Zeitschrift EE

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2008-04: Nachhaltige Gebäude

 

Solarthermie

Abbildung 1: Dieselweg, Graz (Quelle: AEE INTEC)

Die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Europa und auch in Österreich wird für Wärme und Kühlung aufgewendet (EREC, 2006). Davon machen wiederum die Haushalte knapp die Hälfte aus, der Rest der Energie für Wärme und Kühlung wird von den Sektoren Industrie, Gewerbe und Service verbraucht. Der Energieverbrauch der Haushalte wird zum größten Teil vom Gebäudebestand verursacht. Hier anzusetzen und mit hochwertiger thermischer Sanierung zum Umweltschutz beizutragen, ist das Gebot der Stunde.

Hochwertige thermische Sanierungsmaßnahmen –
Durchführung und Auswirkungen für Klima und Gebäude

Von Karl Höfler*

Abbildung 2: Anzahl der Gebäude in Österreich mit mehr als drei Wohneinheiten (Quelle: Statistik Austria, 2006)

Deshalb hat die „nachhaltige, hochwertige Sanierung von Wohnbauten“ auch in vielen EU Ländern einen hohen Stellenwert ein (Österreich: z.B. Impulsprogramm Nachhaltig Wirtschaften des BMVIT bzw. Klimaschutzinitiative klima:aktiv des Lebensministerium) und spielt eine wichtige Rolle in IEA F&E Programmen. Erfahrungen aus nationalen und internationalen Forschungsarbeiten im Bereich „Neubau“ zeigen, dass ganzheitliche Betrachtungsweisen unter Berücksichtigung von innovativen Gebäudetechnologien zielführend sind und Primärenergiereduktionen um 80 - 90% im Vergleich zum aktuellen Baustandard ermöglichen. Entscheidend bei der energetischen Gebäudesanierung ist, dass zukünftig im Zuge von notwendigen Standardsanierungen hochwertige energetische Maßnahmen umgesetzt und erneuerbare Energieträger in die Energieversorgung integriert werden. Wesentliche technische Erfolgsfaktoren sind dabei die Übertragung von bewährten Technologien aus dem Neubau von Passiv- und Niedrigenergiehäusern und deren Anpassung an die Erfordernisse des Gebäudebestandes.
Der Wärmeschutz im Hochbau beinhaltet alle Maßnahmen zur Verringerung des Heizenergiebedarfes im Winter, sowie zur Verhinderung von Bauschäden durch Schimmelbildung und zur Reduzierung des Kühlenergiebedarfes im Sommer. Dabei stehen die Steigerung der Behaglichkeit durch angenehmes Raumklima, sowie die damit verbundene erhebliche Entlastung der Umwelt im Mittelpunkt. Wichtig dabei ist die Berücksichtigung der Investitions- und Folge (Betriebs)-kosten.
Voraussetzung für eine hochwertige thermische Sanierung eines Gebäudes sind große Dämmdicken an den Umhüllungsflächen, wie Dach, Fassade und Kellerdecke. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Materialien und die Dämmsysteme den jeweiligen Anforderungen an Schall- und Brandschutz, Feuchtigkeits- und Schlagregenschutz, sowie den technischen Richtlinien der Hersteller entsprechen. Dabei muss auf die Qualität der Ausführung und Montage besonders geachtet werden.
Bauliche und architektonische Randbedingungen, wie Gebäudefluchtlinie, Grenzabstände und große äußere Leibungstiefen sind dabei zu berücksichtigen.

Ablaufschema einer thermischen Sanierung

Durch die umfangreichen Recherchen eines Altbaues im Vorfeld einer Sanierung können meist „böse“ Überraschungen und Kostenexplosionen entscheidend reduziert werden. Es ist daher notwendig, entsprechende Fachleute und Experten schon frühzeitig beizuziehen.

