Zeitschrift EE

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2004-03: Solaranlagen im Geschoßwohnbau

Systemtechnik

Aktuell sind österreichweit etwa 750 Geschoßwohnbauten mit thermischen Solaranlagen ausgestattet. In Bezug auf die knapp zwei Millionen Hauptwohnsitze im Geschoßwohnbau (etwa 43% der österreichischen Bevölkerung) kann somit abgeschätzt werden, dass etwa 1% aller Wohnungsbesitzer oder Mieter die Vorteile einer thermischen Solaranlage genießt.

Solarunterstütze Wärmenetze im Geschoßwohnbau
Technik, Dimensionierung und Kosten

Von Christian Fink und Richard Riva*

Auf der einen Seite liegt das Anwendungspotenzial brach, auf der anderen Seite ermöglichen gerade große Solarsysteme im Geschoßwohnbau wesentlich geringere spezifische Systemkosten als beispielsweise Kleinanlagen. Somit können nicht nur wirtschaftliche Wärmepreise aus Solarsystemen erzielt werden, sondern auch kostengünstig CO2-Emissionen reduziert werden.

Ganzheitliche Betrachtung des Wärmeversorgungssystems

Zahlreiche messtechnische Untersuchungen zu solarunterstützten Wärmenetzen im Geschoßwohnbau zeigten technisches Verbesserungspotenzial sowie deutliche Kostensenkungspotenziale. In vielen Fällen konnte hierbei die isolierte Betrachtung des Solarsystems bei der Integration in Anlagenhydraulik und Gebäude als Ursache festgestellt werden. Nicht immer im nötigen Maß berücksichtigt wird dabei das Zusammenspiel von Architektur, Solarsystem, konventionellem Wärmeerzeuger, der Wärmespeicherung, der Wärmeverteilung und der Wärmeabgabe an die Verbraucher.
Die Erfahrung zeigt, dass auf all diese Erfordernisse sowohl bereits in der Planungsphase (integrale Planung) als auch in der Umsetzung höchste Aufmerksamkeit gelegt werden muss. Entscheidend ist die ganzheitliche Betrachtung bei frühzeitiger Einbindung aller energierelevanten Beteiligten des Planungs-, Umsetzungs- und Betriebsführungsprozesses. Damit können besondere Erfordernisse berücksichtigt, Schnittstellen definiert, Verantwortungsbereiche (inkl. Gewährleistungen) aufgeteilt und maximale Synergieeffekte genutzt werden. Abbildung 1 zeigt ein beispielhaftes Ablaufschema zur Realisierung von ganzheitlichen solarunterstützten Wärmeversorgungssystemen.

Abbildung 1: Methodik zur Umsetzung von ganzheitlichen solarunterstützten Wärmeversorgungssystemen

Solarunterstützte Wärmenetze der neuen Generation

Bis vor wenigen Jahren erfolgte die Wärmeverteilung in solarunterstützten Wärmeversorgungsanlagen größtenteils über sogenannte Vier-Leiter-Netze (zentrale Warmwasser- und Raumwärmeversorgung über zwei Leitungspaare). Erst die messtechnische Analyse zahlreicher ausgeführter Wärmenetze zeigte Mitte bis Ende der 90er Jahre die Grenzen von solarunterstützten Vier-Leiter-Netzen auf. Nicht zufriedenstellende energetische Aspekte (geringe solare Deckungsgrade und hohe Wärmeverluste des Gesamtsystems) gepaart mit verbesserungswürdigen Aspekten hinsichtlich Nutzerzufriedenheit und Komfort waren der Anlass, ganzheitliche solarunterstützte Wärmeversorgungssysteme zu definieren.

Nachfolgende Anforderungen bilden die Basis für ganzheitliche solarunterstützte Wärmenetze der neuen Generation:

  • Angepasste Rahmenbedingungen für den Betrieb von Solarsystemen - möglichst tiefe Temperaturniveaus
  • Konzeptionelle Reduktion von Wärmeverlusten (tiefste Temperaturniveaus, geringste Anzahl an Wärmeverteilleitungen, Reduktion von Leitungslängen, Einspeichersysteme, etc.)
  • Hygienisch unbedenkliche Trinkwassererwärmung
  • Höchster Komfort für den Nutzer
  • Betriebswirtschaftlich sinnvoll
  • Moderne Betriebsüberwachung
  • Einsatzmöglichkeit sowohl im Neubau als auch im Gebäudebestand

Für das festgelegte Anforderungsprofil zeigten sich vor allem Wärmeversorgungskonzepte nach dem Prinzip der Zwei-Leiter-Netze als prädestiniert zur breiten Umsetzung. Erste Pilotprojekte Salzburger Wohnbauträger zeigten nicht nur den gewünschten Erfolg hinsichtlich der Nutzerzufriedenheit, sondern auch die energetischen Erwartungen konnten weit übertroffen werden. Diese positiven Umsetzungserfahrungen gepaart mit umfangreichen theoretischen Arbeiten der Autoren hatten zur Folge, dass sich in Verbindung mit Solarsystemen in einigen österreichischen Bundesländern Zwei-Leiter-Netze als Standardkonzepte für die Wärmeversorgung durchgesetzt haben.

