

Dach
Die Häuser A und C sind mit Holzpultdächern mit Zwischensparrendämmung ausgestattet. Alle anderen Flachdächer bestehen aus Betondecken mit 45 cm EPS – Dämmung (U-Wert = 0,08 W/m²K), einer Abdichtung und dem Begrünungsaufbau für extensive Begrünung.

Bodenplatte
Die Gebäude sind nicht unterkellert. Auf die bestehenden, abgedichteten Unterbetonplatten wurden neue Fußbodenaufbauten mit 20 cm Dämmschüttung ausgeführt.

Fenster Holz bzw. Holz-Alu
Die Gebäude im Niedrigenergiehausstandard wurden mit Fenstern mit 2-Scheibenverglasung (U=1,1 W/m²K), jene im Passivhausstandard mit Passivhausfenstern (U= 0,79 W/m²K) ausgestattet. Zur natürlichen Belichtung wurden teilweise auch größere, fixverglaste und bis zum Boden reichende Elemente eingesetzt (bei Fenster-Koppelungen auf Luftdichtheit achten). Generelle Laibungsdämmung, Stocküberdämmung sowie gedämmte Fensterbankdetails bilden einen wärmebrückenfreien Fensteranschluss.

Abbildung 5: VIP-Paneele-Verlegung (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

Abbildung 6: EPS – Fensterbankdämmung (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

Wärmebrücken
Die Passivhäuser sind auf einem „kalten“ Erdgeschoß errichtet, d.h. der Fußbodenaufbau im ersten Obergeschoß ist die Wärmedämmung nach unten. Hier wurde eine 37 cm starke Lage aus mineralischem Schüttdämmstoff (expandiertes Qualitätsperlite λ = 0,05 W/mK) verwendet, der auch die Leitungen im Fußboden lückenlos einbindet.
Im Passivhaus E wirken die Mantelbetonwände wie ein statischer Überzug, die Scheiben wurden nur mit Füßchen mit der Decke statisch verbunden, dazwischen wurde ein Hohlraum mit Mineralwolle (Brandschutz) ausgedämmt. Dadurch wurde eine lineare Wärmebrücke auf eine punktuelle reduziert. Die Zwischenwände aus Gipskarton wurden von der Decke durch 2 cm starke XPS - Platten entkoppelt.
Im Passivhaus G wurde die Ziegelwand zur kalten Decke mit einer kostengünstigen Ytong-Mauerreihe entkoppelt. Dieses Detail findet umgekehrt bei der Attika eines Flachdaches Anwendung und wurde generell bei neuen Mauern verwendet.(Ytong: λ = 0,11 W/mK; HLZ Objekt Gleinstätten: λ = 0,38 W/mK).

VIP-Paneele
Um beim Passivhaus E die Terrassen im zweiten Obergeschoß bodeneben und barrierefrei zu gestalten, ist es erforderlich, den Fußboden außen (kalt zu warm) gleich hoch wie innen (warm zu warm) auszubilden. Dies wurde unter anderen auf einer Fläche von 90 x 5 m mit 3,5 cm dünnen Vakuumisolationspaneelen ausgeführt. (Rechenwert λ = 0,007 W/mK). Darüber wurde fugenversetzt eine Gefälledämmung ausgeführt.

Energiedaten
Die Bestandgebäude benötigen vor der Sanierung zwischen 165 -200 kWh/m²a
Heizenergie. Durch die Sanierung wurden folgende Werte nach der OIB-Richtlinie erzielt:

  Energiekennzahl Haus A: 38 kWh/m²BGF,a
Energiekennzahl Haus B: 38 kWh/m²BGF,a
Energiekennzahl Haus C: 34 kWh/m²BGF,a
Energiekennzahl Haus E: 8,60 kWh/m²BGF,a
Energiekennzahl Haus F: 34 kWh/m²BGF,a
Energiekennzahl Haus G: 7,25 kWh/m²BGF,a

Bei Haus E ist die Energiekennzahl der Gebäudehülle bei Südorientierung angeführt. Da das Gebäude aufgrund des Bestandserdgeschosses aber hauptsächlich nach Osten und Westen orientiert und im Westen eine starke Verschattung durch ein Hochhaus vorliegt, verschlechtert dies die angeführte Energiekennzahl um 4 kWh/m²a BGF.
Diese Tatsache führte unter anderen zur Wahl des vorliegenden Energiekonzeptes mit kleinen Heizflächen anstelle einer reinen Zulufterwärmung.