  • Bestandsaufnahme
    Vorerst soll eine Besichtigung vor Ort von einem Architekten, Zivilingenieur oder Baumeister durchgeführt werden. Dabei ist eine Erhebung des Bauzustandes (Befundung der Decken, Wände, Dach, Rohbausubstanz etc.) und eine ausführliche Beurteilung des bautechnischen Zustandes des Gebäudes notwendig.
    Die Bauteilaufbauten und Abmessungen werden durch entsprechende Planaufzeichnungen oder Aufmaße Vorort eruiert. Ist dies nicht möglich, sind entsprechende Untersuchungen einzuleiten.
    Die bestehenden Fensterkonstruktionen und deren Zustände werden einerseits durch das Baualter des Gebäudes eingestuft und andererseits durch einen Fachmann beurteilt.
    Unterstützend dazu können diesbezüglich Thermografieaufnahmen und eine Fotodokumentation der Gebäudehülle und Konstruktion sein.
    Die Haustechnikanlagen zur Energiebereitstellung und –verteilung sollen dabei von einem Fachmann begutachtet werden. Die Art der Beheizung und deren Wärmeabgabegeräte sind dabei genauestens zu erfassen.
    Danach soll die Ermittlung der charakteristischen Daten durch erste energetische Berechnungen für das Gebäude, wie U-Werte, Heizwärmebedarf etc. erfolgen.
  • Variantenuntersuchung und Entscheidung
    In dieser Phase sind ganzheitliche energetische Sanierungsvorschlägen (Modernisierungspakete), sowie die dazugehörigen Kostenschätzungen auszuarbeiten und in Absprache aller Eigentümer bzw. Mehrheiten abzustimmen. Dabei soll eine bauökologische Bewertung der verwendeten Materialien unbedingt auch stattfinden. Prinzipiell muss danach getrachtet werden, Materialien zu verwenden, welche vorrangig ökologisch und nachhaltig sind.
    Ein weiteres wesentliches Ziel muss es sein, die Gebäudehülle möglichst hochwertig zu sanieren, da eine neuerliche thermische Sanierung in nächster Zeit kaum wahrscheinlich ist.
    Dabei ist ein integriertes Gesamtsanierungskonzept seitens eines Energieplaners oder Bauphysikers zu entwickeln – nicht abgestimmte Teillösungen, wie alleiniger Fenstertausch etc. können zu Bauschäden führen.
    Die Einplanung bzw. der Einbau einer zusätzlichen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG) ist jedenfalls im Altbau anzuraten. Die Art der kontrollierten Wohnraumlüftung (zentral od. dezentral) ist meist vom Typ des Gebäudes abhängig.
    Bei der Entscheidungsfindung der Art und Qualität der gewählten Sanierungsvariante sind unbedingt die nachfolgenden Betriebskosten für den Bauherrn zu berücksichtigen.

     

  • Ausführungsplanung
    Die Erarbeitung eines vollständigen Planwerkes, Erstellung der Einreichunterlagen inkl. Energieausweis lt. OIB 6-Richtlinie und signifikante Ausführungsdetails – kompatibel mit der Ausschreibung und Kostenermittlung ist durchzuführen.

     

  • Umsetzung
    Die Ausführung der geplanten Maßnahmen hat durch einschlägige Fachfirmen zu erfolgen. Dabei ist bei hochwertigen Maßnahmen besonders auf technische Zulassungen der Systeme Rücksicht zu nehmen.
    Die Umsetzung der Sanierungsvariante sollte mit höchster Nutzerakzeptanz, d.h. eine Sanierung bzw. Modernisierung sollte weitgehend von außen durchgeführt werden, erfolgen. Entsprechende Konzepte werden zur Zeit im Rahmen des Projektes "Prefabricated Systems for Low Energy Renovation of Residential Buildings", dem Annex50 des ECBCS-Programms der IEA, seitens der AEE-INTEC ausgearbeitet.
    Eine begleitende Kontrolle bzw. Abnahme (Baukontrolle) der Ausführung hat durch beauftragter Fachleute bzw. ÖBA zu erfolgen. Somit ist eine enorme Steigerung der Ausführungsqualität möglich.
  • Evaluierung
    Ein Monitoring zur Beobachtung der tatsächlichen Betriebskosten und eine Qualitätskontrolle der Ausführung durch eine Thermografieaufnahme und/oder Blower-Door-Test sollte nach jeder Sanierung durchgeführt werden.

