Zeitschrift EE

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2009-02

Solarthermie

Abbildung 1

Klimaerwärmung, Energieabhängigkeit der Europäischen Union sowie die von der Internationalen Energieagentur vorausgesagte bevorstehende Verknappung von Erdöl verlangen nach einer unverzüglichen Steigerung unserer Energieeffizienz und Änderung der Energieversorgung. Erneuerbare Energien spielen für die zukünftige Energieversorgung die zentrale Rolle.

Solarwärme 2020
Eine Technologie- und Umsetzungsroadmap für Österreich

Von Christian Fink und Werner Weiss *

Im Jahr 2005 betrug der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch der EU nur 8,5%. Im Dezember 2008 wurde von den Mitgliedsstaaten das Energie- und Klimapaket beschlossen: Der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch der EU soll bis 2020 auf 20% gesteigert werden. Für Österreich wurde der verbindliche Anteil erneuerbarer Energieträger am Endenergiebedarf im Jahr 2020 mit 34% festgelegt.
Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen: Welchen Beitrag kann die thermische Solarenergie in Österreich bzw. in Europa zu den oben genannten Zielen leisten? Und was muss getan werden, um das Potenzial der thermischen Solarenergie auch nutzen zu können?
Auf diese Fragestellungen versucht die Roadmap „Solarwärme 2020“ mit Fokus auf Österreich bzw. österreichische AkteurInnen Antworten zu geben. Gegenständliche Roadmap wurde von der AEE INTEC im Rahmen des klima:aktiv Programms solarwärme im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft sowie in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend erstellt.

Die Ausgangssituation

Mit Ende des Jahres 2007 waren weltweit 209,7 Millionen m² Kollektorfläche installiert, was einer Leistung von 146,8 GWth entspricht. Die weltweit absolut größten installierten Leistungen an Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren befinden sich mit Ende 2007 in China (79,9 GWth), der Türkei (7,1 GWth) und Deutschland (6,1 GWth). Im Vergleich hierzu erreichte Österreich mit Stand 2007 eine installierte Leistung von rund 2,1 GWth und liegt an 8. Stelle. Bezieht man die installierte Leistung auf die Einwohnerzahl (Leistung pro 1.000 EinwohnerInnen), weisen Zypern (651 kWth) und Israel (499 kWth) hier die mit Abstand höchste Solaranlagendichte auf. Aber bereits an 3. Stelle folgt Österreich mit 252 kWth pro 1.000 EinwohnerInnen.
Das durchschnittliche Marktwachstum bei thermischen Solaranlagen seit dem Jahr 2000 betrug in Österreich 10% pro Jahr, in den letzten vier Jahren – der Laufzeit des vom BMLFUW beauftragten klima:aktiv Programms solarwärme – beachtliche 18% pro Jahr.
Heimische Unternehmen haben die lange Tradition der Solarwärmenutzung ausgezeichnet nutzen können. So zeugt ein österreichischer Produktionsanteil von rund 39% an der insgesamt im Jahr 2007 in Europa installierten Kollektorfläche (rund 2,75 Millionen m²) von einer guten Positionierung der österreichischen Solarindustrie.

Abbildung 2: Entwicklung der österreichischen Produktionszahlen von Flach- und Vakuumkollektoren in Verbindung mit der Entwicklung von Export, Import, Heimmarkt und Lagerbestand (Zahlen aus: Biermayr, et al., 2009; eigene Darstellung)

Das Potenzial für die Nutzung von Solarwärme ist enorm, wie ein jährlicher Niedertemperaturwärmebedarf (<250°C) von rund 40% am gesamten Endenergiebedarf in der EU bzw. in Österreich zeigt.
Insgesamt lag der Endenergiebedarf an Niedertemperaturwärme im Jahr 2004 in Österreich bei rund 433 PJ (Statistik Austria, 2004). Wird dieser Wärmebedarf als Basis definiert und kombiniert mit den Prognosen zur Verbrauchsentwicklung aus der Studie „Erneuerbare Wärme und Kälte 2030“ (Haas et al., 2007), sinkt in Österreich der Bedarf an Niedertemperaturwärme.
Teile des aktuellen Niedertemperaturwärmebedarfs können bereits mit derzeit verfügbarer Technologie erschlossen werden. Für die Erschließung der großen Anteile am Nieder-temperaturwärmebedarf bedarf es aber erheblicher technologischer Weiterentwicklungen.

Abbildung 3: Prognostizierte Entwicklung des österreichischen Bedarfs an Niedertemperaturwärme in vier Bereichen bis zum Jahr 2020. Der Grafik liegen Daten aus mehreren Studien (Statistik Austria, 2004; Haas et al., 2007) sowie eigene Berechnungen zugrunde.

Das Impulsprogramm Solarwärme 2020

Trotz aller bisherigen Erfolge der Solarthermie in Österreich muss festgehalten werden, dass Solarwärme 2020 bzw. 2030 nur dann große Anteile an der Wärmeversorgung Österreichs decken kann, wenn rasch umfangreiche Aktivitäten auf unterschiedlichen Ebenen gestartet werden. Im Rahmen der gegenständlichen Roadmap wurde hierzu ein „Impulsprogramm Solarwärme 2020“ definiert, das die aus Expertenmeinung zu setzenden Maßnahmen in drei zentralen Bereichen beschreibt:

  • Zeitlich befristete Impulsförderungen für Solarwärmeanwendungen, die kurzfristig nicht wettbewerbsfähig mit fossilen Energieträgern sind,
  • Begleitmaßnahmen (Markteinführungsprogramme, Ausbildungsprogramme, Medienarbeit),
  • Forschung und Technologieentwicklung.

