Zeitschrift EE

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2009-02

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Beispiele der Montage vorgefertigter Fassadenelemente(Quelle: Streicher)

Viele größere Gebäude werden heute in Stahlskelettstruktur mit anschließender nichttragender Beplankung durch vorgefertigte Fassadenelemente pro Rastermaß und Stockwerk gebaut. Fallweise werden auch größere Fassadenelemente verwendet. Diese Elemente beinhalten normalerweise nur Fenster und Wärmedämmung (fallweise auch Verschattungssysteme) und sind für die Erfordernisse der Bauphysik (Akustik, Brandschutz, Feuchtetransport, Belichtung) ausgelegt.

Multifunktionelle Plug & Play Fassade (MPPF)/ K-Projekt (Comet Programm)

Von W. Streicher und M.J. Mueller *

Die Bauindustrie macht derzeit im großvolumigen Geschoßbau aufgrund des Kostendrucks einen Wandel von der Einzelfertigung vor Ort zur Modulbauweise aus vorgefertigten Bauteilen (siehe Abbildung 1) durch. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Fassadenbau.

Vor- und Nachteile multifunktioneller Fassaden

Multifunktionelle Fassaden stellen eine Erweiterung der klassischen Fassadenfunktionen um weitere Haustechnikbereiche wie z.B. Haustechnik (Verschattungssysteme, Heizung-, Lüftung-, Klimatechnik, Elektro- und IT-Installationen, Beleuchtung und EMV-Verträglichkeit) sowie ev. Solarthermie oder Photovoltaik.
Die Einsatzgebiete von solchen Fassaden finden sich sowohl im Neubau als auch in der Sanierung von Gebäuden.

Neubau
Die Erweiterung der Fassadenfunktion bringt im Neubau die folgenden Vorteile mit sich:

  • Flexible Innenraumgestaltung, da jedes Rastermaß separat versorgt wird. Räume hinter der Fassade können (bei gleicher Nutzung) beliebig geteilt oder zusammengelegt werden, ohne dass die Haustechnik geändert werden müsste.
  • Einzelraumregelung der Räume (Temperatur, Luftvolumenströme) einfach zu realisieren.
  • Durch den modularen Aufbau der Fassadenelemente kann die Haustechnik bei geänderten Anforderungen (z.B. Änderung von Büroraum auf Veranstaltungsraum) leicht ausgetauscht werden.
  • Durch den Einbau der Haustechnik in die Fassade entfallen abgehängte Decken was die folgenden Vorteile mit sich bringt:
    • Ausnützung der Speichermassen der Decke und damit Verringerung der Problematik der sommerlichen Überwärmung bzw. Verringerung der notwendigen installierten Kühlleistungen.
    • Verringerung der Bauhöhe je Geschoß und damit Verringerung der Baukosten bzw. die Möglichkeit mehr Geschoße (und damit verkauf(miet)bare Gebäudefläche) bei gleicher Gesamtbauhöhe unterzubringen.
    • Verringerung der notwendigen Schächte und Technikräumen im Gebäude
  • Verringerte Bauzeiten und damit Baukosten durch den Wegfall von vielen Schritten des Innenausbaus
  • Erhöhte Wertschöpfung beim Fassadenbauer
  • prinzipiell höhere Wartungskosten können durch geringere Energiekosten (mehr als) ausgeglichen werden
  • prinzipiell höhere Investitionskosten dezentraler HLK im Vergleich zu zentralen Systemen (Lüftungszentralen) können durch
    • Wegfall der Luftverteilung (Luftleitungen, Luftdurchlässe)
    • Einsparungen an Technikräumen, Funktionsflächen
    (mehr als) ausgeglichen werden

