Zeitschrift EE

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2008-01: Erneuerbare Wärme und Kälte 2030

Solarthermie

Abbildung 1: Mehrfamilienhaus in der Theodor-Körner-Straße in Graz mit 240 m² Kollektorfläche

Die Ausführung und der Betrieb von Trinkwassererwärmungsanlagen stehen schon seit je her in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wasserhygiene. Darunter versteht man im Speziellen die Vermeidung einer mikrobiellen Belastung des erwärmten Trinkwassers, insbesondere mit Bakterien (z.B. Legionellen, Pseudomonaden).

Solarwärme und die neue Hygienenorm B 5019 für Trinkwassererwärmungsanlagen

Von Christian Fink *

Waren die Anforderungen an die Konzeption und den Betrieb von zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen in Deutschland durch die DVGW W 551, W 552 und W 553 schon seit Jahren klar geregelt, bestand in Österreich diesbezüglich Nachholbedarf. Mit der im Jänner 2007 erschienenen ÖNORM B 5019 „Hygienerelevante Planung, Ausführung, Betrieb, Wartung, Überwachung und Sanierung von zentralen Trinkwasser-Erwärmungsanlagen“ steht nunmehr ein umfangreiches und in manchen Punkten auch sehr striktes Regelwerk zur Verfügung.
Die Ausführungen in dieser ÖNORM gelten, unter der Voraussetzung, dass Trinkwasser zentral erwärmt wird, im Besonderen für Kranken- und Kuranstalten, Pflegeeinrichtungen, Badeeinrichtungen, Beherbergungsbetriebe, Gemeinschaftseinrichtungen sowie öffentliche Gebäude und Wohnhausanlagen.
Wie der Titel der Norm schon aussagt, behandelt die Norm ein breites Spektrum, das sich von der Konzeption über die Ausführung, den Betrieb, die regelmäßige Prüfung bis hin zur Sanierung von Problemanlagen erstreckt.

Solarunterstützte Anlagen zur Trinkwassererwärmung

Die Auswirkungen der ÖNORM B5019 sind angesichts der bis dato üblichen Ausführung von zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen erheblich. Nachfolgend werden die zentralen Inhalte und Auflagen (betreffend die Planung, die Ausführung und den Betrieb) kurz zusammengefasst:

  • Mindestens 60°C beim Eintritt in das Warmwasserverteilsystem
  • Die Minimaltemperatur im Warmwasserverteilnetz bzw. der Zirkulationsleitung darf 55°C nicht unterschreiten
  • Vorwärmstufen dürfen 55°C nicht unterschreiten – ausgenommen sind vier Stunden Ladezeit.
  • Die Entfernung des Knotenpunkts der Zirkulationsleitung bis zum weitesten Verbraucher darf 6 m nicht übersteigen
  • Die thermische Desinfektion des gesamten Warmwassersystems mit mindestens 70°C muss möglich sein
  • Temperaturmessnippel bzw. Hähne zur Wasserprobennahme müssen an definierten Stellen vorhanden sein.
  • Es sind verstärkte Auflagen bei der Inbetriebnahme einzuhalten
  • Regelmäßige Messungen (Temperatur und Mikrobielle Untersuchungen) entsprechend der Risikogruppe sind notwendig.

Scheint vor allem die Auflage der Minimaltemperatur von 55°C für trinkwassergeführte Vorwärmstufen auf den ersten Blick als besonders ungünstig für solarunterstützte Anlagen zur Trinkwassererwärmung, so kann bei näherer Betrachtung des Geltungsbereiches bzw. bei entsprechender systemtechnischer Ausführung Entwarnung gegeben werden.

Ein- und Zweifamilienhäuser

Die ÖNORM B 5019 besitzt aufgrund des geringen Risikos einer mikrobiellen Belastung für den Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser keine Gültigkeit, weshalb die Standardausführung von solarunterstützten Anlagen zur Trinkwassererwärmung in diesem Bereich (Solaranlage speist in den unteren Teil eines Trinkwasserspeichers) nach wie vor zur Umsetzung gelangen kann.