Zwei-Leiter-Netze

Bei Zwei-Leiter-Netzen erfolgt die Wärmeversorgung der Wohnungen sowohl für Brauchwarmwasser als auch Raumwärme über ein Leitungspaar. Die Erwärmung des Brauchwarmwassers erfolgt dezentral in den Wohnungen im Durchflussprinzip oder über kleine Trinkwasserspeicher im Ladespeicherprinzip. Werden in der reihenhausartigen Bebauung (geringe Energiedichten) eher kleine Speicher in den Wohnungen installiert, so erfolgt in kompakten mehrgeschoßigen Wohnbauten (hohe Energiedichten) die Installation von sogenannten Wohnungsstationen, wo die Erwärmung des Brauchwarmwassers im Durchflussprinzip erfolgt.
Abbildung 2 zeigt das Blockschaltbild eines solarunterstützten Wärmeversorgungskonzeptes mit Wärmeverteilung über ein Zwei-Leiter-Netz und der Wärmeabgabe über sogenannte Wohnungsstationen. Der Energiespeicher ist Mittelpunkt sämtlicher Wärmeströme (Solarsystem, konventioneller Wärmeerzeuger, Wärmeverteilung) und fungiert als hydraulische Weiche. Die Versorgungstemperaturen betragen in Abhängigkeit der Auslegung übers Jahr hindurch 55 bis 65°C. Von der Dimensionierung, Ausstattung und Einregulierung der Wohnungskomponenten hängt es nunmehr ab, ob die für einen effizienten Betrieb von Solarsystemen geforderten Rücklauftemperaturen (die Praxis zeigte durchschnittliche Rücklauftemperaturen um die 30°C) erreicht werden können. Aufgrund des tiefen Rücklauftemperaturniveaus reduziert sich die Anzahl der verlustbehafteten Rohrleitungen auf die Vorlaufleitung.
Zusätzlich bleibt zu beachten, dass Systemkonzepte, die neben der Brauchwasser-erwärmung die Solarwärme auch zur Heizungsunterstützung nutzen, bei gleicher Größe um bis zu 10% höhere Solarerträge erzielen. Dieser Vorteil kann bei 2-Leiter-Netzen systembedingt automatisch genutzt werden.

Einsatzmöglichkeiten

Zwei-Leiter-Netze sind im Neubau sowohl für die Anwendung im Bereich von Reihenhäusern als auch im kompakten Geschoßwohnbau prädestiniert. Auch im Gebäudebestand lassen sich solarunterstützte Wärmenetze nach dem Prinzip der Zwei-Leiter-Netze sehr gut einsetzen - beispielsweise bei Geschoßwohnungen, die zwar über eine zentrale Raumwärmeversorgung, aber über eine dezentrale Versorgung mit Brauchwarmwasser (sanierungsbedürftige Nachtstromspeicher oder Gasdurchlauferhitzer) verfügen.

Abbildung 2: Solarunterstütztes Wärmeversorgungskonzept: Zwei-Leiter-Netz in Verbindung mit dezentralen Wohnungsstationen

Abbildung 3: Wohnungsstation in Aufputzausführung (Quelle: Fa. Redan)

Dimensionierung

Um nicht bereits in der Vorplanungsphase detaillierte Simulationsrechnungen durchführen zu müssen, wurden allgemeingültige Dimensionierungsnomogramme entwickelt, die eine rasche und zuverlässige Abschätzung der Kollektorfläche und des Solarspeichervolumens in Verbindung mit Zwei-Leiter-Netzen erlauben. Neben den Eckdaten des Solarsystems kann für das auszulegende Projekt gleichzeitig der zu erwartende solare Deckungsgrad sowie der spezifische Solarertrag abgelesen werden. Abbildung 4 zeigt hierzu ein Nomogramm, in dem der solare Deckungsgrad und der spezifische Solarertrag über der Auslastung (gesamter jährlicher Wärmebedarf für Brauchwasser und Raumwärme in Bezug auf die Bruttokollektorfläche) aufgetragen wurden. Hohe Auslastungen bedeuten geringe solare Deckungsgrade und umgekehrt.
Die Grafik basiert auf einem spezifischen Solarspeichervolumen von 50 Liter je m² Bruttokollektorfläche. Der dunkelgelb hinterlegte Bereich zeigt den empfohlenen Auslegungsbereich. Bei Auslastungen unter 950 kWh/a und m² Bruttokollektorfläche (Gesamtdeckungsanteile über 30%) kann eine nahezu 100% Sommerdeckung erreicht werden (hellgrüner Bereich).

