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2007-04: Atomenergie oder Erneuerbare?

Wassermanagement

Abbildung 1:Das ZerO-M DSS ist insbesondere als Werkzeug für die Planung von nachhaltigen Wassermanagementlösungen für kleine Siedlungen gedacht (Quelle von allen Bildern: Universität Wien, Institut für Geographie und Regionalforschung)

Wasserknappheit ist in mediterranen Ländern ein zentrales Problem. Der steigende Wasserverbrauch in diesen Ländern verursacht Probleme bei der Bereitstellung von Wasser in ausreichender Qualität und Quantität. Die unreflektierte Ausbeutung von Wasserquellen und der erhöhte Konsum können zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Schäden an der Umwelt führen. Um dem entgegen zu wirken, ist die Umsetzung nachhaltiger, lokaler Wassermanagementlösungen notwendig.

Geographisches Decision Support System für nachhaltige Wasserwirtschaft

Von Sibylle Saul, Elisabeth Freiberger und Christoph Pichlbauer*

Im Rahmen des Projektes „Zer0-M – Zero Outflow Municipality“ arbeiten elf Partner aus Europa und Nordafrika an einem Konzept für nachhaltiges Wassermanagement im Mittelmeerraum. Die Optimierung geschlossener Wasserkreisläufe in Gemeinden und Siedlungen mediterraner Länder, die an kein zentrales Abwassersystem angeschlossen sind, ist ein zentrales Anliegen dieses Projektes. Um diese Optimierung zu erreichen, wird unter anderem ein Werkzeug entwickelt, welches eine grobe Planung und Bewertung von nachhaltigen Wassermanagementlösungen ermöglicht.

ZERO OUTFLOW MUNICIPALITY (ZER0-M)

Das Projekt „Zer0-M – Zero Outflow Municipality“ (www.zer0-m.org/) wird im Rahmen des „Euro-Mediterranean Regional Programme For Local Water Management“ (Regionales EU-Mittelmeer-Programm für lokales Wassermanagement) von der Europäischen Union unterstützt. Das Projektkonsortium setzt sich aus elf Partnern aus Europa und Nordafrika zusammen und wird von AEE INTEC (Arbeitsgemeinschaft für Erneuerbare Energie, Institut für Nachhaltige Technologien) koordiniert. Die Mitglieder des Konsortiums arbeiten seit September 2003 (bis August 2008) gemeinsam an Konzepten und Technologien für nachhaltiges Wassermanagement. Hauptnutznießer des Projektes sind die MEDA-Partnerländer (nicht-europäische Mittelmeer-Anrainerstaaten): Ägypten, Marokko, Tunesien und Türkei. Zielgruppen des Projektes sind hauptsächlich Ingenieure und Planer, aber auch die allgemeine Bevölkerung.
Frei übersetzt steht Zer0-M für „Gemeinden ohne Abwasserausstoß“ und drückt damit den Leitgedanken des Projektes aus. Zwar lässt sich eine „Null-Emission-Gemeinde“ nicht vollständig verwirklichen, es ist jedoch möglich, den Wasserverbrauch zu minimieren und das Abwasser kleinräumig wieder zu verwenden. Zer0-M hat daher das Ziel, Konzepte und angepasste Technologien für nachhaltiges Wassermanagement zu entwickeln, um in kleinen Kommunen oder Siedlungen (z.B. touristischen Einrichtungen), die nicht an ein zentrales System angeschlossen sind, optimierte geschlossene Wasserkreisläufe zu errichten. Nachhaltige Wasserver- und -entsorgung wird dabei als ein Schlüsselelement für nachhaltige Entwicklung gesehen [Otterpohl]. Sie zielt auf geringen Wasserverbrauch und die vollständige Wiederverwendung von Wasser und der darin enthaltenen Nährstoffe. Angepasst an die sozio-ökonomischen Bedingungen, durch den Einsatz von einfachen Technologien, stellt nachhaltiges Wassermanagement häufig dezentral und zu geringen Kosten eine hohe Reinigungsleistung zur Verfügung.
Der Versuch optimierte, geschlossene Wasserkreisläufe für Siedlungen in mediterranen Ländern im Zuge eines nachhaltigen Wassermanagements zu planen, ist eine komplexe Aufgabe, bei der eine Vielzahl von verschiedenen und oftmals widersprüchlichen Objekten miteinbezogen werden muss. Bei der Lösung solcher komplexer räumlicher Problemstellungen bietet sich daher die Unterstützung durch ein EDV-gestütztes kartenbasiertes System an, welches den Nutzer bei der Entscheidungsfindung unterstützt (im englischsprachigen Raum unter dem Begriff „Spatial Decision Support System - SDSS“ bekannt). Das Projekt Zer0-M hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, ein Werkzeug zu entwickeln, das Experten bei einer ersten Gestaltung, Bewertung und Auswahl möglicher Wassermanagementlösungen unterstützt. Dieses System wurde am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien mitkonzipiert und entwickelt.

