Zeitschrift EE

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2007-02: Hochwertige Sanierung von Gebäuden


Solarthermie

Die vereinten Nationen haben bereits vor zwei Jahren zum alljährlichen Weltwassertag am 22.März 2005 die Dekade „Wasser zum Leben“ ausgerufen. Mit der Proklamation der Wasserdekade folgt die UN ihrem selbst gesetzten „Millennium Entwicklungsziel“, die Versorgung mit Trinkwasser in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verbessern. Demgemäß soll die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser bis zum Jahre 2015 im Vergleich zum Stand von 1990 halbiert werden.

Solare Entsalzung als Option einer künftigen Wasserversorgung

Von Hendrick Müller-Holst*


Diese Zielsetzung umsetzen zu wollen bedeutet, dass bis 2015 jeden Tag 300.000 Menschen einen verbesserten oder neu erstellten Zugang zu Trinkwasser erhalten sollen. Eine Mammutaufgabe. Ob und inwieweit dazu in den Entwicklungsländern ein Beitrag durch Meer- oder Brackwasserentsalzung geleistet werden kann, ist zu einem guten Teil davon abhängig, was für Anstrengungen unternommen werden existierende oder neue Verfahren zur Marktreife zu bringen, in den Markt einzuführen und ihre Herstellkosten weiter zu verringern.
Aber auch in Ländern des Sonnengürtels wie im Nahen- und Mittleren Osten, in Nordafrika, rund um das Mittelmeer oder in Australien sind dezentrale Techniken zur Wasserentsalzung zunehmend gefragt und werden in den nächsten Jahren erhebliche Marktrelevanz gewinnen. Da nicht immer eine netzgekoppelte Energieversorgung für die Anlagen bereitsteht, werden auch hier verstärkt energieautarke oder teilautarke Technologien unter Verwendung der Erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen. In diesem Artikel soll eine Übersicht über derzeitige Aktivitäten auf diesem überaus zukunftsrelevanten Gebiet gegeben werden.
In den vergangenen Jahrzehnten hat es vielfältige Maßnahmen zur Erschließung von bisher unerreichten Wasservorkommen durch photovoltaisch betriebene Brunnenanlagen gegeben. Dadurch konnte die Wasserversorgung der Landbevölkerung bereits deutlich verbessert werden. Auch zahlreiche Brackwasservorkommen werden bereits ausgeschöpft, die Verwendung des geförderten Wassers mit einem Salzgehalt oft weit über den Grenzwerten der WHO für Trinkwasser gefährdet aber mittelfristig die Gesundheit der Verbraucher, führt bei Bewässerungslandbau zu einer Versalzung der Böden und gefährdet die gesunde Entwicklung der getränkten Tiere.
Daher werden in naher Zukunft verstärkt Verfahren zur dezentralen Entsalzung nachgefragt werden, die sich einerseits durch technische Einfachheit, einen geringen Wartungsbedarf, und hohe Zuverlässigkeit auszeichnen und andererseits die Möglichkeit des Betriebes mit erneuerbaren Energien bieten.

Verfahren zur Entsalzung

In der Abbildung 1 sind die prinzipiellen Möglichkeiten aufgezeigt. Um Salz von Wasser zu trennen, kann man mechanische oder thermische Verfahren anwenden.

Abbildung 1: Kategorisierung der Verfahren zur solaren Meerwasserentsalzung

Mechanische Separation

Beim Standardverfahren zur mechanischen Separation gelöster Stoffe aus Wasser wird das salzhaltige Wasser mit hohem mechanischem Druck (bei Meerwasser ca. 60 bar, bei Brackwasser ca. 20 bar) durch eine semipermeable Membran gepresst, wobei die Wassermoleküle passieren können, die Salzionen jedoch zurückbleiben. Da dieser Vorgang die z.B. in Zellen natürlich vorkommende Osmose umkehrt, spricht man von Umkehrosmose (engl. Reverse Osmosis, R.O.). Hier gab es in jüngster Zeit erhebliche Fortschritte bezüglich der Haltbarkeit der Membranen und der Anfälligkeit gegen chemischen Angriff oder Zusetzen durch biologische Verunreinigungen und ausfallende Feststoffe. Dennoch ist hier nach wie vor ein relativ hoher chemischer wie mechanischer Aufwand zur Vorbehandlung des Rohwassers notwendig.
Es gibt vielfache Untersuchungen zur Koppelung von Photovoltaik und Wind als Energiequelle zum Betrieb solcher Anlagen. Der elektrische spezifische Energiebedarf solcher Anlagen beträgt je nach Salzgehalt und Anlagengröße etwa zwischen 5 und 15 kWh pro Kubikmeter erzeugten Wassers.

