Zeitschrift EE

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2007-01: Große Solaranlagen

Solarthermie

Der Wärmebedarf eines bestehenden Gebäudes setzt sich aus drei wesentlichen Komponenten zusammen: Erstens besteht ein Wärmebedarf um Transmissionswärmeverluste über die Gebäudehülle zu kompensieren. Zweitens muss der Wärmeverlust, der durch das Lüften bewirkt wird, ausgeglichen werden. Und drittens besteht ein Wärmebedarf für die Bereitung von Warmwasser.

Solare Gebäude in Gårdsten

Von Jan-Olof Dalenbäck*


Traditionelle Methoden, um den Wärmeverlust zu minimieren, bestehen in zusätzlicher Gebäudedämmung, dem Austausch von Fenstern und Wärmerückgewinnung über die Lüftungsanlage. Thermische Solarenergienutzung ist hier eine geeignete Methode zur Warmwasserbereitung.
Ein wesentlicher Punkt bei der Renovierung ist es, Sanierungs- und Verbesserungsmaßnahmen zu verbinden. Thermische Sonnenkollektoren sind von diesem Blickpunkt aus am besten geeignet, um ein Dach zu sanieren. In Schweden wurde das „Solar Roof“ erstmals im Jahr 1982 von der EKSTA im Neubau eingesetzt, bei Renovierungen von der Göteborg Bostads AB im Jahr 1985 [Dalenbäck and Aronsson, 1986b]. Sogenannte modulare Dachkollektoren wurden von der EKSTA im Jahr 1995 im Neubau und 1999 von der Gårdstensbostäder bei bestehenden Gebäuden verwendet. [Dalenbäck, 2006]

Mehrfamilienhäuser, Bestand

Ein im Zuge einer Sanierung vor Ort gebautes Kollektordach wurde in Schweden zuerst in Hammarkullen in Göteborg im Jahr 1985 errichtet [Dalenbäck and Aronsson, 1986b]. Zwei Hochhäuser mit Flachdach erhielten bei der Sanierung geneigte Dächer mit insgesamt mehr als 1.500 m² Kollektorfläche für die Warmwasserbereitung. Vier getrennt betriebene Anlagen wurden für jeweils etwa 100 Wohneinheiten installiert. Nur noch zwei der Anlagen sind noch immer in Betrieb, da eines der beiden Hochhäuser vor einigen Jahren abgerissen wurde.
Durch die Teilnahme Schwedens an der Task 20 der Internationalen Energieagentur, Programm für Solares Heizen und Kühlen, mit dem Titel „Solar Energy in Building Renovation“ konnte weiter an der Entwicklung des Solar Roof gearbeitet werden. Im Rahmen des Projekts wurde ein Entwicklungsprojekt mit einer lokalen Wohnbaugesellschaft initiiert. Die Aufgabe der schwedischen Taskteilnehmer lag im Bereich der Dachintegration von thermischen Sonnenkollektoren. Das Ergebnis der Arbeiten war die Entwicklung von neuen modularen Dachkollektoren.

Abbildung 1: Dachkollektoren für ein Mehrfamilienhaus in Onsala mit 220 m² Kollektorfläche, 1995

Bei der ursprünglichen Variante des Solar Roofs war es notwendig, die Kollektoren vor Ort am Dach des Gebäudes zusammenzubauen. Durch die Neuentwicklung war es möglich geworden, vorgefertigte Kollektormodule einfach am Dachstuhl zu montieren [Dalenbäck und Ivarsson, 1996]. Die erste Demonstrationsanlage der sogenannten „modularen Dachkollektoren“ wurde auf einem neuen Mehrfamilienhaus in Onsala mit 220 m² Kollektorfläche am Dach des Heizraums und des Carports realisiert (siehe Abbildung 1). Durch die Entwicklung der vorgefertigten Dachkollektoren ist der Einbau von Sonnenkollektoren nun besser in den Errichtungsprozess des Gebäudes integriert, dies führt in weiterer Folge zu einer Verminderung der Investitionskosten und zu einer Verbesserung der thermischen Leistung der Kollektoren. Der Dachkollektor wird aus vorgefertigten Sunstripabsorbern mit ESG-Verglasung zusammengebaut. Die Module basieren auf dem schwedischen Normabstand für Dachträger (1200 mm).
Anhand einer bestehenden Mehrfamilienhausanlage in Göteborg wurde eine Machbarkeitsstudie für den Einsatz von thermischen Sonnenkollektoren bei der Renovierung von Gebäuden erstellt. Im Rahmen eines EU-Projekts wurden die Erkenntnisse der Studie umgesetzt. Die Ergebnisse dieses Projekts werden nun im Folgenden dargestellt [Dalenbäck und Nordström, 1998].