Sanierung
Im Altbau ermöglichen multifunktionelle Fassaden die Sanierung der Gebäude von „außen“ ohne dass die Benutzer das Haus verlassen müssen (siehe Abbildungen 2a und 2b). Die Fassade hat eine hohe Wärmedämmung und Fenster können an den gleichen Positionen wie in der alte Fassadenstruktur bleiben. Die Speichermassen der alten Fassade stehen dem Gebäude innen zur Dämpfung von Temperaturschwankungen und besonders der sommerlichen Überwärmung zur Verfügung. Die Wohnfläche bleibt gleich.
Nach dem Anbringen der neuen Fassade müssen nur mehr die inneren Fenster entfernt werden und Zu- und Abluftkanäle (falls eine mechanische Lüftung vorgesehen ist) angebracht werden. Hiermit stellt eine solche Fassadenentwicklung eine interessante technische Lösung für die Erhöhung der Sanierungsquote im primären Geschoßwohnbau dar.

Abbildung 2a und b:
a: Renovationskonzept Gebäudesanierung
b: Sanierung der Gebäudehülle von außen:
Dach [1+2];
Lüftungsverteilung wird außen montiert [3];
Fassadenmodule werden montiert [4+5];
Kellerisolation [6]

(Quelle: Zimmermann, 2006, EMPA, Schweiz)

Einsatzgrenzen der Lüftungsfunktionen der Multifunktionellen Fassade

  • keine verkleinerte Abbildung einer zentralen Klimaanlage
  • Kombination mit zentraler Lüftung erforderlich, bei schlechter Außenluftqualität in unteren Geschossen
  • innenliegende Räume sind nicht erfassbar

Das Projekt MPPF

Gesamtprojekt
Das Ziel des K-Projektes „Multifunctional Plug&Play Facade“ ist die Entwicklung einer Technologieplattform für eine intelligente, multifunktionelle Fassade in Modulbauweise mit einem möglichst hohen Vorfertigungsgrad für den Neubau von größeren Gebäuden sowie die Renovierung von bestehenden Objekten.
Wesentliche Charakteristika für diese Technologieplattform für Fassaden sind:

  • alle für die Fassade relevanten Technologien, Produkte und Anwendungen sollen in sich vereint werden (d.h. neben modernsten Profil-, Glas-, Plattensystemen und hochwertiger Wärmedämmung ist auch die Beschattung, die natürliche Lichtlenkung, die Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik, die Energieerzeugung durch Solarthermie und Photovoltaik sowie die Steuer- und Regelungstechnik bzw. Automatisierungstechnik integriert)
  • es sollen optimale Energieregelungswerte erzielt werden, die den neuesten europäischen Richtlinien entsprechen und somit die Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen im Gebäudebereich unterstützen sowie ein optimales Wohlbefinden für den Nutzer garantieren (bezüglich Temperatur, Tageslicht- und Frischluftzufuhr, Luftfeuchtigkeit, etc.)
  • die Produkte sollen in einer industriellen Umgebung (vor-) gefertigt werden können und somit auch für den Export geeignet sein.

Um das Projektziel zu erreichen ist es notwendig prinzipiell neue Varianten von Fassadensystemen zu entwickeln, diese zu simulieren und zu evaluieren. Im Besonderen steht die Weiterentwicklung von Einzeltechnologien und -produkten im Bereich Solarthermie, Photovoltaik, HVAC und Steuer- und Regelungstechnik für den optimalen Fassadeneinsatz im Vordergrund. Parallel dazu erfolgt die grundlegende Entwicklung eines Gesamtkonzepts für ein integriertes Modulsystem, das als Plug & Play-Anwendung für Neubauten und Renovierungsvorhaben geeignet ist. Der wissenschaftliche und technische Anspruch zur Entwicklung der geplanten Technologieplattform beinhaltet hierbei die folgenden Elemente:

  • plattformartig aufgebaut und miteinander verknüpfbar (ähnlich wie im Automobilbereich)
  • optimale Erfüllung aller relevanten Bauvorschriften
  • konstruktive und statische Anforderungen
  • energetische Anforderungen (U-Wert, g-Wert, Temperaturen, Fassadeninnenseite = Behaglichkeit im Raum, Speichermöglichkeiten)
  • bauphysikalisch Anforderungen (Akustik, Feuchte, Brandschutz, Belichtung)
  • Strömungsverhalten (z.B. Eindringen von Schlagregen, Beschlagen von Scheiben)
  • Investitionskosten niedrig durch Serienfertigung
  • Montierbarkeit, Nutzungsdauer, Wartung, Demontierbarkeit