Thermische Entsalzungsverfahren

Thermische Entsalzungsverfahren (Verdunsten, Verdampfen, Einfrieren) nutzen den Effekt, dass beim Phasenübergang das gelöste Salz in der flüssigen Phase zurückbleibt. Kondensiert man die gewonnene Feuchtluft (oder schmilzt das erzeugte Eis), erhält man reinstes Wasser. Der Energieaufwand bei diesem Prozess liegt höher als bei der Umkehrosmose, es genügt jedoch statt Strom als Antriebsenergie hierbei Wärme bei Temperaturen zwischen 60 und 90°C. Diese kann im Falle der solaren Energiebereitstellung deutlich kostengünstiger als Strom mit guten Flachkollektoren bereitgestellt werden. Kostspielige Photovoltaik wird hier nur für die Umwälzpumpen des Kollektorfluids und zum Einbringen des Salzwassers benötigt.

Solar stills

Abbildung 2: Solar Still
(Rosendahl)

Die einfachsten kleinen solaren Entsalzungsanlagen sind die „Solar stills“. Diese stellen einen Flachkollektor dar, über dessen Absorber (meist ein schwarz eingefärbtes Vlies) direkt das Salzwasser geträufelt wird. Das Salzwasser verdunstet auf dem erwärmten Vlies, die erzeugte Feuchtluft kondensiert direkt an der Abdeckscheibe, läuft herab und wird schließlich in einer Auffangrinne gesammelt. Das an sich einfache Verfahren hat einen relativ geringen Wirkungsgrad, da die Kondensationswärme an die Umgebungsluft verloren geht. Es ergibt sich daher eine auf die Aperturfläche bezogene Produktionsleistung von etwa 3 bis maximal 7 Litern pro m² und Tag. Die betreffenden Materialfragen wurden von mehreren kommerziellen Anbietern weitestgehend gelöst. Glas, Edelstahl, hochfeste Kunststoffe und strahlungsbeständige Vliese sind die wesentlichen Komponenten. Der Entwicklungsbedarf für diese Anlagen, die in einem Bereich zwischen 10 und einigen Dutzend Litern Tagesproduktion wirtschaftlich eingesetzt werden können, liegt in einer Reduktion der Herstellkosten. Rosendahl (Deutschland), Arab Engineers (Saudi Arabien), Thamesford Pty Ltd (Australien) sind neben anderen Firmen erste kommerzielle Anbieter.

Mehrstufen-Solardestille

Abbildung 3: Mehrstufen-Destille
(FZ Jülich)

Am Solarinstitut Jülich wird eine Mehrstufen-Solardestille untersucht. Der Kollektor wird mit dem produzierten Destillat betrieben und weist daher keine Korrosionsprobleme auf. Der Hilfsenergiebedarf beschränkt sich auf die Zufuhr des Meerwassers. Nach Angaben der Forschungsgruppe werden Produktionsraten von bis zu 15 Litern pro m² Absorberfläche und Tag erreicht, da ein Teil der Verdunstungsenergie bei der Kondensation an der nächsten Stufe zurück gewonnen wird. Es fanden bereits mehrfache Feldtests in Gran Canaria und Südamerika statt, für das Jahr 2007 ist der Bau einer größeren Anlage in Brasilien geplant.

Membrandestillation

Abbildung 4: Membrandestillationsanlage des Fraunhofer ISE

Das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme in Freiburg beschäftigt sich mit der Membrandestillation. Ähnlich wie bei der Umkehrosmose kommt eine hydrophobe Membran zum Einsatz, die für Wasserdampf durchlässig ist, aber Wassermoleküle und Salz nicht passieren lässt. In einem Modul mit spiralförmig zylindrisch angeordnete Schichten Süßwasser getrennt durch eine Membran vom heißen Salzwasser.
Wasserdampf dringt durch die Membran von der Salzwasser auf die Süßwasserseite und kondensiert dort unter Rückgewinnung der Verdunstungswärme. Das Verfahren weist eine hohe Energieeffizienz auf und erreicht spezifische Produktionsraten von um die 20 Liter pro m² Kollektorfläche. Erste Testanlagen mit Tageskapazitäten zwischen 120 und 1500 Litern arbeiten im Langzeittest in Marokko, Ägypten, Jordanien und auf Gran Canaria.

Abbildung 5: Solares Entsalzungssystem der TiNOX-MAGE Watermanagement GmbH bei Jeddah (Saudi Arabien)