Das Gårdsten Projekt

Bei der Renovierung des sogenannten Solarhauses in Gårdsten in Göteborg kamen sowohl traditionelle als auch neue energiesparende Methoden mit einer fünfjährigen Vertragsgarantie zum Einsatz. Durch die Renovierungsmaßnahmen konnten eine Verminderung des Wärmebedarfs um 40% und eine Herabsetzung des Wasserbedarfs um 30% erzielt werden. Dies führte zu einer Minderung der jährlichen Betriebskosten um 0,13 Millionen Euro bei einer gesamten Investitionssumme von 2,2 Millionen Euro. Das Projekt trug weiters zur Entwicklung der lokalen Firmen und zur Verbesserung der Arbeitsplatzsituation in Gårdsten bei. Alles in allem kann gesagt werden, dass das Projekt in Gårdsten die Anforderung von ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit erfüllte.

Abbildung 2: Solarhaus 1 während der Renovierung

Abbildung 2 zeigt das Renovierungsprojekt Solarhaus 1 während der Renovierungsphase im Jahr 2000. Die Sanierungsarbeiten betraf drei Wohnblocks mit 255 Wohneinheiten und wurden von der Firma SKANSKA schlüsselfertig ausgeführt. ase zwei im Projekt Solarhaus 2 wurde von der Wohnbaugesellschaft Gårdstensbostäder durchgeführt. Die Wohnbaugesellschaft beauftragte mehrere Unternehmen um diese Arbeiten auszuführen. Der Arbeitsumfang (Wohneinheiten, Außenarbeiten) war für jedes der beauftragten Unternehmen der gleiche.

Renovierungsbedarf

Gårdsten ist das Ergebnis der Wohnbauwelle in den 1970er Jahren. Mitte der 1990er Jahre bestand für diese Gebäude ein dringender Bedarf an Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten. Dies betrifft etwa 1000 Wohnungen im nördlichen Teil von Gårdsten, von diesen standen bereits 300 Wohnungen leer. Diese Hintergründe zusammen mit dem Demonstrationsprojekt SHINE, in dem 170 Wohneinheiten instand gesetzt werden, und Förderungen der EU-Kommission mündeten in das Projekt „Solarhaus“. Im diesem Projekt werden 255 Wohneinheiten in drei Wohnblocks renoviert.
Die betroffenen Gebäude sind aus vorgefertigten Betonplatten und haben ein Flachdach. Einige Gebäude mit drei bis fünf Stockwerken haben außenliegende Stiegenhäuser und den Wohnungszugang über außenliegende Gänge. Gebäude mit bis zu drei Stockwerken haben ein innen liegendes Stiegenhaus mit einem Eingang im Erdgeschoss. Die Gebäude mit offenem Stiegenhaus haben Balkone entlang der ganzen Südseite (siehe Abbildung 3), während hingegen die Gebäude mit innen liegendem Stiegenhaus Loggien auf der Ost- und Westseite haben.

Abbildung 3: Balkone vor der Renovierung

Die Wohnanlage war an das Fernwärmenetz angeschlossen und hatte eine kontrollierte Wohnraumlüftung ohne Wärmerückgewinnungsanlage. Die Miete beinhaltete sowohl die Abgaben für Wärme als auch für Strom, weshalb es für die Mieter keinen Anreiz gab, Energie zu sparen. Da zum Zeitpunkt der Renovierungsarbeiten viele Wohnungen frei waren, war es möglich, einige Mieter innerhalb der Anlage umzusiedeln. Dadurch konnten die Arbeiten im Gebäude und an der Außenhülle zugleich durchgeführt werden, was zu Kosteneinsparungen führt.