Dieses Thema hat auf Grund der bereits erwähnten Umweltschutz- bzw. Gesetzesentwicklungen auf europäischer wie nationaler Ebene höchste Priorität. Die Chancen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Umsetzung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse sind als äußerst hoch zu bewerten.
Das Projekt gliedert sich in 5 Teilprojekte (siehe Abbildung 3), wobei ein Projekt als Ideenfindungs- und Basisprojekt mit der Plattformentwicklung für die Fassade und Klammer für die speziellen 4 Technikprojekte fungiert.

Abbildung 3: Gliederung des K-Projektes

Das Konsortium setzt sich aus unterschiedlichen, für das Thema relevanten, wissenschaftlichen Partnern sowie Unternehmenspartnern zusammen. Gemessen an den Projektkosten werden 1/3 der Leistungen seitens der wissenschaftlichen Partner abgedeckt, 2/3 seitens der Unternehmenspartner. Auf wissenschaftlicher Seite sind 4 Partner in das Projekt integriert (siehe Tabelle 1), auf Unternehmensseite finden sich 10 Partner verschiedenster Größenordnungen, d.h. vom Gründer bis zum internationalen Konzern. Dieses breite Konsortium ist für das vorliegende Thema unabdingbar, weil verschiedenste Anwendungen und Technologien auf einer Technologieplattform zusammengeführt werden sollen. Alle oben erwähnten zu integrierenden Technologien und Produkte sind durch Partner abgedeckt.
Der Hauptstandort des Projektes befindet sich in der Steiermark, im Hans Höllwart - Forschungszentrum für integrales Bauwesen AG (kurz FIBAG) in Stallhofen sowie an der TU Graz (Institut für Wärmetechnik) und Arsenal Research (Wien), die Konsortialführerschaft obliegt FIBAG, die wissenschaftliche Gesamtleitung dem Institut für Wärmetechnik der TU Graz.

Tabelle 1: Partner des K-Projektes

Unternehmenspartner
Hans Höllwart - Forschungszentrum für integrales Bauwesen AG / Stallhofen
SFL Metallbau GmbH / Stallhofen
RESI Informatik & Automation GmbH / Graz
Saubermacher Dienstleistungs AG / Graz
ISOVOLTA Österreichische Isolierwerkstoffe AG / Werndorf
SLS Praun & Gerstmann GmbH / Graz
GREENoneTEC Solarindustrie GmbH / St. Veit a.d. Glan
Ertl Glas AG / Amstetten
Pagitz Metalltechnik GmbH / Spital a. d. Drau
Sonnenkraft Österreich Vertriebs GmbH / St. Veit a. d. Glan
pgg blueberg engineering GmbH

 

Wissenschaftliche Partner

Technische Universität Graz:

  • Institut für Wärmetechnik
  • Institut für Hochbau und Bauphysik
  • Institut für Elektrische Anlagen
  • Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie
    mit angeschlossener TVFA
arsenal research Österreichisches Forschungs und Prüfzentrum Arsenal
Ges.m.b.H. / Wien
Technische Universität Wien: Institut für Architekturwissenschaften

Teilprojekt Basis für MPPF
Im Teilprojekt „P1 - Basis für MPPF“ (siehe Abbildung 4) soll zum einen ein Innovationsprozess ablaufen, bei dem zu Beginn Ideen über mögliche Funktionen und Ausführungsformen gesammelt werden und in weiterer Folge die Teilprojekte begleitet werden. Zum Anderen werden werden Basismodule von Fassaden erarbeitet und modulare Verbindungstechniken erprobt werden.