Auch im daran anschließenden Kapazitätssegment mit Produktionsraten zwischen 1000 und einigen zehntausend Litern pro Tag gibt es bereits einen ersten kommerziellen Anbieter. Die TiNOX GmbH in München hat sich neben Ihrem Kerngeschäft, der hochwertigen Selektiv-Beschichtung von Solarabsorberbändern für Sonnenkollektoren, in den letzten Jahren dem Thema solare Meerwasserentsalzung zugewandt.
Im Jahr 2002 wurde eine ausführlich erprobte Technologie vom Bayerischen Zentrum für angewandte Energieforschung in München übernommen und schrittweise zur Serienreife geführt. Die Anlagen verwenden das sogenannte Feuchluftdestillationsverfahren (engl. Multi-Effect-Humidification, MEH) und werden bei der Schwesterfirma MAGE Watermanagement GmbH im österreichischen Haimburg (Kärnten) hergestellt. Erste Anlagen konnten bereits auf dem arabischen Markt platziert werden, wobei für die Wärmebereitstellung Flachkollektoren der Firma Citrin Solar, Moosburg zum Einsatz kamen. Es stehen drei verschiedene Module (MiniSal™, MidiSal™, MegaSal™) mit Tageskapazitäten von 1000, 5000 und 10000 Litern zur Verfügung.
Das Verfahren arbeitet bei Trennung von solarem Wärmegewinnungsteil und Destillationskammer mittels Titan-Wärmetauscher. Dadurch können sowohl bei der Wärmeerzeugung als auch bei der Entsalzung optimierte, kostengünstige Komponenten zum Einsatz kommen. In der Destillationskammer selbst ermöglichen optimierte, reichlich vorhandene Oberflächen für Verdunstung und Kondensation einen äußerst energieeffizienten Entsalzungsvorgang auch ohne Verwendung von Vakuumtechnik, wie er bei noch größeren thermischen Entsalzungsanlagen üblich ist. Somit bleibt die technische Einfachheit auch bei hoher Energieeffizienz erhalten. Die Anlagen von TiNOX erzeugen ca. 25 Liter Trinkwasser pro m² Kollektorfläche und Tag.
Wie bei den bereits dargestellten Verfahren auch, zeichnet sich die Technologie durch einen geringen Wartungsbedarf, hohe Wasserqualität und geringe Betriebskosten aus.

Power for the people – Meerwasserentsalzung in Anbindung an kommerzielle solar-thermische Kraftwerke

Der Markt für solarthermische Kraftwerke boomt, ihre Standorte befinden sich meist im ariden Gürtel und ein Bedarf an Wasserentsalzung wird häufig parallel vorhanden sein. Zur Nutzung der Abwärme der Dampfturbine können Niedertemperaturanwendungen zum Einsatz kommen. Zwar ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit sich der Wirkungsgrad der Dampfturbine durch eine leichte Erhöhung des unteren Temperaturniveaus (= Einspeisetemperatur der Meerwasserentsalzung) verringert, grundsätzlich erscheint jedoch eine Kopplung von Kraft- und Wassererzeugung sinnvoll. Hier sind weitere Untersuchungen angesagt.
Auf der Plataforma Solar de Almeria werden seit mehreren Jahren sonst großtechnisch verwendete Verfahren zur Meerwasserentsalzung in der Kombination mit Solarenergie untersucht. Im Projekt AQUASOL wurde eine Kombination aus einer 14 stufigen MED-Anlage (Multi Effect Distillation) und einer Double-Effect Absorptionswärmepumpe zusammen mit einem CPC-Kollektorfeld untersucht. Bei einer Tagesleistung von 30 bis 45 m³ aus 500 m² CPC-Kollektoraperturfläche konnte mit hohem technischem Aufwand die flächenspezifische Produktionsleistung auf 60-90 l/m² gesteigert werden. Dieses Verfahren erscheint wohl in erster Linie für mittelgroße Anwendungen interessant, für den dezentralen Einsatz ist die Technologie noch zu komplex.

Abbildung 6: Forschungsprojekt AQUASOL auf der Plataforma Solar de Almeria

Ausblick

Die erneuerbaren Energien beginnen für die Wasserentsalzung und -aufbereitung eine immer größere Rolle zu spielen. Entscheidender als irgendwo sonst in der Nutzung nachhaltiger Technologien ist hierbei der Preis für das Endprodukt Wasser. Gleichwohl die Notwendigkeit zu bedeutenden Investitionen in diesem Bereich erkannt wurde, ist aufgrund der hohen Subventionen beim Lebensmittel Wasser ein Markteintritt für Newcomer schwierig. Es besteht noch vielfältiger Forschungsbedarf, um den Anforderungen der Zukunft bezüglich einer allgegenwärtigen, kostengünstigen und wartungsarmen Technologie zu genügen. Die wesentlichen Punkte sind Materialforschung, Prozessoptimierung und Minimierung der Vorbehandlung mit Chemikalien. Dann jedoch wird hier ein Massenmarkt mit ungeahnten Potentialen aufgehen, denn die Wasserversorgung wird eine der bedeutendsten Fragen für ein Überleben der Menschheit im 21. Jahrhundert darstellen. Gehen wir’s an.

*) Dr.-Ing. Hendrik Müller-Holst ist Leiter der Abteilung Watermanagement bei der TiNOX GmbH in München und Leiter der Workgroup 2b für solare Entsalzung bei der europäischen Solar Thermal Technologie Platform, ESTTP, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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