Zeitschrift EE

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2005-03: Solare Prozesswärme

Komponenten

Was sind Mitteltemperaturkollektoren? Dieser neue Begriff ist aus der Arbeit der IEA-Task 33/IV des Solar Heating und Cooling Programms hervorgegangen. Damit werden Kollektoren bezeichnet, die im Solarkreis bei einer Temperatur zwischen 80°C und 250°C betrieben werden. In diesem Temperaturbereich liegen bislang nur wenige Anwendungeserfahrungen vor.

Prozesswärme - Kollektoren
Aktuelle Entwicklungen im Mitteltemperaturbereich bis 250°C

Von Matthias Rommel *

Im Beitrag wird auf neue Kollektorentwicklungen eingegangen, die momentan im Rahmen des IEA Task 33/IV des SHC entwickelt und untersucht werden. Weiterführende Informationen zu diesen Entwicklungen sind in der Broschüre "Medium Temperature Collectors" zusammengestellt, die im Internet unter www.iea-ship.org/3_1html verfügbar ist.

Neue Kollektoren für den Mitteltemperaturbereich

Die bisherigen Anwendungsbereiche und Märkte der thermischen Solarenergie liegen einerseits im Bereich einer Nutzungstemperatur bis etwa 60°C. Dies sind Anlagen zur Schwimmbadwassererwärmung, Warmwasserbereitung und zur Heizungsunterstützung. Die typische Kollektormodulgröße beträgt 2 bis 10 m² und die Kollektoren können gut in Wohn-, Büro- und Industriegebäude integriert werden.
Andererseits gibt es Erfahrungen mit solarthermischen Anlagen im Hochtemperaturbereich von 400°C und darüber. Für diesen Bereich wurden große konzentrierende Parabolrinnenkollektoren entwickelt, die für solarthermische Kraftwerke zur Elektrizitätserzeugung eingesetzt werden. Die Öffnungsweite der Parabolspiegel dieser Kollektoren beträgt etwa 6 m. Sie sind aufgrund ihrer Größe und Konstruktion nicht geeignet um im Gebäude integriert oder auf Fabrikdächern installiert werden zu können.
Aber gerade im Mitteltemperaturbereich bis 250 °C besteht ein großer Bedarf an Prozesswärme in der Industrie. Dies macht die Analyse des Prozesswärmeenergiebedarfs in allen industrialisierten Ländern deutlich. Für ganz Europa wird er auf etwa 400 TWh pro Jahr abgeschätzt. Die Erschließung dieses Marktpotenzials eröffnet der thermischen Solarenergiebranche neue Wachstumssegmente in Mitteleuropa. Darüber hinaus bestehen gute Möglichkeiten für den Export weltweit.
Bei der Entwicklung der Kollektortechnik werden Erfahrungen aus beiden bislang bearbeiteten Bereichen zusammenfließen. Nicht nur Kollektoren sondern auch Solarkreiskomponenten, Speicher und Systemkonzepte müssen dazu entwickelt werden.
Zu den Anwendungs- und Systemaspekten liegen bislang nur sehr vereinzelte Erfahrungen vor, die sich auch nur auf den unteren des angesprochenen Temperaturbereichs beschränken. Dazu sind Solaranlagen zu zählen, die Wärme über 80°C zum Waschen und Reinigen in der Getränke- und Nahrungsmittelindustrie liefern. Als ein erster Anwendungsbereich von Kollektoren bei höheren Temperaturen, für den in den letzten Jahren vermehrt Interesse besteht und in dem auch Anlagen realisiert wurden, ist die solare Kühlung und Klimatisierung zu nennen [Henning 2004].
An welche neuen Entwicklungen wird in der IEA Task 33/IV zu Mitteltemperaturkollektoren gearbeitet? Um einen Überblick zu geben, werden im folgenden drei Bereiche von Kollektortechniken unterschieden:

  • verbesserte Flachkollektoren: doppelt verglaste Kollektoren mit Antireflexgläsern, hermetisch dichte Kollektoren mit Edelgasfüllung, oder eine Kombination dieser beiden Möglichkeiten
  • konzentrierende Kollektoren: sowohl Flach- als auch Vakuumröhrenkollektoren mit niedrigen Konzentrationsfaktoren, so dass sie stationär, d.h. ohne Nachführung betrieben werden können
  • Parabolrinnenkollektoren mit kleineren Aperturweiten sowie andere konzentrierende Kollektorkonstruktionen, die nur den direkten Strahlungsanteil nutzen und eine Sonnennachführung erfordern.