Wohnungsstationen

Ebenso ausgenommen vom Gültigkeitsbereich der B 5019 sind dezentrale Trinkwassererwärmer für einzelne Wohnungen (siehe Abbildung 2 und Abbildung 3). Werden zeitgemäße solarunterstützte Wärmeversorgungskonzepte wie Zwei-Leiter-Netze in Verbindung mit Wohnungsstationen (dezentrale Erwärmung des Trinkwassers im Durchflussprinzip) im Geschoßwohnbau errichtet, kann neben den bekannten energetischen Vorteilen aufgrund der neuen Hygienenorm auch ein zusätzlicher wirtschaftlicher Vorteil erzielt werden. Dieser liegt darin begründet, dass bei dieser Art der Trinkwassererwärmung die B 5019 nicht zur Anwendung gelangt und somit im Gegensatz zu Anlagen mit zentraler Trinkwassererwärmung auch die mit erhöhtem Aufwand verbundenen Auflagen bei Ausführung, Inbetriebnahme, Wartung und Prüfung (in regelmäßigen Intervallen über die Betriebszeit der Anlage) nicht erfüllt werden müssen.

Abbildung 2: Die B 5019 gilt nicht beim Einsatz von Zwei-Leiter-Netzen und Wohnungsstationen

Abbildung 3: Durchflusserwärmer in einzelnen Wohnungen sind von der neuen Norm ausgenommen

Systemtechnische Anpassung

Für alle Einsatzgebiete, in denen die zentrale Erwärmung von Trinkwasser aus technischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich ist, müssen die Auflagen der ÖNORM B 5019 erfüllt werden (Hydraulikschema siehe Abbildung 4). Speziell für solarunterstützte Anlagen zur Trinkwassererwärmung müssen diese bereits in der Konzeption entsprechend berücksichtigt werden:

  • Ersatz von trinkwassergeführten Speichern durch Pufferspeicher als Energiespeicher. Diese Auflage stellt absolut keinen Nachteil dar, so sind doch Pufferspeicher kostengünstiger als Trinkwasserspeicher und können zusätzlich aufgrund der nicht vorhandenen Verkalkungsproblematik auf bis zu 95°C aufgeheizt werden, was die Energiedichte des Speichers bei gleichem Volumen erhöht.
  • Ersatz von trinkwassergeführten Bereitschaftsspeichern durch Trinkwassererwärmer im Durchflussprinzip. Zu beachten ist hierbei, dass die Nacherwärmung auf die geforderte Temperatur durch den konventionellen Wärmeerzeuger im obersten Teil des Pufferspeichers zu erfolgen hat.
  • Kann aufgrund spezieller Gegebenheiten auf einen trinkwassergeführten Bereitschaftsspeicher nicht verzichtet werden, so sollte diesem ein Durchflusserwärmer vorgeschalten sein, der die durch das Solarsystem eingebrachte Energie auf das Trinkwasser überträgt. Zu beachten bleibt hierbei, dass der Bereitschaftsspeicher mittels konventionellem Wärmeerzeuger auf Temperatur (am Speicheraustritt auf mindestens 60°C, im unteren Speicherbereich auf mindestens 55°C) gehalten werden muss.

Abbildung 4: Solarunterstütztes System zur zentralen Trinkwassererwärmung

Zu berücksichtigen ist, dass bei zentralen Anlagen zur Trinkwassererwärmung neben den konzeptionellen Erfordernissen auch die Auflagen der B 5019 hinsichtlich Inbetriebnahme, Wartung, Betrieb und regelmäßiger Prüfung (Probennahmen) erfüllt werden müssen. Vor allem die laufende Betriebsführung inkl. der nötigen Prüfungen (Intervalle in Abhängigkeit der Risikogruppe), stellen hier einen erheblichen Kostenfaktor über die gesamte Nutzungszeit der Anlage dar.

Gültigkeitsbereich auch bei Altanlagen

Generell gelten die Auflagen der B 5019 hinsichtlich der notwendigen Systemtemperaturen und der Probennahmen auch für Altanlagen. Die Verantwortung hierfür liegt beim Betreiber des Gesamtsystems. Können systembedingt die in der Norm definierten Temperaturen nicht erreicht werden, ist mit erhöhten Intervallen für die Probennahme zu rechnen, bzw. müssen bei Problemanlagen verfahrenstechnische Maßnahmen (Desinfektionen) angewendet werden.
Mittlerweile ist die ÖNORM B 5019 bereits ein Jahr gültig und ermöglichte die Sammlung von Praxiserfahrungen. Eine erste Anpassung durch das österreichische Normungsinstitut ist aktuell im Gange, größere Änderungen werden nach dem aktuellen Stand aber nicht erwartet.

Nähere Informationen und Bestellmöglichkeit:

Österreichisches Normungsinstitut unter www.on-norm.at.

*) Ing. Christian Fink ist Mitarbeiter der AEE-INTEC in Gleisdorf und Leiter des klima:aktiv Programms solarwärme, www.aee-intec.at,&nbspDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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