Abbildung 2: Die unreflektierte Ausbeutung von Wasserquellen und der erhöhte Konsum führen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Schäden an der Umwelt

Zielsetzung

Das Hauptziel des Zer0-M Spatial Decision Support System (DSS) ist die Führung und Unterstützung des Nutzers bei einer ersten groben Planung von Wassermanagementalternativen mit nachhaltigen Technologien. Dabei soll der Experte als Nutzer durch den Prozess der Entscheidungsfindung geführt werden und bei der Auswahl einzelner technischer Optionen, über die Planung von Alternativen bis hin zur Auswahl der optimalsten Variante unterstützt werden. Die Bewertung der Varianten wird dabei anhand von ökonomischen, sozialen und ökologischen Faktoren vorgenommen. Anhand der vorhandenen bzw. vom Nutzer gegebenen Informationen werden Indikatoren berechnet, welche dann in eine Multikriterienanalyse einfließen.
Ein weiteres Ziel ist es, den Nutzer mit weniger bekannten nachhaltigen Technologien vertraut zu machen. Diese Annäherung soll durch die Möglichkeit forciert werden, wichtige Zusatzinformationen über nachhaltige Technologien und Erfahrungen bereits existierenden Lösungen abfragen zu können.
Das Zer0-M DSS ist insbesondere als Werkzeug für die Planung von nachhaltigen Wassermanagementlösungen für kleine Siedlungen gedacht. In Übereinstimmung mit den Konzepten des Zer0-M Projektes gehören dazu Gebiete, bei denen schon aus wirtschaftlicher Sicht die Errichtung eines herkömmlichen Abwassersystems nicht rentabel wäre. Diese Schwerpunktgebiete umfassen kleine ländliche Siedlungen mit landwirtschaftlicher Produktion, isolierte Tourismuseinrichtungen und städtische Randgebiete, die an kein zentrales Abwassermanagementsystem angeschlossen sind.

Entscheidungsfindung

Planung und Management basieren auf dem Prozess der Entscheidungsfindung, welcher traditionell in mehrere Stufen eingeteilt wird. Zu Beginn steht die Definition und Beschreibung des vorliegenden Problems. Daran schließen verschiedenste Formen von Analysen an, die notwendige Informationen für die Planung und Gestaltung der Lösungsmöglichkeiten liefern. Um die Entscheidung für die Lösung des Problems zu finden, gilt es dann die erstellten Alternativen gegeneinander abzuwägen.
Der Prozess der Entscheidungsfindung kann auch auf die Funktionalitäten des SDSS übertragen werden. Abhängig von den Bedürfnissen des Nutzers in den einzelnen Phasen des Entscheidungsprozesses werden Funktionalitäten in unterschiedlichem Umfang und Schwerpunkt zur Verfügung gestellt. Diese können wie folgt eingeteilt werden [Simon].

Intelligenz

Diese Phase umfasst die Identifikation und Beschreibung des zu lösenden Problems. Thematische und geographische Daten sind in das System zu integrieren und können dann über visuelle und explorative Datenanalyse ausgewertet werden. Dies hilft einerseits bei der Beschreibung des Problems und ermöglicht andererseits bereits erste Lösungsansätze ausfindig zu machen. Zusätzlich dazu erhält der Nutzer die Möglichkeit, Informationen über einzelne, ihm eventuell noch nicht vertraute Technologien abzufragen.

Abbildung 3: Wasserwirtschaftstechnologien: Auswahl geeigneter technischer Lösungsmethoden aus einer Vielzahl bekannten und weniger bekannten nachhaltigen Technologien

Weiters besteht die Möglichkeit, bereits bestehende Lösungen ähnlicher Probleme aus einem Sammelsurium von Erfahrungen innerhalb dieses Projekts oder anderer Umsetzungen abzurufen und zu vergleichen. Jedem Nutzer des Systems steht es frei, seine Erfahrungen in diese Sammlung einzutragen und somit auch einen Beitrag für zukünftige Projekte zu liefern. Planer von Sanitärprojekten sollen dadurch dazu animiert werden, nicht nur konventionelle Lösungen in Betracht zu ziehen. Sie sollen mit den Informationen über Beispielprojekte eine Idee davon bekommen, welche Technologien und Kombinationen von Technologien der nachhaltigen Siedlungswasserwirtschaft existieren und welche Vorteile sich bei deren Anwendung im Vergleich zu konventionellen Systemen ergeben können.
In der Datenbank werden Beispiele nachhaltiger Sanitärprojekte gesammelt, die innerhalb und außerhalb des Projektes Zer0-M realisiert wurden. Standardisierte Informationen über die geographischen und klimatischen Bedingungen im Projektgebiet, die Hintergründe und Probleme, die die Umsetzung des Projekts notwendig gemacht haben, sowie die in der Ausgangssituation vorhandenen Wasserversorgungs- und Sanitäreinrichtungen, können abgerufen werden. Weiters werden der Entwurf und die Technologien, die zur Lösung der bestehenden Probleme gewählt wurden, präsentiert.
Jedes Projekt wird mit einem einfachen Bewertungsschema anhand einer Liste von Kriterien bewertet. Diese Liste beinhaltet technische, ökonomische, soziokulturelle, Umwelt- und Gesundheitskriterien. Dadurch erhält der Nutzer der Datenbank eine Übersicht über die Vor- und Nachteile jedes Projektes und darüber, welche Aspekte der Nachhaltigkeit vom Projekt erfüllt worden sind.
Mit Hilfe einer Suchfunktion kann nach Projekten gesucht werden, die ähnliche Eigenschaften und Voraussetzungen wie das zu planende Projekt besitzen. Somit kann man sich auf einfache Weise ein Bild davon machen, welche Lösungen in anderen Projekten gefunden wurden. Dies soll dem Planer bei der Wahl der Technik helfen, die die Anforderungen an das Projekt am Besten erfüllen kann