Maßnahmenpaket für die Renovierung

Im Rahmen des Projekts SHINE wurde ein umfassender Katalog an Sanierungsmaßnahmen entwickelt. In den meisten Fällen wurden die vorgeschlagenen Maßnahmen mit einer kostengünstigen Basisvariante und mit einer etwas umfassenderen Variante hinsichtlich der möglichen Energieeinsparung verglichen.
Schließlich wurde ein sorgfältig durchgedachter Katalog beschlossen, bei dem die meisten anfallenden Kosten für Energieeinsparungsmaßnahmen durch verminderte Betriebskosten ausgeglichen werden können. Folgende energierelevante Maßnahmen wurden durchgeführt:

  • Einbau von Wärmerückgewinnungsanlagen im Zuge der Sanierung der Lüftungsanlage
  • Renovierung der Balkone (z.B. beschädigte Betonelemente) und deren Verglasung
  • Austausch der inneren Fensterscheiben durch Scheiben mit niedriger Emission bei bestehenden Fenstern mit Zweischeibenverglasung
  • Einbau von dachintegrierten thermischen Sonnenkollektoren als Teil der Dachrenovierung
  • Zusätzliche Dämmung am Dach und an der Fassade
  • Dämmung an der Basis des Gebäudes und Verbesserung der Drainage
  • Neue Waschmaschinen und Trockner im allgemeinen Waschraum und deren Anbindung an das Warmwassernetz
  • Neue energiesparende Elektrogeräte und Armaturen in den Wohnungen
  • Ein- und Ausschalten der Beleuchtung in den allgemeinen Bereichen des Gebäudes mit Bewegungsmelder
  • Installation einer zentralen Regelung mit Funktionsüberwachung
  • Installation von Strom-, Wärme- und Wasserzähler für jede Wohneinheit.

Zusätzlich wurden neue Gemeinschaftsräume und begrünte Wintergärten geschaffen. Die Technikräume für die Belüftung wurde auf den Dächern der Gebäude errichtet. Eingangsbereiche und Stiegenhäuser wurden renoviert. Die ganze Anlage erhielt einen neuen Anstrich und zusätzliche Beleuchtung. Ein Abfalltrennkonzept wurde eingeführt, wobei ein Komposthaufen neben den Gewächshäusern angelegt wurde. Der beiden Allgemeinräumen gesparte Platz kann nun für andere Zwecke genutzt werden.
Die ursprünglichen Flachdächer wurden durch ein geneigtes Dach ersetzt, wobei die modularen Dachkollektoren zum Einsatz kamen (siehe Titelbild dieses Artikels). Die vorgefertigten Module mit einer Breite von 2,4 m wurden direkt auf den Dachträgern montiert. Insgesamt wurden sechs Solaranlagen auf sechs Gebäuden errichtet, jede mit 235 m² Kollektorfläche, was einer installierten Leistung von 165 kWth entspricht. Jede Solaranlage versorgt 85 Wohneinheiten. Die Anlagen haben einen Pufferspeicher mit 15 bis 20 m³ und sind zur Nachheizung an die Fernwärme angeschlossen. Es werden solare Deckungsgrade für die Warmwasserbereitung von etwa 35% erreicht.
Die Folge der Maßnahmen sollte eine Verminderung der Betriebskosten um 40% von etwa 5.000 MWh/Jahr auf 3.000 MWh/Jahr sein, in erster Linie herbeigeführt durch die Minimierung des Heizwärmebedarfs, durch die verbesserte Lüftung und die Warmwasserbereitung durch die Solaranlage. Außerdem wurde eine Änderung im Benutzerverhalten erwartet, da die Miete von einer Gesamtmiete auf einen Fixen Mietanteil plus variable Kosten für Strom, Wärme und Wasser abgeändert wurde.

Minderung des Wärmebedarfs

Das Projekt lief über einen Zeitraum von 20 Monaten. Die Mieter konnten ab April 2000 die schlüsselfertigen Apartments beziehen. Im Sommer 2001 waren alle Wohnungen vergeben.
In den Jahren 2001 bis 2004 zeigte sich, das der jährliche Heizwärmebedarf um 37% von über 270 kWh/m² auf 170 kWh/m² gefallen ist. Der Wasserverbrauch ist im selben Zeitraum um 30% von 2,36 m³/m² auf 1,63 m³/m² gefallen. Der absolute jährlich Stromverbrauch ist mit 50 kWh/m² konstant geblieben, während die Belegung von 65% auf 100% angestiegen ist. Gleichzeitig verminderten sich die Betriebskosten um 130.000 Euro.
Die Kosten für die energierelevanten Maßnahmen im Zuge der Renovierung beliefen sich auf 2,2 Millionen Euro, wovon 30% in Form von Förderungen von der EU-Kommission und der schwedischen Nationalen Energieagentur beigetragen wurden.

Abbildung 4: Wärmeabgabe vor der Renovierung und vier Jahre nach der Renovierung in Solarhaus 1, bezogen auf die reine Wohnnutzfläche ohne Stiegenhaus, allgemeine Räume etc.