Abbildung 4: Prinzipskizze des modularen Fassadenträgers: Außenhautgestaltung nach Wunsch der Architekten und Bauherrn

Teilprojekte Solarthermie und PV und HLK
Bei den Teilprojekte „P2 – Solarthermie“ und „P3 – PV“ (siehe Abbildung 5) geht es um die realisierbare Einbindung von aktiven Solarenergienutzungen. Es werden die unterschiedlichen Anforderungen der Technologien berücksichtigt und unter Integrationsaspekten adaptiert. Während die Solarthermie als Teil der Wärmedämmung des Gebäudes dienen kann, ist die für die PV eine Hinterlüftung notwendig um den Wirkungsgrad zu optimieren. Um die PV Jahreszeit unabhängig betreiben zu können ist ein Verbund mit dem Stromverteilungsnetz inklusive Einspeisungs-Technologie zu integrieren. Optimale Grundparameter für PV-Anlagen stellen nach Süden geneigte und ausgerichtete Flächen dar. So in der geneigten Fassade integrierten PV-Module erwirken als Nebeneffekt eine Verschattung. Solarthermie in Fassaden integriert können hingegen, als Raumheizung-System genutzt werden - vertikal nach Süden hin ausgerichtet sind im Winter hohe Energieerträge zu erwarten.

Abbildung 5: Prinzipskizze für die Einbindung der Funktionen Photovoltaik mit Verschattung (links) und Solarthermie (rechts)

Für das Teilprojekt „P3 – HKL“ müssen im Speziellen für Lüftung, Abluftwärmerückgewinnung und Luftaufbereitung bestehende Lösungen von Brüstungsgeräten so adaptiert werden, dass sie, ohne die Fassade zu stark in der Tiefe zu erweitern in diese integriert werden (siehe Abbildung 6). Ein hoher Wärmedämmwert der Fassade bei möglichst geringer akustischer Belastung muss trotz HKL-Integration erreicht werden können.

Abbildung 6: Prinzipskizze für die Einbindung der Funktionen HLK und Beispiele von integrierten Lüftungsgeräten (EMCO, 2007) (rechts).

Stand der Arbeiten

Im ersten Projektjahr wurde neben einem Innovationsprozess, bei dem in generellen Zügen der MPPF Standard definiert wurde sowie weitere Innovationspotentiale ermittelt wurden eine umfassende Recherche an Technologien, Normanforderungen etc. in allen relevanten durchgeführt. Zudem wurden erste grobe Skizzen, wie ein solche Fassade aufgebaut sein könnte angefertigt. Im 2. Projektjahr werden erste Prototypen gebaut in bei der FIBAG in Stallhofen getestet.
3 SCHLUSSFOLGERUNG, ZUSAMMENFASSUNG
Das Projekt „Multifunktionelle Plug&Play Fassade, welches als k-Projekt im FFG.Comet Programm der Ministerien BMVIT und BMWA genehmigt wurde, hat sich zur Aufgabe gestellt mit einem breiten Team von Firmen und wissenschaftlichen Partnern innovative Lösungen im Bereich des Fassadenbaus bis hin zu ersten Prototypen zu entwickeln.
Für die an sich nicht sehr innovative Bauindustrie bietet das Projekt die einzigartige Gelegenheit, die Innovationsrate signifikant zu steigern sowie F&E strategisch zu verfolgen. Das Projekt soll als Leuchtturmprojekt für die gesamte Bauindustrie dienen.

Literatur

  • Höfler, K. (2003) Skriptum Technischer Ausbau, TU-Graz
  • Zimmermann, M. (2006) Prefabricated Systems for Low Energy Renovation of Buildings, Leitung IEA ECBCS ANNEX 50, Jahresbericht 2006, Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, Bundesamt für Energie BFE
  • EMCO (2007) Firmenprospekt.

*) Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. tech. Wolfgang Streicher ist Leiter der Arbeitsgruppe „Energieeffiziente Gebäude“ am Institut für Wärmetechnik an der TU Graz, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, http://www.iwt.tugraz.at [^]

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