Design

Die Entwicklung der räumlich definierten Alternativen erfolgt in der Designphase. Mit Hilfe der Fragestellung angepasster Funktionalitäten wird der Nutzer durch den Prozess der Planung und Entwicklung von Alternativen geführt (Abbildung 4). Dabei können auf Basis einer interaktiven Karte verschiedene Lösungsvarianten (Alternativen) für ein definiertes Problem entwickelt werden. Das SDSS bietet dem Nutzer dabei verschiedene Navigationsmöglichkeiten und Funktionen an, um die Alternativen auf einfachen und effizienten Weg entwickeln und manipulieren zu können. Zusätzlich stellt es dem Nutzer dabei wichtige Information über den Zustand der einzelnen technischen Einrichtungen sowie des gesamten Systems zur Verfügung.

Abbildung 4: Designphase: Mit Hilfe der Fragestellung angepasster Funktionalitäten wird der Nutzer durch den Prozess der Planung und Entwicklung von Alternativen geführt

Auswertung

Unter Einbeziehung eines komplexen Wasserkreislaufszenarios erfolgt die Auswertung der einzelnen Alternativen anhand ökonomischer, sozialer und ökologischer Modelle. Dadurch erhält der Nutzer Auskunft über die wirtschaftliche und soziale Verträglichkeit sowie die Ökobilanz der einzelnen Alternativen. Die Ergebnisse aus der Evaluierung der Modelle können in einem weiteren Schritt in eine Multikriterienanalyse einfließen, welche die optimalste Alternative bestimmt und dem Nutzer somit bei der Entscheidungsfindung unterstützt.

Abbildung 5a und 5b: Im Rahmen des Projektes "Zer0-M - Zero Outflow Municipality" (http://ww.zer0-m.org/) arbeiten elf Partner aus Europa und Nordafrika an einem Konzept für nachhaltiges Wassermanagement im Mittelmeerraum.

Ausblick

Ein SDSS stellt eine gute Möglichkeit dar, Ideen des nachhaltigen Wassermanagements und deren Umsetzung zu erleichtern und bekannt zu machen. Allerdings ist es notwendig, ein solches Werkzeug an seine Zielgruppe und deren Wünsche bzw. Nutzungsbedürfnisse anzupassen, um die volle Leistungsfähigkeit des Werkzeuges zu gewährleisten. Das Zer0-M Konsortium hat sich mit der Entwicklung des Spatial Design Support System das Ziel gesetzt, ein solches angepasstes System zur Verfügung zu stellen. Eine erste Version konnte bereits im Frühjahr 2007 veröffentlicht werden. In der aktuellen Phase finden Adaptierungen und Erweiterungen des Systems statt, um den Nutzerwünschen bestmöglich zu entsprechen.

Literatur- und Quellennachweis

  • Goltara, A., Nardini, A., Conte, G. und F. Masi (2004): Schematization of the Water System. ZM-WP4-TD-DSS-Network5-3.doc
  • Nardini, A., Goltara, A. und I. Principi (2005): Working Document on DSS Modelling. ZM-WP4-TD-DSS5-8.doc
  • Niederer, S., Spatial Decision support system (SDSS) für nachhaltige Wasserwirtschaft im Projekt Zer0-m (Zero outflow municipality), Wien, 2006
  • Regelsberger, B., Regelsberger, M., Ziele einer nachhaltigen kommunalen Wasserwirtschaft, erneuerbare energie (ee), Heft 2, AEE INTEC, Gleisdorf, 2004.

[Otterpohl] Otterpohl, R., et al., Open letter to Johannesburg Summit, Division for Sustainable Development, Vereinte Nationen, Februar 2002,
http://www.zer0-m.org/publicforum/index.php?s=23046354600055768d7a5b6f1436c5b&showtopic=12&#entry13

[Simon] Simon, H.A. (1960): The New Science of Management Decision. Harper and Row, NY.

*) Sibylle Saul und Christoph Pichlbauer sind wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Wien, Institut für Geographie und Regionalforschung, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, http://www.univie.ac.at/cartography
Elisabeth Freiberger ist Studentin an der Universität für Bodenkultur, Wien, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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