Zeitschrift EE

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2004-01: Wasserstoff und Brennstoffzellen

Energiepolitik

Heute werden 98% des verwendeten Wasserstoffs auf Basis von fossilen Energieträgern produziert. In der Wasserstoffdiskussion ist es wichtig, klarzustellen, dass Wasserstoff ein Energieträger oder Speichermedium ist. Keineswegs jedoch handelt es sich bei Wasserstoff um eine Energiequelle. Wasserstoff ist daher nur so umweltfreundlich wie die Technologie, mit der er produziert wird und daher an sich kein Garant für nachhaltige Entwicklung.

Grüner Wasserstoff

Von Christine Lins*

Der großflächige Ausbau von erneuerbaren Energieträgern stellt die beste Voraussetzung für die nachhaltige Produktion von Wasserstoff dar. Europa sollte sich an vorderster Front im Bereich Wasserstoffproduktion auf der Basis von erneuerbaren Energieträgern positionieren und den Marktvorsprung, den die europäische Industrie in diesem Bereich innehat, weiter ausbauen.
In Energiefachkreisen ist Wasserstoff in der Zwischenzeit in aller Munde. Von vielen hochgelobt als der Garant für Versorgungssicherheit und das zukünftige Energiemedium schlechthin, von anderen jedoch kritisch betrachtet als nicht grundsätzlich zu befürwortende Alternative, da Wasserstoff nur so umweltfreundlich ist wie die Technologie, mit der er produziert wird.
Heute werden 98% des verwendeten Wasserstoffs auf Basis von fossilen Energieträgern produziert. An diesem Prozentsatz wird sich voraussichtlich auch nichts ändern, wenn alternativen Produktionsquellen nicht mehr Bedeutung geschenkt wird.

European Renewable Energy Council

EREC, der European Renewable Energy Council, ein Dachverband von Europa's führenden Industrie-, Handels- und Forschungsverbänden im Bereich erneuerbare Energie, betont deshalb die Wichtigkeit einer objektiven Diskussion. In diesem Zusammenhang kann man grundsätzlich nicht davon sprechen, dass Wasserstoff auf alle Fälle "grün" oder umweltfreundlich ist. Genauso wie Energie nicht mehr oder weniger umweltfreundlich wird, wenn sie als Strom transportiert wird, kann Wasserstoff auch nicht für sich in Anspruch nehmen, die Umweltverträglichkeit der ihn produzierenden Energieträger zu verbessern.

Wasserstoff ist keine Energiequelle!

In der gesamten Wasserstoffdiskussion ist es wichtig, klarzustellen, dass Wasserstoff ein Energieträger oder Speichermedium ist. In diesem Sinn ist er einer Reihe von anderen Energiespeichermedien wie Wasserspeicher oder Batterien gleichzustellen. Keineswegs jedoch handelt es sich bei Wasserstoff um eine Energiequelle. Um Wasserstoff überall verfügbar zu haben, muss eine Primärenergiequelle mehrfach umgewandelt werden, was meistens mit hohem Kostenaufwand und Energieverlust verbunden ist. Zunächst bedarf es einer Stromerzeugung (im Idealfall aus erneuerbaren Energiequellen) - die erste Umwandlung, - dann der elektrolytischen Trennung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff - die zweite Umwandlung. Soll der Wasserstoff weiträumig transportiert werden, muss er mit hohem Energieaufwand gekühlt werden und verflüssigt werden - die dritte Umwandlung. In der Brennstoffzelle erfolgt die vierte Umwandlung in Strom und Wärme. Die Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Ökologie eines Energieträgers hängen aber davon ab, mit möglichst wenig Umwandlungsschritten und Transportaufwand auszukommen. Daraus ergibt sich: jede Form erneuerbarer Energie ist vorzuziehen, die direkt und ohne Umwege über Wasserstoff genutzt werden kann.
EREC wehrt sich gegen das Argument, dass der Ausbau von Wasserstofftechnologien ein notwendiger erster Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines nachhaltigen Energiesystems ist. Das oft verwendete Argument, dass erneuerbare Energieträger Wasserstofftechnologien für deren großflächigen Einsatz benötigen, ist vehement zurückzuweisen bzw. vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Wenn die Wasserstofftechnologie den reklamierten positiven Einfluss auf Umweltverträglichkeit haben soll, dann ist der großflächige Ausbau von erneuerbaren Energieträger dafür die Grundvoraussetzung. Wasserstoff ist eine ergänzende Option der künftigen Energieversorgung aus erneuerbaren Energien, keineswegs eine Voraussetzung für deren großflächige Nutzung.