Verbesserte Flachkollektoren

Insbesondere für Anwendungen im Temperaturbereich von 80°C bis 120°C bestehen eine Reihe von Möglichkeiten, um Flachkollektoren so weiterzuentwickeln, dass sie in diesem Bereich angewendet werden können. In erster Linie ist es dazu notwendig, die thermischen Verluste der Kollektoren zu reduzieren ohne dabei zu viel der optischen Leistung der Kollektoren zu verlieren. Dies kann zum Beispiel durch mehrfach abgedeckte Flachkollektoren mit Antireflexverglasungen erreicht werden, oder aber durch hermetisch geschlossene Flachkollektorkonstruktionen mit Edelgasfüllungen, oder durch die Entwicklung von Vakuumflachkollektorkonstruktionen.
Zu mehrfach abgedeckten Flachkollektoren zeigt Abbildung 1 berechnete Wirkungsgradkennlinien von einfach-, zweifach- und dreifach verglasten Kollektoren, die mit neu entwickelten Antireflexgläsern ('AR-Glas') abgedeckt sind.

Abbildung 1:
Vergleich der Wirkungsgradkennlinie eines Standard Flachkollektors (normales Solarglas) mit der Kennlinie von 1-fach, 2-fach und 3-fach verglasten AR-Kollektoren (G=800 W/m²)

Zunächst ist es wichtig, auf das große Verbesserungspotenzial hinzuweisen, das besteht, wenn bei einfach verglasten Kollektoren AR-Glas anstelle von normalem Solarglas eingesetzt wird. Im Hinblick auf Doppelverglasungen ist interessant, dass der zweifach AR Kollektor den gleichen ?0-Wert erzielt wie der Standard Flachkollektor! Somit liegt die komplette Kennlinie des 2-AR Kollektors oberhalb der Kennlinie des Standard Flachkollektors. Besonders für höhere Kollektorkreistemperaturen sind die Vorteile von zweifach abgedeckten AR-Kollektoren vielversprechend groß. Bei einem Betriebsparameter von ?T/G= 0,1 Km²/W ist der Wirkungsgrad des zweifach abgedeckten AR-Kollektors um 33% (relativ) besser als der des Standard Flachkollektors.

Diese Ergebnisse der angegebenen berechneten Wirkungsgradkennlinien konnten bereits durch mehrere Messungen des Fraunhofer ISE an Kollektoren, die von verschiedenen Firmen gebaut wurden, bestätigt werden. Momentan gibt es zwei Anbieter von Antireflexglas auf dem Markt (www.flabeg.com und www.sunarc.net). Der Vorteil verbesserter Flachkollektoren zeigt sich bei höheren Betriebstemperaturen, beispielsweise für die solare Klimatisierung und Kühlung, für Prozesswärmeanwendungen wie Waschen, Reinigen und Färben, für Anwendungen in der Nahrungsmittelindustrie, in Molkereien und Brauereien oder für ganz neue Anwendungsbereiche wie der solarthermischen Meerwasserentsalzung. Als Beispiel dafür zeigt Abbildung 2 eine kompakte Meerwasserentsalzungsanlage, die am Fraunhofer ISE auf der Basis der Membrandestillationstechnik entwickelt wird. Die Anlagen haben eine Tagesleistung von etwa 100 Litern pro Tag. Bei der abgebildeten Anlage werden doppeltverglaste AR-Kollektoren der belgischen Firma ESE eingesetzt (siehe auch Artikel von Rommel in erneuerbare energie Ausgabe 1-2005). Über diese Kollektoren und über den neuen doppeltverglasten Kollektor mit Edelgasfüllung der Fa. Schüco sind in der Broschüre "Medium Temperature Collectors" weitere Informationen enthalten.


Abbildung 2:
Doppeltverglaste Antireflex-Flachkollektoren werden bei dieser vom Fraunhofer ISE entwickelten Meerwasserentsalzungsanlage eingesetzt

Konzentrierende Flach- und Vakuumröhrenkollektoren

Eine Möglichkeit für die Entwicklung von Mitteltemperaturen besteht darin, die Kollektorwärmeverluste durch die Konzentration der Solarstrahlung und damit durch Verkleinerung der Verlustflächen zu reduzieren. Auf diesem Prinzip beruhend werden zum Beispiel in Portugal (AoSol und INETI) und Österreich (Solarfocus) CPC Flachkollektoren entwickelt. Der Konzentrationsfaktor liegt im Bereich von 2. Deshalb sind noch keine Nachführeinrichtungen notwendig. Abbildung 3 zeigt den Aufbau eines Kollektors der österreichischen Firma Solarfocus, bei dem die beidseitig absorbierenden Absorberfinnen senkrecht zur Aperturfläche in den Reflektorrinnen montiert sind.
Auch die Entwicklung von sogenannten MaReCo Kollektoren (=Maximum Reflector Collectors), die in Schweden von Vattenfall, der Universität von Lund und Finsun Energy AB durchgeführt wird, beruht auf dem Reduzieren der Absorberverlustfläche und dem Einsatz von Reflektoren.

