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2008-01: Erneuerbare Wärme und Kälte 2030

Solarthermie

Quelle: Jenni Energietechnik AG, Schweiz

Abbildung 1: 100% solar beheiztes Mehrfamilienhaus in der Schweiz mit 193 kWth installierter Leistung und 205 m³ Wärmespeicher

Klimaerwärmung, Energieabhängigkeit der Europäischen Union sowie die massiv steigenden Preise fossiler Energieträger verlangen nach einer unverzüglichen Steigerung unserer Energieeffizienz und Änderung der Energieversorgung. Erneuerbare Energien spielen dabei die zentrale Rolle.

Welchen Beitrag kann die Solarthermie in einem nachhaltigen Energiesystem leisten?

Von Werner Weiss*

Im Jahr 2005 betrug der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch der EU nur 8,5%. Im März 2007 haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU daher darauf geeinigt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch der EU bis 2020 auf 20% zu steigern. Im Transportsektor sollen bis 2020 Diesel und Benzin durch 10% Biokraftstoffe ersetzt werden.
Am 23. Jänner 2008 wurde nun ein Vorschlag für eine neue EU-Richtlinie veröffentlicht, die jeden Mitgliedstaat beauftragt, seinen Anteil an erneuerbaren Energien, wie Solar- und Windenergie, Biomasse und Wasserkraft so zu erhöhen, dass das EU Gesamtziel von 20% erreichbar ist.
Um diesen Zielvorgaben, die rechtlich bindend sind, gerecht zu werden, muss jeder der 27 EU-Mitgliedstaaten seinen Anteil an erneuerbaren Energien um zumindest 5,5%, gemessen am Stand von 2005, erhöhen. Die restliche Anhebung wird auf Grundlage des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf berechnet. Es steht den EU-Staaten frei, ihren bevorzugten 'Mix' an erneuerbaren Energien zu bestimmen. Somit können sie ihren unterschiedlichen Potenzialen gerecht werden. Sie müssen jedoch bis zum 31. März 2010 der Kommission nationale Aktionspläne vorlegen, in denen sie ihre Strategien darlegen. Die Pläne müssen drei Sektoren berücksichtigen: Strom, Heizen und Kühlen sowie Verkehr.

Abbildung 2: Anteil Erneuerbarer Energien am Endverbrauch 2005 und EU Vorgaben bis 2020

Österreich liegt derzeit mit einem Anteil von 23,3 % nach Schweden (39,8 %), Lettland (34,8 %) und Finnland (28, 5%) innerhalb der EU an vierter Stelle bei der Nutzung erneuerbarer Energien. Entsprechend der vorgelegten Richtlinie muss Österreich bis 2020 seinen Anteil um mehr als 10 % auf 34 % erhöhen. Dieses Ziel erfordert äußerste Anstrengungen, wenn man bedenkt, dass derzeit der überwiegende Anteil durch Wasserkraft gedeckt wird und der weitere Ausbau der (Groß)Wasserkraft begrenzt ist.
Dieses Ziel kann daher nicht nur durch den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energietechnologien, sondern nur in Kombination mit einer radikalen Steigerung der Energieeffizienz und Einsparungen erreicht werden.

Energieverbrauch in den EU Staaten

Auch wenn in den Energiediskussionen Strom zumeist im Vordergrund steht, wird übersehen, dass der Anteil für Wärme und Kühlung am Endenergieverbrauch in Europa mit 49 % den Löwenanteil hat. Der Anteil der Elektrizität liegt bei lediglich 20 % und der Transportsektor bei 31 % (EREC, 2006).
Beim Wärmebedarf machen wiederum die Haushalte mit 46 % den größten Anteil aus. An zweiter Stelle liegt die Industrie mit 31 % und der Bereich Gewerbe und Service mit 23 % (2004).
Neben dem Gebäudesektor, in dem Wärme vor allem für die Raumheizung und Warmwasserbereitung benötigt wird, werden auch in der Industrie erhebliche Wärmemengen für industrielle Prozesse aber auch für die Beheizung der Produktionshallen benötigt. Der überwiegende Teil dieser Wärme ist im Temperaturbereich zwischen Umgebungstemperatur und 80 °C. Ein weiterer Teil liegt im Temperaturbereich bis 400 °C.