Strom aus erneuerbaren Energieträgern

Im Moment sind wir weit davon entfernt, dass die Stabilität der Stromnetze durch den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energieträgern gefährdet wäre. In einigen Regionen Deutschlands oder Dänemarks werden beispielsweise mehr als 25% des Stromverbrauchs durch Windkraftanlagen bereitgestellt, ohne dass das Stromnetz überlastet ist. Europaweit liegt der Anteil von grünem Strom weit unter dem genannten Prozentsatz, zumal die Richtlinie zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern einen Prozentsatz von 22,1% bis zum Jahr 2010 vorsieht.
Ganz im Gegenteil ist ein ausgewogener Mix von erneuerbaren Energietechnologien wie Wasserkraft, Wind, Biomasse und Geothermie in der Lage, diese Stabilitätsprobleme auszugleichen.

Abbildung 1: Kleinwasserkraftwerk in Frankreich (Quelle: Ademe)

Aus den genannten Gründen fordert EREC, dass sich die Politik stärker der Förderung des umfangreich vorhandenen erneuerbaren Energiepotenzials widmet und diese nachweislich umweltfreundlichen Technologien forcieren sollte. In diesem Bereich sind noch eine Reihe von Maßnahmen notwendig, um bestmögliche Rahmenbedingungen für diese zukunftsweisenden Technologien zu schaffen. Eine europäische Direktive zur Produktion von Wärme aus erneuerbaren Energieträgern würde beispielsweise die im Wärmebereich verursachten CO2-Emissionen deutlich reduzieren und gleichzeitig die Bereiche Solarthermie und Biomasse stärken. Das Argument, Brennstoffzellentechnologie und Wasserstoff aus Umweltschutzgründen zu fördern, ist nur begrenzt gültig, wenn deren Ausbau vor dem großflächigen Ausbau von erneuerbaren Energieträgern passiert.

"Erneuerbarer Wasserstoff"

Um Klarheit in die zum Teil sehr verwirrende Diskussion zu bringen, schlägt EREC die Einführung des Begriffs "grüner oder erneuerbarer Wasserstoff" vor, der Hand in Hand mit der Definition für erneuerbare Energieträger gehen sollte. In Ermangelung genauer Unterscheidungskriterien zwischen Wasserstoff und aus erneuerbaren Energiequellen produziertem Wasserstoff läuft die EU Gefahr, dessen Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung zu diskreditieren.

In diesem Sinn beharrt EREC auf der Wichtigkeit des großflächigen Ausbaus von erneuerbaren Energieträgern, unter anderem durch den Abbau von bestehenden Barrieren wie Netzzugang oder Energiepreisverzerrungen, um erneuerbare Energieträger auf eine faire Basis mit konventionellen Energieträgern zu stellen. Dies stellt die beste Voraussetzung für die Produktion von "grünem" Wasserstoff dar.

Europa sollte sich - im Gegenzug zu den USA - an forderster Front im Bereich Wasserstoffproduktion auf der Basis von erneuerbaren Energieträgern positionieren und könnte dabei auf dem bereits bestehenden Marktvorsprung, den die europäische Industrie zweifelsohne im Bereich der erneuerbaren Energieträger innehat, aufbauen.

*) Mag. Christine Lins ist Generalsekretärin von EREC, des European Renewable Energy Council. EREC ist der Dachverband von Europa's führenden Industrie-, Handels- und Forschungsverbänden im Bereich erneuerbare Energie mit Sitz in Brüssel, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; www.erec-renewables.org [^]

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