Abbildung 3: Beispiel einer hochwertigen Sanierung in Graz, Dieselweg GIWOG (Quelle: AEE INTEC)

Abbildung 4: Thermografieaufnahme (Quelle: Grazer Energieagentur)

Behaglichkeitskriterien

Durch die hochwertige thermische Sanierung der Außenhülle inkl. Fensterkonstruktionen können die inneren Oberflächentemperaturen wesentlich erhöht werden. Somit steht der menschliche Körper in einem günstigen Strahlungsaustausch mit seiner Umgebung – asymmetrische Strahlung wird als sehr unbehaglich empfunden. Zusätzlich kann die Raumtemperatur bei gleichem Wohlbefinden gesenkt werden – Heizkostenersparnisse (6% Heizkostenersparnis bei Reduktion von 1°C der Raumtemperatur) sind die Folge.
Durch den Einbau einer Lüftungsanlage mit WRG erhöht sich die Qualität der Innenluft (Feuchte, CO2, Feinstaub etc.) wesentlich und der Lüftungswärmeverlust kann bis zu 85% reduziert werden.

Abbildung 5: Vergleich der Oberflächentemperaturen und Behaglichkeit

Fazit und Ausblick

Zur Erreichung der angestrebten Ziele wird es dringend notwendig sein, weitere Forschungs- und Realisierungsprojekte, für ökologische und energieeffiziente Gesamtkonzepte in der Stadt- und Gebäudesanierung zu forcieren. Weitere neue Sanierungsmaßnahmen und Konzeptlösungen müssen erarbeitet werden - minimale thermische Standardsanierungen werden hierfür alleine nicht ausreichen.
Unter der Bedachtnahme der Reduzierung der Landschaftszersiedelung, des Flächenverbrauches und Mobilitätsbedarfes werden Altbauten und deren Modernisierung zukünftig einen höheren Stellenwert bekommen. Unter dem Aspekt der Ressourcenschonung wird der Althaussanierung in allen Gebäudekategorien besonderes Augenmerk geschenkt werden.
Die Verbesserung der Wohnqualität und Erhöhung der NutzerInnenzufriedenheit im vorhandenen Gebäudebestand sowie die belästigungsarme und kostengünstige Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen ist Voraussetzung für die Bereitschaft der Gebäudebesitzer eine hochwertige Sanierungsmaßnahme durchzuführen.
Ein verstärkter Einsatz von Baumaterialien aus erneuerbaren Rohstoffen, vermehrte Berücksichtigung baubiologischer Aspekte sowie von Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energieträger, speziell als Teil der Fassadenkonstruktion muss ebenfalls gefördert werden.
Die zusätzliche Erhöhung der Flexibilität bzw. Erweiterung der Wohnnutzfläche im Gebäudebestand in Hinblick auf zukünftige Bedürfnisse der Nutzer muss ebenfalls bei der Sanierung bedacht werden.
Eine thermische integrale Sanierung darf heutzutage nur noch hochwertig sein, d.h. zumindest Niedrigstenergiestandard – eine neuerliche Modernisierung kommt meist erst in der nächsten Generation (ca. 30 Jahre) wieder zustande.
Ein zukünftiges Ziel der energetischen Gebäudesanierung ist es daher, völlig neue Wege im Sanierungsprozess zu beschreiten und ganzheitliche integrale Konzepte für den Geschoßwohnbau in Österreich zu entwickeln, sowie die Sanierungen von großvolumigen Bauten auf höchstem energetischen Niveau bei gleichzeitig hoher Nutzerakzeptanz in der Umsetzungsphase zu ermöglichen.
Somit können einerseits die Energiekosten wesentlich reduziert und andererseits die Behaglichkeit für die Nutzer gesteigert werden.
Die internationale Tagung ÖKOSAN 2009 in Weiz (siehe auch Tagungsankündigung in dieser Ausgabe) wird sich wieder verstärkt mit diesen Schwerpunkten der hochwertigen Sanierung von großvolumigen Gebäuden beschäftigen.

Literatur

  • (EREC 2006, European Renewable Energy Council;www.erec-renewables.org)

*) Dr. Karl Höfler ist Leiter der Abteilung für Nachhaltige Gebäude bei der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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