Abbildung 3: Aufbau eines CPC Kollektors, bei dem durch beidseitig bestrahlte Absorber und geringe Strahlungskonzentration die Wärmeverlustfläche des Absorbers reduziert werden kann (Quelle: Solarfocus)

Kleine Parabolrinnenkollektoren

Besonders für den Bereich von Kollektorkreistemperaturen von 150°C bis 250°C ist es interessant, stärker konzentrierende Kollektoren zu betrachten, die dann allerdings nicht mehr fest orientiert zu betreiben sind, sondern eine einachsige Sonnennachführeinrichtung benötigen. Eine langjährige Erfahrung für diese Kollektorkonstruktionen liegt durch die Entwicklung von großen Parabolrinnenkollektoren vor, die im Temperaturbereich über 400 °C für elektrische Energieerzeugung eingesetzt werden. Auf diese Erfahrungen aufbauend und sie berücksichtigend können neue Kollektoren für den Mitteltemperaturbereich entwickelt werden. In der Broschüre sind Informationen zu sieben konzentrierenden Kollektoren enthalten: PARASOL (siehe auch Artikel: Parabollrinnenkollektor für industrielle Prozesswärme), SOLITEM PTC 1800, PTC1000, FASOL, Fix-Fokus-Trough, Linear Concentrating Fresnel Collector, und CHAPS.

Neue Forschungs- und Entwicklungsanforderungen

Es besteht ein großer Bedarf an industrieller Prozesswärme bis 250°C. Um dieses Potenzial für solare Wärme in der Industrie zu erschließen und damit neue Marktbereiche für die thermische Solarenergienutzung öffnen zu können, müssen aber nicht nur geeignete Kollektoren entwickelt werden. Forschungs- und Entwicklungsbedarf entsteht dadurch, dass an die Komponenten der Kollektoren und des Solarkreises höhere Anforderungen in Bezug auf die Dauertemperaturbelastbarkeit gestellt werden müssen, z. B. beim Solarkreisfluid, Verrohrung, Dämmaterial, Ventile, etc. Für die Entwicklung konzentrierender Kollektoren werden langlebige, witterungsstabile Reflektoren und geeignete kostengünstige Lösungen für die Nachführeinrichtungen benötigt. Unterschiedliche Techniken konzentrierender Kollektoren (z. B. Parabolrinnen- versus Fresnelkonstruktionen) werden untersucht. Ebenso sind die Kollektortestverfahren so zu erweitern, dass die verschiedenen Kollektoren in ihren technischen und ökonomischen Potenzialen miteinander verglichen werden können. Am Fraunhofer ISE werden derzeit deshalb sowohl der Außen- als auch der Innenteststand mit Solarsimulator so erweitert, dass Kollektorwirkungsgradmessungen bis 200°C durchgeführt werden können.

Ausblick

Diese neuen Kollektoren können auch ganz neue Entwicklungen für kleine, dezentral einsetzbare, solarbetriebene Systeme oder Geräte auslösen, wie z. B. solarthermische Kühlschränke, Meerwasserentsalzungsanlagen und Wasseraufbereitungsanlagen, Dampfsterilisatoren, Solarkocher oder energieautarke Klimatisierungsgeräte. Für all diese Ansätze sind mögliche Verfahren bekannt, aber es fehlten bislang kostengünstige Kollektoren, die im notwendigen höheren Temperaturbereich zuverlässig und effizient arbeiten. Von der Solarindustrie müssen dann neben den Kollektoren auch die - für die Betriebsbedingungen der Solarthermie - geeigneten technischen Verfahren für die Anwendungen entwickelt werden.

Literatur

Henning, Hans-Martin (Ed.) (2004), Solar-assissted air-conditioning in buldings - A handbook for planners, Springer Verlag Wien New York, ISBN 3-211-00647-8

Werner Weiss und Matthias Rommel (Ed.) (May 2005), Medium Temperature Collectors, Download unter http://www.iea-ship.org/3_1.html

*) Dipl.-Phys. Matthias Rommel ist Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, Deutschland, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. [^]

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