Dimensionierung im Kosten/Nutzen-Optimum

Besonders im Geschoßwohnbau dominiert der betriebswirtschaftliche Aspekt, weshalb die Auslegung im Kosten/Nutzen Optimum erfolgen sollte. Dieses ist in Abbildung 4 durch den orange hinterlegten Bereich gekennzeichnet und bedeutet solare Deckungsgrade am Gesamtwärmebedarf zwischen 12 und 20%. Solare Deckungsgrade unter 10% liegen außerhalb des Kosten/Nutzen-Optimums, da der damit erzielte (geringe) Anstieg des spezifischen Ertrags die spezifisch höheren Systemkosten eines kleineren Solarsystems nicht aufwiegt.
Die empfohlene spezifische Bruttokollektorfläche pro Person beträgt für einen Gesamtdeckungsgrad von 12% etwa 0,9 m² und bei einem Gesamtdeckungsgrad von 20% etwa 1,4 m².

Dimensionierung auf nahezu 100% Sommerdeckung

Dieser Ansatz der Dimensionierung ist aus ökologischer Sicht zu begrüßen, da das Solarsystem in den einstrahlungsreichen Monaten zu nahezu 100% die Deckung des Bedarfs an Brauchwarmwasser übernimmt. Der konventionelle Wärmeerzeuger kann also in dieser Periode ausgeschaltet bleiben. In der Regel kann dieser Fall bei Auslastungen kleiner als 950 kWh/a pro m² Bruttokollektorfläche erreicht werden.
Die für eine nahezu 100% Sommerdeckung erforderliche spezifische Bruttokollektorfläche liegt etwa bei 2 m² pro Person.

Abbildung 4: Nomogramm zur Bestimmung der Bruttokollektorfläche, des solaren Deckungsgrades und des spezifischen Ertrags (Standort Graz, Südausrichtung, 45° Neigung, Standard-Flachkollektor)

Kosten von Solarsystemen

Die Kostenentwicklung von Solarsystemen im Geschoßwohnbau zeigte sich in den letzten Jahren durchwegs positiv. Einerseits konnten die Kollektorkosten durch weitestgehend automatisierte Produktionsverfahren weiter reduziert werden, andererseits steigerten viele hundert realisierte Solarsysteme im Geschoßwohnbau die Zuverlässigkeit von Kostenkalkulationen, was die Bandbreite der möglichen Systemkosten deutlich einengte.

Der spezifische Systempreis beschreibt die Investitionskosten für das gesamte Solarsystem (Kollektorfläche, Kollektorverrohrung, Solarprimärkreis, Solarsekundärkreis, Energiespeicher inkl. Dämmung, Regelung, Montage, Inbetriebnahme und Dokumentation) bezogen auf die Bruttokollektorfläche. Bei kleinen Anlagen (20 - 30 m² Kollektorfläche) sind spezifische Systemkosten von 600 - 800 €/m² Kollektorfläche zu erreichen, diese sinken bei größeren Anlagen (300 - 400 m²) auf 400 - 500 €/m². Die Bandbreite des spezifischen Systempreises resultiert neben regionalen Unterschieden im wesentlichen aus projektspezifischen Gegebenheiten. Günstige Rahmenbedingungen (Dachintegration, Einspeichersysteme, kurze Verbindungsleitungen, etc.) reduzieren den spezifischen Systempreis, ungünstige Rahmenbedingungen (Kollektoraufständerung, Mehrspeicher-systeme, Erd- bzw. Freileitungen, lange Verbindungsleitungen, etc.) führen zu einer Erhöhung desselben.

Sind die spezifischen Systemkosten für Haustechniker die gebräuchlichste und aussagekräftigste Zahl, so interessieren Wohnbauträger viel mehr die spezifischen Kosten je m² Wohnnutzfläche. Erfahrungsgemäß liegen die spezifischen Mehrkosten für Solarsysteme etwa zwischen € 15/m² Wohnnutzfläche und € 35/m² Wohnnutzfläche. Das bedeutet einen Anteil an den gesamten Errichtungskosten für die Wohnung von etwa 1,5 bis 3%.

Druckfrisch...

Detailinformationen zu diesem Thema finden Sie im von der AEE INTEC aktuell erstellten Planungshandbuch "Solarunterstützte Wärmenetze im Geschoßwohnbau" (siehe Infokasten). Thematisch werden unter dem Gesichtspunkt des ganzheitlichen Ansatzes und der Praxistauglichkeit folgende Schwerpunkte behandelt:

  • Grundlagen
  • Integrale Planung
  • Verbrauchsermittlung
  • Gebäudeintegration
  • Anlagenhydraulik
  • Dimensionierung
  • Umsetzung und Betriebsführung
  • Kosten und Wirtschaftlichkeit
  • Und vieles mehr...

Solarunterstützte Wärmenetze im Geschoßwohnbau
Autoren: Christian Fink, Richard Riva
Kosten: € 29,80
Bestellungen unter:

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www.aee.at

 

*) Ing. Christian Fink und Ing. Richard Riva sind Mitarbeiter der AEE INTEC in Gleisdorf, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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