Abbildung 3: Anteil der erforderlichen Prozesstemperaturen in ausgewählten Industriebranchen (Quelle: ECOHEATCOOL, 2006)

Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen: Welchen Beitrag kann die thermische Solarenergie in Europa und in Österreich zu den oben genannten Zielen beitragen? Und was muss getan werden, um das Potenzial der thermischen Solarenergie auch nutzen zu können?
Der „Global Climate Decision Makers Survey“ (GCDMS, 2007), der bei der UNO Klimakonferenz in Bali präsentiert wurde zeigt, dass unter 20 Technologieoptionen zur Reduktion von CO2, die thermische Nutzung der Solarenergie für die kommenden 25 Jahre als die Technologie mit dem höchsten Reduktionspotenzial ohne kritische Nebeneffekte klassifiziert wurde.
Diese Erwartungen können aber nur dann erfüllt werden, wenn das gesamte Potenzial der Solarthermie ausgeschöpft wird. Dabei muss unterschieden werden zwischen dem Potenzial, das mit derzeit verfügbarer Technologie genutzt werden kann und jenem Potenzial, das erst durch weitere technologische Entwicklung erschlossen werden kann.

Stand der Solarenergienutzung

Mehr als 90% der weltweit installierten Solaranlagenleistung von 125 GW wird in den Bereichen solares Heizen und Kühlen genutzt. Der Rest verteilt sich auf Photovoltaik (6 GW) und solarthermische Kraftwerke (2 GW).

Abbildung 4: Marktentwicklung der Solarthermie in der EU (ESTIF, 2007)

Der Solarthermiemarkt wuchs in Europa zwischen 1999 und 2007 jährlich zwischen 10 und 20%. Die Verteilung auf die einzelnen Länder ist allerdings sehr unterschiedlich. Obwohl Österreich im Vergleich mit den Mittelmeerländern nicht gerade die besten Voraussetzungen für Solarenergienutzung hat, liegt die installierte Leistung mit 200 kWth (285 m² Kollektorfläche) pro 1000 Einwohner in Österreich etwa sechs mal so hoch wie im EU Durchschnitt und 10 – 40 mal höher als die installierte Leistung der meisten anderen Länder, darunter sonnenreiche Länder wie Italien, Spanien und Frankreich.
Es ist naheliegend, dass diese Unterschiede nicht aufgrund des Sonnenenergiepotenzials bestehen, sondern aufgrund von technologischen Entwicklungen und politischen Rahmenbedingungen, die hier schon Ende der 80er Jahre erkannt und vorangetrieben wurden.
Trotz aller Erfolge auch in Ländern wie Deutschland, Griechenland, Malta, Schweden oder seit einem Jahr in Spanien muss festgehalten werden, dass der überwiegende Anteil der Anlagen bisher nur zur Warmwasserbereitung genutzt wird. Diese Anlagen decken typischerweise zwischen 40 und 80% des jährlichen Warmwasserbedarfs.
Da der Warmwasserbedarf im mitteleuropäischen Gebäudebestand nur einen kleinen Teil des Gesamtwärmebedarfs ausmacht, wurden in den vergangenen Jahren Kombianlagen entwickelt, welche sowohl den Warmwasser- wie auch den Heizenergiebedarf decken können. Je nach Dimensionierung der Anlage werden damit derzeit zwischen 20 und 50% des Gesamtwärmebedarfs eines Gebäudes gedeckt. Die Limitierung auf diese Deckungsgrade ist vor allem durch die geringe Speicherkapazität von Wasserspeichern und die Wirtschaftlichkeit der Anlagen bedingt. Einzelanlagen, wie das Jennihaus in der Schweiz, zeigen, dass auch mit derzeit verfügbarer Technologie 100% des Wärmebedarfs eines Mahrfamilienhauses gedeckt werden kann (siehe Abbildung 1).
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass zur langfristigen Erhöhung des solaren Anteils im Raumwärmebereich neue Energiespeicher mit höheren Energiedichten entwickelt werden müssen. Ziel dieser Entwicklungen sind Energiespeicher mit einer achtfach höheren Energiedichte im Vergleich zu Wasserspeichern. Diese Speicher würden in Verbindung mit Effizienzmaßnahmen die vollkommene Deckung des Niedertemperaturbedarfs von Gebäuden ermöglichen.