Abbildung 4 zeigt die Änderung der Wärmeabgabe und den Einfluss der thermischen Solaranlage nach der Sanierung [Pavlovas und Dalenbäck, 2005]. Tabelle 1 zeigt einige Eckdaten des Projekts. Als Bezugsfläche wird hier die reine Wohnfläche der Apartments ohne Stiegenhäuser und andere allgemein genutzte Räume genommen.

Tabelle 1: Eckdaten für das Solarhaus 1

 
< 2001
2004
 
Anzahl der Gebäude
10
10
 
Wohneinheiten
255
255
 
Wohnfläche
18.720
18.720
Belegung

~ 65

~ 100
%
Kosten insgesamt (inkl. MWSt und Entwicklungskosten)

11,4

 
Millionen €
610
€/m²
Kostenanteil für energietechnische Maßnahmen
~ 2,2
 
Millionen €
~ 115
€/m²
Garantie
5
 
Jahre
Betriebskosten
~ 0,43
~ 0,30
Millionen €/Jahr
23
16
€/(Jahr*m²)
Fernwärme
~ 5.000
~ 2.725
MWh/Jahr
~ 270
~ 146
kWh /(Jahr*m²)
Eintrag der Solaranlage zur Warmwasserbereitung  
~ 336
MWh/Jahr
~ 18
kWh /(Jahr*m²)
Stromverbrauch
(Anm.: bei gestiegener Belegung von 65% auf 100%!)
~ 1.030
~ 1.000
MWh/Jahr
~ 55
~ 53
kWh /(Jahr*m²)
Wasserverbrauch
(Anm.: bei gestiegener Belegung 65% auf 100%!)
~ 44.200
~ 30.500
m³/Jahr
~ 2,36
~ 1,63
m³ /(Jahr* m²)

Schlussfolgerung und Ausblick

Ein wesentlicher Punkt bei Renovierungen ist die gleichzeitige Verbesserung eines Gebäudes. Die Kosten des vorgestellten modularen Dachkollektors sind durchaus konkurrenzfähig im Vergleich zu einer traditionellen Renovierung eines Mehrfamilienhauses mit Verbesserungen in der Gebäudehülle. Die Kosten rentieren sich innerhalb von 15 Jahren, wobei erste vor 20 Jahren installierte Anlagen immer noch in Betrieb sind.
In Nordeuropa beträgt ein wirtschaftlicher solarer Deckungsgrad für das Warmwasser 40% und der Gesamtdeckungsgrad 11%. Ein höherer Gesamtdeckungsgrad kann erzielt werden, wenn von der Solaranlage zugleich ein Teil des Raumheizbedarfs im Frühjahr und im Herbst gedeckt wird. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Raumwärmebedarf durch eine verbesserte Gebäudehülle zu senken.
Derzeit wird eine Studie mit Lebenszyklusanalyse durchgeführt, die zeigt, dass in vergleichbaren bestehenden Gebäuden ein spezifischer Gesamtwärmebedarf von 50 bis 60 kWh/m² und Jahr erzielt werden kann. In diesem Fall kann ein Gesamtdeckungsgrad von 30% erreicht werden.

Literatur

  • Dalenbäck, J-O. and S. Aronsson (1986b). Solar Domestic Hot Water System in Existing Multifamily Houses. Proceedings North Sun '86, Köpenhamn, Denmark.
  • Dalenbäck, J-O. and B. Ivarsson (1996). Roof Module Collector: Description of a pioneering development. Proceedings EuroSun '96, Freiburg, Germany.
  • Dalenbäck, J-O. (1997). Solar Collectors in Building Renovation. Task 20: "Solar Energy in Building Renovation", IEA SHC Programme. James&James Publishers, UK.
  • Dalenbäck, J-O., and C. Nordström (1998). Solar Renovation Project Gårdsten, Göteborg. Proceedings EuroSun '98, Portoroz, Slovenia.
  • Pavlovas, V. and J-O. Dalenbäck. (2005). Solar Renovation Project Gårdsten, Göteborg - Operational Experiences 2001 – 2004, Proceedings North Sun 2005, Vilnius, Lithuania.
  • Dalenbäck, J-O. (2006). Solar Heating using Roof Module Collectors – Examples from New and Existing Building Areas. Polska Energetyka Sloneczna (Journal ISSN 1730-2420), Poland.

*) Jan-Olof Dalenbäck ist Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Building Services Engineering in der Abteilung für Energie und Umwelt, an der Technischen Universität Chalmers in Göteborg in Schweden, Jan-Olof.DalenbäDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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