Haustechniksystem Lüftung, Heizung, Warmwasserbereitung

Hinsichtlich der Haustechnik wurde ein neuartiges semizentrales Konzept umgesetzt, in dem die Lüftung zentral in Kombination mit dezentralen Kleinstgeräten erfolgt und die Wärmebereitstellung dezentral pro Wohnung durchgeführt wird (System Drexel & Weiss, Projektleitung Josef Seidl).
Das semizentrale System besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten:
einem zentralen Lüftungsgerät mit ca. 86 % Wärmerückgewinnung (für je 11 Wohneinheiten), einem dezentralen Kleingerät pro Wohneinheit (Zu- und Abluft) und einer Kleinstwärmepumpe mit Warmwasserspeicher und Niedertemperatur-Wärmeabgabesystem (ca.1,7 KW Abgabeleistung, Anschlussleistung <500 W).
Im Haus E wird das gesamte System installiert (Lüftung und Heizung). Im Haus G nur die Kleinstwärmepumpe, die Lüftung erfolgt hier mit einem dezentralen Gerät pro Wohnung.

Lüftung
Die Vorwärmung der Außenluft bzw. Vorkühlung (im Sommerbetrieb und damit Solekreisregeneration) erfolgt über einen Sole/Luft Wärmetauscher.
Die Regelung der Sole-Pumpe für die Außenlufterwärmung (und -kühlung) sowie die Regelung des integrierten Sommer - Bypass erfolgt in Abhängigkeit der Außentemperatur. Die unterschiedlichen Kombinationen ergeben sich aus den unterschiedlichen Größen der Häuser bzw. Anzahl der Wohnungen.
Die Herausforderung des Systems ist insbesondere die Regelung der Luftmengen zwischen Zentralgerät und dezentralen Wohnungsgeräten.
Mit Ausnahme jener der beiden Passivhäuser sind alle anderen Wohneinheiten an die Fernwärme angeschlossen. Bei den Passivhäusern wäre das Verhältnis von Leitungs- und Verteilverlusten zur benötigten Wärmeenergie pro Wohneinheit ungünstig, Verluste zwischen 30 und 50 % waren vorhersehbar.

Heizungs-, Warmwasserbereitung
Die Häuser E und G in Passivhausqualität werden mit Kleinstwärmepumpen dezentral versorgt. Als Wärmeträger wird ein Solekreis eingesetzt, wobei als Wärmequelle das Erdreich und die Fortluft nach der Wärmerückgewinnung des zentralen Lüftungsgerätes genutzt werden. Die Wärmeabgabe der Wärmepumpe erfolgt an das Warmwasser im integrierten 200-Liter-Speicher und an den Niedertemperaturheizkreis. Damit ist auch in den Passivhäusern eine luftmengenunabhängige Energieeinbringung möglich. Für die Wärmeabgabe sind kleine Fußbodenheizflächen ausreichend bzw. ist eine Kombination zwischen Zuluft - Erwärmung und Kleinstabgabeflächen möglich.
Vorteile des Systems sind der geringe Stromverbrauch, die effiziente Wärmerückgewinnung und seine leichte Regelbarkeit.

Luftmengenunabhängige Wärmeabgabe
In der Sanierung bzw. bei benachteiligten Standorten – im konkreten Fall durch eine Beschattung über ein benachbartes Hochhaus und einer Ost-West Orientierung – sind die die für den Passivhausstandard erforderlichen 10 W/m² Heizlast schwer erreichbar. Die geplante Wärmeversorgung erlaubt auch im Fall der Kleinstwärmepumpe eine luftmengenunabhängige Wärmeabgabe im Passivhaus und im passivhausnahen Niedrigstenergiehaus. Damit kann die Steuerung der Luftmenge bewohnerabhängig und komfortabhängig erfolgen.
Bei hoher Nutzerzufriedenheit war der praktische Betrieb in den ersten Monaten (Lüftungs- und Warmwasserbetrieb) einwandfrei.

Abbildung 7: Passivhaus E (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

Abbildung 8: Passivhaus G (Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GesmbH)

*) Arch. Dipl.-Ing. Dietmar Koch ist Mitgesellschafter der Baumeister Leitner GmbH in Graz und verantwortlicher Projektleiter zahlreicher Sanierungsprojekte E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!" [^]

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