Europäische Plattform

Wie in der „Strategischen Forschungsagenda der Europäischen Solar Thermie Technologie Plattform“ (ESTTP) formuliert, ist es das Ziel des Sektors, mittel- bis langfristig den Wärmebedarf von neuen Gebäuden zu 100% und den Wärmebedarf des Bestandes zu 50% mittels Solarenergie zu decken.
Um dies zu erreichen, muss die Erhöhung des Solarenergieanteils Hand in Hand mit Maßnahmen zur Effizienzsteigerung erfolgen. Dies erfordert erhebliche Anstrengungen vor allem im Bereich der Sanierung von Gebäuden. Ziel bei Sanierungen des Gebäudebestandes muss eine erheblicher Steigerung der Sanierungsrate von derzeit 1-2 % auf zumindest 3-5% sein. Neben der Beschleunigung der Sanierung ist eine signifikante Erhöhung der thermischen Qualität erforderlich. D.h. eine Reduktion des Heizenergiebedarfs von 20 oder 30%, wie sie derzeit bei umfassenden Sanierungsmaßnahmen üblich ist, muss der Vergangenheit angehören. Ziel muss eine Reduktion des Heizwärmebedarfs von 60 – 80% sein. Dass dies möglich ist, zeigen einige Beispiele, die in den vergangenen Jahren realisiert wurden. Der verbleibende „Restwärmebedarf“ kann in weiterer Folge auch in unserer Klimazone überwiegend mit Solarenergie gedeckt werden.
Die Einspeisung von Solarwärme in Nah- und Fernwärmesysteme wurde in einigen Ländern erfolgreich demonstriert. Um einen weiteren Ausbau dieses Bereichs zu forcieren, sind neben systemtechnischen Verbesserungen und der Nutzung von Kostensenkungspotenzialen vor allem legistische Maßnahmen erforderlich, wie sie in der „EU Direktive zur Erneuerbaren Wärme“ vorgeschlagen werden.
Europas größte solare Fernwärmeanlagen befinden sich in Dänemark (Abbildung 5) mit 13 MWth (18,300 m²) und Schweden 7 MWth (10,000 m²). Eine sehr erfreuliche Entwicklung ist auch in Graz zu verzeichnen, wo die Stadtwerke Graz in Kooperation mit der Firma S.O.L.I.D. in jüngster Zeit solare Fernwärmeeinbindungen mit einer Kollektorfläche von insgesamt 7 MWth (10.000 m²) erreichtet haben. Der Bau von Anlagen in einem Ausmaß von weiteren 10 MWth (15.000 m²) ist in den Jahren 2008 und 2009 geplant.
Trotz dieser ersten Erfolge wird es zur Erreichung des „20% Erneuerbare“ Zieles erforderlich sein, Großanlagen zur Versorgung von Fernwärme und Fernkälte im urbanen Bereich massiv auszubauen.

Abbildung 5: Die weltgrößte thermische Solaranlage in Marstal (DK) liefert mit einer installierten Leistung von 12,9 MWth 30% des Wärmebedarfs der Insel. (Quelle: Arcon, DK)

Neue Anwendungsbereiche

Anwendungsbereiche, mit enormen Potenzialen, die in den kommenden Jahren erschlossen werden müssen, liegen bei der solaren Klimatisierung von Gebäuden, in der Versorgung von industriellen Wärme- und Kälteprozessen, der Wasseraufbereitung und der Meerwasserentsalzung im Mittelmeerraum.
Obwohl solare Klimatisierung und industrielle Prozesswärme in den vergangenen Jahren verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben, darf nicht übersehen werden, dass beide Anwendungsbereiche derzeit in den Anfängen sind. In beiden Bereichen wurden in Europa bisher je rund 100 – 200 Anlagen errichtet. Dies erfolgte vor allem durch die Nutzung von konventionellen Komponenten, wie sie in der Klimatechnik bzw. Prozesstechnik Anwendung finden. Kaum eine dieser Anlagen ist hinsichtlich solartechnischer Erfordernisse optimiert. Darüber hinaus haben diese Anlagen ein erhebliches Verbesserungspotenzial bezüglich der Gesamtenergiebilanz.
In zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsprojekten werden derzeit verbesserte Komponenten und Systeme entwickelt. Abbildung 6 verdeutlicht den Entwicklungsstand der einzelnen solarthermischen Anwendungen.

Abbildung 6: Entwicklungsstand der einzelnen solarthermischen Anwendungen in Europa

Die nächsten wesentlichen Schritte müssen daher darin bestehen, die bereits etablierten Anwendungen beschleunigt im gesamten europäischen Markt einzuführen und die technischen, organisatorischen und ökonomischen Barrieren für die Erschließung der neuen Anwendungen zu überwinden.
Basierend darauf können nach Analysen der Europäischen Solar Thermie Technologie Plattform, der alle namhaften europäischen Solarforschungsinstitute und Solartechnikunternehmen angehören, langfristig Wachstumsraten des Solarthermiemarktes von 20% erreicht werden. Dass dies realistisch ist, zeigen die Wachstumsraten der vergangenen sieben Jahre und Studien unabhängiger Analysten wie der Schweizer Sarasin Bank [1].

