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2008-01: Erneuerbare Wärme und Kälte 2030

Wassermanagement

Abbildung 1:Latrine in Arusha, Tansania

Die UN Generalversammlung hat das Jahr 2008 zum "Internationalen Jahr der sanitären Grundversorgung" (International Year of Sanitation, IYS 2008) erklärt. Um dieses Jahr zu nutzen, haben sich etwa 50 internationale Organisationen zur Sustainable Sanitation Alliance zusammengeschlossen.

Internationales Jahr der sanitären Grundversorgung (IYS08)

Von Martin Regelsberger*

2,6 Milliarden Menschen warten auf ein Klo

Die UNO will diese unglaubliche Zahl drastisch senken. Weil die Zahl aber nicht rasch genug abnimmt, hat die UNO 2008 zum „International Year of Sanitation“, also zum Internationalen Jahr der sanitären Grundversorgung, erklärt. Dieses Jahr soll daran erinnern, dass es seit der Umweltkonferenz in Johannesburg ein Millenniumentwicklungsziel (Millennium Development Goal, MDG) dazu gibt: bis 2015 soll die Zahl der Menschen ohne Abwasserentsorgung (2,6 Milliarden Menschen) und die Zahl der Menschen ohne ausreichende Trinkwasserversorgung (1,2 Milliarden) halbiert werden. Die Anstrengungen, um das gesetzte Ziel zu erreichen, müssen drastisch verstärkt werden. Es geht dabei um ganz handfeste Probleme. Eine Toilette zu haben ist natürlich unter Anderem eine Frage der menschlichen Würde. Jährlich sterben an „schmutzigem“ Wasser oder unzureichender Siedlungshygiene 5 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Terrorismusexperten schätzen die Zahl der Terrorismusopfer der letzten 40 Jahren auf insgesamt gerade einmal 50.000 Menschen. Vier Milliarden Fälle von Durchfall gibt es jedes Jahr. Und wer einmal auf einer Reise Durchfall hatte, weiß, wie beeinträchtigt man dadurch ist. Die Kosten, die durch nötige medizinische Versorgung, Fehltage bei der Ausbildung, Umweltprobleme, Einbußen beim Verdienst und der Lebensqualität entstehen sind enorm und treffen vor allem die ganz Armen.
Allerdings reicht es nicht, Menschen eine Wasserleitung oder eine Toilette zu bauen. Oft ist die Infrastruktur zu teuer, um erhalten werden zu können, oder wird aus mangelndem Verständnis einfach nicht genutzt. Neben produktiven technischen Lösungen, die Fäkalien zu Dünger oder Biogas umwandeln, braucht es auch Schulungen in Hygiene, im Betrieb und der richtigen Nutzung der Klos und Wasserversorgungen. Die „Sustainable Sanitation Alliance“, hat es sich zum Ziel gesetzt, im IYS 2008 auf diese komplexen Zusammenhänge verstärkt aufmerksam zu machen.

Die Sustainable Sanitation Alliance

Die „Sustainable Sanitation Alliance“, kurz SuSanA, ist eine weltweite Vereinigung von über 50 Organisationen, die auf dem Gebiet der nachhaltigen Siedlungshygiene arbeiten. SuSanA begrüßt die Widmung des Jahres 2008 in der Hoffnung, das Thema und die Bedürfnisse der betroffenen Menschen bekannt machen zu können und die Lage zu verbessern. SuSanA als Vereinigung ist offen für alle Interessenten, die sich einbringen und am gemeinsamen Ziel mitarbeiten möchten. Es wird große, gemeinsame Anstrengung aller brauchen, um das Millenniumentwicklungsziel zu erreichen. Es wird sich aber auch lohnen und alle sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen.
Denn es geht nicht nur um Klos in Entwicklungsländern. Auch bei uns ist Nachhaltigkeit im Siedlungswasserbau eine neues Thema. Obwohl schon Adolf Loos meinte, es gehöre endlich verboten, dass der Siedler seinen wertvollsten Rohstoff mit Trinkwasser wegspült, hat sich diese Methode, Fäkalien zu entsorgen, sogar noch verbreitet. Sie hat sogar Gegenden erreicht, wo Trinkwasser Mangelware ist. Und der „Rohstoff des Siedlers“ wird heute oft als Sondermüll betrachtet, nicht zuletzt weil er tatsachlich mit allen möglichen und unmöglichen bis gefährlichen Substanzen belastet ist, die wir entweder konsumieren, oder über das Abwasser mitentsorgen. Dabei ist der in Fäkalien und Urin enthaltene wichtige Pflanzennähstoff Phosphor ein endlicher Bodenschatz. Die derzeit bekannten Reserven reichen bestenfalls noch für 200 Jahre. Das mag lang scheinen, die einfach abzubauenden und zu verwertenden Vorräte werden aber schon viel früher ausgehen. Umgekehrt haben wir in der Luft zwar große Vorräte von Stickstoff. Für die Landwirtschaft produzieren wir daraus aber ständig neuen Dünger, den wir bestenfalls einmal verwenden und dann entsorgen. So erfreulich die gesteigerte landwirtschaftliche Produktion durch Stickstoffdüngung ist, die Entsorgung des Stickstoffs aus Fäkalien ist nur unzureichend gelöst. Entweder brauchen wir Energie um ihn wieder in Luftstickstoff zurückzuführen oder wir belasten damit unsere Fließgewässer, Seen und Meere.