Abbildung 4: Die drei zentralen Säulen eines empfohlenen Impulsprogramms „Solarwärme 2020“

Können die vorgeschlagenen Maßnahmen des „Impulsprogramms Solarwärme 2020“ umgesetzt werden, ist auch die damit verbundene Zielerreichung, 10% Deckung des Niedertemperaturwärmebedarfs im Jahr 2020, realistisch. Das würde bedeuten, dass die mit Ende 2007 insgesamt installierte Kollektorfläche von 3 Mio. m² Flach- und Vakuumkollektoren (2,1 GWth) im Jahr 2020 mit 26,8 Mio. m² (18,8 GWth) knapp verzehnfacht werden könnte.
Wie das Langfristszenario bezüglich des Beitrags von Solarwärme zur Abdeckung des österreichischen Bedarfs an Niedertemperaturwärme aussehen kann, ist in Abbildung 4 dargestellt. Die Höhe der Reduktion des Wärmebedarfs in Folge von Energieeffizienz-steigerung bis zum Jahr 2030 wurde aus der Studie „Erneuerbare Wärme und Kälte 2030“ [Haas et al., 2007] übernommen. Die darüber hinaus gehende Entwicklung (von 2031 bis zum Jahr 2050) wurde auf Basis einer Annahme (0,5% jährliche Reduktion des Bedarfs an Niedertemperaturwärme) skizziert. Der bis 2050 erzielbare solare Deckungsgrad basiert auf der breiten Anwendung solarthermischer Anlagen in den vier Anwendungsbereichen „Haushalte“, „Gewerbe und Dienstleistungsbetriebe“, „Sachgüterproduktion“ sowie „Klimatisierung“.
Entsprechend dieses ambitionierten Szenarios können bis zum Jahr 2030 rund 25% des Niedertemperaturwärmebedarfs und im Jahr 2050 zwischen 40 und 50% mittels Solarwärme abgedeckt werden.

Abbildung 5: Prognostizierte Entwicklung des österreichischen Bedarfs an Niedertemperaturwärme bis zum Jahr 2020 sowie der mögliche Beitrag der Technologie Solarwärme Der Grafik liegen Daten aus mehreren Studien (Statistik Austria, 2004; Haas et al., 2007) sowie eigene Berechnungen und Einschätzungen zugrunde.

Die abgeschätzten Kosten für die Umsetzung des empfohlenen „Impulsprogramms Solarwärme 2020“ (Impulsförderungen, Begleitprogramme sowie Forschung und Technologieentwicklung) belaufen sich auf 1,47 Mrd. € und sind damit knapp doppelt so hoch wie die Summe der aktuellen jährlichen Ausgaben der öffentlichen Hand für Solarthermie (Bezugsjahr 2007) kumuliert bis 2020. Also mit weniger als dem doppelten Finanzvolumen könnte das Marktvolumen nahezu verzehnfacht werden. Auch die Wertschöpfung für die österreichische Wirtschaft wäre enorm:

  • Der aufgrund der 23,8 Mio. m² installierter Kollektorfläche (16,7 GWth) erzielte Umsatz in Österreich beträgt rund 15 Mrd. €.
  • Die auf die 15 Mrd. € zu entrichtende Umsatzsteuer liegt bei 3 Mrd. €, also mehr als dem doppelten der Kosten für ein „Impulsprogramm Solarwärme 2020“.
  • 63.000 Vollzeitbeschäftigte, die durch Investitionen in Solarwärmetechnik entstehen (aus primären und sekundären Effekten, aber ohne Exportleistungen)
  • Primärenergieeinsparung von etwa 11.500 GWh im Jahr 2020
  • Eine eingesparte Menge an CO2 von 2,8 Mio. Tonnen/a bzw. 70 Mio. Tonnen über die Lebensdauer der Solarsysteme
  • Die Kosten je Tonne eingespartes CO2 würden bei der vollständigen Umsetzung des Impulsprogramms bei rund 21 € liegen.
  • Absicherung bzw. Ausbau der Technologieführerschaft Österreichs.

Zum Vergleich:
Verfehlt Österreich die Zielsetzungen des Kyoto-Protokolls, so werden Strafzahlungen prognostiziert, die im günstigsten Szenario etwa in der Höhe von 20 € je Tonne (zu wenig eingespartem) CO2 liegen werden. Aber auch Strafzahlungen in der Höhe von 100 € je Tonne CO2 halten ExpertInnen für durchaus möglich; und das ohne jegliche Wertschöpfung für Österreich. Ähnliches muss auch bei der Nichterreichung des 34%- Ziels erwartet werden.
Aktuell werden die Inhalte der Roadmap „Solarwärme 2020“ in den Prozess der Erstellung einer österreichischen Energiestrategie bis 2020 eingebracht.
Die vollständige Roadmap „Solarwärme 2020“ (Fink, Weiss, Müller) kann direkt von www.aee-intec.at aus dem Downloadcenter geladen werden.

Literatur

  • Biermayr, et al., 2009
    Peter Biermayr, Werner Weiss, Irene Bergmann : Erneuerbare Energie in Österreich – Marktentwicklung 2008, Berichtsteil Solarthermie ; EEG und AEE INTEC, Wien, 2009
  • Haas et al., 2007
    Reinhard Haas, Peter Biermayr, Lukas Kranzl, Andreas Müller, Ernst Schriefl: Wärme und Kälte aus Erneuerbaren 2030; Technische Universität Wien (EEG); Im Auftrag des Dachverbandes Energie-Klima sowie der Wirtschaftskammer Österreich; Wien, 2007.
  • Statistik Austria, 2004
    Energiebilanzen Österreich, Statistik Austria, Wien, 2004

*) Ing. Christian Fink ist Gruppenleiter bei der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Dipl.-Päd. Ing. Werner Weiss ist Geschäftsführer der AEE INTEC. [^]

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