Abbildung 7: Beitrag der Solarthermie zum EU Wärmebedarf im Jahr 2030 und 2050 unter der Annahme einer Reduktion des Wärmebedarfs durch Effizienzmaßnahmen von 40% bis 2030

Diese Wachstumsraten würden in der EU bis 2030 zu einer installierten Leistung von 970 GWth (1,4 Mrd. m² Kollektorfläche) führen. Basierend auf dem EU Wärmebedarf des Jahres 2004 (AEBIOM 2007) könnten damit 8 % des gesamten Wärmebedarfs gedeckt werden. In Kombination mit Effizienzmaßnahmen im Gebäude- und Industriesektor (-40% des Wärmebedarfs im Vergleich zu 2004) könnten bis 2030 rund 20% des Gesamtwärmebedarfs der EU 27 gedeckt werden.
Das langfristige Potenzial (2050) der Solarthermie liegt bei ca. 50% des EU Wärmebedarfs bezogen auf Endenergie. Um dieses langfristige Ziel zu erreichen, ist die Installation einer solarthermischen Leistung von 2576 GWth (3,7 Mrd. m² Kollektorfläche) erforderlich. Dies würde der Installation einer Kollektorfläche von 8 m² pro Einwohner in Europa entsprechen.

Wettbewerbsfähigkeit mit konventionellen Energieträgern

In den meisten europäischen Ländern sind Solaranlagen zur Warmwasserbereitung bereits heute konkurrenzfähig zu konventionellen Energieträgern, wenn der Ertrag über die Lebensdauer der Anlagen gerechnet wird. D.h. es gibt in diesem Bereich keinen volkswirtschaftlichen Grund, warum die Errichtung dieser Anlagen nicht in den Bauordnungen verankert und verordnet werden sollte. In Spanien ist seit mehr als einem Jahr eine Verpflichtung zur Errichtung von Solaranlagen im Wohnungsbau vorgeschrieben. Mit der ausnahmslosen Übernahme der Verpflichtung im Neubau durch alle EU Länder und Förderungen in der Sanierung würden in den kommenden 5 – 10 Jahren die oben dargestellten Wachstumsraten von jährlich 20% erreichbar.
Mit der Einführung der ausnahmslosen Verpflichtung in jenen Bereichen, die bereits jetzt wirtschaftlich sind, würden die derzeitigen Fördermittel für die breite Markteinführung neuer Anwendungen zur Verfügung stehen und auch diese Marktsegmente beschleunigt einem Breitenmarkt zuführen.

In der Abbildung 8 sind Wärmekosten für Solarthermie in Mitteleuropa und Südeuropa im Jahr 2007 und 2030 dargestellt. Die Bandbreite der Preise liegt vor allem an verschiedenen Zinssätzen (0 – 6%) für die Investition. Die Kosten für Solarwärme für 2030 basieren auf erwarteten Preisreduktionen bei den Solaranlagen bedingt durch Massenfertigung. Im Vergleich zu den Solarwärmepreisen werden im Diagramm Wärmepreise für Gas und Strom dargestellt. Der jeweils untere Wert von Gas und Strom 2030 unterstellt eine jährliche Energiepreissteigerung von 1% und die oberen Werte wurden auf Basis einer 3%igen jährlichen Energiepreissteigerung berechnet.

 
Wärmepreise in €-cent pro kWh
 
2007
2030
 
Mitteleuropa
Südeuropa
Mitteleuropa
Südeuropa
Solarthermie
7 - 14
5 - 10
3 - 6
2 - 4
Erdgas
5,0*)
 
6,3 – 10,1
 
Strop
 
14,6*)
 
18,5 – 29,6

Tabelle 1: Wärmepreise im Vergleich (Preisbasis 2007)

*) Durchschnittswerte EU 25 / 2007, Eurostat-Jahrbuch 2006-2007

Abbildung 8: Wärmekosten für Solarthermie in Mittel- und Südeuropa im Jahr 2007 und 2030 im Vergleich zu Wärmekosten aus Gas und Strom

Referenzen

  • [1] Sustainability Report of the Swiss Sarasin Bank, 2007;
  • [2] Neubarth, J., Kaltschmitt, M.: Erneuerbare Energien in Österreich, 2000;

*) Ing. Werner Weiss ist Geschäftsführer der AEE INTEC in Gleisdorf, http://www.aee-intec.at&nbsp[^]

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