Das IYS bei uns

All unsere Klärtechnik ist auf einige wenige Substanzen ausgelegt. Alles andere wird im Abwasser nur zufällig oder nicht abgebaut. Wir entsorgen mit Abwasser aber zunehmend ganz unterschiedliche Stoffe, Schwermetalle, Hormone und hormonähnliche Stoffe, hochgiftige Abfallstoffe, die wir als Reinigungs- oder „Desinfektionsmittel“ einsetzen und vieles mehr. Von vielen dieser Stoffe wissen wir nicht einmal genau wie sie auf Pflanzen und Tiere wirken, wenn sie einzeln vorkommen, geschweige denn, was passiert, wenn sie in ganz unterschiedlichen Mischungen Auftreten. Für die Industrie gibt es mittlerweile, einen Ansatz, „cleaner production“, bei dem an der Quelle der Probleme, dem Industrieprozess angesetzt wird, um durch Optimierung den Ausstoß unerwünschter Stoffen zu reduzieren bis ganz zu unterbinden. Den Ansatz gibt es, allerdings muss er erst noch überall angewendet werden.
Beim häuslichen Abwasser ist diese Vorgangsweise – der Versuch im Haushalt ein nutzbares Produkt zu erzeugen, aus dem die enthaltenen Stoffe möglichst einfach weiter verwendet werden können – zwar nicht unbekannt, aber sie findet noch kaum Anwendung. Was um die Jahrhundertwende des 19. zum 2o. Jahrhundert noch gang und gäbe war, ist 100 Jahre später fast verschwunden, ja es wird geradezu als gefährlich erachtet. Daran ist richtig, dass wir mittlerweile Stoffe konsumieren und auch entsorgen die durchaus bedenklich sind. Mit Kläranlagen ist dieser Vielzahl an Stoffen aber auch nicht beizukommen. Die Industrie macht uns vor, dass die Lösungen am Ursprung zu finden sind, im Haushalt.
Nachhaltiger Siedlungswasserbau wird nach Lösungen suchen müssen, die im Haushalt schon erreichen, dass das Abwasser für die Wiederverwendung brauchbar bleibt. Das wurde als eines der „Bellagio Prinzipien für nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft“ zum „haushaltszentrierten Ansatz“ im Siedlungswasserbau formuliert. Von der Abwasserentsorgung müssen wir auch im Haushalt zum Stoffstrommanagement übergehen.

Abbildung 2: Grauwasserreinigung, das Grauwasser wird zum Spülen der Toiletten verwendet

In diesem Sinn ist das „International Year of Sanitation“ nicht nur ein Auftrag, für die Armen zu sorgen und jene zu unterstützen, die noch kein Klo haben. Es sollte uns auch dazu aufrufen, die bei uns bestehende Praxis zu überdenken und zu neuen Lösungen zu finden, von einem Entsorgungsproblem zur Nutzung wertvoller Rohstoffe zu wechseln. Der Ansatz hätte auch Auswirkungen auf die von uns verwendeten Substanzen und auf unsere Lebensmittelproduktion. Wir würden Energie sparen, die Umwelt schonen, weniger Rohstoffe verbrauchen und vermutlich auch gesünder leben. Lauter Gründe, das „International Year of Sanitation“ zum Nachdenken, aber auch zum Handeln zu Nutzen.
Dieses Ziel hat sich die Sustainable Sanitation Alliance gesetzt. In Österreich sind folgende Organisationen in der Alliance vertreten:

  • AEE – Institut für nachhaltige Technologien (AEE INTEC)
  • BOKU – Universität für Bodenkultur, Institut für Siedlungswasserbau
  • EcoSan Club
  • Österreichische Entwicklungszusammenarbeit

*) Dipl.-Ing. Martin Regelsberger ist Leiter der Abteilung für Wasser- und Abwassermanagement bei der AEE INTEC in Gleisdorf, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.aee-intec.at, www.sustainable-sanitation-alliance.org [^]

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